1.
Ein elektromotorunterstütztes Rollstuhl-Zuggerät kann i.S.d. § 33 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 SGB V erforderlich sein, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, wenn der Versicherte aufgrund der Schwere seiner Erkrankung dauerhaft Anspruch auf Maßnahmen der physikalischen Therapie hat und die durch das beanspruchte Zuggerät unterstützte eigene körperliche Betätigung diese Therapie entweder wesentlich fördert oder die Behandlungsfrequenz infolge der eigenen Betätigung geringer ausfällt. Dies kann nur angenommen werden, wenn der verordnende Arzt - ggf. auf gerichtliche Nachfrage - darlegt, welche konkreten Ziele mit der physikalischen Therapie erreicht werden sollen, um sodann nachvollziehbar zu beschreiben, inwiefern das Rollstuhlzuggerät die Erreichung dieser Ziele in medizinischer Hinsicht fördert.
2.
Ein Rollstuhl-Zuggerät, mit dem die Erreichung von Geschwindigkeiten von über 6 km/h durch einen geräteimmanenten Elektromotor unterstützt wird, überschreitet im Rahmen des Ausgleichs einer Geh- bzw. Mobilitätsbehinderung (§ 33 Abs. 1 Satz 1 Var. 3 SGB V) stets das Maß des Notwendigen i.S.d. § 12 Abs. 1 Satz 1 SGB V (BSG, Urteil vom 30. November 2017, B 3 KR 3/16 R). Wenn besondere medizinische Aspekte im Einzelfall es erfordern, dass dem behinderten Versicherten eine über den Nahbereich seiner Wohnung hinausgehende Mobilität ermöglicht wird, kann aber ausnahmsweise gleichwohl ein Anspruch auf Versorgung mit einem solchen Zuggerät bestehen.
3.
Ein an einer Gehbehinderung leidender Versicherter kann ein elektromotorunterstütztes Rollstuhl-Zuggerät nach §§ 102 Abs. 1 Nr. 4, 113 Abs. 1 und 2 Nr. 8, 84 Abs. 1 SGB IX als Hilfsmittel zum Zwecke der sozialen Rehabilitation beanspruchen, wenn es erforderlich ist, um eine vom Versicherten konkret dargelegte Beeinträchtigung seiner sozialen Teilhabe auszugleichen. Unter mehreren zur Förderung der sozialen Teilhabe gleich geeigneten Leistungen kann der Versicherte diejenige beanspruchen, die ihm das höchste Maß an Selbstbestimmung lässt. Der Ausgleich einer sozialen Teilhabebeeinträchtigung in diesem Sinne kann auch darin bestehen, dass dem Versicherten gerade ein über den Wohnungsnahbereich hinausgreifendes Maß an Mobilität ermöglicht wird. Eine Begrenzung der Leistungspflicht des zuständigen Rehabilitationsträgers auf Rollstuhlzuggeräte, die maximal eine Geschwindigkeit von 6 km/h elektromotorisch unterstützen, besteht in einem solchen Fall nicht.
Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Itzehoe vom 29. November 2016 und der Bescheid der Beklagten vom 12. September 2013 in Gestalt des Widerspruchbescheids vom 30. April 2014 aufgehoben.
Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger mit dem Handkurbel-Rollstuhl-zuggerät „Speedy-Versatio“ (26 Zoll) zu versorgen.
Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Auslagen des Klägers im Vor-, Klage- und Berufungsverfahren zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Versorgung mit dem elektromotorunterstützten Handkurbel-Rollstuhlzuggerät „Speedy Versatio“ als Hilfsmittel zum Ausgleich seiner Behinderung.
Bei dem am 25. Januar 1981 geborenen, als Mitglied der Beklagten gesetzlich krankenversicherten Kläger besteht infolge eines Verkehrsunfalls am 3. Januar 2004, bei dem der Kläger Frakturen der Brustwirbelkörper Th5 bis Th8 erlitt, eine komplette Querschnittslähmung im thorakalen Rückenmark. Bei dem Kläger bestehen ausgeprägte Spastiken der Muskulatur des Beckenbodens und der Beine (spastische Paraplegie), ferner ist durch Spastiken der Harnblase deren Funktion beeinträchtigt, auch besteht infolge der Unfallverletzung eine neurogene (Mast-) Darmstörung mit zeitweiliger Stuhlinkontinenz. Der Kläger leidet bei beeinträchtigter Bauch- und Rumpfmuskulatur an chronischen Rückenschmerzen und an rezidivierenden depressiven Störungen unterschiedlicher Schweregrade. Er lebt alleine in einer barrierefreien Erdgeschosswohnung und erhält zweimal täglich Hilfe bei der Grundpflege durch einen ambulanten Pflegedienst, zudem noch zwei- bis dreimal täglich durch seine Mutter als private Pflegeperson. Insoweit erhält der (mit einem GdB von 100 schwerbehinderte) Kläger aktuell Leistungen der sozialen Pflegeversicherung gemäß des Pflegegrades 3. Versorgt ist der Kläger mit einem mechanisch durch Armkraft anzutreibenden Aktiv- bzw. Greifreifenrollstuhl, ohne welchen er sich nicht fortbewegen kann (insbesondere ist er nicht selbständig gehfähig). 2010 wurde die von dem Kläger aufgenommene Ausbildung zum Fachangestellten für Arbeitsförderung durch den Ausbildungsbetrieb beendet. Im Anschluss daran bezog der Kläger zunächst laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II), mittlerweile steht er im Bezug von Leistungen der Grundsicherung bei Erwerbsminderung nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) bei dem Beigeladenen.
Am 23. August 2013 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Versorgung mit dem elektroantriebunterstützten Handkurbel-Rollstuhlzuggerät „Speedy HP“ mit 26-Zoll-Reifen. Dem Antrag lag die Verordnung des Hausarztes des Klägers, des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. med. Peter B vom 25. Juli 2013 bei, der dem Kläger das Zuggerät „zur Sicherung der Mobilität und selbstbestimmten Lebensweise“ verordnet hatte. Zugleich legte der Kläger dem Antrag einen Kostenvoranschlag des Sanitätshauses der T vom 9. August 2013 über Anschaffungskosten für das Rollstuhlzuggerät nebst Zubehör in Höhe von 6.357,73 EUR vor (wobei in dem Kostenvoranschlag auch eine schwarze Sonderlackierung für den Preis von 147,00 EUR enthalten war). Dem Antrag lag schließlich ein Bericht des Hilfsmittelberaters Andreas Lange an die Beklagte vom 21. August 2013 bei, in dem unter Bezugnahme auf eine persönliche Unterredung des Klägers mit dem Berater am 16. August 2013 ausgeführt wurde, dass der Kläger das Zuggerät „Speedy HP“ bereits getestet und für gut befunden habe. Der Kläger benötige die Zughilfe primär dazu, um an der üblichen Lebensgestaltung seiner gleichaltrigen Freunde teilnehmen zu können; dazu sei eine Verbesserung der Mobilität des Klägers, die bislang allein über den manuellen Rollstuhl gewährleistet sei, erforderlich, um längere Strecken zurücklegen zu können. Zwar könne er sich im nahen Umfeld mit dem Aktivrollstuhl in ausreichender Weise bewegen, aber schon das Erledigen von Einkäufen falle dem Kläger wegen rasch eintretender Ermüdung zunehmend schwerer. Daher sei der zuschaltbare Elektromotorantrieb des begehrten Zuggeräts für den Kläger sinnvoll. Zudem stelle die Nutzung des Handkurbelgeräts eine kontinuierliche Beweglichkeitsübung für die Oberkörpermuskulatur des Klägers dar. Kosten für die Anschaffung des Geräts würden letztlich nur in Höhe von 5.664,91 EUR entstehen, weil er, der Hilfsmittelberater, gegenüber dem Sanitätshaus einen Preisnachlass von 8,5 % erreicht habe und zudem auf die nicht notwendige Sonderlackierung verzichtet werde.
Nachdem die Beklagte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) um Stellungnahme dazu gebeten hatte, ob die Voraussetzungen für eine Versorgung des Klägers mit dem Gerät „Speedy HP“ erfüllt seien, und der MDK mit schriftlichem, nach Aktenlage erstellten Gutachten vom 29. August 2013 erklärt hatte, dass aus den vorliegenden Unterlagen nicht erkennbar sei, dass der dem Kläger zur Verfügung gestellte Greifreifenrollstuhl nicht ausreiche, um die Gehbehinderung des Klägers auszugleichen, lehnte die Beklagte den klägerischen Antrag mit Bescheid vom 12. September 2013 ab. Krankenkassen seien nur dazu verpflichtet, einem in seiner Beweglichkeit eingeschränkten, behinderten Versicherten seine Bewegungsfreiheit als Grundbedürfnis zu sichern. Dieses Ziel sei bereits erreicht, wenn sich ein Versicherter im Nahbereich seiner Wohnung zielgerichtet und ungefährdet bewegen könne. Dies sei dem Kläger mit seinem Aktivrollstuhl möglich. Die von dem Kläger gewünschte weitergehende Unterstützung im Bereich der Mobilität durch Ausstattung mit dem begehrten Rollstuhlzuggerät sei hingegen nicht notwendig im krankenversicherungsrechtlichen Sinne. Das Bundessozialgericht (BSG) habe entschieden, dass das Zurücklegen längerer, über den Wohnungsnahbereich hinausreichender Wegstrecken nicht mehr der Sicherung eines gewissen körperlichen Freiraums diene, sondern als Freizeitbeschäftigung wie Radfahren oder Joggen anzusehen sei. Ein solches Bedürfnis sei von der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) nicht abzudecken.
Am 7. Oktober 2013 erhob der Kläger Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid und begründete diesen damit, dass ihn das begehrte Zuggerät beispielsweise in die Lage versetze, Einkäufe in einem 1,4 KM von seiner Wohnung entfernt liegenden Supermarkt zu tätigen. Dies könne er mit dem ihm zur Verfügung stehenden Rollstuhl mangels hinreichender Körperkräfte nicht bewerkstelligen. Das beantragte Hilfsmittel sei mithin dazu gedacht, ihn unabhängiger von der Hilfe anderer – insbesondere seiner Mutter – zu machen und ihm eine selbständigere Lebensführung zu ermöglichen. Das Handbike ermögliche ihm einen wichtigen Schritt in ein selbstbestimmteres Leben und hin zu mehr Eigenständigkeit. Derzeit müsse seine 20 KM entfernt wohnende Mutter ihn mit dem Auto zu sämtlichen Terminen fahren (zum Einkaufen, zu Arztbesuchen, zu Besuchen bei Freunden). Dies sei für seine Mutter einerseits schwierig zu organisieren, andererseits wolle und erwarte er es auch nicht, dass seine Familie und seine Freunde ihren Alltag nach seinen Terminen gestalteten. Daher sei eine Versorgung mit dem „Speedy HP“ unentbehrlich. Es gehe ihm hingegen nicht um die Gestaltung seiner Freizeit oder das Zurücklegen weiter Strecken. Es komme hinzu, dass die Nutzung des Handkurbel-Zuggeräts für ihn einen therapeutischen Nutzen habe; es unterstütze die von ihm regelmäßig wahrgenommene Krankengymnastik in der Praxis Böge. Im Übrigen habe das BSG in der Vergangenheit bereits einen Versorgungsanspruch mit einem Rollstuhl-Bike als Hilfsmittel bejaht. Zudem legte der Kläger eine Stellungnahme seines verordnenden Hausarztes vom 23. Oktober 2013 vor, nach welcher das Rollstuhlzuggerät „Speedy HP“ „dringend medizinisch erforderlich“ sei, um dem Kläger „die Teilnahme am täglichen Leben wieder zu ermöglichen“. Schließlich brachte der Kläger einen Befund- und Behandlungsbericht des ihn behandelnden Neurologen Dr. med. S vom 16. März 2014 bei.
Die Beklagte holte im Widerspruchsverfahren weitere Auskünfte vom MDK ein. In einem schriftlichen Gutachten vom 8. November 2013 gelangte dieser erneut zu der Einschätzung, dass der Beklagten die Versorgung des Klägers mit dem elektromotorunterstützten Rollstuhlzuggerät nicht empfohlen werden könne. Denn aufgrund der Nervenzerstörung in der Wirbelsäule des Klägers in Höhe des Brustwirbels Th5 stehe dem Kläger „die vollständige Kraftentfaltung in den Armen zur Verfügung“. Aus einem Pflegegutachten des MDK vom 8. November 2012 gehe zudem hervor, dass der Kläger über ein behindertengerechtes Kfz verfüge, mit dem er sich weitere Strecken im Außenbereich erschließen könne. In einer orthopädietechnischen Stellungnahme vom 24. Februar 2014 bestätigte der MDK seine Einschätzung aus dem Widerspruchsgutachten vom 8. November 2013. Es läge keine ärztliche Bestätigung darüber vor, dass bei dem Kläger Funktionseinschränkungen der oberen Extremitäten gegeben seien, so dass davon auszugehen sei, dass er insoweit seine Körperkräfte voll entfalten und sich den Nahbereich seiner Wohnung daher mit dem manuell zu bedienenden Rollstuhl ausreichend erschließen könne. Sollte der Kläger künftig doch Kraft- bzw. Funktionseinschränkungen seiner Arme belegen, entspräche es dem Wirtschaftlichkeitsgebot, dem Kläger einen im Vergleich zu dem begehrten Zuggerät kostengünstigeren Elektrorollstuhl zur Verfügung zu stellen.
Nachdem der Kläger im Widerspruchsverfahren unter Bezugnahme auf das MDK-Gutachten vom 8. November 2013 darauf insistiert hatte, dass ihm zwar zum Zeitpunkt der Erstellung des Pflegegutachtens durch den MDK am 8. November 2012 ein behindertengerechtes Auto zur Verfügung gestanden habe, dieses mittlerweile jedoch ausschließlich von seiner Mutter genutzt werde, weil sie das Fahrzeug zur Bewältigung ihrer Termine benötige (vgl. Schreiben des Klägers vom 3. Dezember 2013), wies die Beklagte den Widerspruch gleichwohl mit Bescheid vom 30. April 2014 zurück. Ein Handbike dürfe einem Versicherten – auch nach der von dem Kläger angeführten Rechtsprechung des BSG – nur dann als Hilfsmittel zur Verfügung gestellt werden, wenn es zur Sicherung der ärztlichen Behandlung oder zum Behinderungsausgleich erforderlich sei. Der Hausarzt des Klägers habe diesem das Zuggerät jedoch nicht aus therapeutischen Gründen verordnet. Auch zum Ausgleich seiner Behinderung sei das Rollstuhlzuggerät für den Kläger nicht erforderlich, weil er bereits mit einem Rollstuhl versorgt sei, mit dem er sich den Nahbereich seiner Wohnung ohne übermäßige Anstrengung und zudem schmerzfrei erschließen könne; damit sei das in den Verantwortungsbereich der GKV fallende allgemeine Grundbedürfnis an Mobilität befriedigt.
Am 23. Mai 2014 hat der Kläger Klage vor dem Sozialgericht Itzehoe erhoben. Zu deren Begründung hat er vorgebracht, dass seine Versorgung mit dem begehrten Handbike im Sinne des § 33 Abs. 1 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) erforderlich sei. Denn die alleinige Versorgung mit dem manuell zu bedienenden Rollstuhl sei für ihn nicht ausreichend, um sich ohne übermäßige Anstrengung und schmerzfrei den Nahbereich seiner Wohnung zu erschließen. Zum einen stehe ihm infolge der Querschnittslähmung – anders als die Beklagte bzw. der ihn persönlich zu keinem Zeitpunkt untersucht habende MDK meine – keine volle Kraftentfaltung in den Armen zur Verfügung, zum anderen habe seine dortige Kraft infolge der massiven Beanspruchung nach dem Verlust seiner Gehfähigkeit mittlerweile abgenommen. Daher sei es ihm nicht einmal möglich, mit dem Aktivrollstuhl einen in der Nähe seiner Wohnung belegenen Lebensmittel-Discountmarkt aufzusuchen, weil er dorthin eine Steigung überwinden müsse, auch könne er seinen behandelnden Hausarzt in H und seinen in Wacken ansässigen Physiotherapeuten ohne Fahrdienste seiner Mutter nicht erreichen, gleiches gelte sogar für das Gebäude des Jobcenters in Itzehoe. Auch zu Besuchen bei Freunden und überhaupt zum Zwecke der Teilnahme am sozialen Leben sei er beständig auf die Hilfe seiner Mutter angewiesen, weshalb ihm ein selbständiges Leben verwehrt sei. Aus diesem Grunde – um ihm die Teilnahme am täglichen Leben, insbesondere die selbständige Versorgung bzw. den Einkauf aber auch die Erledigung von Behördengängen, zu ermöglichen – habe sein Hausarzt Dr. B ihm das Zuggerät „Speedy HD“ verordnet; es gehe ihm und seinem Hausarzt hingegen nicht darum, ihm Spazierfahrten zum Vergnügen möglich zu machen.
Der Kläger hat vor dem Sozialgericht sinngemäß beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 12. September 2013 in Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 30. April 2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihn – den Kläger – mit einem Handbike „Speedy HP“ (26 Zoll) zu versorgen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung dieses Antrags hat sie auf ihre Ausführungen im streitbefangenen Widerspruchsbescheid verwiesen und ergänzend vorgebracht, dass sich aus der Verordnung vom 25. Juli 2013 und auch den sonstigen Einlassungen der den Kläger behandelnden Ärzte keine therapeutische Notwendigkeit für eine Versorgung mit dem begehrten Rollstuhlzuggerät ergebe. Vielmehr würden dort allein soziale Gesichtspunkte in Form der Erweiterung der „flächenmäßigen Selbständigkeit“ des Klägers geltend gemacht, die leider nicht Gegenstand des für die Hilfsmittelversorgung durch die GKV maßgeblichen Behinderungsausgleichs seien. Die Ermöglichung sozialer Kontakte und einer über den Nahbereich hinausreichenden Eigenständigkeit seien nicht Aufgabe der Krankenkassen.
Das Sozialgericht hat einen Befund- und Behandlungsbericht des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. med. B vom 28. April 2015 eingeholt, in dem dieser insbesondere ausführt, dass die Erhaltung und Verbesserung der Selbständigkeit des Klägers im Vordergrund stehen sollten, da dieser sich immer weiter aus dem gesellschaftlichen Leben zurückziehe. Mit dem verordneten Rollstuhlzuggerät wäre ihm ein Leben in der Gemeinschaft wieder möglich, insbesondere könne er damit die erforderlichen Strecken innerhalb Itzehoes zurücklegen. Mit dem Rollstuhl gelinge dies dem Kläger mangels Kraft und wegen der zu überwindenden Höhenunterschiede nicht; es wäre auch viel zu gefährlich, denn den Kläger könnten unterwegs seine Kräfte verlassen. Der Hausarzt des Klägers, Dr. B, hat seinem Bericht auch den Entlassungsbericht der Fachklinik für Neurologie und Frührehabilitation in P, in der sich der Kläger im August 2014 in stationärer Behandlung befunden hatte, vom 2. September 2014 beigefügt. Zudem hat das Sozialgericht einen Befund- und Behandlungsbericht des den Kläger behandelnden Neurologen Dr. med. S vom 8. Mai 2015 eingeholt, in dem der Arzt abschließend betont, aus nervenärztlicher Sicht sei die Versorgung des Klägers mit dem begehrten Handbike sinnvoll, um dessen Eigenständigkeit zu fördern.
Mit Urteil vom 29. November 2016 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zwar handele es sich bei dem verordneten Rollstuhlzuggerät um ein Hilfsmittel im Sinne des § 33 Abs. 1 SGB V, dieses sei jedoch weder zur Sicherung des Erfolgs einer Krankenbehandlung erforderlich, noch zum Ausgleich der Behinderung des Klägers. Dass das Zuggerät nicht im Rahmen eines ärztlich erarbeiteten und verantworteten Therapieplans zielgerichtet eingesetzt werden solle und auch nicht der Verringerung der Frequenz der von dem Kläger dauerhaft in Anspruch zu nehmenden physiotherapeutischen Behandlungen zu dienen bestimmt sei, ergebe sich aus den eingeholten Befund- und Behandlungsberichten, nach denen der Zweck der streitgegenständlichen Hilfsmittelverordnung darin bestehe, die Teilnahme des Klägers am Leben in der Gemeinschaft zu fördern. Im Rahmen des Behinderungsausgleichs sei vorliegend der Bereich des mittelbaren Behinderungsausgleichs betroffen, weil das Rollstuhlzuggerät lediglich die Folgen der verlorenen Gehfähigkeit des Klägers ausgleichen solle. In diesem Bereich sei die GKV nach ständiger Rechtsprechung des BSG nur dazu verpflichtet, Beeinträchtigungen des Versicherten durch seine Behinderung zu beseitigen oder wenigstens abzumildern, soweit sich diese Beeinträchtigungen in einem Grundbedürfnis des täglichen Lebens auswirkten. Zu den Grundbedürfnissen in diesem Sinne zähle u.a. auch die Erschließung eines gewissen körperlichen Freiraums. Die damit gemeinte Bewegungsmöglichkeit beschränke sich indes auf die Wohnung des Versicherten und den umliegenden Nahbereich, in welchem sich üblicherweise – nach einem abstrakten Maßstab – die Orte befänden, an denen die Alltagsgeschäfte erledigt würden. Da einem behinderten Versicherten mit einem Rollstuhl-Bike eine dem Radfahren vergleichbare, über den Wohnungsnahbereich hinausreichende Mobilität eröffnet würde, könne ein solches Hilfsmittel nach höchstrichterlicher Rechtsprechung schon grundsätzlich nicht zum Ausgleich einer Behinderung erforderlich sein. Auch eine der in der Rechtsprechung des BSG anerkannten Ausnahmen von der Begrenzung des Ausgleichs einer Mobilitätsbeeinträchtigung auf den häuslichen Nahbereich sei hier nicht gegeben. Insbesondere lägen bei dem Kläger keine qualitativen Momente vor, die das durch das „Speedy HP“ ggf. hinzuzugewinnende Mehr an Mobilität gerechtfertigt erscheinen ließen. Denn aus den vorliegenden Arztberichten ergäben sich keine funktionellen Einschränkungen
oder degenerative Veränderungen im Bereich der oberen Extremitäten des Klägers. Schließlich könne der Kläger das verordnete Rollstuhlzuggerät auch nicht als Leistung zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft beanspruchen. Das Zuggerät sei als ein diesem Zweck dienenden Hilfsmittel ausgeschlossen, weil es typischerweise die medizinische Rehabilitation zum Ziel habe.
Gegen dieses den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 2. Januar 2017 zugestellte Urteil richtet sich die am 13. Januar 2017 bei dem Schleswig-Holsteini-schen Landessozialgericht erhobene Berufung des Klägers.
Zur Begründung seiner Berufung macht der Kläger geltend, dass das Sozialgericht zu Unrecht bereits verneint habe, dass das Rollstuhlzuggerät zur Sicherung des Erfolgs seiner Krankenbehandlung im Sinne des § 33 Abs. 1 Satz 1 1. Var. SGB V erforderlich sei – obgleich das Sozialgericht die diesbezüglich durch das BSG herausgearbeiteten Tatbestandsvoraussetzungen zutreffend dargestellt habe. Seine, des Klägers, Fortbewegung mit dem elektroantriebunterstützten Zuggerät würde die notwendige Physiotherapie wesentlich fördern, insbesondere könnte er seine auswärtigen Therapietermine selbständig wahrnehmen. Da ihm dies durch die Verweigerungshaltung der Beklagten unmöglich gemacht worden sei, erhalte er mittlerweile dreimal wöchentlich Krankengymnastikeinheiten in seiner Wohnung. Dies habe das Sozialgericht außer Acht gelassen und allein auf den – neben der Förderung der Physiotherapie – auch bestehenden Zweck der begehrten Hilfsmittelversorgung, ihm, dem Kläger, eine verbesserte Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen, abgestellt. Dabei wäre das Sozialgericht nach dem Amtsermittlungsgrundsatz verpflichtet gewesen, hinsichtlich der positiven Einwirkung der streitbefangenen Hilfsmittelversorgung auf die von ihm, dem Kläger, in Anspruch genommene Physiotherapie weitere medizinische Ermittlungen anzustellen. Das Sozialgericht gehe auch in seiner Einschätzung fehl, wonach keine Erforderlichkeit der begehrten Versorgung zum Zwecke des mittelbaren Behinderungsausgleichs im Sinne des § 33 Abs. 1 Satz 1 3. Var. SGB V gegeben sei. Denn anders als das Sozialgericht offenbar meine, könne er, der Kläger, sich seinen Nahbereich eben nicht mit seinem Rollstuhl erschließen. Unter Nutzung desselben sei es ihm noch nicht einmal möglich, sich beim nahegelegenen Penny-Markt kostengünstig mit Lebensmitteln zu versorgen – worauf er als Empfänger von Leistungen nach dem SGB II angewiesen sei. Fehlerhaft habe das Sozialgericht zudem die rechtliche Prüfung unterlassen, ob ihm, dem Kläger, die begehrte Hilfsmittelversorgung nicht nach § 33 Abs. 1 Satz 1 2. Var. SGB V zum Zwecke der Vorbeugung vor dem Eintritt einer drohenden Behinderung zu gewähren sei, obgleich sich aus den erstinstanzlich eingeholten ärztlichen Befund- und Behandlungsberichten hinreichende Anhaltspunkte ergeben hätten, nach denen der Eintritt einer seelischen Behinderung aufgrund des durch die Nichtversorgung mit dem Handbike erzwungenen Rückzugs aus dem Leben innerhalb der Gesellschaft wahrscheinlich sei. Auch habe das Sozialgericht – trotz des Umstandes, dass im Rahmen der dortigen mündlichen Verhandlung thematisiert worden sei, dass die Beklagte seinen, des Klägers, Leistungsantrag zu keinem Zeitpunkt an einen Träger weitergeleitet habe, dem die soziale Rehabilitation obliege – verkannt, dass die Beklagte nach dem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch verpflichtet sei, ihn mit dem Rollstuhlzuggerät zu versorgen. Denn die Beklagte habe es pflichtwidrig unterlassen, ihn, den Kläger, darüber zu beraten, unter Einschaltung welchen anderen Sozialleistungsträgers er die begehrte Hilfsmittelversorgung hätte erhalten können. Des weiteren hat der Kläger mitgeteilt, dass er im Februar 2017 bei dem Jobcenter Steinburg die Versorgung mit dem Rollstuhlzuggerät beantragt und gegen dessen ablehnende Entscheidung (Bescheid vom 24. Mai 2017, Widerspruchsbescheid vom 30. Mai 2018) Klage vor dem Sozialgericht Itzehoe erhoben habe, wo der Rechtsstreit zum Aktenzeichen S 13 AS 569/18 anhängig sei. Schließlich hat der Kläger angezeigt, dass das verordnete Rollstuhlzuggerät „Speedy HP“ von der Herstellerin (der Speedy Reha-Technik GmbH) nicht mehr angeboten werde. Das aktuell hergestellte Nachfolgemodell des verordneten Zuggeräts sei das „Speedy Versatio“, dessen Zurverfügungstellung er nunmehr begehre. Der Kläger hat einen diesbezüglichen Kostenvoranschlag der T MediCenter GmbH aus I vom 4. Januar 2021 über 7.297,46 EUR vorgelegt. Auf Nachfrage hat der Kläger mitgeteilt, dass mit diesem Zuggerät eine Höchstgeschwindigkeit von 25 km/h erreicht werden könne.
Der Kläger beantragt,
- das Urteil des Sozialgerichts Itzehoe vom 29. November 2016 und den Bescheid der Beklagten vom 12. September 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. April 2014 aufzuheben,
- die Beklagte zu verurteilen, ihn – den Kläger – mit dem Rollstuhlzuggerät „Speedy Versatio“ (26 Zoll) zu versorgen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung verweist die Beklagte auf ihre Ausführungen im streitbefangenen Widerspruchsbescheid, ihren Vortrag im erstinstanzlichen Verfahren und auf die ihrer Ansicht nach zutreffenden Darlegungen des Sozialgerichts im angefochtenen Urteil. Zutreffend sind ihrer Auffassung nach insbesondere die Ausführungen des Sozialgerichts, nach denen die von dem Kläger begehrte Hilfsmittelversorgung auch im Hinblick auf das dauerhafte Angewiesensein des Klägers auf physiotherapeutische Maßnahmen nicht als Mittel zur Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung als erforderlich angesehen werden könne. Denn physiotherapeutisch behandelt werden müssten zuvorderst Muskelspastiken im Rücken und in den Beinen des Klägers. Auf die dortige Muskulatur wirke sich das Handkurbel-Zuggerät aber nicht aus, gestärkt würde ausschließlich die Arm- und Schultermuskulatur. Die von den behandelnden Ärzten wiederholt betonte soziale Eingliederung des Klägers, die mit der Inanspruchnahme des begehrten Rollstuhlzuggeräts verbunden sei, unterfalle nicht dem von der GKV geschuldeten Behinderungsausgleich.
Der Senat hat einen Befund- und Behandlungsbericht des Hausarztes Dr. B eingeholt und diesen schriftlich insbesondere dazu befragt, ob das verordnete Rollstuhlzuggerät geeignet sei, um die für den Kläger notwendigen physikalischen Therapien wesentlich zu fördern, sowie dazu, ob zu erwarten sei, dass sich die diesbezügliche Behandlungsfrequenz durch eine Nutzung des Rollstuhlzuggeräts durch den Kläger verringere. In seinem Bericht vom 23. Juni 2020 hat Dr. B eine Übersicht über die von ihm verordneten Krankengymnastikbehandlungen vorgelegt, die dem zentralen Nervensystem des Klägers zugutekommen sollten. Aus der Übersicht ist beispielhaft ersichtlich, dass der Hausarzt dem Kläger allein im Jahre 2017 neunmal Verordnungen über jeweils 20 KG-Einheiten ausgestellt hat. Nach den weiteren dortigen Ausführungen ist das 2013 verordnete Zuggerät in hohem Maße dazu geeignet, diese Therapien wesentlich zu fördern, weil es zu einer Verbesserung der muskulären Belastbarkeit bzw. Ausdauer des Klägers beitragen würde. Sicherlich, so Dr. B, „hätten so einige Einheiten eingespart werden können“. Mittlerweile sei es allerdings zu einem Muskelabbau und einem Verlust der Ausdauer bei dem Kläger gekommen, auch hätten die Spastiken zugenommen. Was aus seiner Sicht jedoch schwerer wiege, so Dr. B, sei, dass sich der Kläger in den vergangenen Jahren wegen des Fehlens eigenverantwortlicher und selbständiger Mobilität vermehrt aus der Gesellschaft zurückgezogen „und fast alle sozialen Kontakte verloren“ habe.
Der Senat hat den Kreis Steinburg als Eingliederungshilfeleistungsträger zum Verfahren notwendig beigeladen.
Der Beigeladene stellt keinen eigenen Antrag. Er führt aus, dass Hilfsmittel als Leistung zur sozialen Rehabilitation einem behinderten Leistungsberechtigten nur zur Verfügung zu stellen seien, soweit sie nicht – vorrangig – als Mittel der medizinischen Rehabilitation in Betracht kämen. Letzteres sei indes bei dem vom Kläger begehrten Rollstuhlzuggerät der Fall. Zudem halte er, der Beigeladene, den Vortrag des Klägers, wonach es ihm gesundheitlich nicht möglich sei, sich den Nahbereich seiner Wohnung mit dem vorhandenen Aktivrollstuhl zu erschließen, für nicht glaubhaft. Denn im gesamten Verfahren seien keine ärztlichen Berichte vorgelegt worden, die diesen Vortrag plausibilisieren würden. Im Übrigen variiere „die topographische Umgebung“ der klägerischen Wohnung auch nur „um wenige Meter“, wobei jedoch die konkreten Besonderheiten des Wohnortes nach der Rechtsprechung des BSG im Rahmen der Bestimmung des für den Behinderungsausgleich maßgeblichen Nahbereichs ohnehin irrelevant seien. Im Weiteren gehe man mit der klägerischen Einschätzung konform, dass aufgrund dessen sozialen Rückzugs hier der Eintritt einer seelischen Behinderung drohe. Allerdings stünden zur Vorbeugung deren Eintritts bzw. zur Verhinderung einer sozialen Isolation des Klägers andere Hilfsmittel als das begehrte Rollstuhlzuggerät zur Verfügung. Nicht nur könnte sich der Kläger den Nahbereich ggf. durch einen – von der Beklagten schon im Verwaltungsverfahren angebotenen – Elektrorollstuhl erschließen, auch stehe dem Kläger in I der weitestgehend mit behindertengerechten Niederflurbussen ausgestattete ÖPNV zur Verfügung. Schließlich sei der Kläger – nach einmaliger Antragstellung – berechtigt, den in seinem, des Beigeladenen, Auftrag durchgeführten kostenlosen Behindertenfahrdienst in Anspruch zu nehmen, mit dem die Berechtigten viermal monatlich Freizeitaktivitäten wie Museums- oder Kinobesuche, aber auch Verwandten- und Freundesbesuche in einem Umkreis von 50 Kilometern um den Wohnort durchführen könnten.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakte sowie der Gerichtsakte, die Gegenstand der Berufungsverhandlung vor dem Senat geworden sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
1.
Die nach § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht erhobene Berufung ist auch ansonsten zulässig. Der Wert des Beschwerdegegenstandes beläuft sich für den Kläger auf deutlich über 750,00 EUR, weshalb die Berufung nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG trotz des Umstandes, dass sich die Klage gegen einen auf eine Sachleistung (vgl. § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB V) bezogenen Verwaltungsakt richtet, ohne gesonderte Zulassung gegeben ist.
2.
Die Berufung ist auch begründet. Zu Unrecht hat das Sozialgericht die Klage auf Versorgung mit dem begehrten elektromotorunterstützten Handkurbel-Rollstuhl-zuggerät abgewiesen. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Sachleistungsanspruch auf Zurverfügungstellung des Zuggeräts „Speedy Versatio“ inne. Die diesen Anspruch, der seinerzeit noch auf die Versorgung mit dem Vorgängermodell des Zuggeräts (Speedy SP) gerichtet war, ablehnenden Bescheide der Beklagten vom 12. September 2013 und 30. April 2014 sind rechtswidrig und daher aufzuheben.
a)
Die mit klägerischem Schriftsatz vom 20. Januar 2021 angekündigte Umstellung des Leistungsantrags auf eine Versorgung mit dem elektromotorunterstützten Handkurbel-Rollstuhlzuggerät „Speedy Versatio“ ist prozessual unproblematisch zulässig. Nach § 99 Abs. 3 Nr. 3 SGG handelt es sich dabei nicht um eine (nur unter den Voraussetzungen des § 99 Abs. 1 SGG zulässige) Klageänderung. Der Kläger verlangt hier statt der ursprünglich geforderten Leistung eine andere Leistung, weil das ursprünglich begehrte Rollstuhlzuggerät von der Herstellerin nicht mehr produziert wird – worin eine „später eingetretene Veränderung“ im Sinne des § 99 Abs. 3 Nr. 3 SGG zu sehen ist. Da es sich bei dem nunmehr begehrten Zuggerät um das von der Herstellerin ausdrücklich als „Nachfolgemodell“ zum „Speedy HP“ bezeichnete Gerät handelt, ist der von § 99 Abs. 3 Nr. 3 SGG unausgesprochen vorausgesetzte inhaltliche bzw. materielle Zusammenhang zwischen der ursprünglich und der aktuell begehrten Leistung zweifelsfrei gegeben.
Dass das gesamte Verwaltungsverfahren und das Verfahren vor dem Sozialgericht sowie dessen Entscheidung dadurch eine Hilfsmittelversorgung zum Gegenstand hatten, die der Kläger nunmehr nicht mehr begehrt, ist – wie letztlich auch anhand des § 99 Abs. 3 Nr. 3 SGG ersichtlich – hinzunehmen und kann nicht dazu führen, hier etwa eine Erledigung des Rechtsstreits anzunehmen und den Kläger darauf zu verweisen, nunmehr ein Verwaltungsverfahren zum Zwecke der Versorgung mit dem Zuggerät „Speedy Versatio“ anzustrengen und ggf. im Anschluss daran erneut den Rechtsweg zu beschreiten. Dies würde eine Entscheidung über das Hilfsmittelbegehren des Klägers um Jahre hinaus verzögern und letztlich bedeuten, dass die sozialgerichtliche Verfahrenslaufzeit dazu führte, dass der Rechtsschutz für Versicherte in unzumutbarer Weise erschwert wäre. Auch das Fehlen einer auf das Rollstuhlzuggerät „Speedy Versatio“ lautenden ärztlichen Verordnung stellt kein rechtliches Hindernis für eine Entscheidung des Senats über das aktuelle Leistungsbegehren des Klägers dar. Denn die vertragsärztliche Verordnung im Sinne des § 73 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 SGB V des begehrten Hilfsmittels stellt (ebenso wenig wie seine Nennung im vom Gemeinsamen Bundesausschuss [GBA] erstellten Hilfsmittelverzeichnis) keine Voraussetzung für eine entsprechende Leistungspflicht der beklagten Krankenkasse dar (ständige Rechtsprechung BSG, Urteil vom 18. Mai 2011, B 3 KR 12/10 R, zitiert nach juris).
b)
Zutreffend hat das Sozialgericht erkannt, dass dem Kläger der von ihm verfolgte Anspruch auf Versorgung mit dem elektromotorunterstützten Rollstuhlzuggerät nicht aus § 33 Abs. 1 Satz 1. Var. 1 SGB V zusteht. Danach besteht ein Anspruch auf Versorgung mit einem Hilfsmittel, das im Einzelfall erforderlich ist, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, soweit das Hilfsmittel nicht als allgemeiner Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens anzusehen oder durch Rechtsverordnung des Bundes-Gesundheitsministeriums als Leistung der GKV ausgeschlossen ist. Eine solche Rechtsverordnung nach § 34 Abs. 4 SGB V besteht im Hinblick auf Rollstuhlzuggeräte nicht. Auch handelt es sich bei dem Rollstuhlzuggerät nicht um einen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens. Die Einordnung als allgemeiner Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens hängt davon ab, ob ein Gegenstand bereits seiner Konzeption nach den Zwecken des § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V dienen soll oder – falls dies nicht so ist – den Bedürfnissen erkrankter oder behinderter Menschen jedenfalls besonders entgegenkommt und von körperlich nicht beeinträchtigten Menschen praktisch nicht genutzt wird (BSG, Urteil vom 7. Oktober 2010, B 3 KR 5/10 R, SozR 4-2500 § 33 Nr. 32). Da Rollstuhlzuggeräte denklogisch allein von Rollstuhlfahrern genutzt werden, in ihrer Gehfähigkeit nicht schwer beeinträchtigte Menschen in der Regel indes keine Rollstühle benutzen, handelt es sich bei solchen Zuggeräten eindeutig um speziell für die Fortbewegung behinderter Menschen konzipierte Gerätschaften – und mithin nicht um Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens (die Hilfsmitteleigenschaft von Rollstuhlzuggeräten bejahend auch LSG Thüringen, Urteil vom 30. April 2013, L 6 KR 568/08, zitiert nach juris; Bayerisches LSG, Urteil vom 8. Dezember 2004, L 4 KR 59/04, zitiert nach juris).
Wie das Sozialgericht in dem angefochtenen Urteil ebenfalls zutreffend ausgeführt hat, dient ein sächliches Mittel der Sicherung des Erfolges einer Krankenbehandlung, soweit es spezifisch im Rahmen der ärztlich verantworteten Krankenbehandlung eingesetzt wird, um zu ihrem Erfolg beizutragen. Dabei kommt nur solchen Maßnahmen zur körperlichen Mobilisation ein Bezug zur ärztlich verantworteten Krankenbehandlung im Sinne von § 27 SGB V zu, die in einem engen Zusammenhang zu einer andauernden, auf einem ärztlichen Therapieplan beruhenden Behandlung durch ärztliche oder ärztlich angeleitete Leistungserbringer stehen und für die gezielte Versorgung im Sinne der Behandlungsziele des § 27 SGB V als erforderlich anzusehen sind. Diese Voraussetzungen liegen bei einer Hilfe zur körperlichen Betätigung vor, wenn der Versicherte aufgrund der Schwere der Erkrankung dauerhaft Anspruch auf Maßnahmen der physikalischen Therapie hat und die durch das beanspruchte Hilfsmittel unterstützte eigene körperliche Betätigung diese Therapie entweder wesentlich fördert oder die Behandlungsfrequenz infolge der eigenen Betätigung geringer ausfallen kann (BSG, Urteil vom 7. Oktober 2010, B 3 KR 5/10 R, SozR 4-2500 § 33 Nr. 32; BSG, Urteil vom 18. Mai 2011, B 3 KR 7/10 R, BSGE 108, 206 ff.; LSG Thüringen, Urteil vom 28. Februar 2012, L 6 KR 1202/07, zitiert nach juris).
Vor diesem Hintergrund hat der Senat den – dem Kläger in der Regel seine physiotherapeutischen Behandlungen verordnenden – Dr. B um Mitteilung dazu gebeten, ob das verordnete Handbike dazu geeignet ist (bzw. gewesen wäre), die mit der Physikalischen Therapie verfolgten Ziele wesentlich zu fördern, wobei konkret um Darlegung dazu gebeten wurde, worin eine solche ggf. anzunehmende wesentliche Förderung im Einzelnen liegen würde. Gleichzeitig hat der Senat den behandelnden Arzt auch um Mitteilung dazu gebeten, ob die Nutzung des seinerzeit begehrten Zuggeräts erwartbarerweise zu einer Verringerung der Behandlungsfrequenz hinsichtlich der Physiotherapien führen würde. In seinem Antwortschreiben vom 23. Juni 2020 hat der Hausarzt des Klägers zwar eine wesentliche Förderung der Physiotherapie-Ziele durch das Zuggerät bejaht, ist jedoch mit keinem Wort darauf eingegangen, worin genau die wesentliche Förderung besteht. Insoweit wäre aber zu erwarten gewesen, dass der Arzt zunächst einmal darlegt, welche konkreten Ziele mit der dauerhaft und in hoher Frequenz verordneten Krankengymnastik erreicht werden sollen, um sodann nachvollziehbar zu beschreiben, inwiefern das verordnete Rollstuhlzuggerät die Erreichung dieser Ziele in medizinischer Hinsicht fördert. Zur Behandlungsfrequenz hat Dr. B lediglich ausgeführt: „Sicherlich wären auch weniger Einheiten vonnöten gewesen und es hätten so einige Einheiten eingespart werden können.“ Diese Aussage ist zum einen recht vage, zum anderen scheint der Hausarzt des Klägers selbst nicht von einer ins Gewicht fallenden Verringerung der Behandlungsfrequenz auszugehen, worauf die Aussage hindeutet, dass – lediglich – „einige Einheiten“ obsolet geworden wären. Dr. B stellt in seinem Schreiben vom 23. Juni 2020 stattdessen das mit dem Zuggerät verfolgte Ziel der Sicherstellung von sozialer Teilhabe durch den Kläger in den Vordergrund und erklärt ausdrücklich, dieses wiege aus seiner Sicht schwerer als die Einsparungen hinsichtlich der Verordnung von Physiotherapie. Dies korrespondiert mit der Angabe des Hausarztes in seiner Verordnung des Rollstuhlzuggeräts vom 25. Juli 2013. Schon danach ist dem Kläger das Gerät ausdrücklich „zur Sicherung der Mobilität und selbstbestimmten Lebensweise“ verordnet worden. Die Einbindung des Geräts in einen ärztlichen Therapieplan ist zudem nicht im Ansatz auszumachen. Vor diesem Hintergrund kann die streitbefangene Rollstuhlzuggeräteversorgung des Klägers auch unter Berücksichtigung der vagen Aussicht auf eine Förderung der physiotherapeutischen Ziele und einer möglichen Frequenzverringerung hinsichtlich solcher Behandlungen von vornherein nicht als erforderlich zum Zwecke der Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung des Klägers angesehen werden.
c)
Der Senat pflichtet dem Sozialgericht auch darin bei, dass der von dem Kläger verfolgte Anspruch nicht zum Zwecke des krankenversicherungsrechtlichen Behinderungsausgleichs gegeben ist, der Kläger die begehrte Versorgung mithin nicht als Leistung der medizinischen Rehabilitation beanspruchen kann. Nach dem BSG handelt es sich im Rahmen der Hilfsmittelversorgung bei solchen Hilfsmitteln, die dem Behinderungsausgleich oder der Vorbeugung vor Behinderung dienen (§ 33 Abs. 1 Satz 1 Var. 2 und 3 SGB V), im Gegensatz zu Hilfsmitteln, die den Erfolg der Krankenbehandlung im Sinne des § 33 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 SGB V sicherstellen sollen, um Leistungen der medizinischen Rehabilitation (vgl. BSG, Urteil vom 8. August 2019, B 3 KR 21/18 R, zitiert nach juris; BSG, Urteile vom 15. März 2018, B 3 KR 18/17 R, NZS 2018, 815 ff.; B 3 KR 4/16 R, zitiert nach juris).
Nach § 33 Abs. 1 Satz 1 3. Var. SGB V haben Versicherte Anspruch auf die Hilfsmittelversorgung, die im Einzelfall erforderlich ist, um eine Behinderung auszugleichen. Dass bei dem Kläger im Hinblick auf die Querschnittslähmung, infolge derer seine Gehfähigkeit weggefallen ist, eine Behinderung im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX vorliegt, ist offenkundig und bedarf deshalb keiner näheren Erörterung.
Im Bereich des Behinderungsausgleichs nach § 33 Abs. 1 Satz 1 3. Var. SGB V ist zur Bestimmung der Reichweite des Leistungsanspruchs in der GKV – zumindest nach bisheriger ständiger BSG-Rechtsprechung – zunächst zwischen unmittelbarem und mittelbarem Behinderungsausgleich zu unterscheiden. Im Falle des unmittelbaren Behinderungsausgleichs wird das Hilfsmittel – unmittelbar – zur Ersetzung der ausgefallenen oder beeinträchtigten Körperfunktion selbst eingesetzt, wie das beispielsweise insbesondere bei Prothesen der Fall ist. Im Falle des mittelbaren Behinderungsausgleichs dient das Hilfsmittel hingegen dem Ausgleich der (direkten oder auch indirekten) Behinderungsfolgen (vgl. BSG, Urteil vom 15. März 2018, B 3 KR 18/17 R, a.a.O.). Während beim unmittelbaren Behinderungsausgleich das Gebot eines möglichst weitgehenden Ausgleichs des Funktionsdefizits unter Berücksichtigung des aktuellen Stands des medizinischen und technischen Fortschritts gilt, hat die GKV im Rahmen des mittelbaren Behinderungsausgleichs nur für einen Basisausgleich einzustehen; es geht nicht um einen Ausgleich im Sinne des vollständigen Gleichziehens mit den letztlich unbegrenzten Möglichkeiten eines gesunden Menschen. Denn Aufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung ist stets allein die medizinische Rehabilitation, also die möglichst weitgehende Wiederherstellung der Gesundheit und der Organfunktionen einschließlich der Sicherung des Behandlungserfolgs, um ein selbständiges Leben führen und die Anforderungen des Alltags meistern zu können. Eine darüberhinausgehende berufliche oder soziale Rehabilitation ist hingegen Aufgabe anderer Sozialleistungssysteme (vgl. z.B. § 5 Nr. 2 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch – SGB IX –: Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben oder § 5 Nr. 5 SGB IX: Leistungen zur sozialen Teilhabe). Ein Hilfsmittel zum mittelbaren Behinderungsausgleich ist von der gesetzlichen Krankenversicherung daher nur zu gewähren, wenn es die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder mildert und damit ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens betrifft (vgl. BSG, Urteil vom 25. Februar 2015, B 3 KR 13/13 R, zitiert nach juris). Dazu gehören das Gehen, Stehen, Sitzen, Liegen, Greifen, Sehen, Hören, die Nahrungsaufnahme, das Ausscheiden, die elementare Körperpflege, das selbständige Wohnen sowie die Erschließung eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums (BSG, a.a.O.).
Im vorliegenden Fall geht es – wie bei der Ausstattung mit einem Rollstuhl selbst – nicht um den unmittelbaren, sondern um einen mittelbaren Behinderungsausgleich im Bereich der Mobilität, weil durch das Hilfsmittel nicht das Gehen selbst ermöglicht wird (wie z.B. bei einer Beinprothese). Ausgeglichen werden lediglich die Folgen der Funktionslosigkeit der Beine. Der von dem Kläger mit dem „Speedy Versatio“ angestrebte Behinderungsausgleich betrifft das Bedürfnis nach Erschließung eines körperlichen Freiraums. Als Grundbedürfnis umfasst dieses die Bewegungsmöglichkeit in der eigenen Wohnung und im umliegenden Nahbereich mit einem Bewegungsradius, den ein nicht behinderter Mensch üblicherweise zu Fuß zurücklegt oder der mit einem vom behinderten Menschen selbst betriebenen Aktivrollstuhl erreicht werden kann. Räumlich ist dieser Nahbereich auf den unmittelbaren Umkreis der Wohnung des Versicherten als Ausgangs- und Endpunkt der Wege beschränkt, wobei allerdings nicht die konkreten Wohnverhältnisse des behinderten Menschen maßgebend sind. Vielmehr kommt es bei der Bestimmung des Nahbereichs einer Wohnung auf einen abstrakten Maßstab und nicht auf die konkreten Verhältnisse an, so dass es unerheblich ist, welche Entfernungen zwischen der Wohnung des Versicherten und den Praxen von Ärzten und Therapeuten sowie Supermärkten, Behörden etc. konkret zurückzulegen sind. Denn das BSG geht davon aus, dass diese Orte „standardmäßig“ innerhalb des Nahbereichs der Wohnung liegen (BSG, Urteil vom 25. Februar 2015, B 3 KR 13/13 R, a.a.O.). Es hält die konkrete Berücksichtigung des Wohnorts und des Wohnumfelds des Versicherten für nach der Konzeption des § 33 SGB V „weitgehend ausgeschlossen“; dies könne allein durch den Gesetzgeber „korrigiert“ werden (BSG, a.a.O.).
Hiervon ausgehend eröffnen Rollstuhlzuggeräte nach der Rechtsprechung des BSG schon ganz allgemein dem behinderten Menschen eine dem Radfahren vergleichbare Mobilität, die über den nach den dargelegten Grundsätzen bestimmten Nahbereich hinausgeht. Denn mit den Geräten können nicht nur die im Nahbereich der Wohnung liegenden Ziele erreicht, sondern auch erheblich darüberhinausgehende Entfernungen zurückgelegt werden (BSG, Urteil vom 30. November 2017, B 3 KR 3/16 R, FEVS 69, 534 ff., zum Zuggerät „Speedy Duo 2“). Bereits mit Urteilen vom 18. Mai 2011 (B 3 KR 7/10 R und B 3 KR 12/10 R, jeweils zitiert nach juris) hatte das BSG ausgeführt, dass ein Rollstuhl-Bike dem behinderten Menschen grundsätzlich eine dem Radfahren vergleichbare und somit über den Nahbereich hinausgehende Mobilität ermöglicht. Dieser Umstand hat in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung dazu geführt, dass ein Anspruch auf Hilfsmittelversorgung mit einem Rollstuhlzuggerät in der GKV regelmäßig abgelehnt wird, weil es an der Erforderlichkeit eines solchen Geräts zur Sicherstellung der im Bereich des mittelbaren Behinderungsausgleichs geschuldeten Basisversorgung mangele (vgl. beispielhaft LSG Thüringen, a.a.O.; LSG Saarland, Urteil vom 21. Oktober 2015, L 2 KR 92/14, ZFSH/SGB 2016, 40 ff.).
Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung kann allerdings ein Anspruch auf Hilfsmittelversorgung mit einem Rollstuhlzuggerät nach § 33 Abs. 1 Satz 1 3. Var. SGB V ausnahmsweise dann bestehen, wenn besondere qualitative Momente es erfordern, dass dem behinderten Versicherten eine über den Nahbereich hinausgehende Mobilität ermöglicht wird. Solche besonderen qualitativen Momente liegen vor, wenn der Nahbereich ohne das begehrte Hilfsmittel nicht in zumutbarer Weise erschlossen werden kann oder wenn eine über den Nahbereich hinausgehende Mobilität zur Wahrnehmung eines anderen Grundbedürfnisses notwendig ist (vgl. BSG, Urteile vom 18. Mai 2011, B 3 KR 7/10 R und B 3 KR 12/10 R, a.a.O.). Dies ist zum Beispiel dann der Fall, wenn die Erschließung des Nahbereichs ohne das begehrte Hilfsmittel unzumutbar ist, weil Wegstrecken im Nahbereich nur unter Schmerzen oder nur unter Inanspruchnahme fremder Hilfe bewältigt werden können oder die vom Hilfebedürftigen benötigte Zeitspanne erheblich über derjenigen liegt, die ein nicht behinderter Mensch für die Bewältigung entsprechender Strecken zu Fuß benötigt. Abzustellen ist dabei jeweils auf die Umstände des Einzelfalles. Ein besonderes qualitatives Moment kann hier nicht darin gesehen werden, dass der Kläger weite Distanzen zurückzulegen hat, um seinen Hausarzt in H und eine Physiotherapiepraxis in W aufsuchen zu können; ebenso hat in diesem Zusammenhang die von dem Kläger reklamierte Hügeligkeit seines Wohnumfeldes (die von dem Beigeladenen freilich in Abrede gestellt wird) außer Betracht zu bleiben. Denn das BSG hat in den genannten Urteilen vom 18. Mai 2011 ausdrücklich betont, dass im Zusammenhang mit der Prüfung dieser besonderen qualifizierenden Umstände, die ausnahmsweise eine Versorgung mit einem Rollstuhlzuggerät rechtfertigen können, ausschließlich auf die medizinischen Aspekte im Einzelfall abzustellen ist. Das konkrete Wohnumfeld hat hingegen außer Betracht zu bleiben, da nach wie vor der abstrakte, von den Besonderheiten des jeweiligen Wohnortes unabhängige Maßstab gilt (s.o.).
Medizinische Aspekte, die im Fall des Klägers die Versorgung mit einem Zuggerät erforderten, das ihm eine über den Wohnungsnahbereich hinausreichende Mobilität ermöglichte, sind hier nicht auszumachen. Insbesondere ist nicht durch medizinische Befunde belegt, dass die Armkraft des Klägers aufgrund eines konkreten Krankheitsbildes in einer Weise vermindert wäre, dass daraus eine Unmöglichkeit folgte, sich mit dem vorhandenen Aktivrollstuhl in der Umgebung seiner Wohnung fortbewegen zu können. Auch erfordern im Falle des Klägers keine anderen der o.g. Grundbedürfnisse, dass sich der Kläger zu deren Befriedigung aus dem Nahbereich im Sinne der BSG-Rechtsprechung hinausbewegen müsste.
Diese in der Rechtsprechung des BSG herausgearbeitete Systematik der Hilfsmittelversorgung zum Behinderungsausgleich gilt nach Einschätzung des Senats trotz der Betonung des hinsichtlich der Art und Weise eines Behinderungsausgleichs zu beachtenden Selbstbestimmungsrechts des behinderten Versicherten in der neuesten BSG-Rechtsprechung (BSG, Urteil vom 7. Mai 2020, B 3 KR 7/19 R, zitiert nach juris) fort. Denn das Gericht hält in seinem Urteil vom 7. Mai 2020 ausdrücklich daran fest, dass es im Rahmen der Sicherstellung des Grundbedürfnisses der Mobilität beim Behinderungsausgleich um die „zumutbare und angemessene Erschließung des Nahbereichs der Wohnung“ gehe. Auch ist der neuesten Rechtsprechung des BSG nicht zu entnehmen, dass die aus § 12 Abs. 1 SGB V folgenden Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Wirtschaftlichkeit für die Hilfsmittelversorgung aufgrund der in der Bundesrepublik im Rang einfachen Gesetzesrechts geltenden UN-Behindertenrechtskonvention (vgl. BVerfG, Beschluss vom 30. Januar 2020, 2 BvR 1005/18, NJW 2020, 1282 ff.) und insbesondere des im dortigen Art. 20 verbürgten Rechts des behinderten Menschen auf persönliche Mobilität keine Anwendung mehr finden sollten. Rollstuhlzuggeräte, mit denen eine Fortbewegungsgeschwindigkeit von mehr als 6 km/h ermöglicht wird, überschreiten im Rahmen des Ausgleichs einer Geh- bzw. Mobilitätsbehinderung jedoch stets das Maß des Notwendigen im Sinne des § 12 Abs. 1 Satz 1 SGB V und unterfallen deshalb nicht der Leistungspflicht der GKV (BSG, Urteil vom 30. November 2017, B 3 KR 3/16 R, a.a.O.). Unter einer „angemessenen“ Erschließung des Nahbereichs im Sinne des Urteils des BSG vom 7. Mai 2020 (B 3 KR 7/19 R, a.a.O.) ist zudem eine solche zu verstehen, die im Wesentlichen – und insbesondere im Hinblick auf die Geschwindigkeit – mit der Nutzung des Nahbereichs durch einen nichtbehinderten bzw. gehfähigen Menschen vergleichbar ist. Vergleichbar ist aber eine Erschließung mit einer Maximalgeschwindigkeit, die mehr als viermal so hoch ist wie ein schnelles Schritttempo von 6 km/h (so, wie sie der Kläger durch die Ausstattung mit dem Zuggerät „Speedy Versatio“, bei dem der elektrische Zusatzantrieb eine Geschwindigkeit von bis zu 25 km/h unterstützt, begehrt), nicht mehr.
d)
Dass der Kläger – wie er in der Berufungsbegründung vorgebracht hat – von einer seelischen Behinderung im Sinne des § 33 Abs. 1 Satz 1 2. Var. SGB V bedroht wäre, kann der Senat nicht feststellen. Der Kläger wäre nach § 2 Abs. 1 Sätze 1 und 2 SGB IX dann vom Eintritt einer Behinderung bedroht, wenn mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten stünde, dass seine seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher seine Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt sein wird, wobei eine solche Beeinträchtigung innerhalb eines überschaubaren Zeitraums erwartbarerweise eintreten müsste. In Abgrenzung von einem (akuten) Krankheitsgeschehen verlangt die Behinderung eine zeitliche Dauerhaftigkeit von mindestens sechs Monaten.
Der Kläger befindet sich in Behandlung bei dem Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. med. S in I. In dem im erstinstanzlichen Verfahren eingeholten Befund- und Behandlungsbericht vom 8. Mai 2015 hat der Arzt neben den im Zusammenhang mit der Querschnittslähmung bestehenden neurologischen Erkrankungen des Klägers eine rezidivierende depressive Störung und einen psychovegetativen Erschöpfungszustand diagnostiziert. Daraus allein lässt sich noch nicht die Erwartung des Eintritts einer seelischen Behinderung ableiten. Der Senat hat den Dr. S deshalb um Mitteilung dazu gebeten, ob nach seiner Einschätzung bei dem Kläger eine seelische Erkrankung bzw. eine auf psychiatrischem Fachgebiet anzusiedelnde Erkrankung besteht oder ob zumindest zu erwarten ist, dass bei dem Kläger aufgrund seines infolge der Querschnittslähmung eingetretenen sozialen Rückzugs eine psychiatrische und/oder seelische Behinderung eintreten wird. Zudem hat der Senat Dr. S schriftlich dazu befragt, ob und ggf. weshalb die Versorgung des Klägers mit dem o.g. Rollstuhlzuggerät seiner Ansicht nach erforderlich ist, um einen etwa drohenden Eintritt einer psychischen/seelischen Behinderung abzuwenden. In seinem Antwortschreiben vom 19. Februar 2021 verweist der behandelnde Neurologe und Psychiater indes lediglich auf seinen Befund- und Behandlungsbericht vom 8. Mai 2015 und führt aus, dass der Kläger nach dem 3. März 2015 keine Behandlungstermine mehr wahrgenommen – sondern die in den Jahren 2016 und 2016 vereinbarten weiteren sieben Termine allesamt wieder kurzfristig abgesagt – habe.
Es kommt hinzu, dass nicht erkennbar ist, inwieweit das begehrte Rollstuhlzuggerät im Sinne des § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V zur Vorbeugung vor dem Eintritt der – vom Kläger reklamierten – seelischen Behinderung erforderlich sein könnte. Eine solche Erforderlichkeit setzt zunächst in objektiver Hinsicht voraus, dass mit dem Hilfsmittel nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse ein therapeutischer Nutzen im Hinblick auf die Stabilisierung der gesundheitlichen Situation des Versicherten zu erwarten ist (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V; BSG, Urteil vom 15. März 2012, B 3 KR 2/11 R, NZS 2012, 740 ff.). Zudem müsste medizinisch festgestellt sein, dass – und also auch weshalb – eine beim Kläger konkret drohende Behinderung im seelischen bzw. psychischen Bereich gerade durch die Zurverfügungstellung des begehrten Rollstuhlzuggeräts vermieden werden könnte (vgl. BSG, a.a.O.). Dass gerade die Nutzung des Zuggeräts „Speedy Versatio“ und die dadurch eingeräumte Möglichkeit der Erreichung einer vergleichsweise hohen Fahrtgeschwindigkeit von 25 km/h zur Prävention einer dem Kläger drohenden mentalen Behinderung notwendig ist, erscheint fernliegend. Dem Kläger kann der streitbefangene Anspruch nach alledem auch nicht aus § 33 Abs. 1 Satz 1 Var. 3 SGB V zuerkannt werden.
e)
Dem Kläger steht der begehrte Anspruch auf Versorgung mit dem elektrounterstützten Handkurbel-Zuggerät „Speedy Versatio“ jedoch nach dem 6. Kapitel des seit dem 1. Januar 2020 das Eingliederungshilferecht beinhaltenden Teils 2 des SGB IX (Leistungen zur sozialen Teilhabe; §§ 113 ff. SGB IX) zu. Zur Erbringung einer entsprechenden sozialen Teilhabeleistung ist gegenüber dem Kläger die Beklagte (und nicht der Beigeladene) verpflichtet, obgleich Krankenkassen nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX grundsätzlich nicht Träger von Leistungen der sozialen Teilhabe (§ 5 Nr. 5 SGB IX) sein können. Denn aus § 14 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 SGB IX wird in ständiger Rechtsprechung des BSG gefolgert, dass der erstangegangene Rehabilitationsträger einen Antrag auf Teilhabeleistungen nach allen in Betracht kommenden Rechtsgrundlagen für Teilhabeleistungen unter Beachtung der besonderen persönlichen und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen der jeweiligen Leistungsgesetze zu prüfen hat, falls er – wie die Beklagte im vorliegenden Fall – den Antrag nicht an einen anderen, seiner Meinung nach sachlich zuständigen Leistungsträger weitergeleitet hat (vgl. nur BSG, Urteil vom 20. Oktober 2009, B 5 R 5/07 R, NJW 2010, 2236 ff.; BSG, Beschluss vom 3. Februar 2015, B 13 R 261/14 B, zitiert nach juris). Dadurch hat sich im Außenverhältnis zum Kläger eine formale Zuständigkeitsverschiebung von dem Beigeladenen als Träger der Eingliederungshilfe (vgl. § 1 Abs. 1 AG-SGB IX vom 22. März 2018; GVOBl. 2018, S. 94) auf die Beklagte als erstangegangenem Reha-Träger auch für den Fall ergeben, dass der streitgegenständliche Anspruch auf Vorschriften über Eingliederungshilfe zur sozialen Rehabilitation zu stützen und mithin der Beigeladene der originär leistungsverpflichtete Träger ist. Der Senat hat sich gleichwohl für eine Beiladung des Eingliederungshilfeträgers entschieden, weil das BSG von der Notwendigkeit einer Beiladung nach § 75 Abs. 2 1. Alt. SGG auch in dem Fall ausgeht, dass ein Nachrangverhältnis zwischen zwei Leistungsträgern besteht (vgl. BSG, Urteil vom 30. Juni 2016, B 8 SO 7/15 R, zitiert nach juris). Ein solches dürfte (auch) in dem Fall der Zuständigkeitsbegründung des erstangegangenen Trägers nach § 14 SGB IX zu bejahen sein.
Nach §§ 102 Abs. 1 Nr. 4, 113 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 8, 84 Abs. 1 SGB IX in der seit dem 1. Januar 2020 geltenden Fassung besteht im Rahmen der Leistungen zur sozialen Teilhabe als ein Bereich, für den Eingliederungshilfe geleistet werden kann, auch ein Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln. Leistungen zur sozialen Teilhabe werden danach erbracht, um dem behinderten Menschen eine gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen oder zu erleichtern, soweit sie nicht nach den Kapiteln 3 – 5 des 2. Teils des SGB IX erbracht werden (§ 113 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Hier sind die Rechtsgrundlagen des aktuell geltenden SGB IX anzuwenden. Denn der Kläger hat sich das streitbefangene Rollstuhlzuggerät bislang nicht selbst beschafft und verfolgt daher nach wie vor einen Sachleistungs- bzw. Versorgungsanspruch. Für ein solches Leistungsbegehren ist nach ständiger Rechtsprechung die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung des Tatsachengerichts maßgeblich (vgl. BSG, Urteil vom 15. März 2018, B 3 KR 4/16 R, zitiert nach juris; Sächsisches LSG, Urteil vom 15. September 2020, L 8 SO 30/19, zitiert nach juris; Keller, in Meyer-Ladewig/ Keller/Leitherer/Schmidt, 13. Aufl. 2020, § 54 Rn. 34). Ein Vorrangverhältnis im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 1 SGB IX besteht hier insbesondere zugunsten von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation im Sinne des 3. Kapitels des das Eingliederungshilferecht umfassenden 2. Teils des SGB IX nicht (Leistungen nach Kapitel 4 [Teilhabe am Arbeitsleben] und nach Kapitel 5 [Teilhabe an Bildung] kommen hier von vornherein nicht in Betracht). Denn die Eingliederungshilfeleistungen zur medizinischen Rehabilitation entsprechen nach § 109 Abs. 2 SGB IX den Rehabilitationsleistungen der GKV. Wie sich aus den vorstehenden Ausführungen zu Ziff. 2. lit. c) und d) ergibt, kann der Kläger das streitgegenständliche Rollstuhlzuggerät nicht als krankenversicherungsrechtliche Rehabilitationsleistung beanspruchen. Dies steht nach § 109 Abs. 2 SGB IX auch einem entsprechenden Anspruch als Reha-Leistung der Eingliederungshilfe entgegen.
Zu dem in § 113 Abs. 1 Satz 1 SGB IX genannten Ziel von Leistungen zur sozialen Rehabilitation – dem behinderten Menschen eine gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen oder zu erleichtern – gehört nach § 113 Abs. 1 Satz 2 SGB IX, Leistungsberechtigte zu einer möglichst selbstbestimmten und eigenverantwortlichen Lebensführung im eigenen Wohnraum sowie in ihrem Sozialraum zu befähigen oder sie hierbei zu unterstützen. Maßgeblich sind insoweit die Ermittlungen und Feststellungen nach dem 7. Kapitel des SGB IX (§ 113 Abs. 1 Satz 3 SGB IX). Leistungen zur sozialen Teilhabe sind gemäß § 113 Abs. 2 Nr. 8 SGB IX explizit auch Hilfsmittel, wobei die Hilfsmittel gemäß §§ 113 Abs. 3 SGB IX, 84 Abs. 1 Satz 1 SGB IX erforderlich sein müssen, um eine durch die Behinderung bestehende Einschränkung einer gleichberechtigten Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft auszugleichen. Die Leistungen zur sozialen Teilhabe haben zum Ziel, dem Leistungsberechtigten eine individuelle Lebensführung zu ermöglichen, die der Würde des Menschen entspricht, und die volle, wirksame und gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu fördern. Die Leistung soll sie befähigen, ihre Lebensplanung und -führung möglichst selbstbestimmt und eigenverantwortlich wahrnehmen zu können (vgl. § 90 Abs. 1 und 5 SGB IX).
Dem Anspruch auf Hilfsmittelversorgung zum Zwecke der sozialen Rehabilitation kommt nach Ansicht des Senats im Verhältnis zum Hilfsmittelanspruch zum Zwecke des Behinderungsausgleichs nach § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V eine Komplementärfunktion zu. Denn während das Hilfsmittel zur medizinischen Rehabilitation dem behinderten Menschen bei der Erschließung des Nahbereichs seiner Wohnung dienlich bzw. dazu geeignet sein muss, darf bzw. muss zum Zwecke der Abgrenzung der Leistungsansprüche voneinander ein der sozialen Teilhabe dienendes Hilfsmittel gerade zur Überwindung weiterer Distanzen und zur Verfolgung anderer Ziele als bloß der Wahrnehmung der nötigsten Geschäfte des Alltags geeignet sein (so im Ergebnis auch Sächsisches LSG, Urteil vom 15. September 2020, L 8 SO 30/19, zitiert nach juris). Dies entspricht dem Umstand, dass in § 113 Abs. 1 Satz 2 SGB IX ausdrücklich von dem „Sozialraum“ die Rede ist – und eben nicht nur vom Wohnungsnahbereich, wie es der überkommenen Rechtsprechung des BSG zur Sicherstellung des Grundbedürfnisses der Mobilität im Rahmen des mittelbaren Behinderungsausgleichs entspricht. Daraus wird deutlich, dass der Gesetzgeber im Rahmen der Leistungen zur sozialen Teilhabe den behinderten Menschen durchaus eine Hilfsmittelversorgung zur Verfügung stellen möchte, die es den Betroffenen ermöglicht, Strecken zurückzulegen bzw. Orte zu erreichen, die über den Nahbereich hinausreichen bzw. außerhalb dieses Nahbereichs liegen – wozu regelmäßig ein Hilfsmittel erforderlich sein wird, das höhere Geschwindigkeiten ermöglicht als die (schnelle) Schrittgeschwindigkeit von maximal 6 km/h. Das von dem Kläger begehrte Rollstuhlzuggerät ist schon seiner Konstruktion nach – insbesondere unter der Berücksichtigung, dass damit eine vergleichsweise schnelle und zugleich kräfteschonende Fortbewegung ermöglicht wird – darauf angelegt, deutlich größere Entfernungen mit ihm zurückzulegen als sie im Nahbereich zur Wohnung im Sinne der BSG-Rechtsprechung zurückzulegen sind. Zur Erschließung des Nahbereichs (beispielsweise zur Fortbewegung in Einkaufsläden) ist das Zuggerät „Speedy Versatio“ hingegen nicht geeignet – und auch nicht erforderlich, da dem Kläger zur Erschließung der unmittelbaren Wohnungsumgebung der Aktivrollstuhl zur Verfügung steht. Letzterer Gesichtspunkt verdeutlicht einmal mehr, dass der für den Anspruch auf Leistungen zur sozialen Teilhabe erforderliche Nicht-Vorrang von Leistungen der medizinischen Rehabilitation nach dem Kapitel 3 des SGB IX (§§ 109 ff. SGB IX) hier gegeben ist.
Das Bestehen eines Anspruchs auf Versorgung mit dem streitbefangenen Rollstuhl-Zuggerät aus den §§ 102 Abs. 1 Nr. 4, 113 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 8, 84 Abs. 1 SGB IX steht in Einklang mit dem von dem Kläger verfolgten Versorgungsziel, denn gerade die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft – und mithin die soziale Rehabilitation – steht insoweit im Vordergrund. Schon in der ursprünglichen Verordnung war als ärztliche Begründung aufgeführt: „zur Sicherung der Mobilität und selbstbestimmten Lebensweise“. Im Widerspruchsverfahren hat der Kläger mit Schreiben vom 27. Oktober 2013 wörtlich ausgeführt: „Ich wohne zwar alleine, habe aber trotzdem nicht wirklich die Möglichkeit, auch außerhalb meiner Wohnung einen möglichst hohen Grad an Selbstständigkeit zu erlangen. Darunter leidet natürlich mein soziales Umfeld sehr. Ich kann nicht erwarten und möchte es auch gar nicht, dass meine Familie und meine Freunde ihren Alltag nach meinen Terminen gestalten. Daher ist das beantragte Handbike zur Teilhabe am täglichen Leben für mich unentbehrlich, ja sogar dringend erforderlich. Es ist also kein Privatvergnügen, wenn ich ein motorunterstütztes Handbike benötige, sondern es ermöglicht mir einen wichtigen Schritt in ein selbstbestimmteres Leben und mehr Eigenständigkeit.“ Auch der seinerzeitige Hausarzt Dr. B hat im Widerspruchsverfahren mit Stellungnahme vom 23. Oktober 2013 ausgeführt, dass das Rollstuhlzuggerät dazu dienen solle, dem Kläger wieder die Teilnahme am täglichen Leben zu ermöglichen. Diese Äußerungen ziehen sich auch durch das erstinstanzliche Verfahren. In seinem Bericht an das Sozialgericht vom 28. April 2015 betont Dr. B, dass hinsichtlich der Hilfsmittelverordnung die Verbesserung und Erhaltung der Selbständigkeit des Klägers im Vordergrund stehe; mit dem Rollstuhlzuggerät wäre ihm das Leben in der Gemeinschaft wieder möglich und sein sozialer Rückzug könne gestoppt werden. Auch der den Kläger behandelnde Neurologe und Psychiater hat in seinem Bericht vom 8. Mai 2015 ausdrücklich erklärt, dass die Versorgung mit dem Zuggerät aus nervenärztlicher Sicht sinnvoll sei, um die Eigenständigkeit des Klägers zu fördern. Ein sozialer Teilhabebedarf des Klägers ist mithin aus der Akte deutlich erkennbar.
Der Senat hegt auch keine durchgreifenden Zweifel an der Rehabilitationsfähigkeit des Klägers. Dass die Rehabilitationsfähigkeit Voraussetzung für die Gewährung von Teilhabeleistungen nach dem SGB IX ist, folgt aus den von der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation herausgegebenen Gemeinsamen Empfehlungen zum Reha-Prozess (https://www.barfrankfurt.de/fileadmin/dateiliste/ _publikationen/reha_vereinbarungen/pdfs/GEReha-Prozess.BF01.pdf), bei denen es sich um das hauptsächliche Instrument zur Ermittlung des Rehabilitationsbedarfs im Sinne der §§ 12 und 13 SGB IX handelt (vgl. Götze, in Hauck/Noftz, SGB IX, Werksstand 01/2020, § 12 Rn. 7 f.). Nach § 10 Abs. 3 der Gemeinsamen Grundsätze zum Reha-Prozess sind Leistungen zur Teilhabe angezeigt, wenn eine individuelle Rehabilitationsbedürftigkeit und Rehabilitationsfähigkeit festgestellt ist und sich ein Rehabilitationsziel mit positiver Rehabilitationsprognose konkretisieren und formulieren lässt. Nach § 9 der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über Leistungen zur medizinischen Rehabilitation (Rehabilitations-Richtlinie) vom 16. März 2004 (BAnz Nr. 63, S. 6769) in der Fassung vom 16. März 2017 (BAnz AT vom 8. Juni 2017 B1) sind Versicherte rehabilitationsfähig, wenn sie aufgrund ihrer somatischen und psychischen Verfassung die für die Durchführung und Mitwirkung bei der Leistung zur medizinischen Rehabilitation notwendige Belastbarkeit und Motivation oder Motivierbarkeit besitzen. Diese Begriffsbestimmung besitzt auch im Hinblick auf Leistungen zur sozialen Rehabilitation Gültigkeit. Dr. B führt zwar in seinem Bericht vom 23. Juni 2020 aus, dass sich der Kläger „in den letzten Jahren vermehrt zurückgezogen“ und fast alle sozialen Kontakt verloren habe; zudem seien „Folgeschäden“ in Form von Muskel-abbau, vermehrtem Auftreten von Spastiken und einem Verlust der körperlichen Ausdauer eingetreten. Dies führt jedoch nicht zur Verneinung der Reha-Fähigkeit des Klägers. Denn dass Muskelmasse abgebaut wird, wenn die Muskeln nicht trainiert werden, stellt ebenso wie der Umstand, dass bei mangelnder körperlicher Betätigung die körperliche Ausdauer abnimmt, eine allseits bekannte Selbstverständlichkeit dar, aber keine gesundheitliche (Folge-) Schädigung. Vielmehr unterstreicht der offenbar schwächliche Kraft- bzw. Gesundheitszustand des Klägers die Sinnhaftigkeit der begehrten Versorgung (vgl. dazu auch Sächsisches LSG, a.a.O., nach dem auch eine positive Auswirkung des Mobilitätshilfsmittels auf die gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Leistungsberechtigten dazu geeignet sein soll, um die Erforderlichkeit der Hilfsmittelversorgung hinsichtlich des sozialen Rehabilitationsbedarfs zu begründen). Gleiches gilt hinsichtlich des infolge nicht ausgeübter körperlicher Betätigen vermehrten Auftritts von Muskelspastiken.
Der Kläger hat zudem in der mündlichen Verhandlung am 23. Februar 2021 Ausführungen getätigt, aus denen deutlich geworden ist, dass es dem Kläger bei der von ihm begehrten Hilfsmittelversorgung nicht um die bloße Ermöglichung von Mobilität bestellt ist, sondern dass er eine verbesserte soziale Teilhabe im Sinne eines intensiveren Kontakts zu anderen Menschen intendiert. So hat der Kläger unter anderem zu Protokoll erklärt, dass er das Zuggerät auch zu Besuchsfahrten bei seinen circa sechs Kilometer entfernt lebenden Freunden und seinen circa 17 bis 18 Kilometer entfernt lebenden Eltern zu nutzen gedenke.
Daraus folgt nach Ansicht des Senats, dass das streitbefangene Rollstuhl-Zug-gerät auch notwendig zur Erreichung des von dem Kläger in rechtlich anerkennenswerter Weise verfolgten Teilhabeziels ist. Nach § 4 Abs. 1 SGB IX stehen Leistungen zur Teilhabe stets unter dem Vorbehalt der Notwendigkeit. Das BSG sieht eine solche Notwendigkeit grundsätzlich nur dann als gegeben an, wenn die konkret begehrte Teilhabeleistung zur Erreichung des konkreten Teilhabeziels unentbehrlich ist und das Teilhabeziel somit nicht auch auf anderem Wege – ohne Inanspruchnahme der Teilhabeleistung – erreichbar ist (vgl. BSG, Urteil vom 12. Dezember 2013, B 8 SO 18/12 R, FEVS 66, 5 ff.; BSG, Urteil vom 8. März 2017, B 8 SO 2/16 R, ZFSH/SGB 2017, 547 ff.). Eine danach grundsätzlich möglich erscheinende Verweisung auf die Inanspruchnahme des ÖPNV oder den im Kreis Steinburg angebotenen Behindertenfahrdienst ist vorliegend unter Berücksichtigung, dass Leistungen zur sozialen Teilhabe den behinderten Menschen nach § 113 Abs. 1 Satz 2 SGB IX zu einer möglichst selbstbestimmten und eigenverantwortlichen Lebensführung in ihrem Sozialraum befähigen sollen, nicht rechtmäßig. Die Notwendigkeit einer Teilhabeleistung im Sinne des § 4 Abs. 1 SGB IX muss im Lichte der gesetzlich avisierten Teilhabeziele bestimmt werden. Unter mehreren zur Förderung der sozialen Teilhabe gleich geeigneten Leistungen ist daher nach Ansicht des Senats derjenigen der Vorzug zu geben, die dem Leistungsberechtigten das höchste Maß an Selbstbestimmung lässt. Daher hat der Kläger hier Anspruch auf Versorgung mit dem Rollstuhlzuggerät „Speedy Versatio“ als Leistung der sozialen Rehabilitation.
Daran ändert sich nichts aufgrund des Umstandes, dass dieses Zuggerät den Kläger in den Stand versetzt, mithilfe des elektromotorischen Hilfsantriebs 25 km/h schnell zu fahren. Im Hinblick auf die Notwendigkeit der Versorgung mit einem konkreten Hilfsmittel zur Ermöglichung einer (verbesserten) sozialen Teilhabe sind die Umstände des zu beurteilenden Einzelfalls maßgeblich (zum individuellen und personenzentrierten Maßstab, der regelmäßig einer pauschalierenden Betrachtung des Hilfefalls entgegensteht vgl. auch schon BSG, a.a.O.). Das bedeutet hier, dass von entscheidender Relevanz ist, dass der Kläger zur Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft – wie er im Rahmen der Berufungsverhandlung plausibel und substantiiert dargelegt hat – (auch) seine Freunde und Eltern eigenständig besuchen möchte; diese wohnen im einen Fall circa sechs, im anderen Fall zwischen 17 und 18 Kilometer von seiner Wohnung entfernt. Dies sind Entfernungen, die nicht behinderte Menschen – vor die Wahl der Fortbewegung zu Fuß oder mit dem Fahrrad gestellt – üblicherweise nicht mehr zu Fuß zurücklegen, sondern per Fahrrad (die Mobilität mit dem Auto und dem ÖPNV hat hier außer Betracht zu bleiben, weil dem Kläger ein Kfz nicht mehr zur Verfügung steht und die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel dem Kläger keine im Verhältnis zur Nutzung des Rollstuhls mit elektromotorgestütztem Handkurbelantrieb vergleichbare Eigenständigkeit bei der Mobilität verschafft). Demnach erachtet der Senat die Versorgung des Klägers mit dem Rollstuhlzuggerät „Speedy Versatio“ gerade auch unter Berücksichtigung der mit diesen erreichbaren zügigen Geschwindigkeiten für notwendig zur Verbesserung seiner sozialen Teilhabe.
Schließlich hat der Kläger zu der Hilfsmittelversorgung keinen Eigenbeitrag aus seinem Einkommen zu leisten, weil er Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII bezieht (§ 138 Abs. 1 Nr. 8 SGB IX). Auch ein vorgängiger Vermögens-einsatz nach § 139 f. SGB IX hat nicht zu erfolgen. Nach der Vermögensauskunft des Klägers vom 16. Februar 2021 beläuft sich sein (Gesamt-) Vermögen auf ein Guthaben auf einem Giro- und einem Sparkonto in einer Gesamthöhe von 841,39 EUR. Barvermögen und sonstige Geldwerte sind nach § 139 Satz 2 SGB IX bis zu einem Betrag in Höhe von 150 % der jährlichen Bezugsgröße im Sinne des § 18 Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch geschützt bzw. nicht vorrangig einzusetzen. Der Betrag von 150 % der jährlichen Bezugsgröße beläuft sich für das Jahr 2021 auf 59.220,00 EUR und überschreitet damit den Gesamtbetrag des klägerischen Vermögens bei weitem.
3.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG. Sie folgt dem Ausgang des Rechtsstreits in der Hauptsache und entspricht deshalb billigem Ermessen. Eine Überwälzung auch der Kosten des Beigeladenen auf die Beklagte erscheint hier vor dem Hintergrund, dass der zuerkannte Anspruch im Eingliederungshilferecht des SGB IX wurzelt, nach billigem Ermessen nicht angezeigt.
4.
Gründe, die nach § 160 Abs. 2 SGG die Zulassung der Revision erforderten, liegen nicht vor.