L 3 AS 105/20

Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
3.
1. Instanz
SG Schleswig (SHS)
Aktenzeichen
S 4 AS 488/16
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 3 AS 105/20
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss

Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 25. Juni 2020 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

Die miteinander verheirateten Kläger beziehen seit 2012 von dem Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch, 2. Buch (SGB II). Sie führen und führten zahlreiche Rechtsstreitigkeiten um die Rechtmäßigkeit der Leistungsgewährung des Beklagten.

Mit Schriftsatz vom 1. Oktober 2016, eingegangen bei dem Sozialgerichts Schleswig am 7. Oktober 2016, mit dem sie sich darüber hinaus gegen Ergebnisse mehrerer am 9. September 2016 durchgeführter mündlicher Verhandlungen in etlichen Verfahren wandten, haben sie eine „Vorschussgewährung zur Krankeneinweisung mit Anfahrtskostenvorschuss, Parkgebühren und Aufenthaltskosten im Krankenhaus von 10 € täglich“ begehrt. Sie führten aus, die OP habe nicht durchgeführt werden können. Diese sei von einem Hausarzt angeordnet worden. Das sei unterlassene Hilfeleistung. Beigefügt waren diesem Schreiben ein Fragment einer Aufklärungsverfügung über die Behandlung eines Abszesses bzw. einer eitrigen Fistel vom 24. Oktober 2013 und ein Attest der hausärztlichen Praxis H und P vom 8. April 2016, mit dem diese bestätigten, dass die Klägerin zu 1.)  am 23. Oktober 2013 dort eine Einweisung zur stationären Behandlung erhalten habe. In der mündlichen Verhandlung vom 25. Juni 2020 hat die Klägerin zu 1.) vorgetragen, es habe seinerzeit von ihrem behandelnden Arzt eine Noteinweisung in ein Krankenhaus gegeben. Das Datum könne sie nicht mehr erinnern, es müsse im Oktober 2016 gewesen sein. Sie habe sich auf 10 Tage Krankenhausaufenthalt einstellen können, aber die 10 EUR Eigenanteil pro Tag nicht aufbringen können. Außerdem sei es nicht möglich gewesen, am Krankenhaus einen kostenlosen Parkplatz zu finden. Deshalb sei sie dann zum Jobcenter gefahren und habe gefragt, ob sie einen Vorschuss bekommen könne, um alles zu regeln. Das sei abgelehnt worden. Sie habe das als unterlassene Hilfeleistung empfunden.

Die Kläger haben keinen konkreten Antrag gestellt.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat vorgetragen, es lägen ihm auch nur die ärztlichen Bescheinigungen vor. Eine Entscheidung oder gar ein Bescheid sei aus den dort vorhandenen Unterlagen nicht ersichtlich.

Mit Urteil vom 25. Juni 2020 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klage müsse als Leistungsklage verstanden werden, könne aber keinen Erfolg haben. Eine Grundlage für den geltend gemachten Anspruch sei nicht ersichtlich. Zu denken wäre allenfalls an den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch, dessen Voraussetzungen aber nicht vorlägen. Es lasse sich dem Vorbringen der Kläger weder eine Pflichtverletzung des Beklagten noch ein eingetretener Schaden oder gar dessen Bezifferung entnehmen. Mangels jeglicher Konkretisierung komme auch eine Verweisung des Rechtsstreites an die ordentlichen Gerichte wegen einer möglichen Amtspflichtverletzung nicht in Betracht.

Gegen dieses ihnen am 26. September 2020 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Kläger, die bereits am 7. September 2020 bei dem Sozialgericht Schleswig eingegangen ist.

Die Kläger tragen vor, es bleibe bei den Anträgen zur vollumfänglichen Wiedergutmachung auch bezogen auf das Verfahren ist S 4 AS 488/16.

Sinngemäß beantragen sie,

das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 25. Juni 2020 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihnen für die verweigerte Vorschusszahlung Wiedergutmachung zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

          Die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat die Kläger mit Schreiben vom 8. Februar 2021 darauf hingewiesen, dass er die Berufung einstimmig für unbegründet hält und es daher beabsichtigt sei, diese mit Beschluss zurückzuweisen. Die Kläger erhielten Gelegenheit zur Stellungnahme.

Ergänzend wird hinsichtlich des Sach- und Streitstandes auf die Schriftsätze der Beteiligten, sowie den weiteren Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen.

II.

Der Senat konnte gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Beschluss über die Berufung entscheiden, weil er sie einstimmig für unbegründet hält und er die Kläger zuvor dazu angehört hat.

Es bestehen bereits Zweifel an der Zulässigkeit der fristgerecht erhobenen Berufung. Das Sozialgericht ist ausweislich der dem Urteil vom 25. Juni 2020 angefügten Rechtsmittelbelehrung zwar von der Statthaftigkeit der Berufung gegen sein Urteil ausgegangen, jedoch bestehen insoweit Zweifel, ob der Beschwerdewert 750,- EUR tatsächlich übersteigt. Dies ist indessen gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt und nicht wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft, erforderlich, sofern die Berufung nicht gemäß § 144 Abs. 2 SGG gesondert zugelassen wird.

Der Sache nach geht es den Klägern aber um Zuzahlungen für einen 10-tägigen Krankenhausaufenthalt. Diese Zuzahlungen betragen gemäß § 61 Satz 2 Sozialgesetzbuch, 5. Buch (SGB V) 10,- EUR pro Kalendertag, also hier insgesamt 100,- EUR. Zudem sind Zuzahlungen zu Krankenbehandlungen in einem Kalenderjahr nur bis zur Belastungsgrenze gemäß § 62 SGB V in Höhe von 2 % der jährlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt zu zahlen. Bei Leistungsbeziehern nach dem SGB II ist dabei gemäß § 62 Abs. 2 Satz 6 SGB V nur der Regelbedarf für einen Alleinstehenden gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II maßgeblich. Ausgehend von einem Regelbedarf für einen alleinstehenden im Kalenderjahr 2016 in Höhe von 364,- EUR monatlich, entsprechend 4.368,- EUR jährlich, hätte die Klägerin zu 1.) im Kalenderjahr 2016 daher nur Zuzahlungen in Höhe von maximal 87,36 EUR entrichten müssen. Im Kalenderjahr 2013 wäre dieser Betrag wegen des niedrigeren Regelbedarfs noch etwas niedriger gewesen.

Es erscheint nicht sonderlich wahrscheinlich, dass der in § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG genannte Wert unter Hinzurechnung der ebenfalls von den Klägern angesprochenen Kosten für einen Parkplatz vor dem Krankenhaus erreicht wird.

Letztendlich kann dies aber offenbleiben, denn die Berufung ist jedenfalls nicht begründet.

Den Klägern ging es augenscheinlich um einen Vorschuss für unabweisbare Kosten, die sie nicht aus den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln decken konnten. Ob diese Kosten (Zuzahlung für den Krankenhausaufenthalt, Parkgebühren) 2016 entstanden sind, wie die Klägerin zu 1.) nunmehr vorgetragen hat, oder bereits 2013, worauf die übersandten ärztlichen Bescheinigungen hindeuten, lässt sich nicht abschließend aufklären. Das SGB II sah sowohl im Oktober 2013 als auch im Oktober 2016 für solche Fälle die Möglichkeit einer Darlehensgewährung gemäß § 24 Abs. 1 SGB II vor. Danach gewährt der Grundsicherungsträger dem Leistungsberechtigten ein Darlehen oder gewährt eine Sachleistung, wenn im Einzelfall ein vom Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhaltes umfasster und nach den Umständen unabweisbarer Bedarf nicht gedeckt werden kann. Eine Sachleistung war für den hier geltend gemachten Bedarf ungeeignet, sodass lediglich die Gewährung eines Darlehens in Betracht gekommen wäre. Über dieses Begehren hätte aber durch Verwaltungsakt gemäß § 31 Sozialgesetzbuch, 10. Buch SGB X entschieden werden müssen. Ein entsprechender Verwaltungsakt und ein auf einen gegen eine Ablehnung erlassenen Widerspruchsbescheid liegen aber nicht vor, sodass die am 7. Oktober 2010 erhobene Klage bereits wegen Nichtdurchführung des erforderlichen Verwaltungs- und Widerspruchsverfahrens gemäß § 78 SGG unzulässig war.

Das SGG kennt gemäß § 54 Abs. 5 SGG zwar auch die allgemeine Leistungsklage, die ohne Durchführung eines Vorverfahrens erhoben werden kann, wenn auf eine Leistung ein Rechtsanspruch besteht und ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hat. Eine solche Konstellation lag im öffentlich-rechtlich geprägten Bürger-Staat-Verhältnis zwischen den Klägern und dem Beklagten aber nicht vor.

Ohne Durchführung eines vorherigen Vorverfahrens wäre die Geltendmachung eines Anspruchs auf Gewährung eines Darlehens zur Deckung eines unabweisbaren Bedarfs nur vorläufig im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes möglich gewesen. Ein Begehren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 86b Abs. 2 SGG hat sich dem Vorbringen der Kläger vom 7. Oktober 2016 aber nicht entnehmen lassen.

Ungeachtet dessen hat die Bedarfslage zur Erbringung eines Darlehens gemäß § 24 Abs. 1 SGB II zum Zeitpunkt der Entscheidung des Sozialgerichts am 25.Juni 2020 schon lange nicht mehr bestanden, denn es ging den Klägern um einen lange zurückliegenden und nicht um einen unmittelbar bevorstehenden Krankenhausaufenthalt. Dies ist mutmaßlich bereits bei Klageerhebung der Fall gewesen, da die beigefügten Dokumente dafürsprechen, dass es sich um einen Krankenhausaufenthalt bereits im Oktober 2013 gehandelt hat. Ein aktueller unabweisbarer Bedarf konnte daher durch Gewährung eines Darlehens zukunftsgerichtet gar nicht mehr gedeckt werden.

Für die von den Klägern begehrte Wiedergutmachung für die aus ihrer Sicht fehlerhafte Behandlung der Angelegenheit durch den Beklagten enthält das Sozialgesetzbuch keine Anspruchsgrundlage.

Ergänzend nimmt der Senat auf die Begründung des angefochtenen Urteils gemäß § 153 Abs.2 SGG Bezug.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1, Abs. 4 SGG und folgt der Sachentscheidung.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.

Rechtskraft
Aus
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