Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 25. Juni 2020 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Die Kläger haben mit am 9. August 2016 bei dem Sozialgericht Schleswig eingegangenen Schriftsatz Klage erhoben. Die Kläger haben ihr Anliegen dabei als „Klage gegen die gesetzliche Weigerung von Zahlungen der Hauslasten I_-Bank, Schonsteinfeger, Heizkosten usw. gegen den Leistungsbescheid vom 01.02.2016 und 01.08.2016“ bezeichnet. Gleichzeitig haben sie als Klagegegenstand einen Widerspruchsbescheid vom 5. Juni 2016 angegeben und dabei Aktenzeichen des Beklagten angegeben, die mit dem –wohl vom Sozialgericht gefertigten- handschriftlichen Vermerk „8/15-1/16“ versehen waren. Das Klageverfahren wurde vor dem Sozialgericht zunächst unter dem Aktenzeichen S 16 AS 378/16 geführt.
Bereits mit am 11. Juli 2016 bei dem Sozialgericht Schleswig eingegangenen Schriftsatz haben die Kläger Klage gegen einen Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 6. Juli 2016 erhoben, der Leistungsansprüche der Kläger nach dem Sozialgesetzbuch, 2.Buch (SGB II) und dabei insbesondere die Kosten der Unterkunft im Zeitraum vom 1. Februar bis 31. Juli 2016 zum Gegenstand hatte. Diese Klage wurde vor dem Sozialgericht zunächst unter dem Aktenzeichen S 16 AS 318/16, später S 4 AS 318/16 geführt.
Bereits am 4. August 2016 haben die Kläger Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 5. Juli 2016 erhoben, der die Leistungsbewilligung im Zeitraum vom 1. August 2015 bis 31. Januar 2016 zum Gegenstand hatte. Dieses Verfahren wurde vor dem Sozialgericht zunächst unter dem Aktenzeichen S 16 AS 368/16, später S 4 AS 368/16 geführt.
Das Sozialgericht hat am 9. September 2016 in den genannten Verfahren gemeinsam mit weiteren Verfahren der Kläger eine mündliche Verhandlung durchgeführt. Dabei hat die Vorsitzende erläutert, dass der Streitgegenstand der Verfahren S 16 AS 378/16 und S 16 AS 318/16 identisch sei. Die Kläger haben daraufhin das Verfahren S 16 AS 378/16 für erledigt erklärt. Diese Erklärung ist protokolliert und von den Klägern genehmigt worden.
Die Kläger haben sich erstmals mit Schreiben vom 9. September 2016 gegen die Behandlung mehrerer mit Aktenzeichen benannter Klageverfahren als erledigt gewandt. Das Verfahren S 16 AS 378/16 war dabei nicht aufgeführt, die Kläger wandten sich aber „gegen die Behauptung, alle Klage wären doppelt und könnten von uns zurückgenommen werden.“ Das Sozialgericht hat das Verfahren daraufhin unter dem Aktenzeichen S 16 AS 458/16, später S 4 AS 458/16 fortgeführt.
Am 25. Juni 2020 hat es dieses Verfahren gemeinsam mit weiteren Verfahren der Kläger mündlich verhandelt.
Die Kläger haben beantragt,
das Verfahren S 16 AS 378/16 fortzusetzen.
Der Beklagte hat beantragt,
den Fortsetzungsantrag abzulehnen.
Mit Urteil vom 25. Juni 2020 hat das Sozialgericht den Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt, das Verfahren S 16 AS 378/16 sei nicht fortzusetzen, weil dieses durch Erledigungserklärung der Kläger beendet sei. Die Erledigungserklärung sei wirksam und insbesondere durch die Kläger nicht wirksam angefochten oder widerrufen worden. Materielle Anfechtungsgründe seien auch nicht erkennbar.
Gegen dieses ihnen am 26. September 2020 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Kläger vom 26. Oktober 2020.
Zur Begründung tragen sie vor, es sei keine Rücknahme erfolgt. Nur weil sich im Protokoll fälschliche Eintragungen fänden, die überhaupt nicht gemacht worden seien, stimmten diese nicht. Sie wüssten schon, was sie täten. Ihre Aussagen seien nicht anzuzweifeln.
Die Kläger beantragen schriftsätzlich sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 25. Juni 2020 aufzuheben, das Verfahren S 16 AS 378/16 fortzusetzen.
Der Beklagte stellt keinen Antrag
Der Senat hat die Kläger mit Schreiben vom 10. Februar 2021 darauf hingewiesen, dass er die Berufung einstimmig für unbegründet hält und es daher beabsichtigt sei, diese mit Beschluss zurückzuweisen. Die Kläger erhielten Gelegenheit zur Stellungnahme.
Im Verfahren S 4 AS 318/16 hat das Sozialgericht ebenfalls mit Urteil vom 25. Juni 2020 den Beklagten unter Abweisung der Klage im Übrigen verurteilt, Leistungen unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs iSv § 21 Abs.7 SGB II sowie von konkret bezifferten Heizkosten zu gewähren. Gegen dieses Urteil sind Berufungen der Kläger und des Beklagten unter dem Aktenzeichen L 3 AS 80/20 vor dem erkennenden Senat anhängig.
Im Verfahren S 4 AS 368/16 hat das Sozialgericht ebenfalls mit Urteil vom 25. Juni 2020 den Beklagten unter Abweisung der Klage im Übrigen verurteilt, den Klägern Leistungen unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs iSv § 21 Abs.7 SGB II zu gewähren. Die dagegen erhobene Berufung der Kläger hat der erkennende Senat unter dem Aktenzeichen L 3 AS 101/20 mit Beschluss vom 22. Februar 2021 wegen Nichtüberschreitung des Beschwerdegrenzwerts gemäß § 144 Abs.1 S.1 SGG als unzulässig verworfen
Ergänzend wird hinsichtlich des Sach- und Streitstandes auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie den weiteren Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
Der Senat konnte gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Beschluss über die Berufung entscheiden, weil er sie einstimmig für unbegründet hält und er die Kläger zuvor dazu angehört hat.
Die Berufung ist unbegründet. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Sozialgericht mit dem angefochtenen Urteil die Fortsetzung des Rechtsstreits S 16 AS 378/16 abgelehnt.
Der unter dem Aktenzeichen S 16 AS 378/16 geführte Rechtsstreit ist in der mündlichen Verhandlung des Sozialgerichtes vom 9. September 2016 wirksam beendet worden. Gründe für eine Fortsetzung bzw. Wiederaufnahme dieses Rechtsstreits liegen nicht vor.
Entscheidend ist, dass die Kläger die Klage zum Aktenzeichen S 16 AS 378/16 zur Niederschrift des Sozialgerichts in der mündlichen Verhandlung vom 9. September 2016 für erledigt erklärt haben. Zwar sieht das SGG die einseitige Erledigungserklärung nicht ausdrücklich als Instrument der Erledigung des Rechtsstreits vor, jedoch folgt bereits aus der Dispositionsmaxime die Möglichkeit der Kläger, das Prozessrechtsverhältnis in der Hauptsache einseitig wieder zu beenden. Eine Abgrenzung zwischen einer Erledigungserklärung und einer Klagerücknahme hat Bedeutung in gerichtskostenpflichtigen Verfahren gemäß § 197a SGG, weil dort an die Klagerücknahme zwingende Kostenfolgen geknüpft sind. Diese Bedeutung besteht nicht bei Verfahren, bei denen -wie hier die Kläger- ein Beteiligter gemäß § 183 SGG von den Gerichtskosten befreit ist. In diesen Fällen kann daher eine einseitige Erledigungserklärung durch den Kläger auch ohne ausdrückliche Zustimmung durch den Beklagten als Klagerücknahme ausgelegt werden (vergleiche Keller in Meyer-Ladewig u.a. SGG, 13. Aufl. § 125 Rn. 10).
Die Klagerücknahme wiederum erledigt gemäß § 102 Abs. 1 Satz 2 SGG den Rechtsstreit in der Hauptsache.
Zweifel daran, dass die Erledigungserklärung in der mündlichen Verhandlung vom 9. September 2016 tatsächlich erfolgt ist, bestehen nicht. Die Protokollierung dieser Erklärung führt gemäß § 122 SGG in Verbindung mit § 165 Zivilprozessordnung (ZPO) vielmehr zu einer Richtigkeitsvermutung. Der dagegen nur zulässige Nachweis einer Fälschung ist nicht erbracht worden.
Die als Klagerücknahme auszulegende Erledigungserklärung ist als Prozess-handlung nur unter engen Voraussetzungen angreifbar. Sie kann grundsätzlich nicht widerrufen werden und auch nicht wegen Irrtums angefochten werden (vergleiche Burkiczak in jurisPK SGG § 102 Rn. 38; BSG, Beschluss vom 17. Dezember 2015, B 2 U 150/15 B). Dessen ungeachtet, liegt es auch nicht auf der Hand, dass die Kläger bei Abgabe der Erledigungserklärung am 9. September 2016 einem Irrtum unterlegen sind, denn die Ansprüche auf Berücksichtigung höherer Unterkunfts- und Heizkosten im Zeitraum zwischen 1. Februar und 31. Juli 2016, um die es Ihnen ausweislich der Klageschrift mit der erledigten Klage vom 9. August 2016 ging, waren tatsächlich bereits Gegenstand des Klageverfahrens S 16 AS 318/16. Ob es Ihnen mit der Klageerhebung vom 9. August 2016 ursprünglich auch noch um höhere Ansprüche für den Bewilligungsabschnitt August 2015 bis Januar 2016 gegangen ist, ist wegen der fehlenden Eindeutigkeit des klägerischen Vorbringens nicht feststellbar. In diesem Fall hätte nur eine Teilidentität zum Streitgegenstand des Verfahrens S 16 AS 318/16 vorgelegen. Ein entsprechender Irrtum der Kläger wäre aber irrelevant, weil der Bewilligungsabschnitt August 2015 bis Januar 2016 zum Zeitpunkt der Klageerhebung ebenfalls Gegenstand eines bereits anhängigen Klageverfahrens (S 16 AS 368/16) war.
Beseitigt werden können die Wirkungen einer Klagerücknahme nur bei Vorliegen eines Wiederaufnahmegrundes im Sinne von § 179 SGG bzw. §§ 578 ZPO. (Vgl. Burkiczak aaO).
Die Wiederaufnahme und Fortführung eines rechtskräftig beendeten Verfahrens richtet sich im Sozialgerichtsprozess nach §§ 179, 180 SGG.
Eine Nichtigkeitsklage gemäß §§ 179 SGG, 579 ZPO findet statt, wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war, ein Richter bei der Entscheidung mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen war, wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, obgleich er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und das Ablehnungsgesuch für begründet erklärt war oder wenn eine Partei in dem Verfahren nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten war, sofern sie nicht die Prozessführung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat.
Daneben findet eine Restitutionsklage gemäß §§ 179 SGG, § 580 ZPO statt bei falschem Eid durch den Prozessgegner, Urkundenfälschung, strafbarem falschem Zeugnis oder strafbarer falscher Sachverständigenaussage, strafbarer Urteilserschleichung durch den Gegner, strafbarer Amtspflichtverletzung durch einen mitwirkenden Richter, Aufhebung eines anderen Urteils, welches Grundlage des angefochtenen Urteils war, Auffinden eines bis dato unbekannten rechtskräftigen Urteils in gleicher Sache bzw. einer anderen Urkunde und der Feststellung einer Verletzung der europäischen Menschenrechtskonvention durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.
Derartige Wiederaufnahmegründe liegen nicht vor. Sie werden von den Klägern schon nicht geltend gemacht und sind auch nicht im Ansatz ersichtlich.
Daneben findet in sozialgerichtlichen Verfahren die Wiederaufnahme eines zuvor abgeschlossenen Verfahrens gemäß § 180 Abs. 1 SGG auch im Falle einander widersprechender, bestands- bzw. rechtskräftiger Entscheidungen in Bezug auf den gleichen Anspruch und die Leistungspflicht mehrerer Versicherungsträger statt. Auch diese Konstellation ist ersichtlich nicht gegeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1, Abs. 4 SGG und folgt der Entscheidung in der Hauptsache.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.