Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 19.11.2020 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Der Kläger begehrt die Zuerkennung des Merkzeichens aG (außergewöhnliche Gehbehinderung).
Der 1964 geborene Kläger verlor infolge eines Unfalls im Jahr 1989 den rechten Unterschenkel. Zuletzt wurde ihm mit Teil-Abhilfebescheid vom 05.02.2014 unter Berücksichtigung der Gesundheitsstörungen: Verlust des rechten Unterschenkels, Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Nervenwurzelreizerscheinungen, Sehbehinderung beidseits, eingepflanzte Kunstlinse beidseits, Bluthochdruck ein Grad der Behinderung (GdB) von 70 zuerkannt. Das bereits festgestellte Merkzeichen G (erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr) blieb festgestellt.
Am 16.01.2018 stellte er den hier streitgegenständlichen Neufeststellungsantrag, mit dem er die Zuerkennung des Merkzeichens B (Berechtigung für eine ständige Begleitung) und aG beantragte. Zu den Akten gelangte unter anderem der Bericht der Berufsgenossenschaftlichen (B) Unfallklinik T vom Januar 2018 über eine dort am 05.01.2018 stattgehabte Oberschenkelamputation rechts nach chronischer Knochenentzündung.
Gestützt auf die versorgungsärztliche Stellungnahme vom Juni 2018, in welcher der Verlust des rechten Beines im Oberschenkel mit einem Einzel-GdB von 70, die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule mit Nervenwurzelreizerscheinungen mit einem Einzel-GdB von 20, die beidseitige Sehbehinderung bei eingepflanzter Kunstlinse beidseits mit einem weiteren Einzel-GdB von 20 und der Bluthochdruck mit einem weiteren Einzel-GdB von 20 und der Gesamt-GdB mit 80 bewertet sowie das Vorliegen der Voraussetzungen für das Merkzeichen B bejaht und für das Merkzeichen aG verneint wurden, stellte der Beklagte mit Bescheid vom 23.07.2018 den GdB seit Antragstellung mit 80 und das Merkzeichen B fest. Die Zuerkennung des weiterhin begehrten Merkzeichens aG wurde abgelehnt.
Auf den hiergegen eingelegten Widerspruch hin holte der Beklagte unter anderem eine Stellungnahme der K, ein, die unter dem 12.08.2018 darauf verwies, dass es bei dem prothesenversorgten Kläger häufig zu Druckstellen käme, die ein Tragen der Prothese unmöglich machen würden. In diesen Fällen sei der Kläger dann auf die Benutzung eines Rollstuhls oder von Gehstützen angewiesen.
Nach Einholung einer weiteren versorgungsärztlichen Stellungnahme, in welcher wiederum das Vorliegen der Voraussetzungen für das Merkzeichen aG verneint wurde, wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 11.12.2018 zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 28.12.2018 Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben mit, der er sein Begehren auf Zuerkennung des Merkzeichens aG weiterverfolgt und zur Begründung hierfür insbesondere auf häufig auftretende Druckstellen mit der Folge der Unmöglichkeit, die Oberschenkelprothese zu tragen, verwiesen hat.
Das SG hat zunächst die behandelnden Ärzte schriftlich als sachverständige Zeugen vernommen. Bezüglich der Einzelheiten der schriftlichen Zeugenaussagen wird auf die Stellungnahmen des L vom Mai 2019, des Facharztes für P vom Juni 2019, des F, B Klinik T, vom Juni 2019 sowie der K vom Juli 2019 verwiesen.
Sodann hat der R auf Kostenrisiko des Klägers am 06.05.2020 ein Gutachten nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nach ambulanter Untersuchung des Klägers erstattet. Er hat beim Kläger unter anderem ein Wirbelsäulenschmerzsyndrom in 3 Abschnitten leichter (Halswirbelsäule) bis mittelgradiger (Brust- und Lendenwirbelsäule) Ausprägung (Einzel-GdB 20), ein Impingementsyndrom der rechten Schulter (Einzel-GdB 10), eine Coxarthrose beidseits, eine Gangunsicherheit und den Verlust des rechten Beines 29 cm unterhalb der Leistenfalte rechts mit Stumpf- und Prothesenversorgung mit häufigen und teilweise stark ausgeprägten Druckstellen und Schmerzen im Hüftbereich rechts (zusammen Einzel-GdB 70) sowie eine fortgeschrittene Gonarthrose links und einen stattgehabten Überlastungs-/Ermüdungsbruch am Kniegelenk links (zusammen Einzel-GdB 30) festgestellt und den Gesamt-GdB mit 90 bewertet. Er gehe davon aus, dass eine außergewöhnliche Gehbehinderung zum aktuellen Zeitpunkt vorliege, da beim Kläger zum aktuellen Zeitpunkt (und wahrscheinlich auf Dauer) beide Beine in erheblichem Maße beeinträchtigt seien.
Der Beklagte hat sich in der versorgungsärztlichen Stellungnahme des B vom Juli 2020 der Bewertung des Gesamt-GdB von 90 angeschlossen, ist aber der Annahme, die Voraussetzung des Merkzeichens aG seien erfüllt, entgegengetreten.
In der mündlichen Verhandlung des SG vom 19.11.2020 hat der Beklagte einen Gesamt-GdB von 90 ab 06.05.2020 anerkannt und hat der Kläger dieses Teilanerkenntnis angenommen. Mit Urteil vom 19.11.2020 hat das SG die Klage, soweit sie auf die Zuerkennung des Merkzeichens aG gerichtet war, abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, im Gutachten von R seien keine Feststellungen enthalten, die eine große Anstrengung des Klägers ab dem 1. Schritt der Fortbewegung beschreiben würden. Es werde lediglich auf ein unsicheres Gangbild im Sinne eines Trendelenburghinkens und ein ausgeprägtes Schonhinken links hingewiesen, resultierend aus der prothesenbedingten Unfähigkeit, das Becken seitengleich zu heben bzw. zu senken. Dies rechtfertige die bereits anerkannten Merkzeichen G und B, nicht aber eine außergewöhnliche Gehbehinderung. Wie B1 zu Recht ausgeführt habe, sei der Kläger zu keinem Zeitpunkt auf einen Rollstuhl angewiesen. Auch R gehe lediglich davon aus, dass zum aktuellen Zeitpunkt die Gehstrecke auf unter 300 m bis 500 m reduziert sei. Erhebliche Schwierigkeiten, eine solche Wegstrecke zurückzulegen beschreibe er aber nur für den Fall, dass der Kläger sein Kunstbein nicht tragen könne, z.B. im Rahmen der Körperpflege oder aufgrund von auftretenden Druckstellen mit Schmerzen. Nur in diesen Fällen sei der Kläger voll auf sein Standbein angewiesen, was dann – wie von R beschrieben – sicher mit erheblichen Schmerzen und Funktionsminderungen verbunden sei. Allerdings sei dies kein Dauerzustand, so dass ein außergewöhnlich eingeschränktes Gehvermögen nicht dauerhaft vorliege.
Gegen das dem Kläger am 07.12.2020 zugestellte Urteil hat dieser am 16.12.2020 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt und sich zu deren Begründung auf das Gutachten des R bezogen, der ausdrücklich bestätigt habe, dass die medizinischen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens aG vorliegen würden.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Karlsruhe vom 19.11.2020 und unter Abänderung des Bescheides vom 23.07.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.12.2018 in Gestalt des Teilanerkenntnisses vom 19.11.2020 zu verurteilen, ab 16.01.2018 das Vorliegen der medizinischen Voraussetzungen für das Merkzeichen aG festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verweist zur Begründung seines Antrags auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil.
Mit Verfügung vom 16.08.2021 sind die Beteiligten darauf hingewiesen worden, dass die Zurückweisung der Berufung durch Beschluss gemäß § 153 Abs. 4 SGG beabsichtigt sei und ihnen ist Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt worden.
Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten sowie die Prozessakten verwiesen.
II.
Der Senat konnte die Berufung des Klägers nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss zurückweisen, da er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Gründe für die Durchführung einer mündlichen Verhandlung liegen nicht vor. Solche Gründe hat der Kläger auch nicht vorgebracht.
Die nach §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung des Klägers ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 und 2 SGG) erhoben.
Der Zulässigkeit der Berufung steht auch nicht entgegen, dass die erstinstanzliche Entscheidung entgegen § 65a Abs. 7 Satz 1 SGG zwar mit einer qualifizierten elektronischen Signatur, nicht aber am Ende mit dem Namen der verantwortenden Person, dem Namen des Kammervorsitzenden, versehen ist. Der 8. Senat des LSG Baden-Württemberg hat in seinem Urteil vom 23.07.2021 (L 8 AL 3122/20, zur Veröffentlichung vorgesehen) mit überzeugender Begründung dargelegt, dass ein Urteil aufgrund mündlicher Verhandlung mit seiner Verkündung wirksam wird, auch wenn es nicht unterschrieben ist und dass es sich hierbei insbesondere nicht um eine sogenannte Scheinentscheidung handelt. Dem schließt sich der erkennende Senat aus eigener Überzeugung in vollem Umfang an und sieht zur Vermeidung von Wiederholungen von eigenen Darlegungen ab. Das angefochtene Urteil des SG ist somit zwar verfahrensfehlerhaft, ungeachtet dessen aber wirksam.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des begehrten Merkzeichen aG liegen nicht vor.
Rechtsgrundlage für die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens aG ist § 2 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit § 69 Abs. 4 und 5 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) und § 6 Abs. 1 Nr. 14 Straßenverkehrsgesetz (StVG) sowie die Regelung des § 146 Abs. 3 SGB IX in den bis zum 31.12.2017 geltenden Fassungen (künftig a.F.) beziehungsweise § 2 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit § 152 Abs. 4 und 5 SGB IX sowie § 229 Abs. 3 SGB IX in den ab dem 01.01.2018 geltenden Fassungen (künftig n.F.). Im Hinblick auf die den vorliegend zu beurteilenden Zeitraum betreffenden unterschiedlichen Gesetzesfassungen sind diese – da Übergangsregelungen fehlen – nach dem Grundsatz anzuwenden, dass die Entstehung und der Fortbestand des sozialrechtlichen Anspruchs auf Leistungen nach dem Recht zu beurteilen ist, welches zur Zeit der anspruchsbegründenden Ereignisse oder Umstände jeweils gegolten hat (BSG, Urteil vom 16.12.2014, B 9 SB 2/13 R, juris; BSG, Urteil vom 04.09.2013, B 10 EG 6/12 R, juris; Stölting/Greiser in SGb 2015, 135-143). Ohnedies ist mit der Neufassung der hier maßgeblichen Vorschriften des SGB IX keine inhaltliche Änderung verbunden.
Nach § 2 Abs. 1 SGB IX sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Aus dieser Definition folgt, dass für die Feststellung einer Behinderung sowie die Einschätzung ihres Schweregrades nicht das Vorliegen eines regelwidrigen körperlichen, geistigen oder seelischen Zustandes entscheidend ist, sondern es vielmehr auf die Funktionsstörungen ankommt, die durch einen regelwidrigen Zustand verursacht werden. Nach § 2 Abs. 2 SGB IX sind Menschen im Sinne des SGB IX schwerbehindert, wenn bei ihnen ein GdB von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 73 SGB IX a.F. bzw. § 156 SGB IX n.F. rechtmäßig im Geltungsbereich des SGB IX haben. Nach § 69 Abs. 4 SGB IX a.F. bzw. § 152 Abs. 4 SGB IX n.F. treffen auf Antrag des behinderten Menschen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden, wenn neben dem Vorliegen einer Behinderung weitere gesundheitliche Merkmale Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Merkzeichen sind, die erforderlichen Feststellungen. Nach § 69 Abs. 5 SGB IX a.F. bzw. § 152 Abs. 5 SGB IX n.F. stellen auf Antrag des behinderten Menschen die zuständigen Behörden auf Grund einer Feststellung der Behinderung einen Ausweis über die gesundheitlichen Merkmale aus.
Ausgangspunkt für die Feststellung der außergewöhnlichen Gehbehinderung war bis zum 29.12.2016 Abschnitt II Nr. 1 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrsordnung (VwV-StVO). Nunmehr – und für den hier streitgegenständlichen Antrag allein maßgeblich – sind die Voraussetzungen des Merkzeichens aG nach § 146 Abs. 3 SGB IX a.F. bzw. nach dem inhaltsgleichen § 229 Abs. 3 SGB IX n.F. zu beurteilen. Schwerbehinderte Menschen mit außergewöhnlicher Gehbehinderung sind nach § 146 Abs. 3 SGB IX a.F. bzw. nach § 229 Abs. 3 SGB IX n.F. Personen mit einer erheblichen mobilitätsbezogenen Teilhabebeeinträchtigung, die einem GdB von mindestens 80 entspricht. Eine erhebliche mobilitätsbezogene Teilhabebeeinträchtigung liegt nach § 146 Abs. 3 Satz 2 SGB IX a.F. bzw. nach § 229 Abs. 3 Satz 2 SGB IX n.F. vor, wenn sich die schwerbehinderten Menschen wegen der Schwere ihrer Beeinträchtigung dauernd nur mit fremder Hilfe oder mit großer Anstrengung außerhalb ihres Kraftfahrzeuges bewegen können. Hierzu zählen nach § 146 Abs. 3 Satz 3 SGB IX a.F. bzw. nach § 229 Abs. 3 Satz 3 SGB IX n.F. insbesondere schwerbehinderte Menschen, die auf Grund der Beeinträchtigung der Gehfähigkeit und Fortbewegung – dauerhaft auch für sehr kurze Entfernungen – aus medizinischer Notwendigkeit auf die Verwendung eines Rollstuhls angewiesen sind. Nach § 146 Abs. 3 Satz 4 SGB IX a.F. bzw. nach § 229 Abs. 3 Satz 4 SGB IX n.F. können verschiedenste Gesundheitsstörungen (insbesondere Störungen bewegungsbezogener, neuromuskulärer oder mentaler Funktionen, Störungen des kardiovaskulären oder Atmungssystems) die Gehfähigkeit erheblich beeinträchtigen. Diese sind nach § 146 Abs. 3 Satz 5 SGB IX a.F. bzw. nach § 229 Abs. 3 Satz 5 SGB IX n.F. als außergewöhnliche Gehbehinderung anzusehen, wenn nach versorgungsärztlicher Feststellung die Auswirkung der Gesundheitsstörungen sowie deren Kombination auf die Gehfähigkeit dauerhaft so schwer ist, dass sie der unter § 146 Abs. 3 Satz 1 SGB IX a.F. bzw. § 229 Abs. 3 Satz 1 SGB IX n.F. genannten Beeinträchtigung gleich kommt.
In Abkehr von der bisherigen Rechtslage, die nach Abschnitt II Nr. 1 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 VwV-StVO durch die Differenzierung in Regelbeispiele und Gleichstellungsfälle geprägt war, fordert § 146 Abs. 3 SGB IX a.F. bzw. § 229 Abs. 3 SGB IX n.F. somit nunmehr, dass beim schwerbehinderten Menschen eine erhebliche mobilitätsbezogene Teilhabebeeinträchtigung bestehen muss, die einem GdB von mindestens 80 entspricht. Auf die Bestimmungen von Abschnitt II Nr. 1 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 VwV-StVO, welche bisher die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Berechtigung geregelt hat, kommt es dagegen nicht mehr grundlegend an. Denn § 146 Abs. 3 SGB IX a.F. bzw. § 229 Abs. 3 SGB IX n.F. hat als Gesetzesrecht Vorrang vor der bloßen Verwaltungsvorschrift (Masuch in: Hauck/Noftz, SGB, 08/18, § 229 SGB IX, Rn. 134). Teil D, Nr. 3 der Anlage „Versorgungsmedizinische Grundsätze“ (VG) zu § 2 Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV), in welchem bisher ebenfalls – fast wortgleich wie in der straßenverkehrsrechtlichen Verwaltungsvorschrift – nähere Vorgaben zum Merkzeichen aG gemacht wurden, ist durch das Bundesteilhabegesetz (BTHG) zum 30.12.2016 aufgehoben worden (Art. 18 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. b BTHG).
Allerdings übernimmt die Legaldefinition der erheblichen mobilitätsbezogenen Teilhabebeeinträchtigung in § 146 Abs. 3 Satz 2 SGB IX a.F. bzw. § 229 Abs. 3 Satz 2 SGB IX n.F. für die weitere Konkretisierung der notwendigen Schwere der Beeinträchtigung den Wortlaut der zuvor geltenden VG, Teil D, Nr. 3 Buchst. b und knüpft auch ausdrücklich an die bisherige Regelung in Abschnitt II Nr. 1 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 VwV-StVO an (vgl. hierzu im Einzelnen BSG, Urteil vom 16.03.2016, B 9 SB 1/15 R, juris). Zurückgehend auf die in der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, vgl. Urteil vom 11.03.1998, B 9 SB 1/97 R, juris, mit weiteren Nachweisen) verwendete Formulierung wird weiterhin gefordert, dass sich die schwerbehinderten Menschen dauernd nur mit fremder Hilfe oder mit großer Anstrengung außerhalb ihres Kraftfahrzeuges bewegen können. Die gesetzliche Definition des neuen Begriffs der erheblichen mobilitätsbezogenen Teilhabebeeinträchtigung knüpft damit sehr eng an die vorherige Rechtsprechungs- und Verwaltungspraxis an (Masuch in: Hauck/Noftz, a.a.O., § 229 SGB IX, Rn. 140). Demnach kann insbesondere auf die bisherigen Grundsätze aufgebaut werden, die die Rechtsprechung für die Prüfung herangezogen hat, ob der schwerbehinderte Mensch nur mit fremder Hilfe oder mit großer Anstrengung gehen kann.
Dabei ist weiterhin zu berücksichtigen, dass Parkraum für diejenigen schwerbehinderten Menschen geschaffen werden sollte, denen es unzumutbar ist, längere Wege zu Fuß zurückzulegen (BT-Drucks. 8/3150, S. 9 und 10 in der Begründung zu § 6 StVG). Wegen der begrenzten städtebaulichen Möglichkeiten, Raum für Parkerleichterungen zu schaffen, sind weiterhin hohe Anforderungen zu stellen, um den Kreis der Begünstigten klein zu halten (so zuletzt BSG, Urteil vom 16.03.2016, B 9 SB 1/15 R, juris).
Für die Beurteilung der erheblichen mobilitätsbezogenen Teilhabebeeinträchtigung ist bei dem Restgehvermögen des schwerbehinderten Menschen anzusetzen. Dabei lässt sich ein anspruchsausschließendes Restgehvermögen griffig weder quantifizieren noch qualifizieren (BSG, Urteil vom 16.03.2016, a.a.O., juris; BSG, Urteil vom 10.12.2002, B 9 SB 7/01 R, juris). Weder der gesteigerte Energieaufwand noch eine in Metern ausgedrückte Wegstrecke taugen grundsätzlich dazu. Denn § 146 Abs. 3 SGB IX a.F. bzw. § 229 Abs. 3 SGB IX n.F. stellen nicht darauf ab, über welche Wegstrecke ein schwerbehinderter Mensch sich außerhalb seines Kraftfahrzeuges zumutbar noch bewegen kann, sondern darauf, unter welchen Bedingungen ihm dies nur noch möglich ist: nämlich dauernd nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung. Wer diese Voraussetzung praktisch von den ersten Schritten außerhalb seines Kraftfahrzeuges an erfüllt, bei dem liegt eine erhebliche mobilitätsbezogene Teilhabebeeinträchtigung auch dann vor, wenn er gezwungenermaßen auf diese Weise längere Wegstrecken zurücklegt, so jetzt ausdrücklich § 146 Abs. 3 Satz 2 SGB IX a.F. bzw. nach § 229 Abs. 3 Satz 2 SGB IX n.F.
Auch soweit diese großen körperlichen Anstrengungen festzustellen sind, kann nicht allein auf eine gegriffene Größe wie die schmerzfrei zurückgelegte Wegstrecke abgestellt werden. Unabhängig von der Schwierigkeit, eine solche Wegstrecke objektiv fehlerfrei und verwertbar festzustellen, ist die Tatsache, dass ein schwerbehinderter Mensch nach einer bestimmten Strecke eine Pause machen muss, lediglich Indiz für eine Erschöpfung. Gradmesser für einen Erschöpfungszustand, der die Zuerkennung des Merkzeichens aG unter den weiteren Voraussetzungen des § 146 Abs. 3 SGB IX a.F. bzw. § 229 Abs. 3 SGB IX n.F. rechtfertigt, kann die Intensität der Schmerzen beziehungsweise der Luftnot nach dem Zurücklegen einer bestimmten Wegstrecke sein. Ein solches Erschöpfungsbild lässt sich unter anderem aus der Dauer der erforderlichen Pause sowie den Umständen herleiten, unter denen der schwerbehinderte Mensch nach der Pause seinen Weg fortsetzt. Nur kurzes Pausieren mit anschließendem Fortsetzen des Weges ohne zusätzliche Probleme ist dagegen zumutbar (BSG, Urteil vom 05.07.2007, B 9/9a SB 5/06 R, juris; BSG, Urteil vom 29.03.2007, B 9a SB 5/05 R, juris; BSG, Urteil vom 29.03.2007, B 9a SB 1/06 R, juris).
Ob die danach erforderlichen großen körperlichen Anstrengungen beim Gehen vorliegen, ist Gegenstand tatrichterlicher Würdigung, die sich auf alle verfügbaren Beweismittel, wie Befundberichte der behandelnden Ärzte, Sachverständigengutachten oder einen dem Gericht persönlich vermittelten Eindruck, stützen kann. Gerade bei multimorbiden schwerbehinderten Menschen liegt auf der Hand, dass allein das Abstellen auf ein starres Kriterium keine sachgerechte Beurteilung ermöglicht, weil es eine Gesamtschau aller relevanten Umstände eher verhindert. Gerade die Anwendung eines einzelnen starren Kriteriums birgt die Gefahr eines Verstoßes gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG (BSG, Urteil vom 05.07.2007, B 9/9a SB 5/06 R, juris; BSG, Urteil vom 29.03.2007, B 9a SB 5/05 R, juris; BSG, Urteil vom 29.03.2007, B 9a SB 1/06 R, juris).
Ein an einer bestimmten Wegstrecke und einem Zeitmaß orientierter Maßstab liegt auch nicht wegen der Methode nahe, mit der die gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens G festgestellt werden. Denn für das Merkzeichen aG gelten gegenüber dem Merkzeichen G nicht gesteigerte, sondern andere Voraussetzungen (BSG, Urteil vom 13.12.1994, 9 RVs 3/94, juris).
Ebenso wenig lässt sich ein allein maßgebliches Wegstrecken-Zeit-Kriterium aus dem straßenverkehrsrechtlichen Zweck des Merkzeichens aG herleiten. Insofern kommt es nicht auf die üblicherweise auf Großparkplätzen zurückzulegende Strecke zwischen allgemein nutzbaren Parkplätzen und Gebäudeeingängen an. Das Merkzeichen aG soll die stark eingeschränkte Gehfähigkeit durch Verkürzung der Wege infolge der gewährten Parkerleichterungen ausgleichen (so zuletzt BSG, Urteil vom 16.03.2016, B 9 SB 1/15 R, juris). Ein bestimmtes Wegstreckenkriterium erschiene nur dann als sachgerecht, wenn die betreffende Wegstrecke grundsätzlich geeignet wäre, den bestehenden Nachteil auszugleichen. Das könnte es nahelegen, auf die Platzierung gesondert ausgewiesener Behindertenparkplätze abzustellen. Aber auch diesem Ansatz ist nicht zuzustimmen. Abgesehen davon, dass es keine empirischen Untersuchungen zur durchschnittlichen Entfernung zwischen gesondert ausgewiesenen Behindertenparkplätzen und den Eingängen zu Einrichtungen des sozialen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens gibt, greift die alleinige Ausrichtung auf Behindertenparkplätze (Zusatzzeichen 1020-11, 1044-10, 1044-11 StVO) zu kurz. Denn daneben werden nach Abschnitt I Nr. 1 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 VwV-StVO weitere umfangreiche Parkerleichterungen, wie zum Beispiel die Ausnahme vom eingeschränkten Halteverbot, gewährt (BSG, Urteil vom 05.07.2007, B 9/9a SB 5/06 R, juris; BSG, Urteil vom 29.03.2007, B 9a SB 5/05 R, juris; BSG, Urteil vom 29.03.2007, B 9a SB 1/06 R, juris).
An dieser oben dargestellten Rechtslage für die Zuerkennung der Voraussetzungen für das Merkzeichen aG hat sich auch durch das Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen vom 13.12.2006 (UN-Behindertenrechtskonvention [UN-BRK]) nichts geändert. Allerdings kann die UN-BRK als Auslegungshilfe orientierend herangezogen werden. Insoweit ist entsprechend Art. 1 der UN-BRK, wie bereits in § 2 Abs. 1 SGB IX vorgesehen, die individuelle Beeinträchtigung des behinderten Menschen an der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu berücksichtigen (BSG, Urteil vom 11.08.2015, B 9 SB 2/14 R, juris).
Nach diesen Maßstäben liegt beim Kläger keine erhebliche mobilitätsbezogene Teilhabebeeinträchtigung vor, weil er sich nicht dauernd nur mit fremder Hilfe oder mit großer Anstrengung außerhalb seines Kraftfahrzeugs bewegen kann. Dies hat das SG hat in der angefochtenen Entscheidung zutreffend dargelegt. Der Senat schließt sich dieser Beurteilung in vollem Umfang an, weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurück und sieht zur Vermeidung von Wiederholungen von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG).
Lediglich ergänzend sind aus Sicht des Senats noch folgende Ausführungen veranlasst. Sowohl die K wie auch der Sachverständige R stützen ihre Annahme einer außergewöhnlichen Gehbehinderung auf den Umstand, dass der Kläger an Tagen, an denen Druckstellen im Leisten-/Genitalbereich vorliegen, häufiger nicht im Stande sein wird, die Prothese zu nutzen und sich dann mit Gehstützen fortbewegen muss, wobei dies durch die Schädigungen im linken Knie und die hieraus resultierende Minderbelastbarkeit des eigentlichen Standbeins deutlich erschwert werde. Unter Bezugnahme auf die damals noch einschlägigen Regelbeispiele in den VG, Teil D, Nr. 3 Buchst. b, wonach die einseitig Oberschenkelamputierten nur dann zu dem eng begrenzten Kreis der schwerbehinderten Menschen gehören, wenn sie dauernd außerstande sind, ein Kunstbein zu tragen, hat das BSG entschieden, dass einseitig Oberschenkelamputierten das Merkzeichen aG nur zuerkannt werden kann, wenn sie nicht prothetisch versorgt werden können (BSG, Urteil vom 11.08.2015, B 9 SB 2/14 R, juris, m.w.N., auch zum Nachfolgenden). „Dauernd außerstande“ sein, ein Kunstbein zu tragen, bedeutet nämlich in diesem Zusammenhang prothetisch nicht versorgbar zu sein; es darf keine prothetische Versorgung möglich sein, der betroffene behinderte Mensch muss ständig bzw. immer außerstande sein, ein Kunstbein zu tragen. Diese Voraussetzungen liegen beim Kläger, der grundsätzlich prothetisch versorgt ist, unstreitig nicht vor.
Unabhängig davon, ob diese Grundsätze im Zuge der Neuregelung in § 146 Abs. 3 SGB IX a.F. bzw. § 229 Abs. 3 SGB IX n.F. noch Anwendung finden, hat das BSG weiterhin entschieden, dass die zeitliche Dimension der „Dauerhaftigkeit“ jenseits der Fallgruppe der einseitig Oberschenkelamputierten zwar nicht so strikt gehandhabt werden muss. Die Fortbewegung außerhalb des Kraftfahrzeugs „dauernd“ nur mit großer Anstrengung setzt demnach nicht ständig bzw. immer die geforderte Mühe voraus. Ausreichend ist ein vom Wortsinn ebenfalls umfasstes, immer wiederkehrendes und nicht nur vorübergehendes Auftreten der geforderten Mühe, wenn sich dies im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtwürdigung praktisch wie eine ständig große Anstrengung der Fortbewegung außerhalb des Kraftfahrzeugs auswirkt (BSG, Urteil vom 16.03.2016, B 9 SB 1/15 R, juris). Dies ist aber nicht der Fall, wenn die geforderte Mühe in insgesamt (nur) 70 % der Zeit auftritt (BSG, a.a.O.).
Eine in diesem Sinne dauerhaft nur unter großer Anstrengung mögliche Fortbewegung außerhalb des Kraftfahrzeugs liegt beim Kläger ebenfalls nicht vor, weshalb dahingestellt bleiben kann, ob die früheren Maßstäbe der VG, Teil D, Nr. 3 Buchst. b bei einseitig Oberschenkelamputierten weiterhin Geltung beanspruchen. Der Kläger selbst hat gegenüber dem Sachverständigen lediglich von einzelnen Tagen, an denen er die Prothese nicht tragen kann, berichtet. Darüber hinaus ist zwischenzeitlich eine Neuanpassung der Prothese erfolgt, um das Auftreten von Druckstellen zu vermindern. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger häufiger oder gar regelmäßig am Gebrauch der Prothese gehindert ist, lassen sich weder dem Gutachten des R noch der sachverständigen Zeugenaussage der K entnehmen. Letztere hat insbesondere über ein vermehrtes Auftreten von Druckstellen mit daraus folgenden, verzögert abheilenden Ulzera im Jahre 2017 berichtet. Ein gegenwärtiges Vorliegen von Geschwüren hat sie dagegen, ebenso wenig wie R in seinem Gutachten, nicht bekundet. Ein vom BSG gefordertes, immer wiederkehrendes und nicht nur vorübergehendes Auftreten der geforderten Mühe, welches sich im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtwürdigung gleichsam wie eine ständige große Anstrengung der Fortbewegung außerhalb des Kraftfahrzeugs auswirken würde, liegt demnach von vornherein nicht vor, da ein Unvermögen, die Prothese zu benutzen, noch nicht einmal regelmäßig, geschweige denn in der überwiegenden Zeit (bzw. gar in einem Umfang von über 70 % der maßgeblichen Zeit) auftritt. Daher bedarf es nicht der Klärung der Frage, ob bereits das (vorübergehende) Unvermögen, die Prothese zu benutzen, und die sich daraus ergebende Notwendigkeit der Fortbewegung mit Gehstützen aufgrund der Schädigung des linken Knies zu einer nur mit großer Anstrengung außerhalb des Kraftfahrzeuges möglichen Fortbewegung des Klägers führt.
Die Berufung bleibt daher ohne Erfolg.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.