L 11 R 3540/20

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11.
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 10 R 4324/19
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 3540/20
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Auf die Berufung der Beigeladenen wird das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 28.09.2020 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Streitig ist die Versorgung mit Hörgeräten sowie einer FM-Anlage.

Die 1971 geborene und bei der Beigeladenen krankenversicherte Klägerin leidet unter einer beidseitigen Tieftonschwerhörigkeit. Sie arbeitet in Teilzeit als Produktberaterin in der Stiftung K Rechenzentrum für 20 Stunden pro Woche und ist ua zuständig für Schulungen des Kindergarten- und Verwaltungspersonals sowie Präsentationen (auch Fernwartungspräsentationen). Seit dem 01.09.2015 ist bei der Klägerin ein Grad der Behinderung von 30 nach § 152 Neuntes Sozialgesetzbuch (SGB IX) anerkannt. Sie ist gem § 2 Abs 3 SGB IX einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt (vgl Bescheid der Bundesagentur für Arbeit vom 02.05.2018, Bl 20 Rentenakte).

Der S verordnete am 15.01.2018 eine Hörhilfe und gab als Begründung neue Arbeitsplatzanforderungen an das Hören an. In der Folge wandte sich die Klägerin an die A GmbH & Co.KG (fortan Hörgeräteakustiker), welche am 13.07.2018 ein Ton- und Sprachaudiogramm erstellte und eine Beratung für Hörsysteme durchführte. In der Folge passte der Hörgeräteakustiker die zuzahlungspflichtige Hörhilfe P DEMO (Hilfsmittel-Positionsnummer 13.20.12.3604) und die ebenfalls zuzahlungspflichtige Hörhilfe P1 (Hilfsmittel-Positionsnummer 13.20.12.3601) an. Der Freiburger Sprachtest ergab dabei für das P DEMO im Freifeld mit 65dB Nutzschall ein Sprachverstehen von 90% und im Freifeld mit 65 dB Nutzschall und 60 dB Störschall ein Sprachverstehen von 70 %. Für das P1 ergab sich im Freifeld mit 65dB Nutzschall ein Sprachverstehen von 85% und im Freifeld mit 65 dB Nutzschall und 60 dB Störschall ein Sprachverstehen von 60 %. Ein zuzahlungsfreies Hörgerät testete die Klägerin nicht. Am 05.06.2018 erstellte der Hörgeräteakustiker einen Kostenvoranschlag für die Versorgung mit dem P inklusive drei Konferenzmikrofonen sowie einem Tischmikrofon nebst dazugehörigen Empfängern (FM-Anlage) iHv 14.431,01 Euro.

Am 17.07.2018 stellte die Klägerin zunächst bei der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg einen Antrag auf Übernahme dieser Kosten als Leistung zur Teilhabe. Mangels Zuständigkeit leitete die DRV Baden-Württemberg diesen Antrag an die DRV Bund, die Beklagte, weiter, die diesen mit Bescheid vom 03.08.2018 unter Hinweis auf eine fehlende spezifische berufsbedingte Notwendigkeit der Hörgeräteversorgung ablehnte. Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein und schilderte im Einzelnen, aus welchen Gründen sie beruflich auf die Hörgeräte angewiesen sei (Bl 40 f Rentenakte). Für den privaten Bereich reichten ihre Hörgeräte aus. Dem Widerspruch legte die Klägerin das ärztliche Attest des S vom 09.09.2018 bei. Darin führte S aus, bei der Klägerin bestehe eine mittelgradige Innenohrschwerhörigkeit, die hörgerätepflichtig sei. Speziell in ihrem beruflichen Alltag müsse die Klägerin als Produktberaterin häufig Schulungen für Kindergartensoftware mit Gruppen bis zu 15 Teilnehmern durchführen. Hierbei sei das jetzige Hörgerät völlig unzureichend, da es nicht mit dem Konferenzmikrofon (P2) kompatibel sei. Es komme zu großen Sprachverständnisproblemen mit häufigem Nachfragen. Dies entspreche nicht einem unmittelbaren Behinderungsausgleich mit dem Ziel der Angleichung an das Hörvermögen gesunder Menschen. Gemäß einem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) solle berufsbedarflich die bestmögliche Hörgeräteversorgung erfolgen. HNO-ärztlich werde daher dringend zur Erhaltung der beruflichen Leistung und der Arbeitsfähigkeit zu einer höherwertigen Hörgeräteversorgung geraten. Diesen Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28.11.2018 zurück. Ihre anschließende Klage vor dem Sozialgericht Karlsruhe (SG) nahm die Klägerin zurück (S 8 R 4510/18).

Am 08.08.2019 beantragte die Klägerin bei ihrer Krankenkasse, der Beigeladenen, die Kostenübernahme der begehrten Hörgeräteversorgung. Ihre jetzige Hörgeräteversorgung (K) sei nicht mit einer Übertragungsanlage kompatibel. Dem Antrag legte die Klägerin erneut das Attest des S vom 09.09.2018 und außerdem das Schreiben des Hörgeräteakustikers vom 19.04.2019 bei, wonach bestätigt werde, dass die Hörgeräte K nicht kompatibel mit einer FM Anlage seien. Ebenso besäßen diese Hörgeräte keine T-Spule.

Mit Bescheid vom 16.08.2019 erklärte die Beigeladene gegenüber der Klägerin, sich an den Kosten für die Hörgeräteversorgung iHv insgesamt 1.514,02 Euro zu beteiligen. Da die Klägerin angegeben habe, dass die berufliche Tätigkeit besondere Anforderungen an ihr Gehör stelle und sie daher auf die beantragten Hörgeräte am Arbeitsplatz angewiesen sei, habe die Beigeladene den Antrag im Übrigen an die Deutsche Rentenversicherung weitergeleitet. Mit Schreiben vom selben Tag (16.08.2019) leitete die Beigeladene den Antrag der Klägerin an die Beklagte weiter und teilte mit, durch die Bewilligung der Vergütungspauschale sei sie (die Beigeladene) ihrer Leistungspflicht nachgekommen. Eine Erprobung von eigenanteilsfreien Hörgeräten habe laut des Hörgeräteakustikers auf Wunsch der Klägerin nicht stattgefunden.

Gegen den Bescheid vom 16.08.2019 erhob die Klägerin am 21.08.2019 Widerspruch.

Am 02.09.2019 beriet die Beigeladene die Klägerin telefonisch, der Hörgeräteakustiker halte geeignete Geräte bereit, um das bestmögliche Sprachverstehen sicherzustellen. Die Klägerin erklärte sich einverstanden, eine Ausprobe durchzuführen. Gleichzeitig informierte die Beigeladene den Hörgeräteakustiker der Klägerin telefonisch am 03.09.2019 darüber, dass die Klägerin erneut zur Anpassung eines eigenanteilsfreien Gerätes komme. Vom 26.09.2019 bis 25.10.2019 testete die Klägerin das zuzahlungsfreie Hörgerät O 13. Laut Anpass- und Abschlussbericht vom 25.10.2019 ergab der Freiburger Sprachtest für das Gerät O 13 im Freifeld mit 65dB Nutzschall ein Sprachverstehen von 90% und im Freifeld mit 65 dB Nutzschall und 60 dB Störschall ein Sprachverstehen von 65 %. Für das P3ergab sich im Freifeld mit 65dB Nutzschall ein Sprachverstehen von ebenfalls 90% und im Freifeld mit 65 dB Nutzschall und 60 dB Störschall ein Sprachverstehen von 70 % (vgl Bl 47 SG-Akte S 10 R 4324/19).

Mit Bescheid vom 09.09.2019 (Bl 79 Rentenakte) lehnte die Beklagte den (von der Beigeladenen weitergeleiteten) Antrag der Klägerin (erneut) ab, da eine Tätigkeit als Produkt- und Anwendungsbetreuerin keine berufsspezifischen Anforderungen an das Gehör stelle und deshalb ein berufsspezifischer Mehrbedarf nicht bestehe. Persönliche oder telefonische Kommunikation im Zwei- oder Mehrpersonen- bzw Gruppengespräch stelle auch bei ungünstigen akustischen Bedingungen wie Umgebungsgeräuschen am Arbeitsplatz eine Anforderung an das Hörvermögen dar, die beinahe bei jeder Berufsausübung bestehe und daher keine spezifische berufsbedingte Bedarfslage begründen könne. Die beantragten Hörhilfen dienten dem unmittelbaren Behinderungsausgleich mit dem Ziel der Angleichung an das Hörvermögen gesunder Menschen. Möglicherweise habe die Klägerin einen Anspruch gegenüber ihrer Krankenkasse, es werde geraten, sich noch einmal an diese zu wenden. Hiergegen erhob die Klägerin am 01.10.2019 Widerspruch. Der Hinweis, die Klägerin solle sich nochmals mit ihrer Krankenkasse in Verbindung setzen, sei befremdlich. Schließlich habe diese den Antrag der Klägerin an die Beklagte weitergeleitet. Außerdem verneine die Beklagte zu Unrecht eine spezifisch berufsbedingte Bedarfslage. Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten sei ein Hilfsmittel nicht nur dann als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben anzusehen, wenn es ausschließlich zur Ausübung eines bestimmten Berufes benötigt werde. Diese Ausschließlichkeit habe sich noch nicht einmal aus der Auslegung des bis 2017 geltenden Gesetzes ergeben. Das Tatbestandsmerkmal „Berufsausübung“ sei richtigerweise so auszulegen, dass die Hilfsmittelversorgung zur Berufsausübung nicht nur arbeitsplatzspezifische, sondern grundsätzlich alle beruflichen Gebrauchsvorteile erfasse.

Mit Widerspruchsbescheid vom 05.12.2019 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück unter Wiederholung und Vertiefung der Ausführungen des Ausgangsbescheids. Die Versorgung mit Hilfsmitteln gehöre grundsätzlich nicht zu den Leistungen der Deutschen Rentenversicherung im Sinne von § 33 Abs 8 Nr 4 SGB IX. Es liege im Versorgungsauftrag der Beigeladenen, für einen Ausgleich der Funktionsstörungen durch adäquate Hörhilfen zu sorgen. Eine Leistungsgewährung durch die Beklagte komme nur dann in Betracht, wenn die Hilfe selbst oder gegebenenfalls eine besondere Ausstattung als spezifisch berufsbedingte Versorgung im Rahmen des Versorgungsauftrags der Krankenkasse nicht enthalten sei. Ob die Versorgung durch die zuständige Krankenkasse ausreichend sei, könne die Beklagte nicht beurteilen.

Hiergegen hat die Klägerin am 19.12.2019 Klage zum SG erhoben. Eine Zusammenarbeit der hier verantwortlichen Reha-Träger sei nicht erfolgt. Die hier streitgegenständliche Hörhilfenversorgung sei zum Ausgleich des beruflichen Mehrbedarfs der Klägerin geeignet, erforderlich und notwendig.

Nachdem die Klägerin der Beigeladenen einen neuen Kostenvoranschlag des Hörgeräteakustikers (unter neuem Namen: nunmehr W GmbH und Co.KG) vom 17.09.2019 über die Versorgung mittels der Hörhilfe PT nebst P4 (Personenmikrofon), 6 x Pass-around (Handmikrofone), 2 x Charge (Ladestationen), 2 x P5around (Handmikrophone), 2 x P6 (Funkempfänger) über 13.178,02 Euro (vgl Bl 23 SG-Akte S 10 R 4324/19) sowie einen Kostenvoranschlag vom 01.04.2020 für die Hörgeräteversorgung mittels P3iHv 4.580,00 Euro (Bl 46 SG-Akte aaO; „M“ ist das Nachfolgemodell von „B“) vorgelegt hatte, erklärte sich die Beigeladene mit Bescheid vom 01.04.2020 (erneut) dazu bereit, sich an den hierfür anfallenden Kosten in Höhe des Festbetrages zu beteiligen. Der Bescheid ersetze die Bewilligung vom 16.08.2019 (vgl Bl 77 SG-Akte S 10 R 4324/19). Im Übrigen leitete die Beigeladene den Antrag wiederum an die Beklagte weiter. Mit Widerspruchsbescheid vom 10.12.2020 wies die Beigeladene den Widerspruch gegen den Bescheid vom 01.04.2020 zurück (Bl 39 Krankenversicherungsakte).

Das SG hat den Hörgeräteakustiker schriftlich als Zeugen befragt. Dieser hat erklärt, während die zuzahlungsfreien Hörgeräten in ruhigen Alltagssituationen kaum einen Unterschied zu den aufzahlungspflichtigen Hörgeräten aufzeigten, werde der Unterschied im Alltag wesentlich deutlicher, wenn Sprache und Störlärm zusammen wahrgenommen würden. Die Festbetragsgeräte hätten keine automatische Richtmikrofontechnologie. Das heißt, hier müsse der Hörgeräteträger mit einem Zusatzprogramm manuell das Hörgerät in ein Richtmikrofonprogramm umschalten. Während des manuellen Umschaltens könne im Alltag wieder eine andere Hörsituation entstehen, die für den Träger nicht mehr passend sei. Bei den aufzahlungspflichtigen Hörgeräten werde dies automatisch geregelt. Je nach Hörsituation regelten die Hörgeräte, ob ein Richtmikrofon eingeschaltet werden müsse und wie stark die Störlärmunterdrückung arbeiten solle. Beide Hörgeräte stimmten sich so aufeinander ab, dass die Sprachsignale von einem Hörgerät auf das andere übertragen würden, so dass alles mit beiden Ohren gehört werden könne. Die Sprachwahrnehmung werde hiermit deutlich verbessert. Die Richtmikrofontechnologie zeige auch die beste Wirkung, um Sprache im Störlärm zu verbessern, und habe somit eine viel geringere Höranstrengung. Binaurale Anbindung an bluetoothfähige Telefone und Smartphones sei nur mit diesen P Hörgeräten möglich. Ein freihändiges Telefonieren werde dadurch ermöglicht. Bei Festbetragshörgeräten gäbe es dazu keine Möglichkeit. Zu der kostengünstigeren Variante ergäben sich deutliche Unterschiede. Durch StereoZoom werde der in Blickrichtung stehende Gesprächspartner fokussiert. Der enge Fokus sorge für eine deutlich bessere Sprachwahrnehmung in lauter Umgebung bei deutlich geringerer Höranstrengung. Das Zusatzprogramm „Speech in 360 Grad" bewirke eine automatische Fokussierung des Gesprächspartners nach vorne, zur Seite oder nach hinten – ohne diesen anschauen zu müssen, werde die Sprachwahrnehmung verbessert. Sound relax sei eine automatische Impulsgeräuschunterdrückung, die plötzlich auftretende Impulsgeräusche dämpfe. WindBlock erkenne Windgeräusche, die durch einen adaptiven Algorithmus automatisch unterdrückt würden.

Die Klägerin hat hierzu ergänzend vorgetragen, bei der Testung des Modells O 13 einen relevanten Nachteil im Vergleich zu dem Modell P gehabt zu haben. Die Störgeräuschunterdrückung sei unzureichend. Der Störlärm werde zu stark verstärkt. Sie habe die Hörgeräte O 13 als "Zumutung" empfunden. Ein weiterer relevanter Nachteil bestehe darin, dass das zuzahlungsfreie Modell nicht mit einer FM-Anlage kompatibel sei.

Mit Urteil vom 28.09.2020 hat das SG die Bescheide der Beklagten aufgehoben und die Beigeladene zur Versorgung mit den begehrten Hörgeräten verurteilt. Die Bescheide der Beklagten seien mangels Zuständigkeit aufzuheben. Es handele sich bei einer Hörgeräteversorgung um Leistungen der medizinischen Rehabilitation, so dass die Beigeladene den Antrag der Klägerin nicht habe aufteilen und an die Beklagte weiterleiten dürfen. Im Übrigen sei die Weiterleitung zu spät erfolgt, da die Übergabe der Verordnung des HNO-Arztes Dr. Benedict an den Hörgeräteakustiker spätestens am 13.07.2018 (Erstellung des ersten Sprachaudiogramms) erfolgt sei. Diese Übergabe stelle nach zutreffender Auffassung den nach § 14 SGB IX maßgeblichen Leistungsantrag dar. Da die Beklagte somit mangels sachlicher Zuständigkeit die streitgegenständlichen Bescheide erlassen habe, sei dem Antrag auf Aufhebung des Bescheides vom 09.09.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.12.2019 zu entsprechen. Ein Anspruch auf Hörgeräteversorgung gegen die Beigeladene scheitere bereits deshalb, weil die Beklagte wegen § 14 SGB IX nicht der für die Erbringung der Sachleistung materiell-rechtlich verpflichtete Leistungsträger gewesen sei. Die Klägerin könne aber von der Beigeladenen die Verurteilung der beantragten Hörgeräteversorgung nach § 75 Abs 5 SGG verlangen, denn diese habe die beantragte Versorgung zu Unrecht abgelehnt. Der Anspruch scheitere nicht daran, dass die Beigeladene den Anspruch der Klägerin mit Bescheiden vom 16.08.2019 und 01.04.2020 insoweit abgelehnt habe, als diese eine über dem Festbetrag liegende Versorgung beantragt hatte. Denn die Klägerin habe gegen diesen Bescheid fristgerecht Widerspruch erhoben, sodass der Bescheid nicht bestandskräftig geworden ist. Der Bescheid vom 01.04.2020 sei gem § 86 SGG Gegenstand des bisher von der Beigeladenen nicht abgeschlossenen Widerspruchsverfahrens geworden. Auch die materiell rechtlichen Voraussetzungen für die beantragte Hörgeräteversorgung gemäß §§ 27 Abs 1 Satz 2 Nr 3, 33 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) lägen vor. Der für ein Hilfsmittel festgesetzte Festbetrag begrenze die Leistungspflicht der Krankenkasse dann nicht, wenn er für den Ausgleich der konkret vorliegenden Behinderung objektiv nicht ausreiche. Die Versorgung mit dem Hörgerät P3nebst FM-Anlage sei für die Klägerin notwendig, da sie nicht ohne relevanten Nachteil mit dem vom Hörgeräteakustiker tatsächlich angepassten zuzahlungsfreien Hörgerät der Marke O 13 versorgt werden könne. Die Klägerin weise schwerwiegende Hörbeeinträchtigungen insbesondere bei störenden Umgebungsgeräuschen auf. Dies sei der klassische Leistungsbereich der Krankenversicherung. Es handele sich dabei um solche Anforderungen, die nach § 33 SGB V auszugleichen seien. Mit diesen Defiziten sei die Klägerin sowohl im Privatleben als auch im Beruf eingeschränkt. Ein besonderer berufsbedingter Bedarf ergebe sich nicht. Die wahrgenommene Tätigkeit als Produktberaterin stelle keine höheren Anforderungen an ihr Hörvermögen, als dies auch im Privatleben der Fall sei. Die von der Klägerin getesteten Geräte vom Typ P3 nebst FM-Anlage erbrächten den Vorteil, dass sie Nebengeräusche unterdrückten und damit insbesondere eine Verständigung auch unter Störgeräuschen ermöglichten. Die Klägerin habe hierzu in der mündlichen Verhandlung überzeugend vorgetragen, dass sie die von ihr favorisierten Geräte getestet und verglichen habe und diese ihren Hörschaden - auch bei Störlärm - am besten ausgeglichen hätten. Auch der Hörgeräteakustiker habe in seiner sachverständigen Zeugenaussage bestätigt, dass im Alltag und in beruflich unterschiedlichen Hörsituationen das ausgewählte Hörsystem für die Klägerin im Vergleich zu zuzahlungsfreien Modellen ein besseres Sprachverstehen biete und nicht lediglich bequemer in der Anwendung sei. Das BSG stelle auf den effektiven Hörerfolg und nicht auf das Ergebnis von Messungen in einem isolierten Testverfahren ab. Im Alltag zeichneten sich schwierige Hörsituationen vielfach durch das Zusammenwirken mehrerer Störschallquellen aus. Es gebe bislang keine verlässlichen (und bei der Beratung der Versicherten auch tatsächlich eingesetzten) Testverfahren, um diese im realen Alltag anzutreffenden Bedingungen zuverlässig abzubilden, um dann auf dieser Basis Aussagen zur konkreten Eignung einzelner Hörgeräte auf der Basis der individuellen Ausprägung der Hörbeeinträchtigungen vornehmen zu können. Das Ergebnis des Freiburger Sprachtest vom 25.10.2019 könne demnach eine verlässliche Einschätzung des Hörverständnisses nicht bieten. Der Einsatz von Hörgeräten sei seiner Eigenart nach auf einen längerfristigen, tendenziell ganztägigen Gebrauch ausgelegt. Der Freiburger Sprachtest werde in einer Hörkabine durchgeführt, in welcher die im Alltag vorkommenden Störgeräusche nicht realitätsgetreu nachgeahmt würden. Aber selbst wenn man vorliegend davon ausginge, dass der Freiburger Sprachtest eine verlässliche Einschätzung des Hörverständnisses abbilden könne, so käme man vorliegend dennoch zu dem Ergebnis, dass die Versorgung mit einem eigenanteilsfreien Hörgerät für die Klägerin nicht ausreichend sei. Denn für das begehrte Hörgerätemodell habe die Klägerin einen um immerhin 5 % besseren Wert im Störschall erzielt. Dieser Unterschied sei beachtenswert. Denn es sei für einen Hörgeschädigten nicht bedeutungslos, ob er schon bei diesem Test ohne Alltagsrelevanz ein Zwanzigstel der Wörter mehr oder weniger verstehe. Im vorliegenden Fall habe sich dieses Weniger an Hörverstehen im Vergleich zu dem begehrten Hörgerät im Übrigen auch in der Alltagstestung bestätigt. Die Klägerin habe glaubhaft und einleuchtend dargelegt, dass die streitgegenständlichen höherpreisigen Geräte im Vergleich zu den getesteten kostengünstigeren Geräten ganz erhebliche Verbesserungen im Hörvermögen im Alltag gezeigt hätten. Mit den höherpreisigen Geräten könne insbesondere in schwierigen Hörsituationen ein deutlich besseres Verstehen und damit eine sichere Teilnahme an Gesprächen erreicht werden. Auch bei dem gebotenen längerfristigen Einsatz der Geräte sei ein ermüdungsfreier Gebrauch ohne besondere Anstrengungen möglich. Die Klägerin habe überzeugend ins Gewicht fallende erhebliche Gebrauchsvorteile der höherpreisigen Geräte dargelegt, die gerade vor dem Hintergrund der angestrebten langjährigen Versorgung den Mehrpreis in jeder Hinsicht aufwögen. In diesem Zusammenhang könne sich die Beigeladene auch nicht auf die bloße Möglichkeit berufen, dass eventuell ein anderer Hörgeräteakustiker in der Lage gewesen wäre, der Klägerin auch mit geringeren Kosten oder eventuell auch zum Festbetrag mit Hörgeräten zu versorgen, die ähnlich gute Hörergebnisse erzielt hätten. Der Klägerin hätten diesbezüglich keine effektiv nutzbaren Versorgungsmöglichkeiten zur Verfügung gestanden. Die dafür im Ausgangspunkt zuständige Beigeladene habe ihr keine spezifische fachkundige Beratung angeboten, sondern sie im Ergebnis auf die - von ihr auch in Anspruch genommene - Beratung durch den konsultierten Hörgeräteakustiker verwiesen. Es sei insbesondere auch von Seiten des konsultierten Hörgeräteakustikers keine Möglichkeit aufgezeigt worden, vergleichbar gute Hörerfolge auch mit kostengünstigeren Geräten zu erreichen.

Gegen das ihr am 08.10.2020 zugestellte Urteil hat die Beigeladene am 09.11.2020, einem Montag, Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingereicht. Die Ersatzkassen hätten Verträge mit der Bundesinnung der Hörgeräte-Akustiker geschlossen und darin vertragliche Höchstpreise bzw Pauschalen vereinbart. Nach dem aktuellen, seit 01.07.2015 geltenden Vertrag hätten sich die Akustiker verpflichtet, im Rahmen der Hörgeräteanpassung mindestens ein individuell geeignetes, eigenanteilsfreies Versorgungsangebot zu unterbreiten, das folgende Anforderungen erfüllen müsse: Digitaltechnik, Mehrkanaligkeit (mindestens 4 Kanäle), Rückkopplungs- und Störschallunterdrückung, mindestens drei Hörprogramme und Mehrmikrofontechnik. Damit solle ein möglichst weitgehender Ausgleich des jeweiligen Schwerhörigkeitsgrades des Versicherten erfolgen und - soweit möglich - ein Sprachverstehen bei Umgebungsgeräuschen und in größeren Personengruppen erreicht werden. Hierzu halte der Akustiker ein ausreichendes Sortiment von eigenanteilsfreien Angeboten zum bestmöglichen Ausgleich des Hörverlustes vor. Entsprechend dieser vertraglichen Vereinbarung werde die beidohrige Versorgung mit Hörgeräten in Höhe von 1.534 EUR vergütet. Mehrkosten habe der Versicherte zu tragen, nämlich in der Regel dann, wenn es sich um Hörgeräte mit zusätzlichen Ausstattungsmerkmalen, wie Bedienvorteilen, ästhetischen bzw kosmetischen Vorteilen, erhöhtem Hörkomfort, mehreren Hörprogrammen oder mit mehr Kanälen als audiologisch notwendig handele. Zur Begründung der erstinstanzlichen Entscheidung werde ausgeführt, dass Festbetragsgeräte keine automatische Richtmikrofontechnologie hätten. Tatsächlich müssten aufzahlungsfreie Geräte mit einem Zusatzprogramm manuell auf ein Richtmikrofonprogramm umgeschaltet werden. Die Sprachwahrnehmung werde durch eine automatische Richtmikrofontechnologie insgesamt nicht verbessert. Im Gegenteil erwiesen sich automatische (adaptive) Richtmikrofone dann als Nachteil, wenn ein anderer als der lauteste Sprecher gehört werden solle, denn adaptive Richtmikrofone suchten stets den lautesten Sprecher. Komfortfunktionen wie eine binaurale Anbindung an bluetoothfähige Telefone und Smartphones, die ein freihändiges Telefonieren ermöglichten, oder StereoZoom zur Fokussierung des in Blickrichtung stehenden Gesprächspartners, aber auch das Zusatzprogramm "Speech in 360 Grad" zur automatischen Fokussierung des Gesprächspartners nach vorne, zur Seite oder nach hinten sowie die automatische Impulsgeräuschunterdrückung "Sound relax", die plötzlich auftretende Impulsgeräusche dämpften, trügen zu einem besseren Hör- und Tragegefühl bei, nicht aber zu einem besseren Sprachverstehen. Eine besonders kleine Bauform erhöhe den Preis erheblich und diene allein subjektiven Aspekten. Dem Argument, dass WindBlock Windgeräusche erkenne, die durch einen adaptiven Algorithmus automatisch unterdrückt würden, sei entgegenzuhalten, dass ein Hörgesunder auch nicht über Wind- und Impulsgeräuschunterdrückung verfüge. Insofern würde die gewünschte Versorgung über einen Ausgleich des Funktionsdefizits im Hörvermögen der Klägerin hinausgehen. Übertragungsanlagen könnten bei einer ausgeprägten Schwerhörigkeit erforderlich sein, wenn trotz optimaler Hörgeräteanpassung im Freifeld kein offenes Sprachverständnis mehr erreicht werde. Bei Erwachsenen könne die Versorgung mit einer FM-Anlage also im Einzelfall medizinisch indiziert sein, wenn das Grundbedürfnis Hören durch die Hörgeräteversorgung bei an Taubheit grenzender Schwerhörigkeit nicht ausreichend ermöglicht werde. Die Klägerin leide an einer beidseitigen Tieftonschwerhörigkeit und erreiche mit Hörgeräten nicht weniger als 60% Sprachverstehen, sondern mit dem aufzahlungsfreien O 13 im Freifeld mit 65 dB Nutzschall ein Sprachverstehen von 90% und im Freifeld mit 65 dB Nutzschall und 60 dB Störschall ein Sprachverstehen von 65 %. Sie sei also nicht an Taubheit grenzend schwerhörig gemäß WHO4. Weil die Klägerin mit Hörgeräteversorgung in Ruhe mindestens 60 % Sprachverstehen erreiche, habe die Beigeladene und Berufungsklägerin den Antrag im Rahmen des SGB IX an die Beklagte als insoweit zuständigen Träger weitergeleitet. Laut einschlägiger Fachliteratur könne ab einem 60%igen Einsilberverstehen einem Gespräch gefolgt werden. Die Klägerin erreiche also bereits mit der aufzahlungsfreien Hörgeräteversorgung ein ausreichendes Sprachverstehen. Hier schließe sich ein logischer Kreis: Wer wie ein Hörgesunder aus dem Satzverstehen heraus genug verstehe, um einem Gespräch zu folgen, brauche keine Sonderfunktionen, die jedweden Störlärm eliminierten. Eine FM-Anlage könne nur in bestimmten Situationen einen Hörbenefit ermöglichen und diene vorwiegend schwerst Hörgeschädigten oder berufsspezifischem Mehrbedarf. Da FM-Anlagen nur im Rahmen des mittelbaren Behinderungsausgleichs zur Verbesserung des Sprachverstehens zu gewähren seien, wenn trotz bestmöglicher Hörgeräteanpassung im gesamten täglichen Leben kein ausreichendes Sprachverstehen erreicht werde, sei eine Versorgung mit einer FM-Anlage hier nicht erforderlich. Der Akustiker habe verschiedene Hörgeräte, ua auch ein eigenanteilsfreies Hörgerät der Marke "O", getestet und angepasst. Diese angebotene eigenanteilsfreie Hörgerätetechnik verfüge über die vom Gesetzgeber geforderten Mindestparameter, wie Störgeräusch- und Rückkopplungsunterdrückung, Richtmikrofontechnik, Digitaltechnik sowie über eine Vierkanaligkeit und ermögliche einen objektiven Ausgleich der Schwerhörigkeit auch im Alltag bzw im Störgeräusch und bei Gesprächen in Gruppen. Aus den im Freiberger Sprachtest erzielten Messwerten ergebe sich deutlich, dass mit eigenanteilsfreier Technik ein bestmögliches Sprachverstehen im Alltag bzw im Störgeräusch und bei Gesprächen in Gruppen erreicht werden könne. Die hier vorliegende Differenz von 5 Prozent liege im Rahmen der Messtoleranz, da im normierten Freiburger Sprachtest ein Wort eine Wertigkeit von 5 Prozent habe. Eine wissenschaftliche Ausarbeitung zur Beurteilung des Freiburger Sprachtests, die die verschiedenen Aspekte von Studien darstelle und aufzeige, welche Ergebnisse miteinander verglichen werden könnten sowie auf zurzeit noch offene Fragestellungen hinweise, sei ebenfalls beigefügt.

Die Beigeladene beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 28.09.2020 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 09.09.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.12.2019 abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der möglichst umfassende und vollständige Behinderungsausgleich dürfe in der Rechtsanwendungspraxis nicht dadurch unterlaufen werden, dass im gerichtlichen Verfahren realitätsfremde Anforderungen gestellt würden. Entscheidend sei der effektive Hörerfolg und nicht etwa allein das Ergebnis von Messungen in einem isolierten Testverfahren. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der Studie zum Freiburger Sprachtest, die aus dem Jahr 2014 stamme. Es sei als evidenzbasiert zu berücksichtigen, dass der Freiburger Sprachtest bzw seine Ergebnisse nicht allein entscheidend seien für die Frage der Eignung einer Hörhilfe. Zu unterscheiden sei zwischen der Versorgungsindikation, um die es hier nicht gehe, und der Frage der konkret individuellen Eignung eines Hörhilfsmittels. Das SG habe hierzu nicht nur die Ergebnisse des Freiburger Sprachtests berücksichtigt, sondern zutreffend eine Gesamtbetrachtung angestellt. Eine solche Gesamtbetrachtung sehe auch die Hilfsmittelrichtlinie in § 6 Abs 3 Satz 2 vor. Es sei unzutreffend und werde bestritten, dass eine automatische Richtmikrofontechnologie die Sprachwahrnehmung nicht verbessere, dass die binaurale Anbindung an bluetoothfähige Telefone und Smartphones unbeachtliche "Komfortfunktionen" seien und dass Technologien, die das Richtungshören verfeinern, reine Komfortfunktionen seien. Diese vermeintlichen Komfortfunktionen verbesserten das Sprachverstehen und seien deshalb zu berücksichtigen. Diese Funktionen führten insgesamt auch nicht etwa dazu, dass der Schwerhörige besser als der Hörgesunde höre. Hinsichtlich der Wind- und Impulsgeräuschunterdrückung sei zu berücksichtigen, dass ein Schwerhöriger unter solchen Störgeräuschen sehr viel stärker leide als ein Hörgesunder. Es sei unzutreffend und werde bestritten, dass Übertragungsanlagen nur beansprucht werden könnten, wenn eine Schwerhörigkeit gemäß WHO 4 vorliege. Auch aus § 25 der GKV-Hilfsmittelrichtlinie ergebe sich eine solche Anspruchsvoraussetzung nicht. Entscheidend sei der Gebrauchsvorteil, den die Klägerin zutreffend beschrieben und das SG zutreffend bewertet habe. Soweit die Beigeladene meine, es handele sich hier möglicherweise um berufsspezifischen Mehrbedarf, hätte sie als umfassend zuständiger Reha-Träger ggf auch Ansprüche der Klägerin auf medizinische Rehabilitation in Gestalt von Hilfsmitteln und Ansprüche auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben prüfen und bejahen müssen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Den Ausführungen der Klägerseite werde zugestimmt. Die Beigeladene berufe sich trotz der ihr obliegenden Sachleistungsverpflichtung zur Darlegung ihrer ausreichenden Versorgung weiterhin auf die Vereinbarungen mit den Vertragspartnern. Dieser Hinweis verdeutliche aus Sicht der Beklagten, dass die Beigeladene, trotz der deutlichen Kritik des BSG in den Entscheidungen vom 24.01.2013 (ein „Outsourcing" ist dem Krankenversorgungsträger nicht gestattet) und vom 30.10.2014 (eine „faktische Privatisierung" steht einem Sozialleistungsträger nicht zu) am Versorgungsverfahren der Krankenkassen, weiterhin davon ausgehe, mit der Vertragsvereinbarung ihre Verpflichtung gegenüber der Klägerin erfüllt zu haben. Sie setze sich nicht mit den vom SG festgestellten Gebrauchsvorteilen für das alltägliche Sprachverstehen auseinander und bürde der Klägerin den Gegenbeweis aus, dass zB die Richtmikrofonautomatik oder die binaurale Anbindung an bluetoothfähige Telefone lediglich dem Komfort dienten. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb sich der Hörerfolg ausschließlich nach Labormesswerten richten solle, auch wenn sich diese Sprachverstehenswerte in einer realen Hörumgebung nicht ergäben. Dass jeder hörgeschädigte Mensch nur seinen individuellen Hörerfolg feststellen könne, liege in der Natur der Sache. Die Beigeladene müsse in einem gerichtlichen Verfahren darlegen und beweisen, mit welchem konkreten Hilfsmittel der gesetzliche Auftrag erfüllt würde.

Wegen der weiteren Einzelheiten sowie des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten und Beigeladenen sowie auf den Inhalt der Gerichtsakten erster und zweiter Instanz und auf die beigezogene Akte S 8 R 4510/18 Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Beigeladenen hat Erfolg.

Die form- und fristgerecht (§ 151 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) eingelegte Berufung der Beigeladenen ist statthaft und zulässig. Die Beigeladene ist durch das SG zur Versorgung mit der begehrten Hörhilfe verurteilt worden auf Grundlage des § 75 Abs 5 SGG, so dass die erforderliche Beschwer gegeben ist.

Streitgegenstand ist die Versorgung der Klägerin als Sachleistung mit den Hörgeräten P entweder durch den beklagten Rentenversicherungsträger oder die beigeladene Krankenkasse. Die Klägerin hat die Hörgeräte derzeit lediglich zur Ausprobung erhalten, wie sie im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem SG ausgeführt hat (Bl 80 f SG-Akte). Sie macht den Anspruch auf Versorgung mit diesen Hörgeräten zu Recht mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs 4 SGG geltend.

Die Klägerin hat jedoch weder einen Anspruch auf die begehrten Hörgeräte nach den Vorschriften des SGB V noch einen Anspruch nach den für die Beklagte geltenden Rechtsvorschriften. Insofern lässt der Senat offen, welcher der Träger im Außenverhältnis für die Leistung zuständig wäre, da materiell-rechtlich kein Anspruch auf Versorgung mit den Hörgeräten besteht.

Rechtsgrundlage des krankenversicherungsrechtlichen Sachleistungsanspruchs, für den die beigeladene Krankenkasse zuständig wäre, ist § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V. Danach haben Versicherte ua Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln wie Hörhilfen, die im Einzelfall erforderlich sind, um ua die hier allein in Betracht zu ziehende Behinderung nach § 33 Abs 1 Satz 1, 3. Alt SGB V und damit die beeinträchtigte Körperfunktion (hier: das eingeschränkte Hören) auszugleichen. Die Klägerin ist aufgrund ihrer beidseitigen mittelgradigen Schwerhörigkeit auf eine Hörgeräteversorgung angewiesen. Dass sie zum Ausgleich ihrer Schwerhörigkeit einen Anspruch auf eine Versorgung mit Hörgeräten hat, die nach § 34 Abs 4 SGB V nicht aus der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen sind, wird von der Beigeladenen ebenso wie von der Beklagten im Grundsatz auch nicht in Frage gestellt.

Ein Sachleistungsanspruch auf die hier begehrten Hörgeräte besteht jedoch nicht, weil die Klägerin mit diesen Hörgeräten eine Hilfsmittelversorgung gewählt hat, die über das Maß des Notwendigen hinausgeht. Die Beigeladene hat ihre (originäre, dh krankenversicherungsrechtliche) Leistungspflicht mit der Erstattung des Festbetrages erfüllt (§ 12 Abs 2 SGB V). Beim Einsatz von Hilfsmitteln des § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V ist nach deren Funktionalität und schwerpunktmäßiger Zielrichtung bzw Zwecksetzung zu differenzieren (vgl nur BSG 15.03.2018, B 3 KR 18/17 R, BSGE 125, 189 = SozR 4-2500 § 13 Nr 41, Rn 23 ff). Ein Hilfsmittel dient als Leistung zur medizinischen Rehabilitation dem „Ausgleich einer Behinderung“, wenn es seinem Zweck entsprechend die Auswirkungen der Behinderung beseitigt oder mindert und damit der Befriedigung eines Grundbedürfnisses dient. Für den Versorgungsumfang, insbesondere Qualität, Quantität und Diversität, kommt es entscheidend auf den Umfang der mit dem begehrten Hilfsmittel zu erreichenden Gebrauchsvorteile im Hinblick auf das zu befriedigende Grundbedürfnis an, ohne dass hierfür maßgeblich die Unterscheidung zwischen unmittelbarem und mittelbarem Behinderungsausgleich heranzuziehen wäre (BSG 07.05.2020, B 3 KR 7/19 R, juris Rn 27 mwN). Hörbehinderten Menschen ist im Rahmen des Möglichen auch das Hören und Verstehen in größeren Räumen und bei störenden Umgebungsgeräuschen zu eröffnen und ihnen die dazu nach dem Stand der Hörgerätetechnik (§ 2 Abs 1 Satz 3 SGB V) jeweils erforderlichen Geräte zur Verfügung zu stellen (BSG 17.12.2009, B 3 KR 20/08 R, SozR 4-2500 § 36 Nr 2, SozR 4-2500 § 33 Nr 28, Rn 19 ff und 24.01.2013, B 3 KR 5/12 R, SozR 4-3250 § 14 Nr 19, Rn 31). Der Anspruch auf eine Hilfsmittelversorgung nach § 33 SGB V wird jedoch durch das Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 Abs 1 SGB V begrenzt. Die Leistungen müssen danach „ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein“ und dürfen „das Maß des Notwendigen nicht überschreiten“; Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen. Demzufolge verpflichtet auch § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V nicht dazu, den Versicherten jede gewünschte, von ihnen für optimal gehaltene Versorgung zur Verfügung zu stellen. Ausgeschlossen sind danach Ansprüche auf teure Hilfsmittel, wenn eine kostengünstigere Versorgung für den angestrebten Nachteilsausgleich funktionell ebenfalls geeignet ist; Mehrkosten sind andernfalls selbst zu tragen (§ 33 Abs 1 Satz 5 SGB V). Eingeschlossen in den Versorgungsauftrag der gesetzlichen Krankenversicherung ist eine kostenaufwändige Versorgung dagegen dann, wenn durch sie eine Verbesserung bedingt ist, die einen wesentlichen Gebrauchsvorteil gegenüber einer kostengünstigeren Alternative bietet. Keine Leistungspflicht besteht dagegen für solche Innovationen, die nicht die Funktionalität betreffen, sondern in erster Linie die Bequemlichkeit und den Komfort bei der Nutzung des Hilfsmittels. Dasselbe gilt für lediglich ästhetische Vorteile. Desgleichen kann eine Leistungsbegrenzung zu erwägen sein, wenn die funktionalen Vorteile eines Hilfsmittels ausschließlich in bestimmten Lebensbereichen zum Tragen kommen. Weitere Grenzen der Leistungspflicht können schließlich berührt sein, wenn einer nur geringfügigen Verbesserung des Gebrauchsnutzens ein als unverhältnismäßig einzuschätzender Mehraufwand gegenübersteht (BSG 17.12.2009, B 3 KR 20/08 R, SozR 4-2500 § 36 Nr 2, SozR 4-2500 § 33 Nr 28, Rn 19 ff und 24.01.2013, B 3 KR 5/12 R, SozR 4-3250 § 14 Nr 19, Rn 31).

Gemessen an diesen Maßstäben geht die Versorgung der Klägerin mit den begehrten Hörgeräten über das Maß des Notwendigen hinaus.

Die Klägerin leidet unter einer mittelgradigen Innenohrschwerhörigkeit beidseits (vgl Attest des HNO-Arztes S vom 09.09.2018) und hat daher Anspruch auf Versorgung mit Hörgeräten. Dies wird von der Beigeladenen auch nicht bezweifelt. Allerdings reicht das vom Akustiker angebotene Festbetragsgerät aus, um den Hörverlust auszugleichen. Die Klägerin erreichte mit den zuzahlungsfreien Hörgeräten O 13 ausweislich des Anpass- und Abschlussberichts des Hörgeräte-Akustikers im Freifeld mit 65dB Nutzschall ein Sprachverstehen von 90% und im Freifeld mit 65 dB Nutzschall und 60 dB Störschall ein Sprachverstehen von 65 %. Für das P3ergab sich im Freifeld mit 65dB Nutzschall ein Sprachverstehen von ebenfalls 90% und im Freifeld mit 65 dB Nutzschall und 60 dB Störschall ein Sprachverstehen von 70 %. Dieser Unterschied von 5%-Punkten bei Störschall ist nicht als wesentlich einzustufen, denn im Freiburger Sprachtest hat ein Wort bei der Austestung eine Wertigkeit von 5%. Ein Unterschied von 5% bzw einem Wort kann jedoch auch von Zufälligkeiten und der jeweiligen Tagesform abhängen. Aus objektiver Sicht besteht daher kein Anspruch auf die Versorgung mit den gewählten Geräten, da sich insoweit kein Vorteil ergibt (LSG Baden-Württemberg 02.02.2021, L 11 KR 2192/19, Rn 29, juris). Dabei hat der Senat keine Zweifel, dass der Freiburger Sprachtest ein geeignetes Mittel ist, um die Güte eines Hörsystems bewerten zu können. Der Freiburger Sprachtest ist nach § 21 Abs 2 ff Hilfsmittel-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses ein normiertes Verfahren und ermöglicht einen objektiven Vergleich zwischen den getesteten Hörgeräten (LSG Baden-Württemberg 22.01.2020, L 5 KR 241/18, Rn 42, juris; vgl auch LSG Berlin-Brandenburg 13.07.2017, L 9 KR 60/17 B ER, Rn 8, juris), und dies auch im Störschall (vgl § 21 Abs 3 sowie § 22 Abs 3 der Hilfsmittel-Richtlinie). Die Hilfsmittel-Richtlinie wurde mit Beschluss vom 24.11.2016 geändert, und es wurde eine Testung mit dem Freiburger Einsilbertest auch im Störgeräusch eingeführt. In den „Tragenden Gründen zum Beschluss“ (vgl https://www.g-ba.de/downloads/40-268-4059/2016-11-24_HilfsM-RL_Freiburger-Einsilbertest_TrG.pdf) wird ausgeführt, es handele sich bei dem Freiburger Einsilbertest um ein Testverfahren zur Überprüfung der Sprachverständlichkeit. Er stelle im deutschen Sprachraum die am häufigsten verwendete Hörprüfung mit Sprache dar. Da der Nachweis einer Gleichwertigkeit des Freiburger Einsilbertests im Störgeräusch mit den bisher beispielhaft aufgezählten Testverfahren nur anhand der vorhandenen Literatur nicht möglich gewesen sei, sei eine Expertenanhörung auf niedrigerer Evidenzstufe durchgeführt worden mit dem Ergebnis, dass der Freiburger Einsilbertest im Störgeräusch prinzipiell als geeignet angesehen werden könne (vgl Ziffer 2 Eckpunkte der Entscheidung, zu § 21 Abs 3 [neu]). Insofern mag es zwar verschiedene Verfahren auf dem Markt geben, um insbesondere im Störschall das Hörvermögen zu prüfen, doch folgt aus den zitierten „Tragenden Gründen“, dass bisher kein anderes Verfahren den Freiburger Sprachtest wegen besserer Qualität/Geeignetheit abgelöst hat. Vor diesem Hintergrund sieht auch der Senat keine Veranlassung, das Ergebnis des Freiburger Sprachtests im Falle der Klägerin in Zweifel zu ziehen und noch weitere Ermittlungen durchzuführen. Entgegen dem Vortrag der Klägerin ist das rein subjektive Hörverstehen nicht von ausschlaggebender Bedeutung. Rein subjektive Schilderungen des Hörgeräteträgers sind durch die Krankenkassen und durch die Gerichte nicht überprüfbar und können deshalb nicht Grundlage für die Beurteilung sein, welches Hörgerät ausreicht, um die Behinderung auszugleichen (so auch LSG Mecklenburg-Vorpommern 19.08.2020, L 6 KR 36/16, Rn 48 ff, juris). Auch besteht die Gefahr, dass der subjektive Eindruck nicht unwesentlich durch Komfortausstattungen des teureren Gerätes beeinflusst wird, die nicht von der Krankenkasse zu tragen sind, aber subjektiv das Hörvermögen erleichtern (zB hier Komfortausstattungen wie Richtmikrofontechnologie, Binaurale Anbindung an bluetoothfähige Telefone und Smartphones, StereoZoom, „Speech in 360 Grad", Sound relax, WindBlock). Es liegt auf der Hand, dass etliche dieser Komfortfunktionen, vor allem solche, die einer automatischen Anpassung dienen und kein manuelles Eingreifen des Hörgeräteträgers erfordern, subjektiv das Hören wesentlich erleichtern. Einen Vorteil im Hinblick auf das zu befriedigende Grundbedürfnis Hören bieten diese Komfortausstattungen indes nicht. Gerade weil die Klägerin schon frühzeitig mit Hörgeräten zu Demonstrationszwecken (vgl bereits Anpass- und Abschlussbericht des Hörgeräte-Akustikers vom 13.07.2018, Bl 16 Rentenakte, darin ausdrücklich DEMO) versorgt wurde, war daher kaum zu erwarten, dass ein Hörsystem mit weniger Komfort überhaupt als ernsthafte Alternative in Betracht gezogen wurde. Offenbar war die Klägerin zu Beginn nicht einmal bereit, überhaupt ein anderes Gerät auszuprobieren (s Aktenvermerk Bl 9 Krankenversicherungsakte).

Dass dieses Gerät für den privaten Gebrauch nicht ausreicht, wurde von der Klägerin bis zum Zeitpunkt des erstinstanzlichen Urteils auch nicht in Frage gestellt – im Gegenteil: Für den täglichen Bedarf hätte ihr nach ihrem eigenen Vortrag sogar ihr bisheriges Hörgerät K ausgereicht. Die Klägerin hat von Anfang an vorgetragen, einzig wegen arbeitsplatzbezogener Herausforderungen ein neues Hörgerät zu benötigen. Aus diesem Grund wandte sie sich auch zunächst bereits im Juli 2018 an die Beklagte und trug ausführlich vor, das hier streitige Hörgerät im Rahmen der Schulungen, bei Präsentationen und beim Telefonieren während der Arbeit zu benötigen. Ausdrücklich bestätigte sie hierbei, dass ihre derzeitigen - alten - Hörgeräte für den privaten Bereich ausreichten (vgl Widerspruchsschreiben vom 16.09.2018). Sie fügte diesem Widerspruch ein ärztliches Attest des behandelnden HNO-Arztes S vom 09.09.2018 bei, wonach das jetzige Hörgerät während der Schulungen völlig unzureichend sei, da es nicht mit Konferenzmikrofonen kompatibel sei. Zur Erhaltung der beruflichen Leistung und Arbeitsfähigkeit werde daher dringend zu einer höherwertigen Hörgeräteversorgung geraten. Als die Beklagte die Versorgung abgelehnt hatte, wandte sich die Klägerin zwar an die Beigeladene, legte aber auch hier wieder das Attest des S vom 09.09.2014 vor und stellte damit erneut den Bezug zum beruflichen Ausgleich her. Im Rahmen des Klageverfahrens vor dem SG stellte auch der Klägerbevollmächtige auf den Ausgleich des beruflichen Mehrbedarfs ab (Schreiben vom 21.02.2020). Erst im Berufungsverfahren und somit im Lichte der Ausführungen des SG im angefochtenen Urteil begründet die Klägerin ihren Anspruch nun auch mit dem Grundbedürfnis auf ausreichendes Hören. Dies hält der Senat nicht für glaubhaft. Dies gilt umso mehr, als der Einsatz einer FM-Anlage, verbunden mit dem Verteilen von insgesamt acht Handmikrofonen, im privaten Bereich bei einer nur mittelgradigen Schwerhörigkeit lebensfremd erscheint, da nicht zu erwarten ist, dass der Betroffene erst einzelne Empfänger im Raum verteilt, ehe er mit seinen Mitmenschen kommuniziert. Dementsprechend wird in den Tragenden Gründen zum Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Neufassung der Hilfsmittel-Richtlinie vom 21.12.2011/15.03.2012 (https://www.g-ba.de/downloads/40-268-1897/2012-03-15_HilfsM-RL_Neufassung-Hoerhilfen_TrG.pdf, Seite 7) auch ausgeführt, Übertragungsanlagen könnten dann erforderlich sein, wenn im Falle einer ausgeprägten Schwerhörigkeit ein hohes Kommunikationsbedürfnis im Rahmen der eigenständigen Lebensführung bestehe und trotz bestmöglicher Hörgeräteanpassung im Freifeld kein offenes Sprachverständnis mehr erreicht werde. Ein derart Schwerhöriger sei nicht mehr in der Lage, einem Gespräch auditiv zu folgen, schon gar nicht, wenn Störgeräusche vorhanden seien. Eine solche ausgeprägte Schwerhörigkeit liegt hier aber offensichtlich nicht vor.

Aber auch die Voraussetzungen des §§ 9, 16 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI), § 49 Abs 1, 3 Nr 7 SGB IX sind nicht erfüllt. Die gesetzliche Rentenversicherung erbringt nach § 9 Abs 1 Satz 1 SGB VI ua Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben sowie ergänzende Leistungen, um (1.) den Auswirkungen einer Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung auf die Erwerbsfähigkeit der Versicherten entgegenzuwirken oder sie zu überwinden und (2.) dadurch Beeinträchtigungen der Erwerbsfähigkeit der Versicherten oder ihr vorzeitiges Ausscheiden aus dem Erwerbsleben zu verhindern oder sie möglichst dauerhaft in das Erwerbsleben wiedereinzugliedern. Nach § 9 Abs 2 SGB VI können diese Leistungen erbracht werden, wenn die persönlichen (§ 10 SGB VI) und versicherungsrechtlichen (§ 11 SGB VI) Voraussetzungen dafür erfüllt und die Leistungen nicht nach § 12 SGB VI ausgeschlossen sind. Dabei setzt ein Anspruch auf eine Hörgeräteversorgung gegen den Rentenversicherungsträger stets das Erfordernis besonderer beruflicher und/oder arbeitsplatzspezifischer Gebrauchsvorteile (BSG 30.10.2014, B 5 R 8/14 R, juris, Rn 47) und damit eine besondere berufliche Betroffenheit voraus (LSG Sachsen 25.06.2013, L 5 R 515/12, juris Rn 23; vgl auch LSG Baden-Württemberg 13.12.2011, L 11 R 5774/09, juris Rn 21). Vorliegend erfüllt die Klägerin zwar die Voraussetzungen des § 10 Abs 1 Ziff 1 SGB VI, weil ihre Erwerbsfähigkeit wegen ihrer körperlichen Behinderung (Schwerhörigkeit) gemindert oder jedenfalls erheblich gefährdet ist. Es fehlt aber an der besonderen beruflichen Betroffenheit. Die Gefährdung der Erwerbsfähigkeit kann auch durch ein Festbetragshörgerät abgewendet werden, das hier streitige Hörgerätesystem ist nicht notwendig und kann daher auch nicht beansprucht werden. Die Klägerin ist im Rahmen ihrer Beschäftigung zuständig für Schulungen des Kindergarten- und Verwaltungspersonals sowie Präsentationen (auch Fernwartungspräsentationen). Es erschließt sich dem Senat nicht, inwiefern die beruflichen Herausforderungen besondere Ansprüche an das Gehör stellen, die über den täglichen Höranspruch hinausgehen. So hat der Hörgeräteakustiker im Bericht vom 01.04.2020 dargelegt, in ruhigen Alltagssituationen hätten die zuzahlungsfreien Hörgeräte kaum einen Unterschied zu den aufzahlungspflichtigen, deutlicher werde der Unterschied, wenn Sprache und Störlärm zusammen wahrgenommen würden. Da die Klägerin hier aber nicht auf einer Baustelle arbeitet und auch sonst keine beruflich bedingten besonderen akustischen Störquellen ersichtlich sind - schließlich werden hier Erwachsene unterrichtet und aufgeklärt, keine Kinder -, vermag der Senat diesbezüglich eine besondere berufliche Herausforderung nicht zu erkennen. Auch die Benutzung der FM-Anlage hält der Senat nicht für notwendig. Wie sich aus dem Kostenvoranschlag vom 17.09.2020 ergibt, sollen wohl insgesamt acht Handmikrofone sowie ein weiteres Personenmikrofon (TouchMic) an die Schulungsteilnehmer bzw im Schulungsraum verteilt werden, so dass deren Beiträge direkt an das Hörsystem der Klägerin übertragen werden können. Eine solche FM-Anlage mag zwar grundsätzlich zu einem noch komfortableren Hören führen, weil dadurch die Kommunikation über größere Entfernungen und im Störschall erleichtert wird (s hierzu https://www.g-ba.de/downloads/40-268-1897/2012-03-15_HilfsM-RL_Neufassung-Hoerhilfen_TrG.pdf,. Seite 7). Da vorliegend jedoch weder größere Entfernungen zu überwinden sind noch - angesichts erwachsener Zuhörer - besonderer Störschall zu erwarten ist, geht die Versorgung mit einer solchen Anlage über das Notwendige hinaus. Anderes könnte für Lehrer zB in Grundschulen gelten, die naturgemäß einem hohen Lärmpegel ausgesetzt sind, oder für Personen, die berufsbedingt mit unterschiedlichen Hörsituationen zurechtkommen müssen (vgl zB Schleswig-Holsteinisches LSG 04.09. 2018, L 7 R 115/17, Rn 43 ff, juris: Platzwart auf dem Bauhof). Auch das Richtmikrofonprogramm hat nach Überzeugung des Senats keine besondere berufliche Relevanz: Hierzu hat der Hörgeräteakustiker dargelegt, bei einem Festbetragsgerät müsse der Hörgeräteträger mit einem Zusatzprogramm manuell das Hörgerät in ein Richtmikrofonprogramm umschalten, während bei aufzahlungspflichtigen Hörgeräten dies automatisch geregelt werde. Je nach Hörsituation regelten diese Hörgeräte, ob ein Richtmikrofon eingeschaltet werden müsse oder nicht und ebenso, wie stark die Störlärmunterdrückung arbeiten solle. Nach Auffassung des Senats kommt es indes weder bei Schulungen noch bei Präsentationen zu einem häufigen Wechsel der Hörsituation, da die Teilnehmer vor ihren PCs bzw an ihren (Schreib)Tischen sitzen und der Schulung bzw Präsentation folgen. Sollte dennoch eine neue Hörsituation eintreten, ist eine manuelle Reaktion hierauf zumutbar. Soweit das begehrte Hörgerät anders als ein Festbetragsgerät ein freihändiges Telefonieren ermöglicht, mag dies komfortabler sein, doch besteht - wie bei der Krankenversicherung (vgl BSG 17.12.2009, B 3 KR 20/08 R, Juris) - keine Leistungspflicht für Innovationen, die nicht die Funktionalität betreffen, sondern in erster Linie die Bequemlichkeit und den Komfort bei der Nutzung des Hilfsmittels. Weiterhin hat der Hörgeräteakustiker im Schreiben vom 01.04.2020 ein Zusatzprogramm „Verstehen im lauten Störgeräusch“ hervorgehoben, das für eine deutlich bessere Sprachwahrnehmung in lauter Umgebung sorge. Eine laute Umgebung - etwa wie auf einer Baustelle oder am Flughafen - kommt aber bei der beruflichen Ausübung der Klägerin nicht vor. Das Zusatzprogramm „Speech in 360°“ hält der Senat im Rahmen von Schulungen und Präsentationen ebenfalls für entbehrlich, da die Klägerin ihre Tätigkeit auch verrichten kann, ohne ihren Zuhörern den Rücken zuzuwenden. Eine automatische Impulsgeräuschunterdrückung bei plötzlich auftretenden Impulsgeräuschen rechtfertigt ebenfalls keine Anschaffung des hier streitigen Gerätes, da solche plötzlichen Geräusche bei Schulungen die Ausnahme sind. Dass die Funktion „WindBlock“ nicht benötigt wird, liegt auf der Hand. Eine besondere berufliche Notwendigkeit der begehrten Hörgeräte nebst FM-Anlage ist daher zu verneinen. Letztlich beurteilte wohl auch die Klägerin dies ursprünglich ebenso, denn sie nahm die Klage S 8 R 4510/18, die sie gegen die Beklagte erhoben hatte, wieder zurück.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision wird nicht zugelassen, da ein Grund hierfür (§ 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG) nicht vorliegt.

Rechtskraft
Aus
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