L 11 KR 2257/21

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11.
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 10 KR 1471/20
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 2257/21
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

1. Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften (§§ 22 Nr 2§ 23 EStG) zählen bei freiwilligen Mitgliedern der GKV zu den beitragspflichtigen Einnahmen iSd § 3 BeitrVerfGrsSz.
2. Maßgebend ist der im Einkommensteuerbescheid festgesetzte Gewinn gemäß § 23 Abs 3 Satz 1 EStG
3. Ein Verlustvortrag nach § 10d EStG ist nicht zu berücksichtigen.
(Der Senat hat die Revision zugelassen)

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 16.04.2021 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Berücksichtigung von Einkünften aus einem privaten Veräußerungsgeschäft bei der Festsetzung von zur gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung für die Zeit von April 2015 bis März 2016.

Der 1953 geborene Kläger ist bei der Beklagten zu 1) freiwillig kranken- und bei der Beklagten zu 2) pflegeversichert. Er erzielte Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung bebauter, in seinem Eigentum stehender Grundstücke. Seit August 2017 bezieht er eine Altersrente (monatlich 824,97 €).

Mit Bescheid vom 11.04.2014 setzte die Beklagte zu 1) - auch im Namen der Beklagten zu 2) - für die Zeit ab Februar 2014 unter Berücksichtigung der Mindestbemessungsgrenze die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung auf monatlich 158,53 € (Krankenversicherung 137,33 €; Pflegeversicherung 21,20 €) fest und forderte den Kläger auf, Änderungen seines Einkommens unverzüglich mitzuteilen. Am 07.05.2015 legte der Kläger einen Einkommensfragebogen sowie den Einkommensteuerbescheid des Finanzamtes R vom 13.11.2014 für 2012 vor (Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aus bebauten Grundstücken -6.018,00 €; Kapitalerträge 848,00 €). Er gab an, dass er Hausmann sei und seinen Lebensunterhalt überwiegend durch den Abbau seines Vermögens bestreite.

Mit notariellem Kaufvertrag vom 04.03.2015 verkaufte der Kläger als Eigentümer seinen Mieteigentumsanteil an dem Grundstück Bstraße /Wstraße in E zu einem Kaufpreis iHv 159.000,00 € (Fälligkeit am 13.03.2015). Es wurde vereinbart, mit dem Kaufpreis zunächst eine Grundschuld iHv 66.000,00 € abzulösen.

Im Dezember 2015 legte der Kläger einen Einkommensfragebogen sowie den Einkommensteuerbescheid vom 11.11.2015 für 2013 vor. Er sei Hausmann und Privatier und bestreite seinen Lebensunterhalt überwiegend durch Entnahmen aus Privatvermögen. Der Einkommensteuerbescheid vom 11.11.2015 für 2013 wies Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aus bebauten Grundstücken iHv -15.889,00 € aus.

Mit Bescheid vom 21.01.2016 setzte die Beklagte zu 1) - auch im Namen der Beklagten zu 2) - die monatlichen Beiträge ab 01.01.2016 unter Berücksichtigung der Mindestbemessungsgrundlage auf 174,31 € (Krankenversicherung 149,13 €; Pflegeversicherung 25,18 €) fest. Sie forderte den Kläger auf, Änderungen seines Einkommens unverzüglich mitzuteilen.

Am 15.11.2016 legte der Kläger den am 31.10.2016 für das Jahr 2014 ausgestellten Einkommensteuerbescheid vor, der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung iHv -11.499,00 € sowie 114,00 € Kapitalerträge auswies.

Mit Bescheid vom 10.03.2017 berechnete die Beklagte die Beiträge zur Pflegeversicherung neu, nachdem der Kläger nachgewiesen hatte, dass er ein Kind hat (monatlicher Beitrag 178,00 €; Pflegeversicherung 25,29 €). Außerdem erstattete die Beklagte zu 2) dem Kläger die in der Vergangenheit wegen der Einstufung als Kinderloser zu viel entrichteten Beiträge.

Wegen des Bezugs einer Altersrente für schwerbehinderte Menschen ab August 2017 (monatlich 824,97 €) setzte die Beklagte mit Bescheid vom 15.08.2017 die Beiträge mit Wirkung zum 01.08.2017 neu fest.

Am 17.08.2018 legte der Kläger den Einkommensteuerbescheid vom 19.10.2017 für 2015 vor (Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aus bebauten Grundstücken -12.971,00 €, Einkünften aus privatem Veräußerungsgeschäft 54.066,00 €, Verlustvortrag 27.388,00 €, zu versteuerndes Gesamteinkommen iHv 9.729,00 €).

Der Kläger wies mit E-Mail vom 03.11.2018 darauf hin, dass der Gewinn aus dem Veräußerungsgeschäft durch Verluste gemäß § 10 des Einkommensteuergesetzes (EStG) deutlich vermindert worden sei. Auch habe er bis auf Weiteres aus dem Erwerb dieser Immobilie noch Zinsen für den damals erteilten Kredit zu erbringen, da der Kredit aus den Erlösen aus dem Verkauf wegen der Geltendmachung von Vorfälligkeitszinsen des Kreditgebers nicht habe wirtschaftlich abgelöst werden können. Einer eventuellen Einbeziehung des Veräußerungsgewinns ohne Gegenrechnung der Verluste gemäß § 10d EStG für die Berechnung der Krankenkassenbeiträge widerspreche er vorab mit Nachdruck.

Mit Bescheid vom 16.03.2020 zog die Beklagte zu 1) - auch im Namen der Beklagten zu 2) - den Veräußerungsgewinn in der Zeit vom 01.04.2015 bis zum 31.03.2016 zur Beitragsberechnung heran und setzte unter Abänderung entgegenstehender Bescheide nach § 48 Abs 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) unter Beachtung der Beitragsbemessungsgrenze (2015: 4.125,00 €; 2016: 4.237,50 €) die Beiträge monatlich ab 01.04.2015 auf 707,44 € (610,50 € Krankenversicherung, Pflegeversicherung 96,94 €) und ab 01.01.2016 752,16 € (Krankenversicherung 652,58 €, Pflegeversicherung 99,59 €) fest. Für den Zeitraum ab 01.04.2016 blieben die bisher veranschlagten Beiträge unberührt.

Dagegen legte der Kläger am 19.03.2020 Widerspruch ein. In der Tat habe er im Veranlagungszeitraum 2015 durch den Verkauf einer Immobilie einen Veräußerungsgewinn erzielt, der aber durch Abschreibungen gemäß § 10d EStG nur äußerst marginal ausgefallen sei und zu keiner Änderung der Bemessungsgrundlage der gesetzlichen Krankenversicherung (Mindestbeitrag) geführt habe, da er weiterhin unter der Grenze der Berechnung der gesetzlichen Krankenversicherung mit dem zu versteuernden Einkommen geblieben sei. Da es sich beim Veräußerungsgewinn in aller Regel nicht um wiederkehrende Erträge handele, sei die Festsetzung der Beklagten auch für die folgenden Jahre nicht rechtskonform. Für die Zeiträume 01.01.2016 bis 01.04.2016 gelte aufgrund seiner Einkommen die Mindestbemessungsgrenze.

Mit Widerspruchsbescheid vom 19.05.2020 wies der Widerspruchsausschuss - auch im Namen der Beklagten zu 2) - den Widerspruch als unbegründet zurück. Der im Jahr 2015 erzielte Veräußerungsgewinn sei zu Recht verbeitragt worden. Mit dem Einkommensteuerbescheid 2015 seien für den Kläger in Form von Veräußerungsgewinn iHv 54.066,00 € Einnahmen nachgewiesen. Es sei daher zu prüfen, ob und in welcher Höhe Einkünfte aus dem Veräußerungsgewinn die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Klägers im Sinne des § 240 Abs 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) bestimme. Bei der Beitragsgestaltung sei die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Mitglieds zu berücksichtigen, dh alle Einnahmen und Geldmittel, die das Mitglied zum Lebensunterhalt verbrauche und verbrauchen könne, seien ohne Rücksicht auf ihre steuerliche Behandlung bei der Beitragsbemessung zu Grunde zu legen. Zur gesamten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zählten ua das Arbeitsentgelt (§ 14 Viertes Buch Sozialgesetzbuch <SGB IV>) und Arbeitseinkommen (§ 15 SGB IV), Renten, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sowie Einkünfte aus Kapitalvermögen. Nach dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 22.03.2006 (B 12 KR 8/05) zähle der steuerpflichtige Anteil der Veräußerungsgewinne zu den beitragspflichtigen Einnahmen in der freiwilligen Krankenversicherung, da es sich um Einnahmen handele, die die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit erhöhten, jedenfalls soweit sie der Besteuerung unterlägen. Im Besprechungsergebnis vom 28.09.2006 zum Versicherungs- und Beitragsrecht sei festgehalten worden, dass Veräußerungsgewinne unabhängig davon, ob sie als Arbeitseinkommen nach § 15 SGB IV zu bewerten seien oder nicht, in Höhe ihres steuerpflichtigen Anteils den beitragspflichtigen Einnahmen freiwilliger Versicherter zuzurechnen seien, wenn die Satzung der Krankenkasse sinngemäß eine Generalklausel mit entsprechender Regelung vorhalte, demnach alle Einnahmen, die zum Lebensunterhalt verbraucht würden und verbraucht werden könnten, der Beitragspflicht unterlägen. Da seit 01.01.2009 die Beitragsbemessung einheitlich durch den Spitzenverband Bund der Krankenkassen geregelt werde, entfalle die oben genannte Notwendigkeit einer Satzungsregelung. Diese Regelung werde nunmehr in den Beitragsverfahrensgrundsätzen Selbstzahler (BeitrVerfGrsSz) festgesetzt. Im gemeinsamen Rundschreiben vom 06.06.2013 zu den Einnahmen zum Lebensunterhalt sei festgelegt, dass Veräußerungsgewinne zu den Einnahmen zum Lebensunterhalt zählten. Im Katalog von Einnahmen und deren beitragsrechtlicher Bewertung nach § 240 SGB V der GKV-Spitzenverbände sei ebenfalls festgelegt, dass Veräußerungsgewinne der Beitragspflicht unterlägen. Der private Veräußerungsgewinn bestimme daher die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Klägers und sei den Einnahmen zum Lebensunterhalt zuzurechnen und demnach bei der Beitragsberechnung zu berücksichtigen.

Dagegen hat der Kläger am 02.07.2020 Klage zum Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben. Die Klage richte sich ausschließlich gegen die von den Beklagten angenommene Höhe gemäß Einkommensteuerbescheid 2015 des Veräußerungsgewinns. Bei der Zugrundelegung der Daten seien maßgebliche Kosten aus der Wohnung nicht berechnet worden. Er hat eine Anlage (Blatt 2 der SG-Akten) vorgelegt, in der er den aus seiner Sicht zu berücksichtigenden Veräußerungsgewinn iHv 8.096,70 € berechnet hat. Dabei hat er von dem Verkaufspreis iHv 159.000,00 € den Kaufpreis iHv 86.400,00 € sowie von ihm berechnete laufende Kosten für die Jahre 2012 bis 1. Quartal 2020 abgesetzt.

Das SG hat die Klage durch Urteil vom 16.04.2021 abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 16.03.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.05.2020 sei rechtmäßig und verletzte den Kläger nicht in seinen Rechten. Zutreffend habe die Beklagte zu 1) festgestellt, dass der Kläger in der Zeit vom 01.04.2015 bis 31.03.2016 aufgrund der Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften iHv 54.066,00 € höhere Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge zu entrichten habe. Gemäß § 240 Abs 1 SGB V werde die Beitragsbemessung einheitlich durch den Spitzenverband Bund der Krankenkassen (GKV-Spitzenverband) geregelt. Dabei sei sicherzustellen, dass die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds berücksichtige. In Ausführung von § 240 Abs 1 Satz 1 SGB V habe der GKV-Spitzenverband die einheitlichen Grundsätze zur Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung und weiterer Mitgliedergruppen sowie zur Zahlung und Fälligkeit der von den Mitgliedern selbst zu entrichtenden Beiträge (BeitrVerfGrsSz) erlassen. Diese seien als untergesetzliche Normen für sich genommen eine hinreichende Rechtsgrundlage für die Beitragsfestsetzung gegenüber freiwillig Versicherten (Hinweis auf BSG 19.12.2012, B 12 KR 20/11 R). Als beitragspflichtige Einnahmen seien das Arbeitsentgelt, das Arbeitseinkommen, der Zahlbetrag einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung, der Zahlbetrag von Versorgungsbezügen sowie alle Einnahmen und Geldmittel, die für den Lebensunterhalt verbraucht würden oder verbraucht werden könnten, ohne Rücksicht auf ihre steuerliche Behandlung zu Grunde zu legen (§ 3 Abs 1 Satz 1 BeitrVerfGrsSz). Der Veräußerungsgewinn aus dem Verkauf einer Immobilie sei grundsätzlich eine beitragspflichtige Einnahme. Die Zuordnung der beitragspflichtigen Einnahme regele § 5 BeitrVerfGrsSz. Zunächst seien die beitragspflichtigen Einnahmen jeweils dem Monat der Mitgliedschaft, für den Beiträge zu zahlen seien, zuzuordnen (§ 5 Abs 1 BeitrVerfGrsSz). Für einmalige Einnahmen bestimme § 5 Abs 3 Satz 1 BeitrVerfGrsSz, dass diese ohne Rücksicht auf den Zeitpunkt der Entstehung oder ihres Zuflusses dem jeweiligen Beitragsmonat mit 1/12 des zu erwartenden Betrags 12 Monate zuzuordnen seien. Für einmalige beitragspflichtige Einnahmen, die - wie hier der Erlös aus der Veräußerung einer Immobilie - nicht im Voraus zu erwarten seien, bestimme § 5 Abs 3 Satz 3 BeitrVerfGrsSz, dass diese vom Zeitpunkt ihres Zuflusses dem jeweiligen Beitragsmonat mit 1/12 des Betrages für 12 Monate zuzuordnen seien (Hinweis auf Landessozialgericht <LSG> Baden-Württemberg 18.10.2016, L 11 KR 739/16). Diesen Anforderungen habe die Beklagte zu 1) entsprochen. Soweit der Kläger vortrage, dass er - wie sich aus dem Bescheid des Finanzamtes über die besondere Feststellung des verbleibenden Verlustvortrages zur Einkommenssteuer zum 31.12.2015 ergebe - letztlich nur einen Betrag iHv 9.729,00 € für den hier maßgeblichen Zeitraum zu versteuern habe und daher auch nur dieser Betrag als Grundlage für die Berechnung der monatlichen Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge herangezogen werden könne, sei dem nicht zu folgen. Denn aus dem Bescheid gehe hervor, dass der Kläger Negativeinkünfte iHv 12.971,00 € gehabt habe, wobei bereits nicht ersichtlich sei, woraus sich diese ergeben hätten und ob diese im Zusammenhang mit der veräußerten Immobilie stünden. Gleiches gelte für den Verlustvortrag iHv 27.380,00 €. Hier sei maßgeblich, dass nach § 3 Abs 1 Satz 1 BeitrVerfGrsSz bestimmt sei, dass sämtliche Einnahmen, die zum Lebensunterhalt verbraucht würden oder verbraucht werden könnten, ohne Rücksicht auf ihre steuerrechtliche Behandlung zu Grunde gelegt würden. Genau dies habe die Beklagte zu 1) bei ihrer Berechnung auch getan.

Gegen das ihm am 19.06.2021 zustellte Urteil wendet sich der Kläger mit seiner am 12.07.2021 beim SG eingelegten Berufung. Das SG habe dem Urteil einerseits den steuerlich ermittelten Veräußerungsgewinn aus dem Verkauf einer Eigentumswohnung zu Grunde gelegt, aber aufgrund der scheinbaren Unvereinbarkeit des Steuerrechts mit dem Sozialversicherungsrecht die steuerlich anrechenbaren Abzüge - wie im Steuerbescheid von 2015 festgesetzt - nicht anerkannt. Eine Erläuterung der tatsächlichen nachweisbaren Aufwendungen, die die steuerlich relevanten abziehbaren Aufwendungen noch deutlich überstiegen, sei in der Anhörung abgeblockt worden. Der Vorschlag, zur Ermittlung des tatsächlichen Veräußerungsgewinns das zu versteuernde Einkommen des Veranlagungszeitraums 2015 einfachheitshalber hilfsweise anzusetzen, sei wegen der Unvereinbarkeit des Steuerrechts und des Sozialversicherungsrechts abgelehnt worden. Hierdurch werde er als freiwillig Versicherter in der Sozialversicherung zu Unrecht mit weit über den Rahmen der gesetzlichen Belastungen hinausgehenden Beiträgen belastet. Am 16.08.2012 hat der Kläger eine neue Berechnung seines Veräußerungsgewinns aus dem Grundstücksgeschäft vorgelegt und den Gewinn mit 9.741,66 € beziffert.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 16.04.2021 sowie den Bescheid vom 16.03.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.05.2020 aufzuheben.

Nachdem der Senat die Pflegekasse von Amts wegen als weitere Beklagte (Beklagte zu 2) aufgenommen und das Rubrum von Amts wegen berichtigt hat, beantragen die Beklagten,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagten verweisen zur Begründung auf das angefochtene Urteil.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Verfahrensakten des SG und des Senats Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die nach den §§ 143, 144 Abs 1, 151 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig, jedoch nicht begründet. Das SG hat zu Recht die Klage abgewiesen. Der Bescheid vom 16.03.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.05.2020 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

Das Passivrubrum war dahin zu berichtigen, dass nicht nur die Beklagte zu 1), sondern auch die Beklagte zu 2) Beteiligte des Rechtsstreits ist (§ 69 Nr 2 SGG). Denn der Kläger hat sich sowohl im Klage- als auch im Berufungsverfahren gegen die Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung und zur sozialen Pflegeversicherung gewandt.

Den Gegenstand des Rechtsstreits bildet der Bescheid vom 16.03.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.05.2020, mit dem die Beklagten unter Berücksichtigung des Veräußerungsgewinns für die Zeit vom 01.04.2015 bis zum 31.03.2016 die Beiträge monatlich ab 01.04.2015 auf 707,44 € (610,50 € Krankenversicherung, Pflegeversicherung 96,94 €) und ab 01.01.2016 auf 752,16 € (Krankenversicherung 652,58 €, Pflegeversicherung 99,59 €) festgesetzt hat. Dagegen wendet sich der Kläger mit der isolierten Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 SGG) und begehrt die Aufhebung der Festsetzung höherer Beiträge für diesen Zeitraum. Auch wendet er sich isoliert gegen die Verbeitragung des Veräußerungsgewinns, nicht jedoch den Mindestbeitrag.

Rechtsgrundlage für die Beitragsbemessung zur gesetzlichen Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung aus den aus dem Verkauf der Eigentumswohnung im März 2015 erzielten und erstmals mit Einkommensteuerbescheid vom 19.10.2017 ausgewiesenen Einkünften aus privatem Veräußerungsgeschäft iHv 54.055,00 € bildet § 240 SGB V iVm den Bestimmungen der BeitrVerfGrsSz. Die Höhe der vom freiwilligen Mitglied zu zahlenden Beiträge wird von den Krankenkassen durch Beitragsbescheide geregelt. Bei diesen Bescheiden handelt es sich um Verwaltungsakte mit Dauerwirkung, die - sofern sie die Beitragshöhe endgültig regeln - nur unter den Voraussetzungen der §§ 44 ff Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) aufgehoben werden können. Eine rückwirkende Aufhebung von bindend gewordenen Beitragsbescheiden zum Nachteil des Versicherten wegen einer nachträglich eingetretenen wesentlichen Änderung der Sachlage darf deshalb nur erfolgen, wenn der Versicherte seine Mitwirkungspflicht (§ 206 SGB V) verletzt hat (BSG 26.09.1991, 4 RK 5/91, BSGE 69, 255 = SozR 3-1300 § 48 Nr 13, Rn 20).

Diese Grundsätze, denen sich auch der Senat anschließt, stehen der hier streitigen Festsetzung von Beiträgen aus einem privaten Veräußerungsgewinn nicht entgegen. Da die Beklagte Beiträge vom Kläger bis zum 31.03.2016 nur nach der Mindestbemessungsgrundlage gefordert hat, lag eine Entscheidung darüber, ob und welche Einnahmen der Beitragspflicht unterworfen sind, bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht vor. Grundsätzlich dürfen Träger der gesetzlichen Krankenversicherung zwar eine einzelne Größe zur Bemessung des Krankenversicherungsbeitrags nicht für sich zum Gegenstand eines feststellenden Verwaltungsakts machen. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG ist jedoch - in Abweichung hiervon - die Beitragspflicht von Einnahmen als Element des Beitrags(tragungs)tatbestandes gesondert feststellungsfähig (BSG 29.02.2012, B 12 KR 19/09 R, Rn 18, juris). Dies bedeutet umgekehrt, dass die Krankenkasse die Beitragspflicht von Einnahmen auch rückwirkend erstmals, dh ohne an die Voraussetzungen der §§ 44 ff SGB X gebunden zu sein, feststellen kann, wenn sie - wie hier - zuvor nur Beiträge nach der Mindestbemessungsgrundlage erhoben hat.

Nach § 240 Abs 1 Satz 1 SGB wird für freiwillige Mitglieder die Beitragsbemessung einheitlich durch den Spitzenverband Bund der Krankenkassen geregelt. Dabei ist sicherzustellen, dass die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds berücksichtigt; sofern und solange Mitglieder Nachweise über die beitragspflichtigen Einnahmen auf Verlangen der Krankenkasse nicht vorlegen, gilt als beitragspflichtige Einnahmen für den Kalendertag der dreißigste Teil der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze (§ 223 SGB V) (§ 240 Abs 1 Satz 2 SGB V in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung; § 2 Abs 1 Satz 2 BeitrVerfGrsSz). Nach § 240 Abs 2 Satz 1 SGB V (so auch § 2 Abs 2 BeitrVerfGrsSz) sind bei der Bestimmung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit mindestens die Einnahmen des freiwilligen Mitglieds zu berücksichtigen, die bei einem vergleichbaren versicherungspflichtig Beschäftigten der Beitragsbemessung zugrunde zu legen sind. Abstufungen nach dem Familienstand oder der Zahl der Angehörigen, für die eine Versicherung nach § 10 SGB V besteht, sind unzulässig (§ 240 Abs 2 Satz 2 SGB V). Die vom GKV-Spitzenverband erlassenen BeitrVerfGrsSz vom 27.10.2008 (in Kraft getreten am 01.01.2009, § 13 BeitrVerfGrsSz) gestalten die Beitragsbemessung näher aus. Sie bieten ab 01.01.2009 grundsätzlich eine hinreichende Rechtsgrundlage für die Beitragsfestsetzung gegenüber freiwillig Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung (BSG 19.12.2012, B 12 KR 20/11 R, SozR 4-2500 § 240 Nr 17) und verstoßen auch nicht gegen Verfassungsrecht (vgl zB BSG 10.10.2017, B 12 KR 16/16 R, SozR 4-2500 § 240 Nr 32; ferner Senatsurteile vom 18.06.2013, L 11 KR 300/12; 14.05.2013, L 11 KR 1553/11).

Nach § 3 Abs 1 Satz 1 BeitrVerfGrsSz sind als beitragspflichtige Einnahmen das Arbeitsentgelt (§ 14 SGB IV), das Arbeitseinkommen (§ 15 SGB IV), der Zahlbetrag der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung, der Zahlbetrag der Versorgungsbezüge sowie alle Einnahmen und Geldmittel, die für den Lebensunterhalt verbraucht werden oder verbraucht werden können, ohne Rücksicht auf ihre steuerliche Behandlung zugrunde zu legen, wobei der GKV-Spitzenverband mit dem Ziel einer einheitlichen Anwendung des § 3 Abs 1 BeitrVerfGrsSz einen Katalog von Einnahmen und deren beitragsrechtliche Bewertung veröffentlicht (§ 3 Abs 5 BeitrVerfGrsSz). Gemäß § 3 Abs 2 BeitrVerfGrsSz ist für jeden Kalendertag der Mitgliedschaft 1/30 der dem Beitragsmonat nach § 5 BeitrVerfGrsSz zuzuordnenden beitragspflichtigen Einnahmen, maximal ein Betrag in Höhe von 1/30 der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze, zu berücksichtigen. Nach § 5 Abs 1 BeitrVerfGrsSz sind die beitragspflichtigen Einnahmen jeweils dem Monat der Mitgliedschaft, für den Beiträge zu zahlen sind, zuzuordnen (Beitragsmonat). Einmalige beitragspflichtige Einnahmen sind gemäß § 5 Abs 3 Satz 1 BeitrVerfGrsSz ohne Rücksicht auf den Zeitpunkt ihrer Entstehung oder des Zuflusses dem jeweiligen Beitragsmonat mit 1/12 des zu erwartenden Betrags für 12 Monate zuzuordnen. Dies gilt abweichend von § 23a SGB IV auch für einmalig gezahltes Arbeitsentgelt aus einer Beschäftigung (§ 5 Abs 3 Satz 2 BeitrVerfGrsSz). Einmalige beitragspflichtige Einnahmen, die nicht im Voraus zu erwarten sind, sind vom Zeitpunkt ihres Zuflusses dem jeweiligen Beitragsmonat mit 1/12 des Betrags für 12 Monate zuzuordnen (§ 5 Abs 3 Satz 3 BeitrVerfGrsSz).

Unter Zugrundelegung dieser Regelungen haben die Beklagten anlässlich des vom Kläger im März 2015, dem Fälligkeitsmonat des Verkaufspreises, erzielten Veräußerungsgewinns aus privatem Veräußerungsgeschäft iHv insgesamt 54.066,00 € für 12 Monate (Zeitraum 01.04.2015 bis 31.03.2016) bis zur Beitragsbemessungsgrenze (§ 223 Abs 3 SGB V) iHv monatlich 4.125,00 € (Jahresbeitragsbemessungsgrenze 2015 49.500,00 €) bzw 4.237,50 € (Jahresbeitragsbemessungsgrenze 2016 50,850,00 €) der Bemessung der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung zugrunde gelegt.

Der Kläger ist als freiwilliges Mitglied der Beklagten zu 1) beitragspflichtig in der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 223 SGB V). Aus der freiwilligen Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung folgt die versicherungspflichtige Mitgliedschaft in der sozialen Pflegeversicherung (§ 20 Abs 3 Sozialgesetzbuch Elftes Buch <SGB XI>) sowie die Pflicht, Beiträge zur Pflegeversicherung zu entrichten (§ 54 Abs 2 SGB XI).

Die im Einkommensteuerbescheid vom 19.10.2017 für das Jahr 2015 ausgewiesenen Einkünfte aus privatem Veräußerungsgeschäft iHv 54.066,00 € stellen beitragspflichtige Einnahmen iSd § 3 Abs 1 Satz 1 BeitrVerfGrsSz dar. Neben Arbeitsentgelt (§ 14 SGB IV), Arbeitseinkommen (§ 15 SGB IV), dem Zahlbetrag der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung und dem Zahlbetrag der Versorgungsbezüge bilden alle Einnahmen und Geldmittel, die für den Lebensunterhalt verbraucht werden oder verbraucht werden können, ohne Rücksicht auf ihre steuerliche Behandlung, beitragspflichtige Einnahmen. Unter Einnahmen zum Lebensunterhalt sind alle nicht für andere Zwecke gebundene persönliche, geldliche oder geldwerte Zuflüsse an den freiwillig Versicherten ohne Rücksicht auf ihre steuer- oder sozialversicherungsrechtliche Behandlung zu verstehen (grundlegend BSG 24.06.1985, GS 1/84, BSGE 58, 184 = SozR 2200 § 180 Nr 27; ferner Senatsurteil vom 29.09.2015, L 11 KR 3986/14 zu den Ausnahmefällen). Danach sind grundsätzlich auch Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften iSd § 22 Nr 2 EStG beitragspflichtige Einnahmen iSd § 3 Abs 1 BeitrVerfGrsSz, da sie keiner spezifischen Zweckbindung unterliegen und für den Lebensunterhalt verbraucht werden können (vgl BSG 18.01.2018, B 12 KR 22/16, BSGE 125, 113; BSG 28.05.2015, B 12 KR 12/13 R, SozR 4-2500 § 240 Nr 26; BSG 22.03.2006, B 12 KR 8/05 R, SozR 4-2500 § 240 Nr 6; Vossen in Krauskopf, § 240 SGB V, Stand Mai 2021, Rn 18; ferner Katalog des GKV-Spitzenverbandes nach § 3 Abs 5 BeitrVerfGrsSz).

Maßgeblich ist die Höhe der im Einkommensteuerbescheid ausgewiesenen Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften. Nach § 23 Abs 3 Satz 1 EStG ist Gewinn oder Verlust aus - wie vorliegend - Veräußerungsgeschäft nach § 23 Abs 1 EStG der Unterschied zwischen Veräußerungspreis einerseits und den Anschaffungs- oder Herstellungskosten und den Werbungskosten andererseits. Daraus folgt, dass der Besteuerung nicht der Veräußerungspreis unterliegt, sondern von diesem steuerrechtlich vorab die Anschaffungs- bzw Herstellungskosten sowie die Werbungskosten abzuziehen sind (vgl zB Weber-Grellet in Schmidt, EStG, 40. Auflage 2021, § 23 Rn 75, 78). Dabei umfassen die Werbungskosten die mit dem Veräußerungsvorgang anfallenden Aufwendungen. Als Werbungskosten kommen Veräußerungskosten für Makler, Notar, Grundbucheintragungen, Schuldzinsen (Finanzierungsaufwendungen) und Vorfälligkeitsentschädigungen in Betracht (vgl Bundesfinanzhof <BFH> 15.12.1987, VIII R 281/83; BFH 11.02.2014, IX R 42/13 BFH/NV 14, 1254; Weber-Grellet in Schmidt, EStG, 40. Auflage 2021, § 23 Rn 82). Das Finanzamt R hat mit Einkommensteuerbescheid vom 19.10.2017 den Gewinn aus dem vom Kläger getätigten Veräußerungsgeschäft iHv 54.066,00 € festgesetzt, der die Freigrenze des § 23 Abs 3 Satz 5 EStG übersteigt. Es hat dabei offensichtlich von dem erzielten Veräußerungspreis (159.000,00 €) Anschaffungs- (nach Angaben des Klägers 84.400,00 €) bzw Herstellungskosten sowie Werbungskosten abgesetzt. Der Kläger kann vorliegend nicht geltend machen, diese Kosten seien tatsächlich höher ausgefallen als vom Finanzamt berücksichtigt. Denn das freiwillige Mitglied hat alle seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit bestimmenden beitragspflichtigen Einnahmen durch geeignete Nachweise zu belegen (§ 240 Abs 1 Satz 2 SGB V). Dieser Nachweis von Einnahmen kann nur durch Einkommensteuerbescheide geführt werden, weil andere Unterlagen nicht geeignet sind, eine für die konkrete Beitragsbemessung verlässliche und für die Vergangenheit abschließende Datenbasis zu liefern (vgl zB BSG 2.9.2009, B 12 KR 21/08 R, BSGE 104, 153 = SozR 4-2500 § 240 Nr 12 bzgl Einnahmen aus selbständiger Tätigkeit; BSG 30.10.2013, B 12 KR 21/11 R, SozR 4-2500 § 240 Nr 19 bzgl Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung; BSG 28.5.2015, B 12 KR 12/13 R, SozR 4-2500 § 240 Nr 26 bzgl Einkünften aus Kapitalvermögen). Der Berücksichtigung anderer Unterlagen als des Einkommensteuerbescheides für Zwecke der Beitragsfestsetzung steht entgegen, dass den Krankenkassen kein geeignetes rechtliches oder tatsächliches Instrumentarium zur Ermittlung des für die Beitragsbemessung maßgeblichen Einkommens freiwillig Versicherter zur Verfügung steht, welches verwaltungsmäßig rechtssicher und dem Grundsatz der Gleichbehandlung Rechnung tragend durchführbar wäre und welches ohne unzumutbare Benachteiligung dieses Personenkreises verwirklicht werden könnte (zB BSG 28.05.2015, B 12 KR 12/13 R, SozR 4-2500 § 240 Nr 26). Zudem ist die Finanzverwaltung berufen, nach Maßgabe der steuerrechtlichen Vorschriften den Gewinn aus Veräußerungsgeschäften nach § 23 EStG zu berechnen und festzusetzen. Schließlich übersteigt es den den Trägern der gesetzlichen Krankenversicherung zumutbaren Verwaltungsaufwand, die Einkommensverhältnisse eines jeden Versicherten in vergleichbarer Situation wie derjenigen des Klägers selbst zu prüfen und zu bewerten. Andere Unterlagen als der Einkommensteuerbescheid sind insoweit nicht geeignet, eine verlässliche und für die Vergangenheit abschließende Datenbasis zu liefern.

Entgegen der Auffassung des Klägers ist ein Verlustvortrag nach § 10d EStG nicht zu berücksichtigen. Grundsätzlich gilt, dass ein sog vertikaler Verlustausgleich zwischen verschiedenen Einkunftsarten iSd § 2 Abs 1 EStG ebenso ausgeschlossen ist wie der Abzug der in § 2 Abs 3 bis 5 EStG genannten Aufwendungen und Beträge (BSG 24.11.2020, B 12 KR 31/19 R, SozR 4-2500 § 240 Nr 37; BSG 28.05.2015, B 12 KR 12/13 R, SozR 4-2500 § 240 Nr 26; BSG 30.10.2013, B 12 KR 21/11 R, SozR 4-2500 § 240 Nr 19; BSG 09.08.2006, B 12 KR 8/06, BSGE 97, 41). Dagegen ist eine horizontaler Verlustausgleich innerhalb derselben Einkunftsart möglich (BSG 30.10.2013, B 12 KR 21/11 R, SozR 4-2500 § 240 Nr 19; BSG 09.08.2006, B 12 KR 8/06, BSGE 97, 41). Ein solcher horizontaler Verlustausgleich innerhalb der Einkommensart „privates Veräußerungsgeschäft“ innerhalb desselben Veranlagungszeitraums (vgl § 23 Abs 3 Satz 7 EStG) hat ausweislich des Einkommensteuerbescheids vom 19.10.2017 nicht stattgefunden, sondern lediglich im Rahmen der Einkommensart „Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung“. Ein Verlustvortrag bzgl Verlusten aus privaten Veräußerungsgeschäften, der grundsätzlich nach § 23 Abs 3 Satz 7 EStG ausgeschlossen ist, ist nur nach Maßgabe des § 23 Abs 3 Satz 8 EStG innerhalb der Einkunftsart „privates Veräußerungsgeschäft“ möglich. Auch ein solcher hat im Falle des Klägers nicht stattgefunden. Dies entnimmt der Senat den Einkommensteuerbescheiden vom 13.11.2014 (für 2012), 11.11.2015 (für 2013), 31.10.2016 (für 2014) und 08.05.2019 (für 2016), die allesamt keine (positiven oder negativen) Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften, sondern insbesondere Verluste in der gesonderten Einkunftsart „Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung“ ausweisen. Damit hat der Kläger in dem unmittelbar vorangegangenen Veranlagungszeitraum (2014) oder in dem folgenden Veranlagungszeitraum (2016) aus privaten Veräußerungsgeschäften jeweils keinen Verlust erzielt, der nach Maßgabe des § 23 Abs 3 Satz 8 EStG den im Veranlagungszeitraum 2015 erzielten Gewinn aus privatem Veräußerungsgeschäft mindern könnte.

Ein Verlustvortrag iSv § 10d EStG, der sich auf eine andere Einkommensart bezieht, kann bei der Beitragsbemessung nach § 240 SGB V nicht berücksichtigt werden (vgl LSG Baden-Württemberg 12.10.2020, L 11 KR 3394/19, juris Rn 37; LSG Baden-Württemberg 09.04.2019, L 11 KR 2679/18, DStR 2019, 1830; LSG Sachsen-Anhalt 18.12.2014, L 6 KR 76/12, juris Rn 33; ferner BSG 16.05.2001, B 5 RJ 46/00 R, BSGE 88, 117).  

Die Beklagten haben die in dem Einkommensteuerbescheid vom 19.10.2017 erstmals ausgewiesenen Einkünfte aus privatem Veräußerungsgeschäft als eine einmalige Einnahme, die nicht im Voraus zu erwarten war, gemäß des § 5 Abs 3 Satz 2 BeitrVerfGrsSz auf 12 Monate verteilt und den Beitragsmonaten April 2015 bis März 2016 zugeordnet (vgl BSG 18.01.2018, B 12 KR 22/16, BSGE 125, 113 zur Zuordnungsregelung). Da die Höhe dieser Einnahme - wie dargelegt - ausschließlich an Hand des Einkommensteuerbescheids durch die Beklagten festgestellt werden konnte, der Einkommensteuerbescheid erst im Oktober 2017 erlassen und durch den Kläger der Beklagten zu 1) erst im August 2018 vorgelegt wurde, konnten die Beklagten erstmals mit dem streitigen Bescheid über die Verbeitragung der einmaligen Einkünfte aus privatem Veräußerungsgeschäft entscheiden. 

Einwendungen gegen die Berechnung der Höhe der Beiträge sind nicht geltend gemacht worden und auch sonst nicht ersichtlich. Der Beitragssatz hinsichtlich des Beitrags zur Krankenversicherung ergab sich für die streitige Zeit aus § 243 SGB V sowie dem kassenindividuellen Zusatzbeitrag der Beklagten zu 1) (§ 242 SGB V). Den Beitragssatz zur Pflegeversicherung regelte § 55 SGB Abs 1 Satz 1 XI in der bis zum 31.12.2016 geltenden Fassung. Unter Zugrundelegung dieser Beitragssätze und der durch die jeweilige Beitragsbemessungsgrenze begrenzten Einnahmen aus dem Veräußerungsgeschäft ergeben sich die in dem angefochtenen Bescheid festgesetzten Beträge.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.

Rechtskraft
Aus
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