L 2 BA 2542/20

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Betriebsprüfungen
Abteilung
2.
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 8 BA 2757/18
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 BA 2542/20
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Zur Frage, wann eine in einer Steuerkanzlei tätige Diplom-Finanzwirtin sozialversicherungspflichtig bzw. selbstständig tätig ist.

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 17. Juli 2020 und der Bescheid der Beklagten vom 8. Februar 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. August 2018 aufgehoben.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird endgültig auf 5.000,00 € festgesetzt.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beigeladene in der Zeit vom 13. Juli 2017 bis 28. Februar 2018 in ihrer Tätigkeit für die Klägerin als Mitarbeiterin in der Steuerkanzlei sozialversicherungspflichtig beschäftigt war.

Die Klägerin ist (selbstständige) Steuerberaterin. Die Beigeladene verfügt über einen Fachhochschulabschluss als Diplom-Finanzwirtin und überprüfte Steuerbescheide, bearbeitete Einsprüche gegen Steuerbescheide und Jahresabschlüsse.

Am 7. November 2017 wandte sich die Beigeladene an die Beklagte und teilte mit, seit Mitte Juli 2017 für die Klägerin zu arbeiten. Sinngemäß stellte sie einen Antrag auf Statusfeststellung. Über ihre Tätigkeit für die Klägerin gäbe es keinen schriftlichen Vertrag. Sie arbeite in den Kanzleiräumen der Klägerin und werde von der Klägerin kontrolliert. Die notwendige Ausstattung werde von der Klägerin bereitgestellt. Es werde keine Gesamtvergütung gezahlt, sondern der Erfolg der Tätigkeit hänge vom Einsatz der Arbeitskraft ab.

Auf Rückfrage der Beklagten bestätigte die Klägerin, dass es nur mündliche Vereinbarungen gäbe. Es sei vereinbart, dass die Beigeladene zwischen „30% und 50% der Honorarrechnungen“ erhalte. Alle zwei bis drei Wochen stelle sie fünf bis sechs zu bearbeitende Fälle in ein bestimmtes Regal. Die Beigeladene entscheide, welche Fälle sie zuerst bearbeite. Wenn alle Fälle abgearbeitet seien, stelle die Klägerin neue Fälle in das Regal. Die Ablehnung einzelner Aufträge durch die Beigeladene sei möglich. Die fertigen Jahresabschlüsse übergebe die Beigeladene an die Klägerin zur Kontrolle. Die anschließende Übersendung erfolge aus berufsrechtlichen Gründen durch die Klägerin. Die Beigeladene habe keine Prüfung zur Steuerberaterin abgelegt, verfüge aber über eine vergleichbare Berufserfahrung. Die Beigeladene sei zur persönlichen Leistungserbringung verpflichtet; eine Vertretung existiere nicht. Der PC-Arbeitsplatz mit dem DATEV-Programm werde von der Klägerin gestellt. In diesen Programmen könne nur mit einer Lizenz gearbeitet werden, wobei die Beigeladene keinen eigenen Lizenzschlüssel habe. Die Beigeladene selbst stelle keine Arbeitsmittel. Sie arbeite nicht mit anderen Mitarbeitern der Klägerin zusammen, sondern erstelle die Jahresabschlüsse selbstständig. Der zeitliche Umfang der Tätigkeit variiere und belaufe sich etwa auf 15 Stunden pro Woche. Eine Tätigkeitsdauer sei nicht vorgeschrieben. Die Beigeladene arbeite auch an Freitagnachmittagen oder samstags.

Die Beigeladene erklärte auf Rückfrage der Beklagten, einen Stundensatz von 50,00 € für die Prüfung von Steuerbescheiden und die Erstellung von Schriftsätzen zu erhalten. Es erfolge eine Zusammenarbeit mit anderen Mitarbeitern der Klägerin. Diese hätten die Beigeladene in der Einarbeitungsphase unterstützt. Sie würde die Mandanten kennen. Es würden gemeinsam Fälle besprochen. Die Arbeit erfolge an zwei bis vier Tagen pro Woche. Die Arbeit könne nur an bestimmten Wochentagen erfolgen, weil nicht genug DATEV-Arbeitsplätze vorhanden seien. Einzelne Aufträge könne die Beigeladene nicht ablehnen.

Aus den von den Beteiligten vorgelegenen Abrechnungen ergaben sich teilweise eine Vergütung von 50,00 € pro Stunde, teilweise eine nicht in Berechnungselemente aufgeschlüsselte Bezahlung mit der Bezeichnung: Mitarbeit in Steuerberaterkanzlei.

Die Beklagte hörte die Klägerin und die Beigeladene daraufhin dazu an, dass beabsichtigt sei, das Vorliegen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses mit Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung ab 13. Juli 2017 festzustellen. Als Merkmale für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis wurden genannt: Die Tätigkeit werde am Betriebssitz der Klägerin ausgeübt. Es erfolge eine Kontrolle der Arbeitsausführung und das letzte Entscheidungsrecht liege bei der Klägerin. Die Beigeladene betreue Mandate der Klägerin, welche ihr zugewiesen würden. Die erforderlichen Betriebsmittel würden durch die Klägerin gestellt und es erfolge eine Zusammenarbeit zwischen deren Mitarbeitern und der Beigeladenen. Zudem bestehe eine persönliche Leistungspflicht und als Vergütung werde ein Stundensatz gezahlt, der kein Gewinn- oder Verlustrisiko erkennen lasse. Für eine selbstständige Tätigkeit spreche, dass die Ablehnung von Aufträgen möglich sei.

Die Beigeladene teilte hierauf der Beklagten mit, sie sei nunmehr ihren Job los. Die Klägerin habe erklärt, sich die Beigeladene als Angestellte nicht leisten zu können. Pro Jahresabschluss habe sie 40% vom Bruttoumsatz erhalten.

Mit Bescheiden vom 8. Februar 2018 – gerichtet an die Klägerin und gerichtet an die Beigeladene – stellte die Beklagte fest, dass die Tätigkeit der Beigeladenen bei der Klägerin seit 13. Juli 2017 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt werde und ab dem 13. Juli 2017 Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestehe.

Hierauf erhob die Klägerin fristgemäß Widerspruch. Es sei zwar zutreffend, dass die Arbeit grundsätzlich am Betriebssitz der Klägerin durchgeführt werde. Die Beigeladene habe aber auch Unterlagen zur Bearbeitung in ihr eigenes Büro mitgenommen. Die erfolgende Kontrolle der Arbeit der Beigeladenen spreche nicht für eine abhängige Beschäftigung. Die Mandate würden der Beigeladenen nicht zugewiesen. Es sei ihr möglich, manche der in ihr Fach gestellten Fälle überhaupt nicht zu bearbeiten. Aus den Unterlagen gehe hervor, dass außer einem PC-Arbeitsplatz prinzipiell keine weiteren Betriebsmittel notwendig seien. Die Arbeiten hätten daher von der Beigeladenen auch zu Hause oder an einem anderen Arbeitsplatz erledigt werden können. Ein Stundensatz sei mit der Beigeladenen nicht vereinbart worden. Die Beigeladene habe sicherlich bei Kontaktaufnahmen mit Mandanten oder Behörden angegeben, im Auftrag der Klägerin zu handeln. Eine andere Vorgehensweise hätte in der Außendarstellung zu Verwirrungen geführt. Wegen der prozentualen Beteiligung an den Honorarabrechnungen habe auch ein Unternehmerrisiko der Beigeladenen bestanden.

Auch die Beigeladene legte anwaltlich vertreten Widerspruch ein. Ihr Bevollmächtigter teilte dabei mit, dass der angefochtene Bescheid richtig sei und keinerlei inhaltlichen Bedenken begegne.

Mit Widerspruchsbescheid vom 22. August 2018 wies die Beklagte die Widersprüche zurück. Nach Annahme eines Auftrages sei die Beigeladene in die Arbeitsorganisation der Klägerin eingegliedert gewesen. Zudem bestehe kein relevantes Unternehmerrisiko. Das Honorar stelle eine Gegenleistung für die geschuldete Arbeitsleistung dar, ohne dass die Vergütung mit Risiken behaftet gewesen sei.

Hiergegen hat die Klägerin am 5. September 2018 Klage zum Sozialgericht Heilbronn (SG) erhoben. Es liege kein Beschäftigungsverhältnis zwischen der Klägerin und der Beigeladenen vor. Bei einer Gesamtschau der maßgeblichen Gesichtspunkte sei der Schluss zu ziehen, dass die Tätigkeit der Beigeladenen die einer freien Mitarbeiterin gewesen sei. Es werde auf das Vorbringen im Verwaltungsverfahren verwiesen.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat sich ebenfalls auf ihren Vortrag im Verwaltungsverfahren bezogen.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem SG am 17. Juli 2020 hat die Klägerin nochmals erklärt, dass die Beigeladene auch von zu Hause aus gearbeitet habe. Dies hat die Beigeladene verneint. Übereinstimmend haben Klägerin und Beigeladene angegeben, dass sich die Beigeladene nicht um Lohnabrechnungen gekümmert habe. Manche Tätigkeiten, wie etwa Einsprüche zu bearbeiten, seien mit 50,00 € pro Stunde vergütet worden; Jahresabschlüsse seien mit 40% des Umsatzes vergütet worden. Die Beigeladene habe jeden Arbeitsauftrag erledigt, den die Klägerin ihr erteilt habe. Für den größeren Teil ihrer Tätigkeit insbesondere bei Jahresabschlüssen habe die Beigeladene Zugriff auf DATEV gebraucht. Die Klägerin hat erklärt, dass die Beigeladene wegen der Jahresabschlüsse mit Mitarbeitern der Klägerin kommuniziert habe. In derartigen Fällen sei es wichtig gewesen, wie die Buchhaltung für das nächste Jahr aussehe, um Sachverhalte abzugrenzen. Es komme aus ihrer Sicht nicht darauf an, dass die Beigeladene mangels bestandener Prüfung als Steuerberaterin allein keine Jahresabschlüsse oder Einsprüche mit Außenwirkung habe erstellen dürfen. Sie biete lediglich eine Assistenz für Steuerberater an. Dies könne sie auch selbstständig tun.

Mit Urteil vom 17. Juli 2020 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass unter Abwägung aller Umstände von einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung der Beigeladenen auszugehen sei. Da ein schriftlicher Vertrag nicht vorliege, könne der Inhalt des als Ausgangspunkt zu betrachtenden Vertragsverhältnisses nur anhand der tatsächlich gelebten Rechtsbeziehung ermittelt werden. Von außerordentlicher Bedeutung sei dabei, dass die Beigeladene keine Steuerberaterin sei und daher alleine keine Jahresabschlüsse erstellen oder vergleichbare Leistungen am Markt anbieten dürfe, wie es § 5 Abs. 1 Steuerberatungsgesetz als Verbot der unbefugten Hilfeleistung in Steuersachen regele. Außenwirkung habe ihre Tätigkeit nur erlangen können, wenn die Klägerin die Arbeitsergebnisse als eigene übernommen habe. Dies allein stehe der Annahme einer selbstständigen Tätigkeit der Beigeladenen bereits entgegen. Diese sei rechtlich nicht in der Lage gewesen, ihrer für die Klägerin verrichteten Arbeit ohne diese irgendeine Relevanz im Rechtsverkehr zu verleihen. Dies führe bereits für sich genommen zu einer persönlichen Abhängigkeit und einer Eingliederung in den Betrieb der Klägerin, da diese die vollständige Kontrolle über jedes Arbeitsergebnis der Beigeladenen gehabt habe und im Außenverhältnis auch die alleinige Verantwortung dafür übernommen habe. Zudem sei die Beigeladene für einen Großteil ihrer Tätigkeit auf einen Zugang zu der Software DATEV angewiesen gewesen, den sie nur in der Kanzlei der Klägerin habe erhalten können. Dies spräche ebenfalls für eine Eingliederung in den Betrieb. Zudem werde dadurch der Ort der Tätigkeit für den überwiegenden Teil der Arbeitszeit festgelegt. Außerdem sei der Beigeladenen inhaltlich vorgegeben gewesen, welche Akten zu bearbeiten gewesen seien. Ein Recht der Beigeladenen, einzelne Akten nicht zu bearbeiten, sei nicht nachgewiesen. Schließlich habe die Beigeladene jede einzelne der ihr übertragenen Aufgaben ausgeführt. Damit lägen keine tatsächlichen Umstände vor, die auf ein Ablehnungsrecht schließen ließen. Die Beigeladene habe keine Möglichkeit gehabt, selbst andere Fälle als die von der Klägerin ausgesuchten zu bearbeiten. Hier zeige sich, dass die Beigeladene über keinerlei unternehmerische Freiheit verfügt habe, sondern einer inhaltlichen Weisungsbefugnis der Klägerin unterlegen habe. Es habe die Verpflichtung zur persönlichen Leistungserbringung bestanden und die Beigeladene sei im Außenverhältnis gegenüber den Kunden der Klägerin nicht als Selbstständige aufgetreten. Bei Jahresabschlüssen sei es zu einer Zusammenarbeit mit Mitarbeitern der Klägerin gekommen. Der Einsatz eigener Betriebsmittel der Beigeladenen sei nicht nachgewiesen. Unter zusätzlicher Berücksichtigung der teilweise gezahlten Stundenvergütung sei daher nicht von einem echten Unternehmerrisiko auszugehen. Abgesehen von der teilweise umsatzbezogenen Vergütung spräche damit alles für eine abhängige Beschäftigung. Eine selbstständige Assistenz sei unter den dargelegten Umständen nicht denkbar, weil die bloße Assistenz hier von der Natur der Sache her überwiegend die Merkmale einer abhängigen Beschäftigung erfüllten, ohne dass wesentliche Kriterien einer selbstständigen Tätigkeit vorlägen. Die von der Klägerin in Bezug genommene Entscheidung des Landessozialgerichts Baden-Württemberg (LSG) vom 13. Dezember 2016 zum Status einer Steuerberaterin sei ohne Belang, da diese Entscheidung eine andere Konstellation betreffe; die Beigeladene sei gerade keine Steuerberaterin.

Gegen das den Bevollmächtigten der Klägerin gegen Empfangsbekenntnis am 24. Juli 2020 zugestellte Urteil haben diese am 13. August 2020 beim LSG Berufung eingelegt. Die Beigeladene sei in der Zeit vom 13. Juli 2017 bis 28. Februar 2018 als freie Mitarbeiterin selbstständig tätig gewesen. Das SG habe vor allem auf die Tatsache abgestellt, dass die Beigeladene keine Steuerberaterin sei. Dieses Merkmal sei kein geeignetes Abgrenzungskriterium für die Frage der Selbstständigkeit oder der Arbeitnehmereigenschaft. Die Beigeladene biete ihre Dienste als freie Mitarbeiterin in Steuerkanzleien an. Sie könne z.B. (intern) Jahresabschlüsse für Steuerberater erstellen oder (intern) Steuererklärungen fertigen etc. Ihr „Markt“ seien nicht „Ratsuchende in Steuerfragen“, sondern Steuerberater und Wirtschaftsprüfergesellschaften. Sie werde dann für diese Klienten tätig. Sie könne für andere Auftraggeber die Lohnbuchhaltung ausführen oder Jahresabschlüsse vorbereiten. Hierfür müsse sie nicht als Steuerberaterin zugelassen werden. Außenwirkung erlange ihre Tätigkeit gegenüber den Auftraggebern. Grundsätzlich könne die Beigeladene auf ihrem Geschäftsfeld selbstständig für Auftraggeber, seien dies Steuerberater oder Unternehmen, tätig werden. Der Beigeladenen habe es freigestanden, ihre Tätigkeit in der Kanzlei der Klägerin auszuüben oder in ihrem Büro. Es habe diesbezüglich keinerlei Vorgaben von seiten der Klägerin gegeben. Es sei allein die Entscheidung der Beigeladenen gewesen, überwiegend ihre Arbeit im Büro der Klägerin auszuüben, weil ihr dort die Software DATEV zur Verfügung gestanden habe. Zudem sei die fachliche Abstimmung mit Mitarbeitern der Klägerin direkt möglich gewesen. Hätte sie sich selbst das Softwareprogramm für ihr Büro angeschafft, hätte sie ausschließlich von ihrem Büro aus arbeiten können. Arbeitsort und Arbeitszeit habe die Beigeladene eigenverantwortlich eingeteilt. Hierauf habe die Klägerin keinen Einfluss gehabt. Es träfe nicht zu, dass der Beigeladenen inhaltlich vorgegeben worden sei, welche Akten zu bearbeiten gewesen seien. Insoweit argumentiere das SG ergebnisorientiert. Dass der Beigeladenen Aufträge erteilt worden seien, sei ein wesentliches Element des Dienstvertrages. Nach der Vertragsbeziehung hätte die Beigeladene auch einen Auftrag zurückweisen können. In diesem Zurückweisungsrecht liege bereits die unternehmerische Freiheit der Beigeladenen; hiervon müsse sie keinen Gebrauch gemacht haben. Habe die Steuerberatungsgesellschaft ein Letztentscheidungsrecht bezüglich der Bearbeitung der Mandate, spreche dies nicht per se gegen eine selbstständige freie Mitarbeit. Eine Verpflichtung zur persönlichen Leistungserbringung habe nicht bestanden. Hätte die Beigeladene eine Mitarbeiterin beschäftigt oder partnerschaftlich mit Dritten zusammengearbeitet, wären deren Arbeitsergebnisse von Seiten der Klägerin auch akzeptiert worden. Die Beigeladene habe über ein eigenes Büro verfügt. Damit habe sie für ihre Selbstständigkeit auch Investitionen getätigt. Die Betriebsmittel beschränken sich dann auf die Anschaffung einer Büro- oder EDV-Ausstattung sowie Fachliteratur. Ansonsten bringe die Beigeladene ihr Fachwissen für ihre überwiegend geistige Tätigkeit ein. Die umsatzbezogene Vergütung spräche für die selbstständige Tätigkeit der Beigeladenen. Sie unterliege damit unternehmerischen Risiken wie Chancen. Auch die Stundenlohnabrede beinhalte die Möglichkeit, durch die Annahme vieler Aufträge die eigene Vergütung zu steigern. Ausgehend von der Entscheidung des SG sei nochmals festzuhalten, dass nur die Zulassung als Steuerberaterin nicht über Beschäftigung oder Selbstständigkeit entscheide.

Die Klägerin beantragt (sachdienlich gefasst),

das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 17. Juli 2020 und den Bescheid der Beklagten vom 8. Februar 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. August 2018 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des SG für zutreffend und ist im Übrigen der Auffassung, dass schon durch den Umstand, dass die Beigeladene in den Kanzleiräumen der Klägerin arbeitete (arbeiten musste), eine Eingliederung in die betriebliche Organisation der Klägerin vorgelegen habe.

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

Der Berichterstatter hat mit den Beteiligten am 24. November 2020 die Sach- und Rechtslage erörtert. Die Beigeladene hat angegeben, dass sie davon ausgegangen sei, in den Kanzleiräumen der Klägerin arbeiten zu müssen und keine Aufträge, die ihr die Klägerin erteilt habe, ablehnen zu können. Die Klägerin hat diesbezüglich angegeben, dass es der Beigeladenen grundsätzlich freigestellt gewesen sei, ob sie in ihren Kanzleiräumen oder in ihrem eigenen Büro gearbeitet habe; es sei ihr auch freigestellt gewesen, Mandate, die sie in das Regal für die Beigeladene gestellt habe, abzulehnen bzw. nicht zu bearbeiten.

Die Klägerin und die Beklagte haben sich mit jeweiliger Erklärung im Termin zur Erörterung des Sachverhalts am 24. November 2020 und die Beigeladene mit Schreiben vom 16. Januar 2021 mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Der Senat entscheidet mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (vgl. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG -).

Die Berufung der Klägerin hat Erfolg.

Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist statthaft, zulässig und in der Sache begründet. Das SG hat zu Unrecht die Klage abgewiesen, da die Beigeladene in ihrer Tätigkeit als Mitarbeiterin in der Steuerkanzlei für die Klägerin nicht versicherungspflichtig beschäftigt war.

Nach § 7a Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) können die Beteiligten schriftlich eine Entscheidung der nach § 7a Abs. 1 Satz 3 SGB IV zuständigen Beklagten beantragen, ob eine Beschäftigung vorliegt, es sei denn, die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger hatte im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet. Die Beklagte entscheidet aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Umstände, ob eine Beschäftigung vorliegt (§ 7a Abs. 2 SGB IV). Das Verwaltungsverfahren ist in Abs. 3 bis 5 der Vorschrift geregelt. § 7a Abs. 6 SGB IV regelt in Abweichung von den einschlägigen Vorschriften der einzelnen Versicherungszweige und des SGB IV den Eintritt der Versicherungspflicht (Satz 1) und die Fälligkeit des Gesamtsozialversicherungsbeitrags (Satz 2). Mit dem rückwirkend zum 01.01.1999 durch das Gesetz zur Förderung der Selbständigkeit vom 20.12.1999 (BGBl 2000 I Seite 2) eingeführten Anfrageverfahren soll eine schnelle und unkomplizierte Möglichkeit zur Klärung der Statusfrage erreicht werden; zugleich sollen divergierende Entscheidungen verhindert werden (BT-Drs 14/185 S 6).

Einen entsprechenden Antrag auf Statusfeststellung hat die Beigeladene am 7. November 2017 gestellt. Ein vorheriges Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung durch einen anderen Versicherungsträger oder die Einzugsstelle ist nicht ersichtlich.

Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterlagen im streitgegenständlichen Zeitraum ab 01.01.2009 in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung der Versicherungs- bzw Beitragspflicht (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch <SGB V>, § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch <SGB XI>, § 1 Satz 1 Nr 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch <SGB VI>, § 25 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch <SGB III>).

Nach § 7 Abs. 1 SGB IV ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur „funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess“ verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Zur Feststellung des Gesamtbilds kommt den tatsächlichen Verhältnissen nicht voraussetzungslos ein Vorrang gegenüber den vertraglichen Abreden zu. Ausgangspunkt für die Beurteilung ist demnach zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt (LSG Baden-Württemberg Urteil vom 18.07.2013 - L 11 R 1083/12 - juris). Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so wie sie rechtlich zulässig ist (zum Ganzen BSG 29.08.2012 - B 12 R 25/10 R - BSGE 111, 257 mwN)

Da vorliegend eine schriftliche Vereinbarung zwischen der Klägerin und der Beigeladenen nicht existierte, ist die Abgrenzung von Beschäftigung und Selbstständigkeit auf der Grundlage der tatsächlich zwischen der Klägerin und der Beigeladenen gegebenen Umstände, die die Tätigkeit der Beigeladenen für die Klägerin prägten, vorzunehmen. Diesbezüglich geht der Senat davon aus, dass die Beigeladene für die Klägerin im gesamten streitigen Zeitraum als Diplom-Finanzwirtin mit Fachhochschulabschluss Steuerbescheide und Einsprüche gegen Steuerbescheide bearbeitet und überwiegend Jahresabschlüsse gefertigt hat. Sie hat für ihre überwiegende Tätigkeit, Jahresabschlüsse zu erstellen, eine Umsatzbeteiligung von 40% als Vergütung erhalten; für die Tätigkeit, der Überprüfung von Steuerbescheiden und der Bearbeitung von Einsprüchen gegen Steuerbescheide hat sie eine Stundenvergütung von 50,00 € netto erhalten. Die Klägerin hat der Beigeladenen die Mandate, die von ihr bearbeitet werden sollten, in ein Regal gestellt; die Beigeladene hat alle diese Mandate auch tatsächlich bearbeitet. Die Klägerin hat diesbezüglich angegeben, dass die Beigeladene in der Übernahme und Bearbeitung des einzelnen Mandates frei gewesen sei; die Beigeladene hat diesbezüglich angegeben, davon ausgegangen zu sein, alle Mandate bearbeiten zu müssen. Die Beigeladene hat ihre Tätigkeit in den Räumlichkeiten der Klägerin ausgeübt, hatte jedoch dort keinen festen Arbeitsplatz. EDV und Software (DATEV) wurden ihr gestellt. Die Beigeladene hat die ihr übertragenen Mandate grundsätzlich eigenständig ohne Inanspruchnahme von anderen Mitarbeitern der Klägerin bearbeitet; im Einzelfall kam es zu Gesprächen mit anderen Mitarbeitern der Klägerin insofern, als bei Jahresabschlüssen geklärt werden musste, wie die Buchhaltung für das nächste Jahr aussieht, um diesbezüglich zu bearbeitende Sachverhalte abzugrenzen. Aufgrund ihrer Qualifikation als Diplom-Finanzwirtin war die Beigeladene auch zur eigenständigen Bearbeitung der Mandate qualifiziert. Nach Abschluss ihrer Arbeiten fand eine Besprechung/Kontrolle mit der Klägerin statt.

Die Tätigkeit als ausgebildete Diplom-Finanzwirtin für die Steuerkanzlei der Klägerin im Sinne der Erstellung von Jahresabschlüssen, der Prüfung von Steuerbescheiden und der Bearbeitung von Einsprüchen gegen Steuerbescheide kann grundsätzlich sowohl in abhängiger Beschäftigung, wie auch selbstständig ausgeübt werden. Im vorliegenden Fall liegt jedoch die typische Konstellation einer freien Mitarbeit vor, die der Annahme einer abhängigen Beschäftigung entgegensteht. Eine maßgebliche Eingliederung der Beigeladenen in den Betrieb der Klägerin oder eine Weisungsabhängigkeit liegt unter Berücksichtigung der Gesamtumstände nicht vor. Es gab keinerlei Weisungen im Hinblick auf das einzelne Mandat, wie auch in zeitlicher Hinsicht. Die Beigeladene konnte völlig frei entscheiden, zu welchen Zeiten sie nach Auftragsannahme die Arbeiten ausführte. Es stand lediglich im Sinne steuerrechtlich einzuhaltender Fristen fest, bis wann die Mandatsbearbeitung abgeschlossen sein musste. Dieser Gesichtspunkt ist jedoch bei den hier zu beurteilenden Tätigkeiten einer Diplom-Finanzwirtin von untergeordneter Bedeutung, denn dies ergibt sich bei der Erstellung von Jahresabschlüssen und Steuererklärungen schon aus der Natur der Sache. Auch dass die Beigeladene die Tätigkeiten ausschließlich in den Räumlichkeiten der Klägerin mit deren Büroausstattung und unter Verwendung des von ihr gestellten DATEV-Zugangs ausführte, spricht im vorliegenden Einzelfall nicht für eine Eingliederung in die Betriebsorganisation. Diese Arbeitsweise war zum einen der Praktikabilität und Effizienz und zum anderen dem Datenschutz geschuldet und war nicht zwingend. Diesbezüglich geht der Senat nach den entsprechenden Einlassungen der Klägerin und auch der Beigeladenen hierzu davon aus, dass es der Beigeladenen grundsätzlich freigestellt war, ob sie in ihrem eigenen Büro oder in den Räumen der Klägerin die Tätigkeiten für die Klägerin verrichtete. Aufgrund des Umstandes, dass die Beigeladene – wie sie selbst eingeräumt hat – für ihre überwiegende Arbeit der Erstellung von Jahresabschlüssen auf einen DATEV-Zugang angewiesen war, über diesen aber nicht selbst im Sinne der erforderlichen Lizenz hierfür verfügte, war es diesen tatsächlichen Gegebenheiten geschuldet, dass die Beigeladene ihre Arbeit in den Räumen der Klägerin verrichtete. Dass diesbezüglich eine entsprechende Weisung der Klägerin vorgelegen hätte, ist nach dem Ergebnis des Verfahrens nicht feststellbar. Zwar erfolgte letztendlich mit den Abschlussbesprechungen zwischen der Klägerin und der Beigeladenen nach Bearbeitung der einzelnen Mandate eine „Endkontrolle“ der Arbeiten der Beigeladenen. Diese und das damit verbundene fachliche Letztentscheidungsrecht der Klägerin stellt jedoch keine Überwachung des Arbeitsprozesses dar. Vielmehr resultiert es aus der gesetzlichen Verpflichtung der Klägerin, als Vertragspartner gegenüber den Mandanten ein Testat abgeben zu müssen. Zu beurteilen ist schließlich nicht die Tätigkeit als Steuerberaterin, sondern die Tätigkeit als zuarbeitende höherqualifizierte Mitarbeiterin in der Steuerkanzlei. Nicht jede Zuarbeit ist eine abhängige Beschäftigung, dies würde eine freie Mitarbeit nicht mehr ermöglichen. Hiervon aber geht das SG in seinem Urteil vom 17. Juli 2020 für die Einordnung der Tätigkeit der Beigeladenen als freie Mitarbeit oder abhängige Beschäftigung aus und hat dies als einen Umstand von außerordentlicher Bedeutung angesehen. Das SG hat seiner Entscheidung zugrunde gelegt, dass eine Außenwirkung der Tätigkeit der Beigeladenen nur dann eintreten konnte, wenn die Klägerin die Arbeitsergebnisse als eigene übernommen hat, wobei allein dies der Annahme einer selbstständigen Tätigkeit entgegenstehe. Diese Auffassung macht sich der Senat nicht zu eigen, da sie nicht zu vereinbaren ist damit, dass grundsätzlich eine solche Zuarbeit, wie sie die Beigeladene der Klägerin als Steuerberaterin geleistet hat, auch als freie Mitarbeit rechtlich möglich sein muss. Es kommt diesbezüglich nach den oben aufgezeigten Grundsätzen auf eine Einzelfallbeurteilung an, nicht aber auf die generelle Betrachtung, die das SG vorgenommen hat.

Die Möglichkeit, Aufträge anzunehmen oder abzulehnen, kann als Indiz für das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit angesehen werden, weil damit die Person, deren Tätigkeit zu beurteilen ist, über den Umfang ihrer Tätigkeit selbst bestimmt. Vorliegend ist diesbezüglich seitens der Klägerin und der Beigeladenen kein übereinstimmender Vortrag gegeben. Allerdings geht der Senat auch diesbezüglich davon aus, dass eine Verpflichtung der Beigeladenen, die „in das Regal gestellten „Aufträge bearbeiten zu müssen, nicht gegeben war; die Beigeladene ist hiervon nach ihrer Einlassung im Termin zur Erörterung des Sachverhalts am 24. November 2020 „lediglich“ ausgegangen. Diesbezüglich kann sie also einer unzutreffenden Annahme unterlegen sein. Letztlich ist dies allerdings kein entscheidender tatsächlicher Umstand, denn im Rahmen abhängiger Beschäftigungen sind ebenso Vertragsgestaltungen nicht unüblich, die es weitgehend dem Beschäftigten überlassen, wie er im Anforderungsfall tätig sein will oder ob er eine Anfrage ablehnt (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 18. Juli 2013 – L 11 R 1083/12 – und LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 23. Oktober 2018 – L 11 R 1095/17 -, veröffentlicht in Juris). In Abruf- oder Aushilfsbeschäftigungsverhältnissen, in denen auf Abruf oder in Vertretungssituationen, beispielsweise bei Erkrankung und Ausfall von Mitarbeitern, lediglich im Bedarfsfall auf bestimmte Kräfte zurückgegriffen wird, kann die Möglichkeit eingeräumt sein, eine Anfrage abzulehnen. Dieses Kriterium hat daher im vorliegenden Fall keine große Aussagekraft.

Insbesondere sind die Entlohnung und die diesbezüglichen angewendeten unterschiedlichen Honorarmodelle von wesentlicher Bedeutung. Letztlich wurden zwischen der Klägerin und der Beigeladenen je nach Mandant bzw. inhaltlich vorzunehmender Arbeit unterschiedliche Honorarmodelle gelebt. Das vereinbarte Stundenhonorar in Höhe von 50,00 € netto kam bei der Prüfung von Steuerbescheiden und der Bearbeitung von Steuereinsprüchen zur Anwendung; bei der überwiegenden Tätigkeit der Beigeladenen, nämlich der Erstellung von Jahresabschlüssen kam eine 40%ige Umsatzbeteiligung zur Anwendung. Zwar sind auch in abhängigen Beschäftigungsverhältnissen Umsatzbeteiligungen möglich, die wechselnden Vergütungsmodelle (je nach Mandanten bzw. nach vorzunehmender Bearbeitung) sprechen hier jedoch klar für eine selbstständige Tätigkeit.

Auch die tatsächliche Höhe des Honorars im Vergleich zur Vergütung von vergleichbaren Angestellten spricht hier für eine selbstständige Tätigkeit. Dabei ist es nicht erforderlich, exakt zu ermitteln, was ein angestellter Mitarbeiter einer Steuerkanzlei, der die Tätigkeiten, die die Beigeladene verrichtet hat, auszuüben hat, verdienen würde, um dieses Einkommen mit dem Einkommen der Beigeladenen zu vergleichen und zu prüfen, ob daraus hinreichende Eigenvorsorge (Alter, Krankheit etc.) finanziert werden kann. Die Vereinbarung von Entgelten ist – von gesetzlichen Vergütungsanordnungen abgesehen – Sache der Vertragspartner und Teil der Privatautonomie. Liegt das vereinbarte Honorar wie hier mit Blick auf eine Stundenvergütung von 50,00 € netto deutlich über dem Arbeitsentgelt eines vergleichbar eingesetzten sozialversicherungspflichtig Beschäftigten und lässt es dadurch Eigenvorsorge zu, ist dies nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ein Indiz für eine selbstständige Tätigkeit. Allerdings handelt es sich auch bei der Honorarhöhe nur um eines von unter Umständen vielen in der Gesamtwürdigung zu berücksichtigenden Indizien, weshalb weder an die Vergleichbarkeit der betrachteten Tätigkeiten noch an den Vergleich der hieraus jeweils erzielten Entgelte bzw. Honorare überspannte Anforderungen gestellt werden dürfen (vgl. BSG, Urteil vom 31. März 2017 – B 12 R 7/15 R -, SozR 4-2400 § 7 Nr. 30, Rdnr. 50 m.w.N.).

Die Beigeladene hatte auch ein für Selbstständigkeit sprechendes – wenn auch geringes – Unternehmerrisiko zu tragen. Maßgebendes Kriterium für ein solches Risiko ist, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlusts eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist (vgl. dazu BSG, Urteil vom 28. September 2011 – B 12 R 17/09 R -, veröffentlicht in Juris; BSG, Urteil vom 25. April 2012 – B 12 KR 24/10 R – SozR 4-2400 § 7 Nr. 15). Allerdings ist ein unternehmerisches Risiko nur dann ein Hinweis auf eine selbstständige Tätigkeit, wenn diesen Risiken auch größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft gegenüberstehen (BSG a.a.O.). Die Beigeladene konnte eine Vergütung nur beanspruchen, wenn sie Aufträge erhielt und die Leistung auch erbracht hatte, während hingegen einem abhängig Beschäftigten ein Lohnanspruch schon dann zusteht, wenn er sich arbeitsbereit hält. Ein Mindesteinkommen war der Beigeladenen nicht garantiert, vielmehr hing ihr Verdienst davon ab, wieviele Mandate sie bearbeiten konnte und wollte. Zwar folgt aus dem (allgemeinen) Risiko, außerhalb der Erledigung einzelner Aufträge zeitweise die eigene Arbeitskraft gegebenenfalls nicht verwerten zu können, noch kein Unternehmerrisiko bezüglich der einzelnen Einsätze (vgl. BSG, Urteil vom 18. November 2015 – B 12 KR 16/13 R – SozR 4-2400 § 7 SGB IV Nr. 25). Doch ist ein unternehmerisches Tätigwerden mit reinen Dienstleistungen, die im Wesentlichen nur Know-How, Arbeitszeit und Arbeitsaufwand voraussetzen, ohnedies nicht mit größeren Investitionen in Werkzeuge, Arbeitsgerät oder Arbeitsmaterialien verbunden. Das Fehlen solcher Investitionen ist deshalb bei reinen Dienstleistungen kein ins Gewicht fallendes Indiz für eine (abhängige) Beschäftigung und gegen unternehmerisches Tätigwerden (vgl. BSG, Urteil vom 31.März 2017 – B 12 R 7/15 R – SozR 4-2400 § 7 SGB IV Nr. 30). Bezüglich der Tätigkeit der Beigeladenen für die Klägerin war zwar kein wesentlicher Kapitaleinsatz nötig, dies ist aber bei der von ihr erbrachten Dienstleistung auch nicht üblich. Ein unternehmerisches Risiko bestand jedoch insoweit, als die Beigeladene bei unrichtiger Fallbearbeitung verpflichtet war, unentgeltlich nachzubessern. Davon ist nach den diesbezüglich übereinstimmenden Einlassungen der Klägerin und der Beigeladenen im Termin zur Erörterung des Sachverhalts am 24. November 2020 auszugehen. Die Gefahr eines Verlustes hinsichtlich des eigenen Arbeitseinsatzes bestand somit grundsätzlich.

Insgesamt überwiegen damit diejenigen Umstände, die für eine selbstständige Tätigkeit sprechen, deutlich gegenüber denjenigen, die auf eine abhängige Beschäftigung schließen lassen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 155 Abs.1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Da die Klägerin Berufung eingelegt hat und sie nicht zu den in § 183 SGG genannten Personen gehört, finden im Berufungsverfahren nach§ 197a SGG die VwGO und das Gerichtskostengesetz (GKG) Anwendung. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht zu erstatten, da sie keinen Antrag gestellt hat (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO).

Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß § 197a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGG i.V.m. § 63 Abs. 2 Satz 1, § 52 Abs. 2, § 47 GKG endgültig festgesetzt. Die Höhe des Streitwerts entspricht dem Auffangstreitwert von 5.000,00 €, da bislang lediglich über das Bestehen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses und die hieraus folgende Sozialversicherungspflicht entschieden wurde, aber noch keine Gesamtsozialversicherungsbeiträge festgesetzt wurden.

Rechtskraft
Aus
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