L 2 SO 2254/19

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
2.
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 9 SO 868/19
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 SO 2254/19
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Ein Anspruch auf Gewährung von anteiligem Pflegegeld gemäß § 64a SGB XII kommt dann nicht in Betracht, wenn wie hier eine „Rund-um-die-Uhr-Versorgung“ schon gewährt wird und daneben kein zusätzlicher Pflegebedarf mehr offen ist, der noch über Pflegegeld abgedeckt werden könnte.

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 28. Mai 2019 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Gewährung anteiligen Pflegegeldes über den Juli 2018 hinaus.

Die 1960 geborene Klägerin ist aufgrund eines Verkehrsunfalls im Jahre 1979 querschnittsgelähmt i.H.v. C6 mit spastischer Tetraplegie. Sie wohnte damals im Kreis des Beklagten und zog mit Zustimmung des Beklagten in den R-Kreis um. Seither bezieht sie Sozialhilfeleistungen vom Beklagten (bzw. vorgehend von der Stadt R1 im Kreis des Beklagten). Nach einer längeren Rehabilitationsmaßnahme erhält sie von Beginn an eine häusliche (ambulante) „rund-um-die-Uhr-Betreuung“ durch einen Pflegedienst, welche durch Leistungen der Pflegekasse (Pflegegrad 4) und Hilfe zur Pflege durch den Beklagten finanziert wird. Zusätzlich zur Rente wegen Erwerbsminderung erhält die Klägerin Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Bei ihr ist ein Grad der Behinderung von 100 sowie die Merkzeichen B, G, H, aG und RF festgestellt.

Aktuell wird die Klägerin seit mehreren Jahren im Rahmen einer 24-Stunden Betreuung durch den Pflegedienst IgGmbH, der eine Vergütungsvereinbarung nach § 75 SGB XII geschlossen hat, versorgt. Die Klägerin wird durch eine Pflegekraft vor Ort versorgt, der Pflegedienst hält aber zur Sicherstellung der Pflege im Falle etwaiger Fehl- oder Ausfallzeiten im Hintergrund eine weitere Person bereit (Bl. 54 RS SG). Die monatlichen Kosten für den Pflegedienst belaufen sich mittlerweile auf über 13.000 €. Diese Kosten hält der Beklagte für zu hoch und geht von einer Überversorgung der Klägerin aus. In dem Zusammenhang sind Rechtstreitigkeiten geführt worden. Im Rahmen einstweiligen Rechtsschutzes einigten sich die Beteiligten auf die Einholung eines Gutachtens zum Vorliegen von Schluck- und Hustenstörungen sowie Inkontinenz (s. auch LSG Baden-Württemberg, Kosten-Beschluss vom 2.3.2016 - L 7 SO 4373/15 ER-B -). Auf Grund des daraufhin eingeholten Gutachtens der U. H. vom 3.8.2016 (Bl. 396 Bd. IV VA) ging der Beklagte von der Notwendigkeit einer 24-Stunden Pflege aus, hielt aber einen Anbieterwechsel auf Seiten der Pflege für geboten.

Mit Bescheid vom 19.3.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.6.2018 (Bl. 525, 607 Bd. V VA) bewilligte der Beklagte u.a. die Hilfe zur Pflege ab Juni 2018 begrenzt auf 9.000 € monatlich weiter. Bestätigt wurde diese Deckelung im Wesentlichen im weiteren Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 28.6.2018 - L 7 SO 2149/18 ER-B -). Hinsichtlich der Kostenbegrenzung hob der Beklagte den Bescheid vom 19.3.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.6.2018 im dagegen angestrengten Klageverfahren vor dem Sozialgericht Mannheim (SG - S 10 SO 1805/18 -) wieder auf, weil ein alternativer Pflegedienst nicht benannt werden konnte. In der Folge ließ der Beklagte die von der Klägerin zur Verfügung gestellten Tagesabläufe durch zwei Pflegefachkräfte unabhängig voneinander auswerten. Sowohl die Pflegefachkraft M (Stellungnahme vom 1.2.2019, Bl. 746 VA) als auch die Pflegefachkraft K (Bewertung ohne Datum, Bl. 750 VA) sahen Einsparmöglichkeiten in der Pflege. Die Umsetzung von Vorschlägen des Beklagten zur Kostenverringerung durch eine Organisation der Nachtpflege extern bzw. durch Umzug in eine Wohngruppe (vgl. Bl. 794 VA) sind offen.

Hinsichtlich des vorliegend begehrten anteiligen Pflegegeldes beantragte die Klägerin am 30.5.2018 die Weiterzahlung ab 1.6.2018 (Bl. 559 VA). Der Beklagte zahlte das Pflegegeld bis einschließlich Juli 2018 weiter (als Folge des Beschlusses des LSG Baden-Württemberg im Verfahren L 7 SO 2149/18 ER-B, Bl. 611 VA). Mit Bescheid vom 21.9.2018 lehnte er die Weiterbewilligung des anteiligen Pflegegeldes mit der Begründung ab, die gesamte pflegerische und hauswirtschaftliche Versorgung sei ausschließlich durch besondere Pflegekräfte des Pflegedienstes im Rahmen einer 24-Stunden Betreuung sichergestellt. Eine weitere Pflegeperson darüber hinaus sei nicht vorhanden.

Dagegen legte die Klägerin am 28.9.2018 Widerspruch ein (Bl. 707, 721 VA).

Nach Aufforderung des Beklagten teilte die Klägerin einen typischen Tagesablauf mit. Auf Bl. 728 VA wird Bezug genommen.

Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 20.2.2019 zurück. Die Tagesabläufe der Klägerin belegten, dass die Pflege immer durch eine Pflegefachkraft sichergestellt sei. Es gebe keinen Bedarf, der durch andere zu decken sei. Wer die Pflege überhaupt nicht, auch nicht anteilig sicherstelle, benötige das Pflegegeld nicht. Das Pflegegeld werde nicht gekürzt, sondern es bestehe bereits kein Anspruch.

Dagegen hat die Klägerin am 19.3.2019 Klage zum Sozialgericht Mannheim (SG) erheben lassen und ihr Begehren auf Zahlung eines monatlich anteiligen Pflegegeldes weiterverfolgt. Es komme nicht darauf an, dass der Pflegebedürftige den gesamten pflegerischen Bedarf mit dem Pflegegeld abdecken müsse. Das Pflegegeld sei nicht zur Entlohnung von Pflegepersonen oder Pflegekräften, sondern in erster Linie zur Förderung bzw. Erhaltung der Pflegebereitschaft bestimmt (Hinweis auf Rspr. BVerwG). Außerdem solle der mit der Pflegebedürftigkeit zusammenhängende Aufwand für Kosten für Geschenke, mit denen sich der Pflegebedürftige erkenntlich zeigen will, für vermehrte Telefonate infolge fehlender Mobilität usw. abgedeckt werden können. Messbare wirtschaftliche Belastungen müssten nicht vorliegen, auf die mit dem Pflegegeld zu reagieren wäre; es komme auch nicht darauf an, ob tatsächlich Pflege durch Verwandte oder Nachbarn in Anspruch genommen werde. Es komme vielmehr lediglich darauf an, ob eine Möglichkeit bestehe, dass der Pflegebedarf selbst sichergestellt werden könne.

An dieser Rechtslage habe sich auch durch das Bundesteilhabegesetz und/oder das Pflegestärkungsgesetz nichts geändert, wie sich aus der Antwort des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 8.2.2018 ergebe, wonach mit der Gesetzesänderung Leistungsverschlechterungen gegenüber dem bisherigen Recht nicht verbunden seien.

Auch bei der „rund-um-die-Uhr-Versorgung“ sei ein Bedarf nach § 64a SGB XII, nämlich die Möglichkeit, dass auch Pflege selbst organisiert werden müsse, nicht ausgeschlossen. So sei der Klägerin zwar über den ambulanten Pflegedienst eine vertraglich vereinbarte Pflegefachleistung zu gewähren. Dies schließe aber nicht aus, dass ein unvorhergesehener Pflegebedarf von der Klägerin sicherzustellen sei. Es liege auf Grund des Grades der Pflegebedürftigkeit und der Tatsache, dass die Klägerin nicht stationär betreut werde, auch auf der Hand, dass die Klägerin in die Situation kommen könne, selbst Pflege organisieren zu müssen. Tatsächlich sei es auch so, dass die Klägerin nach Rücksprache mit den bei ihr beschäftigten besonderen Pflegekräften und der Geschäftsstelle des ambulanten Dienstes die Dienstpläne regelmäßig wesentlich mitgestalte, um einen möglichst reibungslosen Ablauf zu gewährleisten. Auch bei kurzfristiger Erkrankung einer Pflegekraft bemühe sich die Klägerin in der Regel selbst darum, aus dem Pool ihrer Pflegekräfte schnellstmöglich einen Ersatz zu bekommen. Auch bei erforderlichen Krankenhausaufenthalten bestehe ein Organisationsaufwand, da unter anderem während der Abwesenheit der Klägerin die Versorgung der Haustiere sichergestellt werden müsse.

Bei Vorliegen einer erheblichen Pflegebedürftigkeit sei immer davon auszugehen, dass neben dem pflegerischen Bedarf zusätzlicher Unterstützungsbedarf anfalle. Dies sei bei der Klägerin z.B. der Fall, wenn es um hauswirtschaftliche Dinge gehe. So erledige z.B. eine Freundin Näharbeiten für die Klägerin. Außerdem mache ihr eine Freundin die Fingernägel, was die ausschließlich männlichen professionellen Pflegekräfte ebenso wenig leisten könnten, wie handwerkliche Tätigkeiten. Regelmäßig würden von Freunden und Bekannten auch Botengänge für die Klägerin erledigt, z.B. dann, wenn die Klägerin durch einen überlangen Toilettengang am Verlassen des Hauses gehindert sei.

Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten (Bl. 27 SG). Bei der Klägerin sei der nach § 64a SGB XII erforderliche Bedarf nicht mehr vorhanden, weil sie 24 Stunden täglich ununterbrochen zu Kosten von 13.385 € monatlich betreut werde. Dabei handele es sich zudem um eine Überversorgung, die bisher lediglich aus tatsächlichen Gründen nicht auf ein angemessenes Maß (9.000 €) habe reduziert werden können. Diese Überversorgung führe dazu, dass die Klägerin quasi stationär betreut werde. Daraus ergebe sich, dass gerade nicht die Möglichkeit bestehe, dass pflegerischer Bedarf selbst sichergestellt werden könne und gegebenenfalls müsse. Die von der Klägerin aufgezählten Beispiele, die eine Bedarfslücke belegen sollen, seien nicht nachvollziehbar. Die Ausführungen hinsichtlich eines unvorhersehbaren Pflegebedarfs wirkten konstruiert. Das Erledigen von Näharbeiten werde ebenso wenig von § 64a SGB XII erfasst wie Botengänge. Zudem werde bestritten, dass diese Botengänge gerade dann erforderlich seien, wenn die Klägerin sie wegen eines überlangen Toilettengangs nicht selber erledigen könne. Soweit eine Freundin ihr die Fingernägel mache, dürfte es sich mehr um eine Gefälligkeit als um eine Notwendigkeit handeln. Die Klägerin lege nicht substantiiert dar, dass sie das Pflegegeld zweckentsprechend verwendet habe bzw. verwenden werde. Sie sei verpflichtet, zunächst die durch die Überversorgung - der Bedarf einer 24-Stunden Betreuung sei nicht eindeutig - überschüssigen Ressourcen zu nutzen, wodurch die Notwendigkeit der Gewährung von Pflegegeld komplett entfiele.

Der Beklagte hat Aktenvermerke und Kostenvergleiche mit anderen Sozialhilfefällen vorgelegt (Bl. 34 ff, 42 f SG).

In der mündlichen Verhandlung am 28.5.2019 hat der Beklagte weitere Ausführungen zu seinem Standpunkt gemacht und mitgeteilt, dass zur Sicherstellung der Pflege von Seiten des Pflegedienstes im Hintergrund eine zweite Person bereitgehalten werden müsse, um etwaige Fehl- oder Ausfallzeiten ausgleichen zu können. Eine vergleichsweise Regelung kam nicht zustande.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 28.5.2019 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass die Klägerin keinen Anspruch auf die Zahlung von Pflegegeld habe. Die hierfür maßgeblichen Voraussetzungen des § 64a Abs. 1 S. 2 SGB XII seien nicht erfüllt. Dem Wortlaut der Norm sei zu entnehmen, dass die pflegebedürftige Person das Pflegegeld tatsächlich benötige, um die Pflege „selbst sicherzustellen“. Insoweit begegne es Bedenken, wenn in der juristischen Literatur und (teils älteren) Rechtsprechung davon ausgegangen werde, dass es entscheidend lediglich auf die Möglichkeit ankomme, dass der pflegerische Bedarf selbst sichergestellt werden könne bzw. müsse. Der Gesetzeswortlaut spreche dafür, dass tatsächlich ein Pflegebedarf bestehe bzw. „offen“ sei, für dessen tatsächliche Sicherstellung die pflegebedürftige Person ein Pflegegeld benötige. Wenn weiter davon ausgegangen werde, dass der Anspruch wegen „Zweckverfehlung“ nur dann entfalle, wenn sicher feststehe, dass keine Notwendigkeit bestehe, neben professionellen Pflegekräften auch private Pflegekräfte einzusetzen, so dass die Zahlung des Pflegegeldes auch bei 24-stündiger („rund-um-die-Uhr-Betreuung“) durch einen Pflegedienst nur unter drastischen Voraussetzungen verweigert werden könne, da auch in einer solchen Situation ein noch offener auf sonstige Art und Weise zu deckender Pflegebedarf nicht ausgeschlossen werden könne, gehe dies auch unter dem Gesichtspunkt des Bedarfsdeckungsgrundsatzes über den Gesetzeswortlaut hinaus.

Auch müsse berücksichtigt werden, dass nach dem im Recht der gesetzlichen Pflegeversicherung verankerten Anspruch auf Zahlung eines Pflegegeldes (§ 37 SGB XI) gefordert werde, dass hiermit die Pflege tatsächlich und faktisch sichergestellt werde, ohne dass diese Voraussetzung durch „Möglichkeitsüberlegungen“ aufgeweicht würde.

Wenn die Klägerin sinngemäß vorbringe, sie benötige das Pflegegeld als „Motivationshilfe und Aufwendungsersatzleistung“ um sich beispielsweise bei einer Freundin, welche Näharbeiten erledige oder die Haustiere versorge, erkenntlich zu zeigen, müsse beachtet werden, dass die hiermit beschriebenen „Bedarfe“ letztlich nicht „pflegerelevant“ seien, sondern vielmehr der allgemeinen Haushaltsführung bzw. den Bedarfen des täglichen Lebens zuzuordnen seien und somit durch die Grundsicherung nach dem 4. Kapitel des SGB XII aufgefangen würden. Keinesfalls handele es sich um Bedarfe, die in spezifischer Weise mit der Pflegebedürftigkeit der Klägerin verbunden seien und die (zwingend) den Einsatz einer privaten Pflegekraft erforderten. Ähnliches gelte im Grunde genommen auch für die Durchführung der Nagelpflege, zumal es durchaus möglich und zumutbar sei, dass die Maniküre von einer der anwesenden (männlichen) Pflegekräfte übernommen werde. Schließlich sei auch nicht ersichtlich, dass die von der Klägerin angeführten Botengänge zwingend während solcher Zeiten erledigt werden müssten, zu denen die professionelle Pflegekraft wegen der „morgendlichen überlangen Toilettengänge“ gebunden sei. Zusammenfassend stehe fest, dass aufgrund der professionellen „rund-um-die-Uhr-Pflege“ auch unter Berücksichtigung des Klagevorbringens kein „offener Pflegerest“ verbleibe, zu dessen Sicherstellung die zusätzliche Zahlung eines Pflegegeldes erforderlich sein könne. Vielmehr sei die pflegerische Betreuung der Klägerin durch den 24 Stunden am Tag mit einer professionellen Pflegekraft anwesenden Pflegedienst in vollem Umfang gewährleistet.

In Abweichung von der vorliegenden Rechtsprechung gehe das SG davon aus, dass bei der engmaschigen oder hier sogar 24-stündigen Betreuung durch professionelle Pflegekräfte die Zahlung eines Pflegegeldes nach § 64a Abs. 1 S. 2 SGB XII schon auf Tatbestandsseite nur infrage komme, wenn tatsächlich noch ein offener, durch den Pflegedienst nicht abgedeckter „Pflegerest“ verbleibe. Wenn dies nicht der Fall bzw. im Grunde genommen ausgeschlossen sei, wäre die Zahlung eines Pflegegeldes letztlich zwangsläufig mit dem Einwand der „Zweckverfehlung“ behaftet.

Die Argumentation, § 63b Abs. 5 SGB XII zeige, dass auch bei dem Einsatz professioneller Pflegekräfte ein - wenn auch um bis zu 2/3 gekürztes - Pflegegeld beansprucht werden könne, überzeuge nicht. Dem stünden die angedeuteten rechtssystematischen Erwägungen entgegen. Zum anderen beschränke sich der Anwendungsbereich dieser Kürzungsvorschrift unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Norm bei teleologischer Auslegung auf Fallkonstellationen, in denen die Pflege im Rahmen eines „Mischmodells“ gleichzeitig sowohl durch professionelle Kräfte als auch durch private Kräfte erfolge. Denn nur dann sei es überhaupt denkbar, dass die pflegebedürftige Person das Pflegegeld zur (teilweisen) Sicherstellung der Pflege benötige. Insoweit solle die Festlegung eines festen Bruchteils (1/3), eine gewisse Mindestabsicherung der pflegebedürftigen Person gewährleisten und kleinliche Streitereien um die Höhe der Pflegegeldkürzung vermeiden. Keinesfalls solle hiermit entgegen den dargestellten Grundprinzipien des Sozialhilferechts ein bedarfsunabhängiger Anspruch auf Zahlung eines Pflegegeldes mit einem Bruchteil von mindestens 1/3 begründet werden.

Gegen das dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin gegen Empfangsbekenntnis am 3.6.2019 zugestellte Urteil hat er am 2.7.2019 schriftlich zum Landessozialgericht Baden-Württemberg Berufung eingelegt und unter Bezugnahme auf sein bisheriges Vorbringen ergänzend vorgetragen, dass es für die Bedingung - Sicherstellung der Pflege - nicht darauf ankomme, ob die Klägerin den gesamten pflegerischen Bedarf mit Pflegegeld abdecken könne. Entscheidend sei, dass nebenher noch die Möglichkeit bestehe, Bedarf selber sicherzustellen. Die Möglichkeit eines Ausfalls der Pflegekraft bestehe grundsätzlich jederzeit. Das Pflegegeld diene insoweit dazu, die Pflegebereitschaft von Nachbarn und Freunden zu fördern, damit erforderlichenfalls auf diese zurückgegriffen werden könne, bis eine Ersatzpflegekraft vor Ort sei. Die „rund-um-die-Uhr-Betreuung“ stehe der Gewährung anteiligen Pflegegeldes nicht entgegen. Ob und in welchem Umfang ihr ein Pflegebedarf verbleibe, könne dahinstehen. Dies ergebe sich aus den Gesetzesmaterialien, der Rechtsprechung zum BSHG und aus der Literatur. Ein vollständiger Entzug des Pflegegeldes sei auch nicht unter Berufung auf einen vermeintlich fehlenden weiteren Pflege- bzw. Pflegebereitstellungsbedarf gerechtfertigt, wie sich aus § 63b Abs. 5 SGB XII mit der Kürzung auf 1/3 ergebe.

Ergänzend hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin vorgetragen (Bl. 26 LSG Akte), dass es für die Betätigung der Sicherstellung der Pflege entscheidend lediglich auf die Möglichkeit ankomme, den pflegerischen Bedarf selbst sicherstellen zu können und gegebenenfalls zu müssen. Von der benötigten 24-Stunden-Betreuung übernehme der Beklagte tatsächlich nur die Kosten für 20 Stunden Pflege pro Tag, woraus sich bereits ein ungedeckter Pflegebedarf ergebe. Dieser könne nämlich auch in der Unterstützung der Pflegebereitschaft der besonderen Pflegekräfte bestehen. Auch bei bezahlten Pflegekräften könne ab und zu eine kleine materielle Anerkennung oder Aufmerksamkeit dazu beitragen, die Pflegequalität und das Pflegeklima bzw. Pflegeverhältnis zu verbessern. Dies gelte in besonderem Maße, wenn die Nachtruhe regelmäßig gestört werde und von tatsächlichen 24 Einsatzstunden nur 20 Einsatzstunden anerkannt würden.

Die Möglichkeit, den pflegerischen Bedarf selbst sicherstellen zu müssen, bestehe trotz der Einschaltung von bezahlten Pflegekräften grundsätzlich immer bereits auch dann, wenn ein unvorhergesehener Pflegebedarf selbst sicherzustellen sei. Dies sei unter anderem der Fall, wenn die Klägerin unvorhergesehen stationär im Krankenhaus aufgenommen werden müsse, wie zuletzt am 30.5.2020 bis 10.6.2020 geschehen. In Anbetracht des erhöhten pflegerischen Aufwandes bei hoher Tetraplegie und ausgeprägten Lebensmittelunverträglichkeiten mit der Notwendigkeit einer angepassten Ernährung sei durch die Klinik die Fortführung der bereits im häuslichen Umfeld etablierten 24-Stunden-Betreuung empfohlen worden. Die Klägerin sei insoweit auch im klinischen Umfeld auf die Hilfe aus dem Kreis ihres häuslichen Umfelds und ihrer professionellen Pflegekräfte angewiesen gewesen, die ihr auch zuteil wurde. Seit 31.8.2020 sei die Klägerin nicht mehr transportfähig und es bestehe ein höherer Pflegeaufwand, der durch Freunde aufgefangen werden müsse.

Eine im Rahmen der Änderung des BSHG geführte Diskussion über die Gewährung von Pflegegeld nur unter der Voraussetzung, dass die Pflege auch von nahestehenden Angehörigen oder im Wege der Nachbarschaftshilfe geleistet werde, habe der Gesetzgeber nicht umgesetzt. Daran habe sich bis heute nichts geändert, weshalb die Klägerin einen Anspruch auf nach § 63b SGB XII gekürztes Pflegegeld habe. Eine Zweckverfehlung könne nur dann vorliegen, wenn eine Selbstorganisation einer weiteren Pflege schlechterdings nicht möglich sei und daher ein Pflegegeldanteil pflegebezogen nicht eingesetzt werden könne, wovon bei der Klägerin nicht ausgegangen werden könne.

Im Übrigen gelte für die Klägerin auch die Besitzstandsregelung des Art. 51 Pflege VG, wonach Personen von der Besitzstandsregelung erfasst seien, die am 31.3.1995 Pflegegeld nach § 69 BSHG bezogen haben. Dies treffe auf die Klägerin zu.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 28. Mai 2019 sowie den Bescheid der Beklagten vom 21. September 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. Februar 2019 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin anteiliges Pflegegeld seit August 2018 zu gewähren,

hilfsweise die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Aufgrund der Überversorgung der Klägerin liege vorliegend ein atypischer Fall vor, bei dem nach dem Bedarfsdeckungsprinzip kein Anspruch auf anteiliges Pflegegeld mehr bestehe. Auch die Regelungen über das anteilige Pflegegeld hebelten das Bedarfsdeckungsprinzip nicht aus. Dies folge schon daraus, dass ein Hilfeempfänger auch über die zweckentsprechende Verwendung des anteiligen Pflegegeldes Rechenschaft abzulegen habe. Bedarfe, die hier die Gewährung des anteiligen Pflegegeldes - zumal in der Höhe von fast 250 € monatlich - rechtfertigen könnten, seien nicht erkennbar. Ein Anspruch der Klägerin auf Gewährung des anteiligen Pflegegeldes ergebe sich auch nicht aus der Besitzstandsregelung des Art. 51 PflegeVG. Die Regelung habe nichts mit der Gewährung anteiligen Pflegegeldes zu tun, sondern habe nur auf Grund der Einführung der Pflegeversicherung im Jahr 1995 dazu dienen sollen, dass die betroffenen Personen nicht schlechter als vorher unter der Gewährung nach dem BSHG gestellt wurden. Ein Anspruch auf Besitzstandsleistungen gemäß Art. 51 PflegeVG sei dann nicht mehr gegeben gewesen, wenn die Leistungen der Pflegekasse den Betrag der maximalen Besitzstandsleistung überstiegen. Im Hinblick darauf, dass die Klägerin schon seit langem die Pflegesachleistungen nach § 36 SGB XI komplett ausschöpfe, überstiegen die Leistungen der Pflegekasse definitiv den Betrag der Besitzstandsleistung.

Auf Nachfrage hat der Beklagte mitgeteilt, dass die örtliche Zuständigkeit auf einem Schreiben der Stadt R1 vom 16.4.1985 gründe, mit dem die Verwaltungsakte beginne und in dem die örtliche Zuständigkeit nach § 97 Abs. 2 BSHG weiterhin anerkannt worden sei, obwohl die Klägerin am 13.4.1985 nach N umgezogen sei (vgl. Bl. 60 LSG). Der R wurde wegen der großen räumlichen Entfernung um Amtshilfe bei der Betreuung der Klägerin (Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt und Hilfe zur Pflege) gegen Aufwendungsersatz gebeten. Mit Wirkung vom 1.1.2020 sei der Landschaftsverband Rheinland (LVR) gem. § 103 Abs. 2 SGB IX i.V.m. § 2a AG-SGB XII NRW zuständig.

Mit Beschluss vom 12.10.2020 hat der Senat den LVR (Beigeladener zu 1.) und den Landkreis R (Beigeladener zu 2.) zum Verfahren beigeladen.

Der Beigeladene zu 1. hält die örtliche Zuständigkeit des Beigeladenen zu 2. für gegeben (Schreiben vom 3.11.2020, Bl. 76 LSG). Der Beigeladene zu 2. hält die örtliche Zuständigkeit des Beklagten für gegeben (Schreiben vom 9.12.2020, Bl. 81 LSG).

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Prozessakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Der Senat entscheidet mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (vgl. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.

Die gem. §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte Berufung ist zulässig; sie ist unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden. Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Weitergewährung anteiligen Pflegegeldes.

Streitgegenstand ist der Bescheid vom 21.9.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.2.2019, mit dem es der Beklagte abgelehnt hat, der Klägerin anteiliges Pflegegeld weiterhin zu zahlen. Nachdem der Beklagte das anteilige Pflegegeld bis einschließlich Juli 2018 ausgezahlt hat, ist die Gewährung ab 1.8.2018 im Streit. Dagegen geht die Klägerin mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage vor (§ 54 Abs. 1 und 4, § 56 SGG).

Beim Pflegegeld handelt es sich um einen von der übrigen Hilfe zur Pflege abtrennbaren Streitgegenstand (BSG, Urteil vom 25.4.2013 – B 8 SO 8/12 R –, juris Rn. 13).

Die Klage richtet sich auch gegen den richtigen Beklagten, da dieser den Bescheid erlassen hat.

Ob der Beklagte allerdings für eine Leistungsgewährung der örtlich zuständige Leistungsträger wäre, ist zweifelhaft. Da die Klägerin zwar zur Zeit des Unfalls und der Entstehung des Pflegebedarfs im Zuständigkeitsbereich des Beklagten gelebt hat, dann nach Trennung von ihrem Ehemann in den R umgezogen ist und auch nie stationäre Pflegeleistungen oder ambulant betreutes Wohnen erhalten hat, dürfte sich die örtliche Zuständigkeit nicht nach § 97 Abs. 2 BSHG, der die örtliche Zuständigkeit für die Hilfe in einer Anstalt, einem Heim oder einer ähnlichen Einrichtung an den Wohnort vor Aufnahme anknüpft, richten. Die örtliche Zuständigkeit nach dem Umzug dürfte sich vielmehr nach § 97 Abs. 1 S. 1 BSHG gerichtet haben und damit an den Wohnort anknüpfen. Auch eine Prolongation der Zuständigkeit nach § 97 Abs. 1 S. 2 BSHG dürfte durch den Umzug ausgeschlossen gewesen sein (vgl. Deckers in Grube/Wahrendorf/Flint, SGB XII zur Nachfolgevorschrift § 98 SGB XII, 7. Aufl. 2020, Rn. 18). Von daher dürfte die Stadt R1 ihre Zuständigkeit für die Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt und Hilfe zur Pflege im Schreiben vom 16.4.1985 wohl fälschlich bejaht haben. Dies und die Frage, ob die sachliche Zuständigkeit nun beim Beigeladenen zu 1. liegt, kann jedoch letztlich dahinstehen, da die Klägerin keinen Anspruch auf Pflegegeld hat.

Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch ist § 19 Abs. 3 i.V.m. §§ 61a, 64a Abs.1, 63b Abs. 5 SGB XII. Personen, die pflegebedürftig im Sinne des § 61a SGB XII sind, haben Anspruch auf Hilfe zur Pflege, soweit ihnen nicht zuzumuten ist, dass sie die für die Hilfe zur Pflege benötigten Mittel aus dem Einkommen und Vermögen aufbringen (§ 61 S. 1 SGB XII). Die Klägerin gehört danach zum grundsätzlich leistungsberechtigten Personenkreis für Hilfe zur Pflege. Sie leidet nämlich unter einer dauerhaften Querschnittslähmung und ist wegen der dadurch eingeschränkten bzw aufgehobenen Bewegungsfähigkeit der unteren und oberen Extremitäten für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer in erheblichem Maße auf Hilfe angewiesen. Als Bezieherin einer Erwerbsminderungsrente und aufstockender Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung ist ihr die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen nicht zuzumuten. Die Klägerin erhält auch bereits Leistungen der Hilfe zur Pflege vom Beklagten für die rund um die Uhr Betreuung durch den Pflegedienst I gGmbH. Sie hat jedoch darüber hinaus derzeit keinen Anspruch auf Weiterzahlung des gekürzten Pflegegeldes, weil vorliegend ausnahmsweise über die professionellen Leistungen des Pflegedienstes hinaus kein Bedarf mehr besteht, die Hilfe zur Pflege selbst sicherstellen zu müssen oder zu können.

Gem. § 64a Abs. 1 S. 1 SGB XII haben Pflegebedürftige der Pflegegrade 2, 3, 4 oder 5 bei häuslicher Pflege Anspruch auf Pflegegeld in Höhe des Pflegegeldes nach § 37 Abs. 1 SGB XI. Weitere Voraussetzung ist gem. § 64a Abs. 1 S. 2 SGB XII, dass die Pflegebedürftigen die erforderliche Pflege mit dem Pflegegeld in geeigneter Weise selbst sicherstellen. § 64a Abs. 1 S. 2 SGB XII steht einem Anspruch auf Pflegegeld auch nicht entgegen, wenn der Pflegebedürftige ausschließlich von professionellen Pflegekräften versorgt wird, selbst wenn dies "rund-um-die-Uhr" erfolgt (H. Schellhorn, in: Schellhorn/Hohm/Scheider/Legros, SGB XII, 20. Aufl. 2020, § 64a Rn. 7; BVerwG, Urteil vom 3. Juli 2003 – 5 C 7/02 – juris Rn. 13 ff.). Denn dies führt nicht ohne weiteres zu der Annahme, dass keinerlei Pflegebedarf mehr in Eigenverantwortung abgedeckt wird. Entscheidend ist lediglich, dass die Möglichkeit besteht, dass pflegerischer Bedarf selbst sichergestellt werden kann und muss. Diese Voraussetzung ist aber auch schon dann zu bejahen, wenn in verbleibenden Zeiträumen bei Nichtanwesenheit einer Pflegefachkraft nachbar- oder verwandtschaftliche Hilfe in Anspruch genommen werden muss oder aber ein unvorhergesehener Pflegebedarf von der Antragstellerin selbst sicherzustellen ist. Daher können trotz professioneller Pflege Zwischenräume verbleiben, in denen Pflege auch noch selbst zu organisieren ist. Schon für diese müssen der pflegebedürftigen Person die finanziellen Anreize durch das Pflegegeld zur Verfügung stehen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob tatsächlich Pflege durch Verwandte oder Nachbarn in Anspruch genommen wird. Es muss lediglich immer wieder die Möglichkeit dafür bestehen (vgl. BSG, Urteil vom 25.4.2013 – B 8 SO 8/12 R –, juris Rn. 16 - 17; Sächsisches Landessozialgericht, Beschluss vom 10.11.2020 – L 8 SO 67/20 B ER –, juris Rn. 29; Meßling in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 3. Aufl. 2020, § 64a SGB XII Rn. 22). Diese Regelung dient dazu, eine Zweckverfehlung der Pflegegeldgewährung etwa infolge bestimmungswidriger Verwendung des Pflegegeldes oder bei Mängeln der selbst organisierten Pflege zu verhindern; die Zwecksetzung des Pflegegeldes selbst bleibt hiervon hingegen unberührt (BVerwG, Urteil vom 3.7.2003 – 5 C 7/02 –, Rn. 14).

Ausgehend davon besteht im vorliegenden Fall bei der Klägerin über die professionelle Hilfe hinaus kein weiterer pflegerischer Bedarf, der von ihr sichergestellt werden könnte oder müsste, wie bereits das SG zutreffend festgestellt hat. Über die „rund-um-die-Uhr-Versorgung“ hinaus ist durch die vom Beklagten im Rahmen der Hilfe zur Pflege übernommenen Kosten auch die Bereitstellung einer Ersatzkraft im Bedarfsfall jederzeit sichergestellt. Eine solche Ersatzpflegekraft wird vom Pflegedienst im Hintergrund für die Klägerin jederzeit bereitgehalten, was zu den überdurchschnittlichen Kosten für die Versorgung führt. Von daher gibt es im vorliegenden Fall keine verbleibenden Zeiträume, in denen bei Nichtanwesenheit einer Pflegefachkraft nachbar- oder verwandtschaftliche Hilfe in Anspruch genommen werden muss oder aber ein unvorhergesehener Pflegebedarf von der Antragstellerin selbst sicherzustellen ist. Wenn die Klägerin hier angibt, Pflegepläne selbst zu erstellen, so handelt es sich dabei jedoch nicht um eine Notwendigkeit.

Die Klägerin hat in dem Zusammenhang auch keinen pflegerischen Bedarf benannt, den sie in der Vergangenheit mit dem zuvor erhaltenen (gekürzten) Pflegegeld abgedeckt hätte.

Die Gewährung von Pflegegeld dient - auch weiterhin - nicht der „Entlohnung“ der Pflegeperson. Pflege durch Nachbarn oder nahestehende Personen ist ihrem Wesen nach gerade unentgeltlich. Das Pflegegeld ist vielmehr als Motivationshilfe gedacht und will insoweit die pflegebedürftige Person in die Lage versetzen, die Bereitschaft zur Pflege durch Personen aus ihrem Umfeld (Familie, Freunde oder Nachbarn) herzustellen und zu erhalten. Die betreffende Person soll sich durch gelegentliche oder regelmäßige finanzielle Zuwendungen für die geleistete Pflege erkenntlich zeigen können. Daher hängt die Gewährung von Pflegegeld auch nicht davon ab, dass die von der pflegebedürftigen Person benötigte Hilfe einen wirtschaftlich messbaren Wert hat. Daneben sollen die mittelbar mit der Pflegebedürftigkeit zusammenhängenden Mehrkosten, z.B. erhöhte Telefonkosten aufgrund fehlender Mobilität, Kosten von Geschenken für Besucher, die nur aufgrund eines Pflegeengpasses (etwa durch Krankheit der eigentlichen Pflegeperson) pflegerische Aufgaben übernehmen usw., durch das Pflegegeld abgedeckt werden. Aufgrund dessen ist das Pflegegeld seiner Natur nach eine Aufwandspauschale für spezifisch mit der Pflegebedürftigkeit zusammenhängende, wirtschaftlich nicht messbare Belastungen. Es wird gewährt, um dem Pflegebedürftigen von vornherein zu ermöglichen, die vielfältigen Aufwendungen, die mit der Pflege verbunden sind, ohne Einzelnachweis aufzufangen (Meßling in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 3. Aufl., § 64a SGB XII, Stand: 01.02.2020, Rn. 17 f.). Daraus folgt, dass das Pflegegeld nur im Zusammenhang mit Pflege zu gewähren ist, nicht aber zur Aufrechterhaltung sozialer Kontakte. Voraussetzung für den Bezug von Pflegegeld ist weiter, dass die pflegebedürftige Person die häusliche Pflege „in geeigneter Weise selbst sicherstellen“ kann. Kann eine Sicherstellung nicht erfolgen, entfällt der Anspruch auf Pflegegeld. § 64a Abs. 1 Satz 2 SGB XII knüpft an die gleichartige Vorschrift des § 37 Abs. 1 Satz 2 SGB XI an und enthält insoweit die gleiche Voraussetzung wie schon § 64 Abs. 5 S. 1 SGB XII a.F. Die hierzu ergangene Rechtsprechung beansprucht daher nach wie vor Gültigkeit (Meßling in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 3. Aufl., § 64a SGB XII, Stand: 01.02.2020, Rn. 20)

Bei der im vorliegenden Fall gewährten Pflege bleibt kein Raum mehr für die eigene Sicherstellung der Pflege. Der vorliegende Fall ist mit dem Arbeitgebermodell zu dem die Entscheidung des BSG und BVerwG ergangen sind und eine „rund-um-die-Uhr-Versorgung“ die Gewährung von Pflegegeld nicht ausschließt, nicht vergleichbar. Die Klägerin organisiert vorliegend ihre Pflege nicht durch eigens angestellte Pflegekräfte selber, sondern wird allumfassend von angestellten Pflegekräften der IgGmbH im Rahmen der Sachleistung versorgt. Der Dienst hält für den Ausfall der Pflegeperson immer im Hintergrund eine weitere Pflegkraft bereit. Eine Selbstorganisation durch die Klägerin wird damit nicht erforderlich, weil ihre Pflege in jedem Fall sichergestellt ist, was auch zu den hohen Kosten des engagierten Pflegedienstes beiträgt. Wenn sich die Klägerin dennoch in die Gestaltung der Dienstpläne mit einbringt, ändert dies nichts daran, dass ihre Pflege unabhängig davon sichergestellt ist. Im Übrigen vermag der Senat nicht zu erkennen, welcher Aufwand, der von den Zielen der Gewährung von Pflegegeld gedeckt ist, damit verbunden wäre. Die in den früheren Entscheidungen angesprochenen vermehrten Telefonkosten dürften in Zeiten von allgemein üblichen Flatrates jedenfalls nicht mehr anfallen.

Soweit im Gutachten des Deutschen Vereins vom 22.11.2018 - NDV 2019, 237 f gefordert wird: „Dem Pflegebedürftigen muss immer mindestens ein Drittel des Pflegegeldes zur Verfügung stehen, damit er sich für den verbleibenden Bedarf an sozialen Kontakten bzw. damit er sich gegenüber Dritten erkenntlich zeigen kann; das gilt selbst bei voller pflegerischer Entlastung durch professionelle Fachkräfte. Unerheblich ist, ob die Versorgung durch Pflegekräfte der Pflegekasse oder durch vom Sozialhilfeträger finanzierte Pflegekräfte erfolgt. Können wenige Leistungen in eigener Regie erbracht werden und werden in größerem Umfang Leistungen durch Leistungserbringer beansprucht, so kann das Pflegegeld gekürzt werden. ........ Das Mindestpflegegeld von einem Drittel (vgl. § 63 Buchst. b Abs. 5 SGB XII) muss aber immer - auch bei „rund um die Uhr Versorgung“ - erbracht werden.“ geht das über die gesetzliche Regelung hinaus und berücksichtigt nicht die Zweckrichtung des Pflegegeldes, dass ein pflegerischer Bedarf noch vorhanden sein muss. Nach den Ausführungen des Deutschen Vereins wäre das Pflegegeld letztlich bedingungslos immer zu zahlen, soweit keine stationäre Versorgung vorliegt und berücksichtigt nicht, dass Pflege mit dem Pflegegeld in geeigneter Weise selbst sicherzustellen sein muss. Die Forderung beruht zudem auf einem anderen zugrundeliegenden Sachverhalt, nach dem sich zwei Personen eine Pflegekraft teilen, was mit dem vorliegenden Sachverhalt nicht vergleichbar ist.

Der Senat sieht weiter angesichts der durch den Dienst geleisteten Pflege - der Beklagte übernimmt weiterhin die Kosten für eine 24-Stunden Pflege nachdem immer noch keine günstigere Variante der Klägerin angeboten werden konnte - keine Notwendigkeit, noch zusätzlich die Pflege durch die Inanspruchnahme von nachbar- oder verwandtschaftlicher Hilfe in Anspruch nehmen zu müssen. Die Klägerin verweist in dem Zusammenhang auf kleinere Näharbeiten oder das Machen der Fingernägel, die von Freundinnen ausgeführt werden. Nicht nachvollziehbar ist aber angesichts der Auswertung der Tagesabläufe der Klägerin, die viele Leerzeiten für die Mitarbeiter des Pflegedienstes ergeben, warum dies - sofern es sich überhaupt um pflegerische Leistungen handelt -nicht auch von den Mitarbeitern des Pflegedienstes erbracht werden könnte, der rund um die Uhr anwesend ist. Die Klägerin wünscht die Pflege nur durch männliche Mitarbeiter des Pflegedienstes und hält diese für die ihrer Meinung nach wohl „frauentypische“ Arbeiten nicht in der Lage. Diese Einschätzung ist in Zeiten der Gleichberechtigung von Mann und Frau und angesichts einer veränderten gesellschaftlichen Anschauung über die Aufgaben von Männern und Frauen nicht mehr sachgerecht, zumal auch Jungen in der Schule Nähen, Stricken und Häkeln lernen und in Nagelstudios auch männliche Mitarbeiter tätig sind. Bei der Versorgung der Haustiere, die es bei Krankenhausaufenthalten zu organisieren gilt, handelt es sich nicht um pflegerische Leistungen für die Klägerin. Ebenso verhält es sich bei Botengängen. Insbesondere hat die Pflegesachverständige M darauf hingewiesen, dass auch bei Histamin-Intoleranz auf Vorrat eingekauft und gekocht werden kann und nicht zweimal täglich frisch eingekauft werden muss.

Die Klägerin hat nicht substantiiert dargelegt, dass sie das Pflegegeld zweckentsprechend verwendet hat bzw. verwenden werde. Insgesamt ist damit für den Senat nicht ersichtlich, wie die Klägerin ein monatlich in Höhe von ca. 250 € zu zahlendes anteiliges Pflegegeld tatsächlich bestimmungsgemäß als Motivationshilfe und Aufwendungsersatzleistung für zusätzliche pflegerische Dienste oder Besuche einsetzen könnte. Von daher bestehen konkrete Anhaltspunkte, dass nur eine nicht pflegebezogene Verwendung in Frage kommen würde.

Soweit die Klägerin anführt, ihre Pflege im Krankenhaus durch Freunde sicherstellen zu müssen, handelt es sich dabei nicht um einen Bedarf, der von der Zahlung des Pflegegeldes gedeckt wird; Pflegegeld wird nur zur Sicherstellung der häuslichen Pflege (Absatz 1 Satz 2) gewährt. Voraussetzung für den Bezug von Pflegegeld ist, dass die pflegebedürftige Person die häusliche Pflege „in geeigneter Weise selbst sicherstellen“ kann. Kann eine Sicherstellung nicht erfolgen, entfällt der Anspruch auf Pflegegeld. § 64a Abs. 1 S. 2 SGB XII knüpft an die gleichartige Vorschrift des § 37 Abs. 1 Satz 2 SGB XI an und enthält insoweit die gleiche Voraussetzung wie schon § 64 Abs. 5 Satz 1 SGB XII a.F. Pflegegeld wird nur im Rahmen der ambulanten Pflege bezahlt. Dies entspricht der Regelung des § 63b Abs. 3 SGB XII, der zufolge Pflegebedürftige in einer stationären oder (vgl. insoweit allerdings auch § 63b Abs. 3 Satz 2 SGB XII) teilstationären Einrichtung keine Leistungen zur häuslichen Pflege und folglich auch kein Pflegegeld erhalten. Wird allerdings abends zu Hause durch Angehörige gepflegt, kann Pflegegeld bezogen werden, das ggf. nach § 63b Abs. 5 SGB XII gekürzt werden kann (Meßling in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 3. Aufl., § 64a SGB XII (Stand: 01.02.2020), Rn. 20, 21). Die Organisation von Pflege im Krankenhaus ist damit vom Zweck des Pflegegeldes nicht gedeckt. Gem. § 63b Abs. 3 S. 1 SGB XII haben Pflegebedürftige während ihres Aufenthalts in einer teilstationären oder vollstationären Einrichtung dort keinen Anspruch auf häusliche Pflege. Die von der Klägerin benannte Organisation der Pflege im Krankenhaus erfüllt diese Voraussetzungen damit nicht, weil es nicht um häusliche Pflege geht.

Eine davon abweichende Weiterzahlung nach § 63b Abs. 4 S.1 SGB XII bei Krankenhausaufenthalt kommt vorliegend nicht in Betracht, da die Klägerin nicht - wie dort gefordert - ihre Pflege im Rahmen des Arbeitgebermodells sicherstellt, sondern ein Pflegedienst als Sachleistung tätig wird. Dementsprechend kann zu diesem Zweck auch nicht die Zahlung von Pflegegeld in Betracht kommen.

Ein Anspruch der Klägerin auf Gewährung des anteiligen Pflegegeldes ergibt sich auch nicht aus der Besitzstandsregelung des Art. 51 des Gesetzes zur sozialen Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit (Pflege-Versicherungsgesetz - PflegeVG vom 26.5.1994) sog. Besitzstandspflegegeld. Die Regelung hat nichts mit der Gewährung anteiligen Pflegegeldes zu tun, sondern hat nur auf Grund der Einführung der Pflegeversicherung im Jahr 1995 dazu dienen sollen, dass die betroffenen Personen nicht schlechter als vorher unter der Gewährung nach dem BSHG gestellt wurden. Dies war häufig der Fall, da sich nach altem Recht die Einstufung eines Kranken oder Behinderten allein nach dessen körperlichem Zustand richtete und die Frage, ob und in welchem Umfang die Unfähigkeit besteht, Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens ohne fremde Hilfe wahrzunehmen, unerheblich war (H. Schellhorn in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, 20. Aufl. 2020, § 64a SGB XII, Rn. 27; Meßling in: jurisPK-SGB XII, § 64a Rn. 38 ff., m.w.N.; vgl. auch BT-Drucksache 13/2007, S. 5, worin ausgeführt ist, dass Art. 51 des PflegeVG „eine Besitzstandsregelung für Pflegebedürftige enthält, die bis zum 31.03.1995 ein Pflegegeld nach § 69 BSHG erhalten haben“). Ein Anspruch auf Besitzstandsleistungen gemäß Art. 51 PflegeVG ist dann nicht mehr gegeben gewesen, wenn die Leistungen der Pflegekasse den Betrag der maximalen Besitzstandsleistung überstiegen, weil Leistungen angerechnet werden (Art. 51 Abs. 4 Pflege VG). Im Hinblick darauf, dass die Klägerin schon seit langem die Pflegesachleistungen nach § 36 SGB XI komplett ausschöpft, überstiegen die Leistungen der Pflegekasse definitiv den Betrag der Besitzstandsleistung.

Nach alledem vermag der Senat einen Anspruch der Klägerin auf die Weiterzahlung des anteiligen Pflegegeldes nicht festzustellen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die hilfsweise beantragte Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen nicht vor. Von der zum Pflegegeld ergangenen Rechtsprechung wird nicht abgewichen, sondern hier liegt ein anderer Versorgungssachverhalt vor.

Rechtskraft
Aus
Saved