Zur Frage, wann eine Einstehens- und Verantwortungsgemeinschaft und damit eine eheähnliche Lebensgemeinschaft im Sinne der §§ 43 Abs. 1 Satz 2 und 20 SGB XII oder nur eine „Alters-Wohngemeinschaft“ vorliegt.
Das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 15. Mai 2019 sowie den Bescheid vom 19. März 2018 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 27. Juni 2018 werden aufgehoben und der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung ab Antragstellung bis 31. Dezember 2017 in Höhe von monatlich 159,65 Euro, vom 1. Januar 2018 bis 30. Juni 2018 in Höhe von monatlich 170,80 Euro sowie vom 1. Juli 2018 bis 31. Dezember 2018 in Höhe von 141,12 Euro zu gewähren.
Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen.
Tatbestand
Streitig ist die Gewährung von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) in der Zeit ab Antragstellung bis nun noch zum 31.12.2018.
Der 1947 geborene Kläger bezieht von der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg eine Altersrente, im streitigen Zeitraum in Höhe von 921,02 Euro bzw. 950,70 Euro (ab Juli 2018). Aufgrund fehlender Vorversicherungszeiten besteht keine Mitgliedschaft in der Krankenversicherung der Rentner (KdVR). Der Kläger ist freiwillig gesetzlich krankenversichert bei der AOK Baden-Württemberg. Die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung betrugen im Jahr 2017 monatlich 181,67 Euro bzw. im Jahr 2018 monatlich 185,82 Euro. Diese Beiträge werden (derzeit) vom Kläger nicht regelmäßig bezahlt. Es bestehen Schulden in Höhe von 20.077,89 Euro (Stand 01.12.2020, Bl. 62 LSG Akte). Der Kläger wohnt in der von Frau F (im folgenden F.), die 1954 geboren ist, angemieteten Wohnung in M. F. ist Hauptmieterin, der Kläger ist als Untermieter im Mietvertrag aufgenommen (vgl. Bl. 907 VA). Im streitigen Zeitraum überwies der Kläger an F. monatlich 490,00 Euro Miete.
Bereits in der Vergangenheit bestanden zwischen dem Kläger und dem Beklagten Unstimmigkeiten bezüglich der Frage, ob der Kläger mit F. in einer Bedarfs- bzw. Einstandsgemeinschaft lebt, oder ob lediglich eine sogenannte „Alters-WG“ vorliegt.
Deshalb hatte bereits im Jahr 2012 ein Hausbesuch des Sozialdienstes des Beklagten stattgefunden. Darin wird u.a. berichtet, dass die Wohnung aus Küche, Essbereich im Flur, Büro, Wohnzimmer und Schlafzimmer bestehe. Alle Räume würden gemeinsam benutzt, außer dem Schlafzimmer, in dem F. schlafe. Allerdings bewahre der Kläger im Schlafzimmer seine Bettwäsche auf. Er selbst schlafe auf der Couch im Wohnzimmer. Es werde gemeinsam eingekauft, u.a. auch zusammen Wäsche gewaschen und ab und zu gemeinsam gegessen. Der Kläger habe kaum eigene Möbel, er habe das meiste entsorgt. Nach seinen Angaben gehöre ihm nur eine Kommode im Wohnzimmer und ein Schrank, in dem er seine Bettwäsche aufbewahre sowie ein selbst gezimmerter Schreibtisch im Büro. Die restliche Einrichtung gehöre F. Der Kläger habe angegeben, dass er F. seit fünf bis sechs Jahren kenne. Man sei bekannt und befreundet. Man habe aber keine Beziehung zueinander. Der Kläger habe angegeben, auch keine anderweitige feste Partnerschaft zu haben, auch F. habe seines Wissens keine Partnerschaft. Er kenne lediglich den Bruder von F., zu dem diese selbst nur wenig Kontakt habe. F. kenne aber seine Angehörigen nicht. Beim Kauf der Nahrungsmittel rechne man ungefähr ab. Die Putzarbeiten erledige im Wesentlichen der Kläger, da F. fast täglich von 09.30 Uhr bis zum Nachmittag zur Behandlung in der Uniklinik sei. Über Wertgegenstände des anderen werde in der Regel nicht verfügt. Sowohl der Kläger als auch F. hätten nach Angabe vom Kläger jeweils ein Auto. Der Kläger dürfe zudem den Fernseher im Wohnzimmer mitbenutzen. Es gebe keine gemeinsamen Konten und es gebe in der Regel keine gemeinsamen Freizeitunternehmungen. Ausnahmen seien gelegentliche gemeinsame Spaziergänge mit dem Hund von F. Manchmal führe der Kläger den Hund auch alleine aus. Urlaube würden nicht gemeinsam verbracht (vgl. Band 1 der Verwaltungsakte S. 385).
Mit Bescheid vom 13.07.2012 gewährte der Beklagte dem Kläger für die Zeit von April 2012 bis Juni 2012 Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII. Ab dem 01.07.2012 bestehe ein voriger Anspruch auf Wohngeld.
Nachdem der Kläger 2013 erneut Leistungen der Grundsicherung im Alter bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII beantragt hatte, fand am 16.12.2013 ein erneuter unangemeldeter Hausbesuch statt, bei dem sowohl der Kläger als auch F. anwesend waren. Darin wurde u.a. angegeben, dass man seit ca. drei Jahren zusammen lebe. Man habe keine gemeinsamen Kinder oder sonstigen Angehörigen, die im Haushalt versorgt würden. Man dürfe weder über Kontoeinkommen noch Vermögen des anderen verfügen. Es bestünden aber auch keine anderen Lebensgemeinschaften außerhalb des Haushaltes. Der Kläger kenne lediglich den Bruder von F. Seinen Bruder, der weiter weg wohne, kenne F. nicht. Man habe die Wohnung damals gemeinsam gesucht. F. sei dann als Hauptmieterin und der Kläger als Untermieter eingetragen worden. Das Zusammenleben funktioniere derzeit, es sei aber völlig ungewiss, wie lange diese Wohnform anhalten werde. Jeder von ihnen habe ein eigenes Auto. Dieses werde nicht gegenseitig verliehen. Man nutze das Wohnzimmer, den Essbereich, den Flur, die Küche und das Arbeitszimmer gemeinsam. Gelegentlich unternehme man gemeinsame Spaziergänge mit dem Hund von F. Gemeinsame Urlaube habe es noch nicht gegeben und es sei den meisten bekannt, dass sie eine Zweck-WG hätten. F. habe ein eigenes Schlafzimmer mit einem Fernseher. In dem dort befindlichen Schrank werde auch die Bettwäsche vom Kläger verstaut, da hierfür ansonsten kein Platz vorhanden sei. Die restlichen Räume würden gemeinsam genutzt. Das Wohnzimmer werde gemeinsam genutzt, vorwiegend jedoch vom Kläger, der auf der Couch schlafe und dort auch fernsehe. Das Arbeitszimmer werde ebenfalls gemeinsam genutzt, ebenso die Küche, der Essbereich im Flur und das Bad. Es gebe eine zweite Toilette. Da F. krankheitsbedingt nicht schwer heben dürfe, übernehme der Kläger die schweren Arbeiten wie Putzen, Rasenmähen, Großeinkäufe. Die Kücheneinrichtung gehöre komplett F. Im Kühlschrank und in den sonstigen Schränken gebe es keine getrennten Fächer. F. sei täglich bis 14.00 Uhr zur Behandlung in der Uniklinik. Die Mahlzeiten würden abends mal allein oder auch mal gemeinsam, dann aber spontan und ungeplant, eingenommen. F. bringe das „Tägliche“ mit und übernehme die Kosten. Der Kläger bezahle die Großeinkäufe. Man rechne nicht separat ab. Gemeinsam angeschaffte Einrichtungsgegenstände, Geschirr oder Elektrogeräte gebe es nicht. F. gehöre die komplette Einrichtung. Ausnahmen seien nur der Couchtisch im Wohnzimmer, sowie zwei Schränke im Büro. Von den früheren Möbeln des Klägers habe man vieles entsorgt. Um Instandsetzungs- und Renovierungsarbeiten kümmere sich der Kläger selbst. Strom, Heizung und Telefon bezahle F., der Kläger habe ein eigenes Handy. F. ziehe sich abends ins Schlafzimmer zurück. Sie habe dort einen eigenen Fernseher. Gelegentlich unternehme man gemeinsame Spaziergänge mit dem Hund. Gegenseitige finanzielle Zuwendungen gebe es nicht. Man unterstütze sich im Rahmen einer normalen Hilfsbereitschaft. Dies auch aufgrund der jeweiligen gesundheitlichen Einschränkungen. Der Kläger und F. hätten mehrfach versichert, dass es sich um eine reine Zweckgemeinschaft bzw. Alters-WG handle. Man habe sich aus finanziellen Gründen zusammengetan. Das Zusammenleben habe viele Vorteile, da man z.B. eine größere Wohnung anmieten könne, der Hund sei immer versorgt, Arbeiten könnten je nach gesundheitlicher Belastung aufgeteilt werden und im Notfall sei jemand da, um Hilfe zu holen (vgl. Band 1 der Verwaltungsakte, S. 645 ff.).
Nach weiteren Ermittlungen lehnte der Beklagte den Antrag des Klägers auf Gewährung von Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung wegen fehlender Mitwirkung mit Bescheid vom 02.04.2014 ab. Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren wurde hiergegen Klage zum Sozialgericht (SG) Freiburg erhoben. Dieses Verfahren wurde unter dem Verfahren S 9 SO 2802/14 geführt. Die Beteiligten einigten sich in diesem Verfahren darauf, dass der Beklagte diesen Bescheid vom 02.04.2014 zurücknimmt und erneut über den Grundsicherungsantrag des Klägers entscheidet. Daraufhin erging am 10.08.2016 ein erneuter Ablehnungsbescheid. Der Antrag auf Gewährung von Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII wurde abgelehnt, da der Beklagte von einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft zwischen dem Kläger und F. ausging. Es seien daher auch die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse von F. zu berücksichtigen. Hierzu habe der Kläger trotz Aufforderung keine Nachweise vorgelegt. Der hiergegen erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 07.11.2016 zurückgewiesen. Klage wurde hiergegen, soweit ersichtlich, nicht erhoben.
Am 27.11.2017 beantragte der Kläger erneut beim Beklagten die Gewährung von Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Hierbei gab er an, eine Pauschalmiete von 490,00 Euro zu bezahlen sowie Kosten für die Krankenversicherung in Höhe von 181,67 Euro pro Monat zu haben. Als Einnahmen stünden ihm die monatliche Rente inklusive Zuschuss zur freiwilligen Krankenversicherung in Höhe von derzeit insgesamt 921,02 Euro zu.
Der Beklagte lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 19.03.2018 ab. Nachdem der Kläger bei seiner Vorsprache am 27.11.2017 mitgeteilt habe, dass sich seit der letzten Entscheidung des Beklagten keine Änderungen ergeben hätten und auch von Seiten des Klägers keine neuen rechtserheblichen Gesichtspunkte vorgetragen worden seien, sehe man im Hinblick auf den bestandskräftigen Bescheid vom 07.11.2016 keine Veranlassung, erneut über den Antrag auf Grundsicherungsleistungen zu entscheiden.
Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27.06.2018 als unbegründet zurück. Zunächst wurde nochmals darauf hingewiesen, dass man bereits mit bestandskräftigem Bescheid aus dem Jahr 2016 den Antrag abgelehnt habe. Man sehe daher zunächst keine Veranlassung, erneut über den Antrag zu entscheiden. Darüber hinaus gehe man nach wie vor davon aus, dass eine eheähnliche Gemeinschaft zwischen dem Kläger und F. vorliege. Der Kläger wohne seit 2011 bei Frau F. zur Untermiete in einer Dreieinhalbzimmerwohnung, mit ca. 80 Quadratmeter. Ein schriftlicher Untermietvertrag bestehe nicht. Bereits zuvor hätten der Kläger und F. in einem Haus zusammengewohnt, das damals F. gehörte. In seiner Entscheidung bezog sich der Beklagte insbesondere auf die Berichte des Sozialmedizinischen Dienstes aus den Jahren 2012 und 2013.
Bereits am 22.03.2018 hat der Kläger einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beim SG Freiburg gestellt und beantragt, den Antragsgegner vorläufig zu verpflichten, dem Antragsteller Leistungen nach § 32 SGB XII bis zur Entscheidung in der Hauptsache in gesetzlicher Höhe zu bewilligen und auszubezahlen (Aktenzeichen S 9 SO 1377/18 ER). Das SG hat mit Beschluss vom 22.05.2018 dem Antrag stattgegeben, und den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, vorläufig vom 01.05.2018 bis zur bestands- bzw. rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache, längstens aber bis zum 30.04.2019, die nicht durch eigenes Einkommen gedeckten Beiträge des Klägers zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung zu übernehmen. Das Vorliegen einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft sei zwar vorliegend nicht ausgeschlossen, aber doch sehr unwahrscheinlich. Da der Beklagte für das Vorliegen der eheähnlichen Lebensgemeinschaft objektiv beweisbelastet sei, und der Kläger aufgrund rückständiger Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung derzeit nur eine Notfallbehandlung erhalte, seien die Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge zumindest vorläufig zu übernehmen.
Am 27.07.2018 ist Klage gegen den Bescheid vom 19.03.2018 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 27.06.2018 zum SG Freiburg erhoben worden. Der Kläger hat im Wesentlichen vorgetragen, dass zwischen ihm und F. keine eheähnliche Lebensgemeinschaft vorliege. Dies sei insbesondere in einem Klageverfahren des Klägers gegen seine Krankenkasse (Aktenzeichen S 13 KR 4588/16) deutlich geworden. Ein wechselseitiger Wille, füreinander auch in Fällen der Not einzustehen, sei nicht feststellbar gewesen.
Der Beklagte ist dem Begehren entgegengetreten und hat vorgetragen, dass man nach wie vor an der Einschätzung aus den streitgegenständlichen Bescheiden festhalte. Es lägen vorliegend jedenfalls eindeutige Indizien dafür vor, dass zwischen dem Kläger und seiner Mitbewohnerin eine eheähnliche Gemeinschaft tatsächlich bestehe.
Das SG hat in der mündlichen Verhandlung vom 15.05.2019 zunächst den Kläger befragt. Dieser hat dabei angegeben, dass er seit etwa sieben bis acht Jahren bei F. in der Wohnung lebe. Zuvor habe man schon zwei oder drei Jahre im Haus von F. zusammengelebt. Man habe einen gemeinsamen Bekanntenkreis gehabt und vor dem Zusammenziehen beide Probleme gehabt. Er habe seine Partnerin verloren und sei in ein tiefes Loch gefallen. Man habe sich dann zusammengetan. F. sei gesundheitlich auch angeschlagen. Als man zusammengezogen sei, habe keiner sie darauf angesprochen, ob das denn etwas Ungewöhnliches sei. Den Mietvertrag habe F. unterschrieben und er überweise ihr per Dauerauftrag jeden Monat einen Teil der Miete. Man sei damals gemeinsam in die Wohnung umgezogen und beim Umzug habe man Hilfe von jemandem erhalten, den man per Anzeige gefunden habe. Die Wohnung sei 80 Quadratmeter groß und habe drei Zimmer. Es sei ein Schlafzimmer, ein Büro, ein Wohnzimmer und eine Dusche sowie eine Gästetoilette. Die Gästetoilette benutze er alleine. Dort befinde sich aber eigentlich nichts von ihm. Er schlafe im Wohnzimmer. Er schlafe dort auf einer großen Couch, die tagsüber abgeräumt werde. Das Bettzeug lagere man dann im Schlafzimmer. F. schlafe im Schlafzimmer. Sie halte sich tagsüber viel im Büro auf und spiele dort am PC. Er sei tagsüber meistens im Wohnzimmer und lese gerne. Er sei auch viel im Garten, der sich direkt am Haus befinde. F. kümmere sich selten um den Garten. F. sei mehr im Schlafzimmer. Sie gehe auch immer früh zu Bett. Er stehe um 07.00 Uhr auf und dusche, trinke dann Kaffee und nehme eine Scheibe Brot für die Tablette ein. F. trinke morgens auch nur Kaffee. Jeder mache das aber eigentlich für sich selbst. Er gehe dann auch mit dem Hund spazieren. Man treffe sich so gut wie nicht mit Freunden. Auch zu den Nachbarn habe man kein enges Verhältnis. Man koche getrennt und kaufe auch getrennt ein. Essenssachen kaufe jeder für sich. F. habe auch einen anderen Geschmack als er. Wenn er etwas für F. einkaufe, dann werde abgerechnet. Er habe aktuell keine Partnerin. Sowohl er als auch F. seien früher verheiratet gewesen. Er habe keine Vollmacht über das Konto von F. und auch F. habe keine Vollmacht über sein Konto. Wenn ihnen etwas geschehen sollte, müssten sie sich wohl gegenseitig helfen. Sie hätten ja auch sonst niemanden. F. habe ihm Geld geliehen in der Größenordnung von etwa 1.500,00 Euro. Dafür habe er ihr sein Auto gegeben. Den Fahrzeugbrief habe man nicht umgeschrieben. Weihnachten habe man in der Wohnung verbracht. Er habe ferngesehen, was es zu Essen gegeben habe, wisse er nicht mehr. An Silvester sei man auch zu Hause gewesen. Grundsätzlich wasche jeder seine Wäsche alleine. Wenn jedoch noch Platz in der Waschmaschine sei, dann nehme man auch etwas von dem anderen dazu. Man habe heute keinen gemeinsamen Freundeskreis mehr. Manchmal komme der Bruder von F. zu Besuch. Man putze getrennt, aber wenn jemand z.B. die Küche putze, dann putze er natürlich die ganze Küche. Fenster putze er. Manchmal grille er auch. Dann grille er auch für F. eine Wurst mit, weil er nicht alleine grillen wolle. Er habe einen Fernseher in seinem Zimmer und F. einen in ihrem Zimmer.
Das SG hat sodann weiter F. als Zeugin befragt. Diese hat angegeben, den Kläger seit 2006 oder 2007 zu kennen. Man habe einen gemeinsamen Bekanntenkreis durch ihren Ex-Mann gehabt. Der Kläger sei zunächst in ihr Haus gezogen, das sie dann aber wegen Schulden habe verkaufen müssen. Ob beim Umzug vom Haus in die Wohnung Bekannte oder bezahlte Umzugskräfte geholfen hätten, könne sie nicht mehr sagen. Der Kläger sei damals eingezogen, nachdem er einen schweren Schicksalsschlag erlitten habe. Die jetzige Wohnung sei über 100 Quadratmeter groß. Im Wohnzimmer lebe der Kläger. Sie halte sich viel im Büro auf und arbeite dort am PC. Im Wohnzimmer sei sie nicht oft. Auch habe sie einen eigenen Fernseher im Zimmer. Man habe auch zwei Autos. Eines davon benutze der Kläger. Das habe er ihr übergeben, als sie ihm Geld geliehen habe. Natürlich könne sie das Auto wohl verkaufen. Sie habe es bislang aber nicht gewollt. Fünfmal die Woche sei sie in der Uniklinik zur Behandlung. Einen gemeinsamen Freundeskreis habe man nicht mehr. Der habe sich aufgelöst. Sie bekomme noch ab und zu Besuch von ihrem Bruder. Weihnachten sei man zu Hause gewesen. Sie sei früh ins Bett gegangen. Man habe zusammen gegessen. Silvester sei sie auch früh ins Bett gegangen. Sie wisse nicht, wann der Kläger ins Bett gegangen sei. Sie kümmere sich um den Garten und mähe auch den Rasen. Sie wisse nicht, wie lange sie das noch könne. Sie putze auch die Fenster in dem Haus. Sie könne sich nur schwer vorstellen, alleine zu leben. Ihr falle das Alleinsein generell schwer. In einem Ordner habe sie eine Vorsorgevollmacht für ihren Bruder. Sie wolle noch darauf hinweisen, dass das Schlafzimmer und das Wohnzimmer in etwa gleichgroß seien. Das Büro sei deutlich kleiner. Der Kläger hat nach einer kurzen Unterbrechung mitgeteilt, dass er seit einem Jahr lungenkrank sei und F. mit in die Gartenpflege eingestiegen sei. Außerdem sei der Umzug in das Haus von F. mit Hilfe von Bekannten erfolgt. Der Umzug in die Wohnung sei dann dagegen über eine Anzeige erfolgt. Es wurde weiter protokolliert, dass die Zeugin während der kurzen Unterbrechung angegeben habe, dass gelegentlich gemeinsam mit Freunden im Garten gegrillt werde. Es kämen offenbar Nachbarn mit Hunden.
Das SG hat die Klage sodann mit Urteil vom selben Tag als unbegründet abgewiesen. Der angefochtene Bescheid sei nicht zu beanstanden. Man verweise im Wesentlichen auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid. Ergänzend sei darauf hinzuweisen, dass auch das Gericht vom Bestehen einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft ausgehe. Hierfür spreche insbesondere die nicht eindeutig abgegrenzte Privatsphäre in der Wohnung. So räume der Kläger offenbar tagsüber sein Bettzeug in das Zimmer der Zeugin, obwohl sich die Zeugin dort einen großen Teil des Tages aufhalte. Auch die wirtschaftlichen Verhältnisse zwischen dem Kläger und der Zeugin seien nicht klar getrennt. Die Zeugin habe dem Kläger offenbar in der Vergangenheit einen Geldbetrag in Höhe von 1.500,00 Euro überlassen und im Gegenzug das Auto erhalten. Die Fahrzeugpapiere seien aber nicht überschrieben worden und der Kläger benutze das Fahrzeug weiterhin. Zu einem anderen Ergebnis hätten auch nicht die Angaben des Klägers und der Zeugin im Termin zur mündlichen Verhandlung geführt. Insbesondere erschienen die Angaben des Klägers und der Zeugin nicht immer stimmig. Sie hätten etwa widersprechende Angaben zur Verteilung der Hausarbeiten gemacht. Letztlich habe der Gesamteindruck von den Lebensverhältnissen des Klägers und der Zeugin und von deren gemeinsamen Motivation für ein Zusammenleben dafür gesprochen, dass eine eheähnliche Lebensgemeinschaft zu bejahen sei.
Gegen das dem Klägervertreter am 31.05.2019 zugestellte Urteil ist am 28.06.2019 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg erhoben worden. Zur Begründung wird ausgeführt, dass hier keine eheähnliche Lebensgemeinschaft zwischen dem Kläger und F. bestehe.
Der Beklagte hat auf Nachfrage des Senats mitgeteilt, dass seit dem 27.11.2017 kein weiterer Antrag auf Grundsicherungsleistungen gestellt worden sei. Man gehe nach wie vor vom Bestehen einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft aus.
Die Beteiligten haben sich im Rahmen eines Verfahrensvergleichs darüber geeinigt, dass Gegenstand des vorliegenden Verfahrens lediglich der Zeitraum ab Antragstellung (27.11.2017) bis zum 31.12.2018 ist.
Nachdem der Kläger seine Kontoauszüge für den nun noch streitigen Zeitraum vorgelegt hat, hat der Beklagte eine fiktive Berechnung vorgenommen. Danach hätte der Kläger, wenn keine Bedarfsgemeinschaft angenommen würde, ab November 2017 einen Anspruch auf Leistungen in Höhe von 159,65 Euro, ab Januar 2018 in Höhe von 170,80 Euro und ab Juli 2018 in Höhe von 141,12 Euro pro Monat.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 15. Mai 2019 sowie den Bescheid vom 19. März 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Juni 2018 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII für die Zeit ab Antragstellung bis zum 31. Dezember 2017 in Höhe von monatlich 159,65 Euro, von 1. Januar 2018 bis zum 30. Juni 2018 in Höhe von 170,80 Euro und vom 1. Juli 2018 bis zum 31. Dezember 2018 in Höhe von 141,12 Euro zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verweist auf die angefochtenen Entscheidungen. Weiter wird vorgetragen, dass kein förmlicher Untermietvertrag bestehe, was für eine Wohngemeinschaft üblich sei. Der Kläger und F. hätten die Wohnung gemeinsam angemietet und bereits zuvor zusammengelebt. Auch die nun gemachten Angaben, wonach der Kläger das Wohnzimmer alleine nutze, führten zu keinem anderen Ergebnis. Dies trage der Kläger nun zum ersten Mal vor. Nach wie vor gebe es keine klar abgegrenzten Wohnbereiche in der Wohnung.
Der Senat hat zudem die Akten des SG Freiburg in einem Verfahren des Klägers gegen seine Krankenversicherung (Aktenzeichen S 13 KR 4588/16) beigezogen. Streitig war hier das Ruhen der Leistungen aus dem Krankenversicherungsverhältnis des Klägers. Im Rahmen dieses Verfahrens sind sowohl der Kläger als auch F. im Termin zur Erörterung des Sachverhaltes am 13.03.2018 befragt worden. Hier hat der Kläger u.a. angegeben, dass man einen gemeinsamen Bekanntenkreis gehabt habe. Man kenne sich etwa seit 14 Jahren und lebe seit 2011 zusammen. Zunächst im Haus von F. Seine damalige Partnerin sei gestorben und auch F. habe Probleme gehabt. Man habe dann eine Art Alters-WG gegründet. Man sei dann umgezogen. Den Mietvertrag habe F. unterschrieben. Einen gesonderten Untermietvertrag zwischen F. und ihm gebe es nicht. Er müsse monatlich 490,00 Euro Miete zahlen. Diese überweise er an F. Die Wohnung habe drei Zimmer, Wohnzimmer, Schlafzimmer und Büro sowie Bad, Küche und Gäste-WC. Sein Zimmer sei theoretisch das Wohnzimmer. F. benutze dieses Zimmer sehr selten. Im Wohnzimmer stehe ein Tisch, Schränke und eine große Couch, auf der er schlafe. Seine persönlichen Sachen habe er im Büro, in dem drei große Schränke stünden. Im Büro stünden noch ein Schreibtisch und der Computer. Das Schlafzimmer werde ausschließlich von F. genutzt. Dort lagere noch sein Bettzeug, aber das liege mittlerweile auch viel im Wohnzimmer. Man habe zwei Fernsehgeräte, einer stehe im Schlafzimmer und einer im Wohnzimmer. Man schaue getrennt fern. Beide Fernseher gehörten F. Er habe insgesamt sehr wenig Möbel. Einkaufen und Kochen mache jeder im Prinzip für sich. Jeder habe die eigenen Vorräte und koche auch für sich selbst. Er kaufe ab und zu die großen Sachen wie z.B. Sprudel für beide. Ansonsten kaufe jeder getrennt ein und trage auch die Kosten für seine Einkäufe. Jeder wisse, was im Kühlschrank ihm gehöre und nehme auch nur dieses. Man esse in der Regel nicht gemeinsam. Ab und zu grille man gemeinsam. Das Putzen teile man auf. Es gebe keine gemeinsame Kasse. Strom und Telefon seien bei ihm in der Miete inbegriffen. Außer seiner Rente habe er kein Einkommen. Es gebe zwei Autos, die beide F. gehörten. F. habe ihm vor einigen Jahren das Auto abgekauft, da er Schulden gehabt habe. Er benutze das Auto weiterhin und zahle auch noch die laufenden Kosten. Er laufe viel mit dem Hund spazieren, dies aber allein. Im Moment habe man keine gemeinsamen Freunde. Man habe auch kein gemeinsames Konto und auch keine gegenseitige Kontovollmacht. Seit Neuestem habe er eine Patientenverfügung und eine Vorsorgevollmacht zugunsten von F. ausgestellt, er wisse allerdings nicht so genau, was darin stehe und was es genau sei. F. habe ein Formular aus dem Internet heruntergeladen. Jeder halte sich meistens in seinem Zimmer auf. Natürlich spreche man auch ab und zu miteinander oder trinke auch mal einen Kaffee zusammen. Man habe einen gemeinsamen Bekanntenkreis gehabt, aber da habe sich vieles aufgelöst. Wenn F. pflegebedürftig werden würde, würde er natürlich versuchen, sie zu pflegen. Er denke, das mache man so in einer Alters-WG. Man habe diese Sache nicht genau besprochen. Wenn er pflegebedürftig werden sollte, hoffe er, dass er auch in der Wohnung bleiben könne. Wahrscheinlich könne ihn F. aber aus gesundheitlichen Gründen wohl nicht pflegen.
F. hat im Rahmen dieses Termins als Zeugin u.a. angegeben, dass man sich seit 2007 oder 2008 aus einem früheren gemeinsamen Bekanntenkreis kenne. Man wohne seit 2011 zusammen. Als man gemeinsam in die Wohnung gezogen sei, habe sie den Mietvertrag unterschrieben und den Kläger als Untermieter aufgenommen. Sie habe nicht gewollt, dass er auch Mieter sei. Man habe keinen schriftlichen Untermietvertrag, das habe sie nicht für nötig erachtet. Im Hauptmietvertrag sei der Kläger als Untermieter eingetragen. Die hälftige Miete werde vom Kläger monatlich überwiesen inklusive Strom, Telefon und Müllgebühren. Jeder habe einen eigenen Fernseher und halte sich in der Regel in seinem Zimmer auf. Sie kaufe ihre Lebensmittel selbst ein. Lediglich schwere Dinge wie z.B. eine Sprudelkiste bringe der Kläger ihr mit. Sie trage aber auch die Kosten für ihre Einkäufe. Sie habe ein eigenes Konto und es gebe auch kein gemeinsames Konto oder Vollmachten. Es gebe keine gemeinsamen Anschaffungen. Man wasche die Wäsche getrennt. In der Regel esse man getrennt. Es komme natürlich auch mal vor, dass man gemeinsam einen Kaffee trinke. Man habe keine gemeinsame Kasse. Im Garten könne sie nicht viel machen, da sie körperlich angeschlagen sei. Dies mache vor allen Dingen der Kläger. Man habe keine gemeinsamen Bekannten mehr. Jeder putze seinen eigenen Bereich und sie habe einen eigenen PKW. Sein Auto habe der Kläger ihr mal überschrieben, da er Schulden gehabt habe. Die laufenden Kosten für den PKW trage er aber noch selbst. Sie beziehe eine Rente und bekomme auch Unterhalt von ihrem geschiedenen Ehemann. Sie habe eine Vorsorgevollmacht, in die ihr Bruder eingetragen sei. Auch der Kläger habe eine Vorsorgevollmacht, in der sein Bruder eingetragen sei und nicht sie. Vor dem Zusammenziehen seien sie beide in einem Loch gewesen. Sie habe nicht mehr allein sein wollen, aber auch keine Beziehung mehr gewollt. Man unterstütze sich gegenseitig. Der Kläger unterstütze sie auch viel im Garten.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz, die beigezogenen Akten aus dem Verfahren gegen die Krankenversicherung sowie die beigezogenen Verwaltungsakten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die nach den §§ 143 und 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung ist zulässig. Sie wurde insbesondere auch form- und fristgerecht erhoben (vgl. § 151 SGG).
Die Berufung ist auch begründet. Das SG hat zu Unrecht die Klage abgewiesen, denn der angefochtene Bescheid vom 19.03.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.06.2018 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Der Kläger hat gegen den Beklagten ab Antragstellung (27.12.2017) einen Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII.
Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist, nachdem der Beklagte und der Kläger sich hierauf durch den angenommen Verfahrensvergleich geeinigt haben, noch der Zeitraum ab Antragstellung (27.11.2017) bis 31.12.2018.
Rechtsgrundlage für die Gewährung von Grundsicherungsleistungen sind § 19 Abs. 2 i.V.m. § 41 ff. SGB XII. Gemäß § 19 Abs. 2 SGB XII haben Anspruch auf Grundsicherungsleistungen (nur) Personen, die ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere aus ihrem Einkommen und Vermögen, bestreiten können. Gemäß § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB XII sind Einkommen und Vermögen des nicht getrenntlebenden Ehegatten oder Lebenspartners sowie des Partners einer eheähnlichen oder lebenspartnerschaftsähnlichen Gemeinschaft, die dessen notwendigen Lebensunterhalt nach § 27a SGB XII übersteigen, zu berücksichtigen. Nach § 20 Satz 1 SGB XII dürfen Personen, die in eheähnlicher oder lebenspartnerschaftsähnlicher Gemeinschaft leben, hinsichtlich der Voraussetzungen sowie des Umfangs der Sozialhilfe nicht bessergestellt werden als Ehegatten.
Vorliegend steht fest, dass der Kläger, der über kein berücksichtigungsfähiges Vermögen verfügt, im streitigen Zeitraum seinen Lebensunterhalt nicht aus dem ihm zur Verfügung stehenden Einkommen in Form einer Altersrente bestreiten konnte. Sein monatlicher Bedarf bestand aus dem maßgeblichen Regelsatz (409,00 Euro im November und Dezember 2017, ab Januar 2018 dann 416,00 Euro), den Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 490,00 Euro sowie den Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung (181,67 Euro im Jahr 2017 bzw. 185,82 Euro ab Januar 2018). Dem stand ein Einkommen aus Rente inklusive Zuschuss zur freiwilligen gesetzlichen Krankenversicherung von 921,02 Euro bzw. ab Juli 2018 von 950,70 Euro gegenüber, so dass sich ein ungedeckter monatlicher Bedarf von 159,65 Euro (November/ Dezember 2017), 170,80 Euro (ab Januar 2018) bzw. von 141,12 Euro (ab Juli 2018) ergibt.
Entgegen der Auffassung des SG und des Beklagten ist vorliegend auch nicht Einkommen von F. bei der Bedarfsberechnung mit zu berücksichtigen, da nach Überzeugung des Senats hier gerade keine eheähnliche Gemeinschaft besteht.
Eine eheähnliche Gemeinschaft ist eine auf Dauer angelegte Lebensgemeinschaft, die daneben keine weitere Lebensgemeinschaft gleicher Art zulässt, sich durch innere Bindungen auszeichnet, die ein gegenseitiges Einstehen der Partner für einander begründen, also über die Beziehungen in einer reinen Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft im Sinne einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft hinausgehen (vgl. BVerfG, Urteil vom 17.11.1992 - 1 BvL 8/87 - juris Rn. 95 ff.). Die erforderliche Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft ist nur bei solchen Gemeinschaften gegeben, in denen die Bindungen der Partner einer Gemeinschaft so eng sind, dass von ihnen ein gegenseitiges Einstehen in den Not- und Wechselfällen des Lebens erwartet werden kann. Nur wenn sich die Partner einer Gemeinschaft so sehr füreinander verantwortlich fühlen, dass sie zunächst den gemeinsamen Lebensunterhalt sicherstellen, bevor sie ihr persönliches Einkommen zur Befriedigung eigener Bedürfnisse verwenden, ist ihre Lage mit derjenigen von nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten vergleichbar (BVerfG, Urteil vom 17.11.1992, a.a.O. Rn. 104; BSG, Urteil vom 17.10.2002 - B 4 AL 96/00 R - und vom 27.2.2008 - B 14 AS 23/07 R -, beide in juris). Es muss sich um Partner handeln, die in einer Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft zusammenleben (objektive Voraussetzungen), und zwar so, dass nach verständiger Würdigung (als subjektive Voraussetzung) der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen (BSG, Urteil vom 23.8.2012 - B 4 AS 34/12 R - juris). Die letzteren Voraussetzungen, die problematischen inneren Tatsachen, sind häufig nur anhand von Indizien (Hinweistatsachen) feststellbar. Es ist anhand von objektiv vorliegenden Tatsachen zu ermitteln, ob der Schluss auf eine innere Bindung im Sinne einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft gerechtfertigt ist. Der Katalog der zur Feststellung des Einstandswillens heranzuziehenden Hilfstatsachen ist nicht abschließend und in der Praxis breit aufgefächert (Voelzke in jurisPK-SGB XII, 3. Aufl., § 20 SGB XII, Stand: 13.2.2020, Rn. 20 ff. m.w.N. mit einer Aufzählung von Indizien Rn. 38). Es ist ohne festgelegte Beweisregeln durch eine Würdigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls im Rahmen einer Gesamtbetrachtung festzustellen, ob die Hilfstatsachen den Schluss auf die maßgebenden inneren Tatsachen zulassen. Weder das Vorliegen einzelner Merkmale noch das Fehlen bestimmter Hilfstatsachen führt zwingend zu einer bestimmten Schlussfolgerung hinsichtlich des Bestehens oder Nichtbestehens einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft. Entscheidend ist das Gesamtbild der Indizien (Voelzke, a.a.O. Rn. 40). Die materielle Beweislast für das Vorliegen einer eheähnlichen Gemeinschaft liegt bei dem Träger der Sozialhilfe (Grube in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 6. Aufl. 2018, § 20 Rn. 16).
Davon ausgehend lässt eine Gesamtwürdigung der Einzelfallumstände auf der Grundlage der seit 2012 durchgeführten Ermittlungen nach Überzeugung des Senats gerade nicht zu, dass Bestehen einer eheähnlichen Gemeinschaft zwischen dem Kläger und F. festzustellen.
Es gibt zwar eine Reihe von Indizien, die für eine Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft des Klägers mit Frau F. sprechen, wobei zunächst zu berücksichtigen ist, dass der Kläger und F. schon seit vielen Jahren zusammenleben. Die beiden haben nach dem Einzug des Klägers zunächst im Haus der F. gelebt und sind, nachdem dieses aus finanziellen Gründen aufgegeben werden musste, gemeinsam in die auch im streitigen Zeitraum bewohnte Wohnung in M gezogen. Auch sind die Wohnbereiche in der neuen Wohnung nicht klar voneinander getrennt, da F. zwar über ein getrenntes Schlafzimmer verfügt, der Kläger aber im Wohnzimmer schläft, seinen Besitz im Schrank im Büro aufbewahrt und das Bettzeug tagsüber im Schlafzimmer von F. lagert, so dass er letztlich über kein eigenes Zimmer verfügt. Nicht von der Hand zu weisen ist ferner, dass die beiden sich im Alltag teilweise unterstützen und eine gewisse emotionale Verbundenheit der beiden besteht. Unschädlich ist dagegen, dass der Kläger und F. gelegentlich gemeinsame Kaffee trinken oder eine Mahlzeit gemeinsam einnehmen, auch sogar wenn hin und wieder Freunde zum gemeinsamen Grillen im Garten empfangen werden sollten. Hierbei ist nämlich auch zu beachten, dass beide übereinstimmend erklärt haben, den Großteil ihrer Freizeit getrennt voneinander zu verbringen, so schlafen beide in getrennten Zimmern, auch verfügen beide über ein eigenes Fernsehgerät und halten sich in der Regel nicht gemeinsam im Wohnzimmer auf. Eine solche Beziehung geht aber nach Überzeugung des Senats nicht über die einer gewöhnlichen Freundschaft hinaus. Insbesondere leben die beiden nicht partnerschaftlich zusammen. Es gibt keinerlei Hinweise darauf, dass der Kläger und F. jemals ein Paar waren oder es noch sind, auch wenn beide seit dem Zusammenleben keine anderen Partner hatten. Und auch im Übrigen bilden sie gerade keine in einer der Ehe vergleichbaren Weise häusliche Gemeinschaft.
Die erheblichen Zweifel an der erforderlichen Einstehens- und Verantwortungsgemeinschaft ergeben sich hier weiter daraus, dass hierfür der gemeinsame Wille, füreinander Verantwortung zu übernehmen und füreinander einzustehen, erforderlich ist und dieser zwischen dem Kläger und F. aber nicht gegeben ist. Das gegenseitige Einstehen der Partner in den Not- und Wechselfällen des Lebens muss erwartet werden können. Nur wenn sich die Partner einer Gemeinschaft so sehr füreinander verantwortlich fühlen, dass sie zunächst den gemeinsamen Lebensunterhalt sicherstellen, bevor sie ihr persönliches Einkommen zur Befriedigung eigener Bedürfnisse verwenden, ist ihre Lage mit derjenigen nicht dauernd getrenntlebender Ehegatten im Hinblick auf die verschärfte Bedürftigkeitsprüfung vergleichbar (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 09.04.2020 - L 8 SO 270/19 B ER -, juris, Rn. 26, mit Verweis BVerfG, Beschluss vom 10.07.1984 - BVerfGE 67, 186 -)
Unter Berücksichtigung aller Ermittlungen ergibt sich hier zur Überzeugung des Senates aber, dass der Kläger und F. gerade keine Wirtschaftsgemeinschaft bilden, also „aus einem Topf wirtschaften“ (wesentliches Vergleichselement zwischen Ehe und eheähnlicher Gemeinschaft, vgl. Voelzke, a.a.O. Rn. 28). Die Anforderungen an das gemeinsame Wirtschaften gehen über die teilweise gemeinsame Nutzung der Räume der Wohnung hinaus. Auch der gemeinsame Einkauf bestimmter Artikel des täglichen Lebens (Nahrungsmittel, Reinigungs- und Sanitärartikel) genügt allein nicht, weil eine derartige Deckung von Grundbedürfnissen auch in reinen Wohngemeinschaften durchaus üblich ist. Erforderlich ist die gemeinsame Haushaltsführung und das gemeinsame Bestreiten der Kosten des Haushalts, wobei es nicht zwingend auf gleichwertige Beiträge ankommt. Vielmehr genügt eine Absprache zwischen den Partnern, wie sie die Beiträge zum Wohl des partnerschaftlichen Zusammenlebens untereinander aufteilen. Es ist zu berücksichtigen, dass die Beteiligung an der Haushaltsführung einerseits von der wirtschaftlichen und körperlichen Leistungsfähigkeit der Partner und andererseits von den individuellen Absprachen abhängig ist (vgl. Voelzke, a.a.O., Rn. 28, 29).
Aus seiner sicherlich vorhandenen freundschaftlichen Verbundenheit mit Frau F. sowie der gegenseitigen Unterstützung bei Haushalts- und Gartenarbeiten kann nicht ohne weiteres auf ein gemeinsames Wirtschaften geschlossen werden. Der Kläger und F. haben bei den Hausbesuchen und Vernehmungen zwar stets auch eingeräumt, dass man sich hin und wieder unterstütze (z.B. gemeinsamer Einkauf schwerer Lebensmittel, beim Putzen, der Gartenarbeit oder der Versorgung des Hundes) zugleich aber stets vehement bestritten, aus einem Topf zu wirtschaften. Sie betonten, getrennte Kassen zu haben. Der Kläger und Frau F. haben jeder für sich ein Girokonto, ein Gemeinschaftskonto existiert nicht. Die Wohnung wurde nicht gemeinsam angemietet, sie ist Hauptmieterin, er Untermieter und überweist jeden Monat die vereinbarte Miete von 490,00 Euro. Größere gemeinsame Anschaffungen oder andere gemeinschaftliche finanzielle Verpflichtungen sind nicht ersichtlich. Die möglicherweise teilweise und naheliegende gemeinschaftliche Finanzierung von Lebensmitteln, Reinigungs- und Sanitärartikel und dergleichen begründet, wie ausgeführt, noch keine Wirtschaftsgemeinschaft. Dies ist auch im Rahmen einer Wohngemeinschaft durchaus üblich, zumal der Kläger und F. durchgehend erklärt haben, dass Einkäufe in der Regel selbst getätigt bzw. zumeist abgerechnet werden. Gemeinsame (aus einem Topf finanzierte) Mahlzeiten finden bis auf wenige Ausnahmen nicht statt. Nicht für ein Wirtschaften aus einem Topf spricht ferner, dass der Kläger gelegentlich das Auto von F. ausleihen darf. Soweit er ihr, nachdem sie ihm Geld geliehen hatte, sein Auto „übereignet“ hat, fehlte es zwar an einem schriftlichen Darlehensvertrag und der Umschreibung der Papiere. Dass diese Vereinbarung aber tatsächlich so gelebt wurde, ergibt sich aus den Angaben des Klägers im Termin zur mündlichen Verhandlung, in der dieser angegeben hat, dass dieses Auto inzwischen von F. verkauft worden sei, weil sie Geld benötigt habe.
Ganz entscheidend dafür, dass der Kläger und F. getrennt wirtschaften spricht in der vorliegenden besonderen Konstellation, dass der Kläger seit Jahren die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung nicht (regelmäßig und vollständig) bezahlt, so dass erhebliche Schulden bei der Krankenversicherung bestehen und die Leistungsansprüche des Klägers gegen die Krankenversicherung inzwischen sogar (wieder) ruhen, im Gegenzug aber die Miete in Höhe von 490,00 Euro jeden Monat an F. überwiesen wird. Läge hier ein gemeinsamer Wille, füreinander Verantwortung zu übernehmen und füreinander einzustehen vor, so spräche vorliegend doch vieles dafür, dass zunächst die Beiträge für die Kranken- und Pflegeversicherung bezahlt würden und die Mietzahlungen an F. ggf. nur noch anteilig überwiesen würden. Gerade dies erfolgt hier gerade nicht und es werden die erheblichen negativen Folgen eines Ruhens des Krankenversicherungsanspruchs in Kauf genommen. F. ist also nicht dazu bereit, dass zunächst der gemeinsame Lebensunterhalt sichergestellt wird, bevor sie ihr Einkommen für ihre eigenen Bedürfnisse benutzt. Auch die beharrliche Weigerung von F., ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse offen zu legen und somit ggf. eine gemeinsame Gewährung von Leistungen nach dem SGB XII zu erreichen (F. bezieht wohl ebenfalls eine Rente sowie Unterhaltszahlungen ihres Ex-Mannes und musste ihr Haus aufgrund von Schulden verkaufen), sprechen dagegen, dass man zunächst den gemeinsamen Lebensunterhalt sichern möchte.
All dies konnte den Senat somit nicht davon überzeugen, dass hier ein „Mehr“ im Vergleich zu einer Wohngemeinschaft vorliegt und damit eine eheähnliche Gemeinschaft festgestellt werden kann.
Nach alledem war der Berufung daher stattzugeben und das Urteil des SG Freiburg und die streitgegenständlichen Bescheide aufzuheben sowie den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII unter Berücksichtigung der bereits aufgrund des Beschlusses im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gewährter (vorläufiger) Zahlungen für die Zeit ab Antragstellung bis 31.12.2017 in Höhe von monatlich 159,65 Euro, vom 01.01.2018 bis 30.06.2018 in Höhe von monatlich 170,80 Euro sowie vom 01.07.2018 bis 31.12.2018 in Höhe von 141,12 Euro zu gewähren.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.