S 8 U 67/12

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Frankfurt (HES)
Sachgebiet
Unfallversicherung
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 8 U 67/12
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 246/15
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

I.    Die Klage wird abgewiesen. 
 
II.    Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten. 
  
T a t b e s t a n d 
 
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Anerkennung einer Berufskrankheit (BK) der Nr. 1307 (Erkrankungen durch organische Phosphorverbindungen) der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV). 
Die 1962 geborene Klägerin war zunächst als Sekretärin und im Büro beschäftigt. Seit Juni 1998 arbeitete sie als Flugbegleiterin bzw. Purserin bei der C., Standort A-Stadt. Eigenen Angaben zufolge flog sie sowohl Lang-, Mittel- als auch Kurzstrecke. Sie ist mit dem D. xx1, xx2, xx3, xx4, xx5 und E. xx6 und xx7 geflogen (11). Langstrecken habe sie sie überwiegend mit dem D. xx4, xx5-xx8 und der E. xx7-xx9 absolviert. Nachdem sie bei der C. zuvor voll beschäftigt gewesen war, reduzierte sie ihre Arbeitszeit ab 2005 auf 91,67% der Vollzeit und ab 1. Januar 2007 auf 72,05% der Vollzeit. Seit Januar 2008 war sie arbeitsunfähig erkrankt und seit 2009 fluguntauglich. 
Mit Schreiben vom 22. April 2009 zeigte sie der Beklagten an, sie habe am 19. Januar 2008 auf einem Flug erhebliche Atemnot, Kribbeln in den Beinen sowie eine Nasenschleimhautschwellung verspürt und sich körperlich extrem schlecht gefühlt. Seither hätten sich diese Beschwerden wiederholt. Sie habe den Verdacht auf eine Erkrankung durch organische Phosphatverbindungen, ausgelöst durch Tricresylphosphat (TCP), Ozon und Pestizide in der Kabinenluft. Im weiteren Verlauf legte sie der Beklagten zahlreiche Laborbefunde vor. 
Die Beklagte forderte Befundberichte bei den behandelnden Ärzten und eine Auskunft sowie die Akten des Rentenversicherungsträgers an. Der Internist und Arzt für Lungen- und Bronchialheilkunde Dr. F. teilte der Beklagten am 4. Juni 2009 (141) mit, dass bei der Klägerin normale statische und dynamische Lungenvolumina und keine Störung der Atemmechanik vorliege. Nach einem Provokationstest diagnostizierte er eine mittelgradige bronchiale Hyperreagibilität. Der Facharzt für Allgemeinmedizin, Umweltmedizin Dr. G. teilte am 18. Dezember 2009 (245) mit, die Klägerin leide an einer stark ausgeprägten Umwelt assoziierten Erkrankung mit der Ausprägungsform chronisches Erschöpfungssyndrom, stark ausgeprägter Schleimhautschädigung, besonders der Atemwege und des Verdauungstraktes durch die Exposition zu allergenen und schleimhautschädigenden/schleimhautirritierenden Umweltsubstanzen, einer pathologischen Immunreaktion im Sinne von überschießenden unkontrollierten Immunreaktionen bei uneingeschränkter immunologischer Leistungsfähigkeit, einer Reaktion in Bezug auf Intoleranzreaktionen vom Typ I und Typ IV, systemische Entzündungsreaktionen durch weiße Blutkörperchen und der pathologischen Bildung von Autoantikörpern, zusätzlich einer allergische Diathese, die nur zum geringen Teil mit der saisonalen Pollenflugsituation im Frühjahr zusammenhänge, sondern durch die ganzjährige Exposition zu Innenraumschimmelpilzen permanent unterhalten werde sowie schließlich einer Laktoseintoleranz homozygoter Form. Alle diese Analysen und Diagnosen würden die objektiv schwere umweltassoziierte Erkrankung der Klägerin bestätigen. Des Weiteren müsse von einer Verstärkung der Diagnosen durch die Exposition zu zum Teil hochgiftigen Mykotoxinen in den privaten Innenräumen der Klägerin gerechnet werden. Anamnestisch sei anzunehmen, dass die Exposition der Klägerin zu Schmierölen in typischen Flugzeugen, in dem Falle TCP, ebenfalls eine wesentliche Vorbereitung und Vorprägung der heutigen schweren Erkrankung darstelle (249). 
Im weiteren Verlauf des Verfahrens legte der Bevollmächtigte der Klägerin einen Artikel von Tim van Beveren aus der Welt am Sonntag vom 31. Januar 2010 (260) „Giftschwaden über den Wolken“ vor. In seiner Stellungnahme vom 2. Februar 2010 forderte er die Beklagte auf eine Quasi-Berufserkrankung anzuerkennen. Dies ergebe sich daraus, dass einer der zentralen Stoffe, das TCP, als solches hohe neurotoxische und wahrscheinlich auch immuntoxische Wirkung besitze. 
Der Geschäftsbereich Prävention der Beklagten erläuterte mit Zwischennachricht vom 16. November 2010 (315) und abschließender Stellungnahme vom 11. Januar 2012 (326), dass eine Gefährdung im Sinne der BK1307 nicht wahrscheinlich sei. 
Auf dieser Grundlage stellte die Beklagte durch Bescheid vom 24. Februar 2012 (386) fest, dass keine BK 1307 vorliege, weil die Klägerin im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit bei der C. keinen Einwirkungen von organischen Phosphorverbindungen ausgesetzt gewesen sei, die geeignet seien, die bei ihr festgestellten Diagnosen/Symptome zu verursachen. Die arbeitstechnischen Voraussetzungen für das Entstehen einer BK 1307 seien daher nicht erfüllt. Ferner wies sie darauf hin, dass hinsichtlich der BK 4302 ein weiterer Bescheid ergehe. 
Den hiergegen eingelegten Widerspruch begründete der Bevollmächtigte der Klägerin damit, dass die Feststellungen des TAD nicht ausreichend seien. Es würden keine Bedenken bestehen, dass TCP bei Undichtigkeiten im Hydrauliksystem der Turbinen über die angesaugte Frischluft in die Flugzeugkabine und damit an den Arbeitsplatz der Klägerin eingedrungen sei (392). Dem Widerspruch fügte er einen Artikel von Andreas Spaeth aus der FAZ „Dicke Luft“ bei. 
Diesen Widerspruch wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 13. April 2012 zurück. Zur Begründung führte sie aus, eine BK 1307 sei eine durch eine berufsbedingte Einwirkung von organischen Phosphorverbindungen verursachte Erkrankung. Die angefochtene Entscheidung beruhe insbesondere auf der Stellungnahme der Abteilung Prävention vom 11. Januar 2012. Diese habe die arbeitstechnischen Gegebenheiten während der beruflichen Tätigkeit der Klägerin als Flugbegleiterin bzw. Purser ab Juni 1998 bis Januar 2008 geprüft. Im Rahmen der umfangreichen Ausführungen des Präventionsdienstes seien die verschiedenen Ermittlungsergebnisse der Messungen und Probeentnahmen sowie die Literatur unter Berücksichtigung der eigenen Angaben der Klägerin eingehend ausgewertet worden. Im Ergebnis sei eine Exposition gegenüber organischen Phosphorverbindungen, wie TCP oder anderen Phosphorsäureester, nicht nachgewiesen worden. Nach den Angaben der Klägerin seien besondere Geruchswahrnehmungen ab 2003 aufgetreten, die weder von Flugzeugtypen noch bestimmten Ereignissen abhängig gewesen seien. Auch der Flug am 19. Januar 2008, nach dem die Klägerin erhebliche Gesundheitsbeschwerden verspürt habe, sei ohne eindeutiges Oil-Smell-Ereignis (Eindringen von durch Öl verunreinigter Luft in die Kabine bzw. ins Cockpit). Somit würden die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Anerkennung der BK 1307 nicht erfüllt. 
Hiergegen richtet sich die am 21. April 2012 erhobene Klage. Die Klägerin erläutert, dass in den meisten Verkehrsflugzeugen die Frischluftzufuhr dadurch erfolge, dass diese als sogenannte Zapfluft über die Triebwerke angesaugt werde. Solange im Bereich der Triebwerke sämtliche Hydraulikleitungen, die dort zahlreich seien, absolut dicht sind, würden über diese Art der Frischluftzufuhr keinerlei gesundheitsschädigende Atemgifte in die Kabine gelangen. Da die damit verbundene technische Maximalforderung nur selten in vollem Umfange erfüllt werde, würden mehr oder wenig stark Chemikalien, die durch Undichtigkeiten auf heiße Turbinenteile gelangten, verstärkt als Dämpfe und Rauchgase über die Frischluftzufuhr in den Flugzeuginnenraum dringen. Eingesetzte Filter seien nur in geringem Maße geeignet, eindringende Schadstoffe aus der Kabinenluft fernzuhalten. 

Die Klägerin beantragt, 
die Beklagte zu verurteilen, unter Aufhebung des Bescheides vom 24. Februar 2012 in der Form des Widerspruchsbescheides vom 13. April 2012, die Berufskrankheit der Klägerin gemäß der Listennummer 1307 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung anzuerkennen und zu entschädigen. 
 
Die Beklagte beantragt, 
     die Klage abzuweisen. 

Sie hält an ihren Bescheiden fest. Sie räumt zwar ein, dass die von der Klägerin geschilderten Vorfälle vorkommen. Sie ist jedoch der Auffassung, dass eine konkrete Gefährdung der Klägerin im Sinne der BK 1307 nicht nachgewiesen sei. Sie hat im Verlauf des Verfahrens Stellungnahmen des Geschäftsbereichs Prävention vom 14. Januar und 30. Dezember 2014 vorgelegt. 
Die Beteiligten haben übereinstimmend einer Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits ohne mündliche Verhandlung durch die Kammer zugestimmt. 
Bezüglich der Anerkennung einer BK 4302 ist ein weiteres Klageverfahren unter dem Aktenzeichen S 8 U 107/12 anhängig. 
Zur weiteren Darlegung des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte dieses Verfahrens sowie des Verfahrens S 8 U 107/12 und die beigezogenen Behördenakten Bezug genommen. 
  
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e 
 
Die Klage, über die die Kammer mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte, vgl. § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), ist als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage gemäß §§ 54 Abs. 1, 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG statthaft. Streitgegenstand in diesem Verfahren ist allein die Anerkennung einer BK 1307, denn in dem angefochtenen Bescheid vom 24. Februar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. April 2012 ist die Anerkennung einer BK 1307 abgelehnt worden. Über das geltend gemachte Entschädigungsbegehren kann die Kammer nicht in zulässiger Weise entscheiden, denn die Ablehnung einer konkreten Leistung der gesetzlichen Unfallversicherung ist mit dem angefochtenen Bescheid nicht erfolgt. Vielmehr hat die Beklagte lediglich unbestimmte Entschädigungsleistungen abgelehnt. 
Die insoweit statthafte und auch im Übrigen zulässige Klage ist jedoch unbegründet. Der angefochtene Bescheid vom 24. Februar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. April 2012 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. 
Sie hat keinen Anspruch auf die Feststellung einer BK 1307. 
Nach § 9 Abs. 1 SGB VII sind BKen Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als BKen bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als BKen zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind; sie kann BKen auf bestimmte Gefährdungsbereiche beschränken oder mit dem Zwang zur Unterlassung aller gefährdenden Tätigkeiten versehen. 
Gemäß diesen Vorgaben lassen sich bei einer Listen-BK im Regelfall folgende Tatbestandsmerkmale ableiten, die ggf. bei einzelnen Listen-BKen einer Modifikation bedürfen: Die Verrichtung einer - grundsätzlich - versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) muss zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper geführt haben (Einwirkungskausalität), und die Einwirkungen müssen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung", "Einwirkungen" und "Krankheit" müssen im Sinne des Vollbeweises, also mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit, vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit (vgl. BSG, Urteile vom 27. Juni 2006 - B 2 U 20/04 R – in SozR 42700 § 9 Nr. 7 und vom 09. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R - in SozR 4-2700 § 8 Nr. 17). Ein Zusammenhang ist hinreichend wahrscheinlich, wenn nach herrschender ärztlich-wissenschaftlicher Lehrmeinung mehr für als gegen ihn spricht und ernste Zweifel an einer anderen Ursache ausscheiden (vgl. BSG a. a. O.). 
Nach Nr. 1307 der Anlage zur BKV sind Erkrankungen durch organische Phosphorverbindungen als BK anzusehen. Nach dem Tatbestand der BK Nr. 1307 muss also der Versicherte auf Grund einer versicherten Tätigkeit der Einwirkung von organischen Phosphorverbindungen (in einem gesundheitsschädlichen Umfang) ausgesetzt gewesen sein. Durch die spezifischen, der versicherten Tätigkeit zuzurechnenden besonderen Einwirkungen muss eine entsprechende Erkrankung entstanden sein und noch bestehen. Zwischen der versicherten Tätigkeit und den schädigenden Einwirkungen muss ein sachlicher Zusammenhang und zwischen diesen Einwirkungen und der Erkrankung muss ein (wesentlicher) Ursachenzusammenhang bestehen. Fehlt eine dieser Voraussetzungen, liegt eine BK 1307 nicht vor und ist nicht anzuerkennen. 

Zwar ist nach den vorliegenden medizinischen Befunden davon auszugehen, dass bei der Klägerin eine bronchiale Hyperreagibilität und eine Vielzahl von Erkrankungssymptome vorliegen. Es ist jedoch nicht mit der erforderlichen Gewissheit nachgewiesen, dass diese durch eine Exposition gegenüber organischen Phosphorverbindungen ausgelöst worden sind. Denn nach dem Ergebnis der von der Beklagten in dieser Hinsicht durchgeführten umfangreichen Beweisaufnahme, bei der alle denkbaren Ermittlungsmöglichkeiten ausgeschöpft wurden, steht nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit fest, dass die Klägerin während ihrer Berufstätigkeit als Flugbegleiterin bzw. als Purser (in einem die Gesundheit gefährdenden Ausmaß) organischen Phosphorverbindungen ausgesetzt war. 
Zwar kann es nach den Feststellungen des Geschäftsbereichs Prävention der Beklagten durch Überfüllungen von Öl, fehlerhaften Dichtungsvorgängen, Fehlbedienungen und wahrscheinlich auch konstruktiven Fehlern an bestimmten Triebwerken grundsätzlich im Einzelfall zum Eindringen von Öldämpfen, Ölaerosolen oder Bestandteilen thermisch zersetzter Öle in Kabine und Cockpit kommen. Ferner besteht nach der Einschätzung der Präventionsabteilung auch kein vernünftiger Zweifel daran, dass es tatsächlich zu derartigen Vorfällen kommt (vgl. Stellungnahme vom 11. Januar 2012, 336). Daher kann nicht ausgeschlossen werden, dass auch bei einem Flug der Klägerin organische Phosphorverbindungen in die Fluggastkabine und damit ihren Arbeitsbereich gelangt sind. Allein die Möglichkeit, dass bspw. TCP durch einen – dazu auch geeigneten - Defekt an dem Frischluftsystem des Flugzeuges hat eindringen können, reicht für den Nachweis einer Exposition gegen organische Phosphorverbindungen allerdings nicht aus. Denn dieser Umstand muss mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststehen. 
Nach den Feststellungen des Geschäftsbereichs Prävention der Beklagten war die Klägerin im Hinblick auf organische Phosphorverbindungen auch keinem berufsspezifisch erhöhten Risiko ausgesetzt. Zwar hat die Klägerin eigenen Angaben zufolge während mehrerer Flüge extreme Gerüche wahrgenommen. Diese Geruchswahrnehmung lässt jedoch nicht ohne weiteres auf das Eindringen von organischen Phosphorverbindungen in die Fluggastkabine schließen, zumal der Klägerin eine konkrete Beschreibung der bemerkten Gerüche nicht gelungen ist. In diesem Zusammenhang hat der Präventionsdienst der Beklagten in seiner Stellungnahme vom 11. Januar 2012 aus Sicht der Kammer nachvollziehbar darauf hingewiesen, dass Gerüche auf eine Vielzahl von unterschiedlichsten Ursachen zurückgehen können und keineswegs monokausal auf Öle zurückgeführt müssen. Diese Selbstverständlichkeit hat er unter 1.2 der Stellungnahme weiter belegt durch die interne Untersuchung eines Luftverkehrsunternehmens. Danach seien vereinzelte Unfallmeldungen mit akuten Gesundheitsschäden untersucht worden. 
Die festgestellten Gerüche seien von verunreinigten Coffeemakern und Öfen, Lebensmitteln (z.B. geröstete Nüsse), Reinigungsmitteln, Enteisern, frischen Druckerzeugnissen und Faserschreibern, von mitgeführten Artikeln der Passagiere, Ausdünstungen von Körpern und gelegentlich Tieren, alkoholhaltigen Getränken, Zigarettenrauch, Schäden an elektrischen Geräten usw. gekommen. Nicht in allen Fällen sei eine klare Ursache identifiziert worden. Sodann wies der Präventionsdienst darauf hin, dass die Nase als Detektor ein unzureichendes Hilfsmittel sei, weil auf der einen Seite intensiv-unangenehme Gerüche häufig vollkommen unkritisch seien (von der Belästigung abgesehen) und auf der anderen Seite Gefahrstoffe existierten, für die nur unzureichende geruchliche Warnwirkungen beschrieben werden. Selbst wenn die Klägerin solche Geruchswahrnehmungen hatte, bleibt aus Sicht der Kammer aber die Frage offen, weshalb weder sie noch sonst jemand sich veranlasst gesehen hat, den Verdacht auf einen Fume-Event zu melden. Zumindest sind solche Meldungen für Flüge der Klägerin nicht bekannt geworden. 
Die Kammer entnimmt den weiteren Ausführungen des Präventionsdienstes, dass eine erhöhte berufsspezifische Exposition von Flugbegleitern gegenüber organischen Phosphorverbindungen keineswegs wahrscheinlich ist und erst recht nicht mit einem der Gewissheit nahe kommenden Grad feststeht. 
Nach den Ausführungen des Präventionsdienstes hängt dies zum einen damit zusammen, dass TCP sehr schwerflüchtige Verbindungen darstellt, bei denen unter Umgebungsbedingungen in Kabine und Cockpit, aber auch an kalten Oberflächen in der Luftzuführung, sofort mit Kondensation zu rechnen ist. Dampf- oder tröpfchenförmige sowie staubgetragene TCP werden daher an den Filtern ausgeschieden. Soweit der Bevollmächtigte die Filterwirkung in Abrede gestellt hatte, hat der Präventionsdienst darauf hingewiesen, dass ein Teil der Kabinenluft rezirkuliert wird und dabei mit HEPAFilter gereinigt wird. Die Abkürzung HEPA steht für High Efficency Particulate Airfilter und beschreibt einen Hochleistungsfilter primär für Partikelaerosole, wie Stäube und z.B. auch Mikroorganismen. Es ist aber davon auszugehen, dass schwerflüchtige organische Verbindungen (semi-volatile organic compounds – SVOC) ebenfalls auf HEPA-Filtern abgeschieden werden, auch wenn jene für diesen Einsatzzweck kein definiertes Abscheideverhalten aufweisen. Der Präventionsdien erläutert, dass auf dem Filtermaterial Ölkomponenten nachgewiesen werden konnten. In diesem Zusammenhang verweist er auf zwei Literaturstellen (Solbu, „Airborne Organophosphates in the Aviation Industry“, PhD, University Oslo, 2011 und Rosenberger MHH, „Untersuchung von Triaryl- und Trialkylphosphaten in filterdefoniertem Kabinenluftstaub eines Verkehrsflugzeuges, DGAUM-Poster P 27, ASU 03/2011). Ungeachtet dessen weist der Präventionsdienst darauf hin, dass Vorfälle, bei denen Ölgeruch in der Fahrgastkabine geruchlich wahrgenommen werden, – mit Ausnahme der Maschinen H. xx10 und xx11, die allerdings von der Klägerin nicht geflogen wurden – sehr selten berichtet werden. 
Soweit bereits nach diesen Ausführungen ein berufsspezifisches Risiko von Flugpersonal gegenüber der Exposition von organischen Phosphorverbindungen schon technisch nicht sehr wahrscheinlich, geschweige denn sicher gegeben ist, belegen auch die von dem Präventionsdienst ausgewerteten Untersuchungen und Veröffentlichungen dies nicht. Dabei hat dieser festgestellt, dass es keine Untersuchung gibt, die Hinweise auf eine gesundheitsschädigende Belastung von Kabinenpersonal durch TCP ergeben hat. Dies gilt auch für das von der BG Verkehr initiierte und vom IPA durchgeführte Biomonitoring, bei dem Urinproben von Versicherten untersucht wurden, die ein Oil-Smell-Ergebnis während des Fluges registriert hatten, untersucht wurden. Ferner hat der Präventionsdienst zahlreiche Veröffentlichungen, die Messwerte zu einer etwaigen TCPKonzentration im Flugzeug enthalten, ausgewertet. In diesen Veröffentlichungen konnte die Hintergrundbelastung entweder nicht oder nur in einem derart geringfügigem Umfang nachgewiesen werden, dass die bekannten Wirkschwellen nicht ansatzweise erreicht werden. 

Nach alledem ist seitens der Klägerin, die sich in erster Linie auf Artikel aus Tageszeitungen bezieht, nicht ansatzweise der Vollbeweis einer berufsspezifischen Exposition gegenüber organischen Phosphorverbindungen erbracht. Der Hinweis des Bevollmächtigten der Klägerin, es handele sich bei den Erkrankungen der Klägerin um typische Folgen einer TCP-Vergiftung, gebietet keine andere Sicht der Dinge. Denn eine Atemwegserkrankung, wie sie bei der Klägerin vorliegt, kann zweifellos auch andere Ursachen haben als eine TCP-Vergiftung. So hat bereits der behandelnde Arzt Dr. G. in seinem Bericht vom 18. Dezember 2009 als Ursachen den Schimmelpilzbefall der Privatwohnung, Allergien oder den Zahnstatus als mögliche Ursachen benannt. Dies gilt auch für die übrigen Erkrankungssymptome. 
Da sich bereits das berufsspezifische Risiko einer Exposition gegenüber organischen Phosphorverbindungen im Fall der Klägerin nicht sicher nachweisen lässt, kommt es auf die Frage der Kausalität zwischen der behaupteten TCP-Vergiftung und den bei der Klägerin festgestellten Erkrankungen nicht mehr an. 

Nach alledem war die Klage abzuweisen. 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG

Rechtskraft
Aus
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