L 8 KR 260/09

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
1. Instanz
SG Wiesbaden (HES)
Aktenzeichen
S 17 KR 173/07
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 8 KR 260/09
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 7. August 2009 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten besteht Streit darüber, ob die Klägerin in der Zeit ihrer befristeten Teilzeitbeschäftigung vom 25. August 2006 bis zum 2. Februar 2007 von der Krankenversicherungspflicht befreit ist.
Die Klägerin, geboren im Jahre 1953, ist seit 1989 privat krankenversichert, war jedoch in Zeiten der Arbeitslosigkeit mehrfach Pflichtmitglied in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV).
Mit Schreiben vom 7. November 2006 beantragte die Klägerin unter Vorlage der Mitteilung der Hessischen Bezügestelle über ihre Versicherungspflicht bei der Beklagten vom 16. Oktober 2006 die Befreiung von der Versicherungspflicht in der GKV für ihre befristete Tätigkeit als teilzeitbeschäftigte Lehrkraft (17/26 einer vollbeschäftigten Lehrkraft) ab 25. August 2006 bis längstens 2. Februar 2007 in einer Schule in Hessen.
Die Beklagte lehnte den Antrag der Klägerin mit Bescheid vom 17. November 2006 ab. Im Wesentlichen führte die Beklagte aus, die Voraussetzungen für eine Befreiung nach § 8 Abs. 1 Nr. 3 SGB V seien nicht erfüllt. 
Dagegen erhob die Klägerin Widerspruch mit der Begründung, sie sei auf Leistungen der privaten Krankenversicherung angewiesen, da diese Leistungen erbringe, die vom Leistungskatalog der GKV ausgeschlossen sei (bestimmte Kontaktlinsen, physiotherapeutischer Anwendungen, Nahrungsergänzungsmittel). Sie werde gegenüber den Frauen ungleich behandelt, denen das Privileg nach § 8 Abs. 1 Nr. 3 SGB V zugute komme. Auch stelle die Versicherungspflicht eine mittelbare Diskriminierung dar. Nur weil sie, wie dies bei Frauen häufig vorkomme, nach Teilzeitbeschäftigungen und befristeten Beschäftigungsverhältnissen immer wieder arbeitslos werde, müsse sie neben dem völlig ausreichenden privaten Versicherungsschutz Beiträge zur GKV entrichten, obwohl sie diese nicht in Anspruch nehme. Dies verstoße gegen europäisches Recht und den Grundsatz der Nicht-Diskriminierung. § 8 Abs. 1 Nr. 3 SGB V sei vorliegend entsprechend anzuwenden. Zumal ein Wechsel in die GKV wegen der kurzen Befristung des Beschäftigungsverhältnisses unzumutbar sei.
Mit Schreiben vom 24. Januar 2007 wies die Beklagte die Klägerin daraufhin, wer versicherungspflichtig werden könne gemäß § 5 Abs. 9 SGB V den privaten Versicherungsvertrag mit Wirkung vom Eintritt der Versicherungspflicht kündigen. Zudem stehe es den Pflichtversicherten frei, für bestimmte Leistungen eine private Zusatzversicherung abzuschließen. Die Beklagte übersandte der Klägerin mit Schreiben vom 16. März 2007 die Versichertenkarte.
Die Beklagte wies den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 15. Mai 2007 als unbegründet zurück. Ergänzend führte die Beklagte aus, der Gesetzgeber habe die von der Klägerin gewünschte Befreiung von der Pflichtversicherung im Falle des Wiedereinstiegs in die Berufstätigkeit bei einer befristeten, aber nicht vollen Erwerbstätigkeit nicht vorgesehen.
Am 15. Juli 2007 hat die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht Wiesbaden erhoben.
Ergänzend hat die Klägerin zur Begründung ihrer Klage vorgetragen, ihr werde eine Pflichtversicherung aufgezwungen und Beiträge zur Pflichtversicherung abgezogen. Damit greife der Staat unmittelbar in die Lohngleichheit von Mann und Frau gem. Art. 141 EG-Vertrag (EGV) ein und belastete sie mit Abzügen, die keinerlei Nutzen für sie hätten. Auch habe sie seit dem 25. August 2006 privat-ärztliche Leistungen in Anspruch genommen, die die Beklagte nicht erstatte. Es handele sich insoweit um eine mittelbare geschlechtsbezogene Ungleichbehandlung, da typischerweise Frauen viel häufiger als Männer in Teilzeittätigkeiten beschäftigt seien. Da die gesetzliche Regelung den Fortbestand ihrer privaten Versicherung nicht sichere, sei der Befreiungstatbestand verfassungs- und europarechtswidrig. Der Nachteilsbegriff sei weit zu verstehen, eine Beeinträchtigung bloßer Interessen sei ausreichend. Selbst eine als Begünstigung gedachte Handlung könne zu einer Grundrechtsbeeinträchtigung führen. Die vermeintliche Begünstigung wirke sich in ihrem Fall nachteilig aus, weil die aufgezwungene gesetzliche Krankenversicherung nur Beiträge koste, aber keine Leistungen erbringe, die sie benötige. Eine Rechtfertigung der Beeinträchtigung liege nicht vor, da sie durch die private Krankenversicherung hinreichend gegen das Krankheitsrisiko geschützt sei. Auch habe sie erst nach Beendigung des Versicherungsverhältnisses im März 2007 eine Versichertenkarte erhalten. Sie habe die Beschäftigung nur unter der Bedingung aufgenommen, dass sie weiter privat krankenversichert sei. Allein für die Aufrechterhaltung ihrer Anwartschaften der privaten Krankenversicherung habe sie im Jahr 2006 monatlich 103,86 € und im Jahr 2007 monatlich 111,00 € aufwenden müssen. Allein die Manual-Therapie, die ihr seitens der privaten Krankenversicherung unproblematisch gewährt worden sei, hätte im Falle einer gesetzlichen Krankenversicherung eine erhebliche Eigenbeteiligung ausgelöst. Auch werde sie im Hinblick auf künftige Tätigkeiten diskriminiert. Sie werde gezwungen, eine abhängige Beschäftigung abzulehnen um zu verhindern, in der GKV versichert und so wegen der notwendigen Aufrechterhaltung der privaten Krankenversicherung belastet zu werden. Sie habe in den letzten Jahren den Versicherungsschutz wegen der Altersbegrenzungen des Zugangs zur gesetzlichen Krankenversicherung (§ 6 Abs. 3a SGB V) aufrechterhalten. Sie habe keine Möglichkeit, im Alter dauerhaft gesetzlich versichert zu sein.
Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 7. August 2009 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die angefochtenen Bescheide verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten, da sie keinen gesetzlichen Anspruch auf die begehrte Befreiung habe. Die Voraussetzungen des § 8 SGB V lägen nicht vor. So sei § 8 Abs. 1 Nr. 3 SGB V nicht erfüllt, da die Klägerin vor der streitgegenständlichen Beschäftigung nicht fünf Jahre wegen Überschreitung der Jahresarbeitszeitentgeltgrenze versicherungsfrei gewesen sei. Auch bestehe kein Anlass, aus europarechtlichen Gründen den Befreiungstatbestand des § 8 Abs. 1 Nr. 3 SGB V erweiternd auszulegen. Art. 141 EGV gebiete nicht eine erweiternde Auslegung zu Verhinderung von Benachteiligungen. Nach Art. 141 Abs. 1 EGV seien die Mitgliedstaaten verpflichtet, die Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit sicherzustellen. Entsprechend der Legaldefinition in Art. 141 Abs. 2 EWGV seien Entgelte nur solche Vergütungen, die dem Arbeitgeber zumindest mittelbar zuzurechnen seien. Nicht erfasst seien Leistungen oder Belastungen öffentlich-rechtlicher Sozialversicherungssysteme (Hinweis auf: Kleber im Calliess/Ruffert, EUV-EGV, 3. Aufl., Art. 141 EGV Rdnr. 30; EuGH Urteil vom 25. Mai 1971, Az. C-80/70 "Defrenne I" Slg. 1971, 445 zur Leistungen der gesetzlichen Altersrente nach Art. 119 EWGV a.F.). Dem folgend stehe die Beitragspflicht nicht zur Dispositionsfreiheit der Parteien eines Arbeitsvertrages. Auch sei eine gemeinschaftskonforme Auslegung von § 8 SGB V im Sinne der so genannten Antidiskriminierungsrichtlinien nicht erforderlich. Insoweit sei festzustellen, dass im Sozialrecht die Richtlinien nur sehr punktuell umgesetzt worden seien. Ein Regelbedarf im Bereich der Mitgliedschaft und der Beitragspflicht zu den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung sei nicht gesehen worden (Hinweis auf: Oppermann in ZESAR 2006, 432 ff.; Husmann in ZESAR 2007, 13 ff. 58 ff.) Ungeachtet dessen sei unmittelbar am Maßstab der Richtlinie, die Notwendigkeit einer richtlinienkonformen Auslegung zu prüfen. Auch nach Inkrafttreten der zwischen 2002 und 2004 ergangenen so genannten Gender-Richtlinien (Richtlinie 2002/73/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2002 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen beim Zugang und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen) sei für den Bereich der sozialen Sicherung nach wie vor allein das Diskriminierungsverbot des Art. 4 der Richtlinie 79/7/EWG des Rates vom 19. Dezember 1978 zur schrittweisen Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherung einschlägig (Hinweis auf: Husmann, a.a.O. Seite 19). Nach Art. 4 der Richtlinie 79/7/EWG schütze das Diskriminierungsverbot vor Ungleichbehandlung im Hinblick auf die Versicherungspflicht in den Zweigen der Sozialversicherung (Hinweis auf: EuGH, Urteil vom 4. Dezember 1995, Az. C 444/93 - "Menger/Scheffel"; Slg. 1995, I 474 ff. - Rdnr. 22 ff.) Hinsichtlich der Vergleichsgruppe könne es sich vorliegend allein um eine mittelbare Benachteiligung gegenüber den Adressaten der Regelung des § 8 Abs. 1 Nr. 3 SGB V handeln. Eine sich als Benachteiligung auswirkende Gleichbehandlung mit anderen versicherungspflichtigen Beschäftigten am Maßstab des § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V sei nicht zu erkennen. Insoweit stelle seit dem 1. Januar 2000 § 5 Abs. 10 SGB V a.F. bzw. seit 1. Januar 2008 § 5 Abs. 9 SGB V über einen Kontrahierungszwang zulasten der Privatversicherer sicher, dass bei kurzzeitigen befristeten Beschäftigungen eine Doppelversicherung zur Wahrung der Vertragsbedingungen mit der privaten Krankenversicherung nicht notwendig sei. Somit habe die Klägerin ohne Risiko ihre private Krankenversicherung kündigen und nach Beendigung der Beschäftigung zu den gleichen Bedingungen wieder aufnehmen können. Somit sei keine Benachteiligung festzustellen gegenüber anderen gesetzlich Versicherten. Das Begehren der Klägerin stelle im Vergleich zu diesem Personenkreis vielmehr eine Besserstellungen dar. In dem Diskriminierungsverbot der Richtlinie 79/7/EWG sei keine Rechtsfolge zu finden, die die Klägerin gegenüber anderen Teilzeitbeschäftigten besser stelle. Dafür bestehe offensichtlich nach dem Schutzzweck der Richtlinie kein Anlass. Denkbar sei allein eine Ungleichbehandlung dahin gehend, dass der Adressatenkreis des Befreiungstatbestandes des § 8 Abs. 1 Nr. 3 SGB V vom Gesetzgeber möglicherweise zu eng gezogen sei. Insoweit sei jedoch zweifelhaft, ob die Ausklammerung des von der Klägerin geschilderten Sachverhalts (Wechsels zwischen Teilzeitbeschäftigung und Selbstständigkeit ohne Aussicht auf eine Absicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung im Alter) wegen der Regelung in § 5 Abs. 1 Nr. 11, § 6 Abs. 3a SGB V eine mittelbare Diskriminierung darstelle. § 8 Abs. 1 Nr. 3 SGB V diene neben der Privilegierung von Alterszeitbeschäftigten auch der mittelbaren Besserstellungen von Frauen. Denn die Reduzierung einer ursprünglich oberhalb der Jahresarbeitszeitentgeltgrenze liegenden Beschäftigung auf eine Teilzeitbeschäftigung werde von Frauen auch aus familiären Gründen wahrgenommen. Es sei daher nicht nahe liegend, in einem solchen Tatbestand eine mittelbare Diskriminierung zu sehen. Im Übrigen sei das wesentliche Differenzierungskriterium der Klägerin, einer langjährigen privaten Absicherung, nach wie vor in den Erwerbsbiografien von Frauen als auch von Männern anzutreffen. Das Vorliegen einer mittelbaren Beeinträchtigung könne offen gelassen werden, denn in diese sei gerechtfertigt. Mittelbare Ungleichbehandlung sei am Maßstab des Art. 4-7 Richtlinie 79/7/EWG einer Rechtfertigung zugänglich (Hinweis auf: EuGH, Urteil vom 4. Dezember 1995, Az. - 444/93 -"Menger/Scheffel"; Slg 1995, I-474 ff.-Rdnr. 24; Bundessozialgericht Urteil vom 29. Mai 2008, Az. B 11 AL 23/07 R, veröff. in Juris Rdnr. 47 m.w.N.). Eine Rechtfertigung bestehe, wenn die in Rede stehende Regelung durch Faktoren sachlich gerechtfertigt sei, die nichts mit einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu tun habe. Zudem müsse die Regelung geeignet und erforderlich sein zur Verwirklichung des Geschlechts unabhängiger Ziele (Bieback in Fuchs, Europäisches Sozialrecht, 4. Aufl., Art. 4 Richtlinie 79/7/EWG Rdnr. 12). Dies sei im vorliegenden Fall anzunehmen. Ein wesentlicher Unterschied der Klägerin zum Personenkreis des § 8 Abs. 1 Nr. 3 SGB V sei die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit. § 8 Abs. 1 Nr. 3 SGB V setze voraus, dass der jeweilige Antragsteller vor der Teilzeitbeschäftigung mit seinem Einkommen über fünf Jahre die Jahresarbeitsentgeltgrenze überschritten habe. Mit der letzten Reform des § 6 SGB V habe der Gesetzgeber deutlich gemacht, dass er die Solidargemeinschaft der gesetzlich Versicherten auf eine breite Grundlage stellen wolle und, dass dabei der Dauer des Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze eine wichtige Bedeutung zukomme. So die Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 16/3100, S. 95): "In der gesetzlichen Krankenversicherung findet ein umfassender Solidarausgleich zwischen Gesunden und Kranken, Alten und Jungen, Versicherten mit niedrigem Einkommen und solchen mit höherem Einkommen sowie zwischen Alleinstehenden und Familien mit Kindern statt. Da die zur Finanzierung eines solchen sozialen Ausgleichs erforderlichen Mittel ersichtlich nicht allein von dem typischerweise Begünstigten des Ausgleichs aufgebracht werden können, kann der Gesetzgeber nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts den Kreis der Versicherungspflichtigen so abgrenzen, wie dies für die Begründung und den Erhalt einer leistungsfähigen Solidargemeinschaft erforderlich ist (vgl. etwa BVerfGE 103,197 (221); 103,271 (287)).
Die bisherige Regelung, wonach ein Wechsel abhängig Beschäftigter von der gesetzlichen in die private Krankenversicherung schon dann möglich war, wenn das regelmäßige Jahresarbeitsentgelt die Jahresarbeitsentgeltgrenze überstieg, hat sich als nicht ausreichend erwiesen, die Funktionsfähigkeit des Solidarausgleich zu gewährleisten. Personen, die zuvor unter Umständen jahrzehntelang als beitragsfreie Familienversicherte oder als Auszubildende oder Berufsanfängern mit geringem Arbeitsentgelt von den Leistungen der Solidargemeinschaft profitiert haben, können diese Solidargemeinschaft nach geltendem Recht bereits zum Ende des Kalenderjahres verlassen, indem ihr regelmäßiges Arbeitsentgelt die Jahresarbeitsentgeltgrenze dieses Jahres und die des Folgejahres übersteigt. Es ist offensichtlich, dass unter diesen Voraussetzungen ein Gleichgewicht zwischen den Leistungen, die die Solidargemeinschaft für die betroffenen erbracht hat, und dem Beitrag, den sie für diese Solidargemeinschaft erbringen, nicht hergestellt werden kann."
Auch nach dem Maßstab der Richtlinie 79/7/EWG verbleibe ein Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers beim Verbleib und Ausgleich mittelbar am Geschlecht anknüpfender Beeinträchtigungen. Der in den Gesetzesmaterialien skizzierte Ausgleich zwischen den Zielen des Erhalts einer leistungsfähigen Solidargemeinschaft und dem Subsidiaritätsgedanken sei auch am Maßstab des europäischen Rechts ein hinreichender sachlicher Grund. Zuletzt mit Urteil vom 5. März 2009 habe der europäische Gerichtshof die "Gewährleistung des finanziellen Gleichgewichts eines Zweig der sozialen Sicherheit" als legitimen Zweck im Rahmen der Rechtfertigung von Eingriffen in die Grundfreiheiten anerkannt (Az. C-350/07). Die Ungleichbehandlung sei auch am Maßstab des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes gerechtfertigt. Das Kriterium des vorherigen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze sei zum Erhalt einer breiten Finanzierungsgrundlage, insbesondere aus dem Kreis der Beschäftigten geeignet, erforderlich und angemessen. Es sei angemessen, die Beeinträchtigungen, welche durch einen Wechsel aus der Selbstständigkeit zu abhängigen Beschäftigung bzw. durch die nur befristete Aufnahme einer zusätzlichen Beschäftigung bei Fortbestand der Selbstständigkeit entstehen, allein dadurch abzumildern, dass unter anderem mit § 5 Abs. 9 SGB V Kündigung- und Kontrahierungsrechte nur im Bereich der privaten Krankenversicherung geschaffen werden. Insbesondere sei nicht zu beanstanden, dass durch § 8 Abs. 1 Nr. 3 SGB V der Kreis der Teilzeitbeschäftigten, die die Solidargemeinschaft verlassen können, begrenzt werde auf zuvor langjährige zur Eigenvorsorge fähige Personen mit erheblichen Einkommen. Gerade bei diesem Personenkreis könne - anders als bei der Klägerin - wegen der hinreichenden Prognostizierbarkeit einer dauerhaften Fähigkeit zur Eigenvorsorge der Solidargedanke gering gewichtet werden. Aus den gleichen Erwägungen fehle es an einer Verfassungswidrigkeit nach dem Maßstab des Art. 3 Grundgesetz.

Gegen das am 17. August 2009 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 15. September 2009 Berufung eingelegt.

Die Klägerin wiederholt und vertieft im Berufungsverfahren ihren bisherigen Vortrag. Ergänzend trägt sie vor, ohne die streitgegenständliche 5 1/2 monatige Versicherungspflicht in der GKV wäre sie mit Vollendung des 55. Lebensjahres nicht mehr versicherungspflichtig geworden. Da ihre Tochter (17 Jahre alt) mit ihrem Vater privat versichert sei, sei für sie die Frage der Familienversicherung in der GKV irrelevant. Auch sei ihr Persönlichkeitsrecht dadurch verletzt worden, da sie kein Wahlrecht zu Gunsten der Beklagten ausgeübt habe, vorrangig deshalb, weil sie weiterhin privat versichert bleiben wollte. Auch habe das Gericht bei seiner Entscheidung die Auswirkungen der Gesundheitsreform nicht berücksichtigt.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 7. August 2009 sowie den Bescheid der Beklagten vom 17. November 2006 in Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15. Mai 2007 aufzuheben und festzustellen, dass sie aufgrund ihrer Tätigkeit als teilzeitbeschäftigte Lehrkraft (17/26 einer vollbeschäftigten Lehrkraft) in der Zeit vom 25. August 2006 bis zum 2. Februar 2007 von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung befreit gewesen ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung das Sozialgericht habe mit dem angefochtenen Urteil eine zutreffende Entscheidung getroffen.

Auf die Anfrage der Klägerin, ob sie im Falle einer Tätigkeit ab 1. Januar 2010 weiterhin der Pflichtversicherung in der GKV unterliege, stellte die Beklagten mit Schreiben vom 12. Januar 2010 fest, dass in diesem Fall nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V Versicherungspflicht kraft Gesetzes eintrete.

Der Senat hat die Beteiligten zu einer Entscheidung durch Beschluss durch die Berufsrichter ohne Beteiligung der ehrenamtlichen Richter gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) angehört. Wegen der weiteren Einzelheiten zum Streit- und Sachstand wird ergänzend auf die Gerichtsakten und auf die beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der Entscheidung des Senats gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist zulässig und in der Sache jedoch keinen Erfolg haben.

Das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 7. August 2009 ist nicht zu beanstanden. Der Bescheid der Beklagten vom 17. November 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Mai 2007 ist nicht rechtswidrig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

Die Beklagte hat mit den angefochtenen Bescheiden rechtmäßig in Befreiung der Klägerin von der Versicherungspflicht in der GKV als teilzeitbeschäftigte Lehrkraft in der Zeit vom 25. August 2006 bis zum 2. Januar 2007 abgelehnt.

Unstreitig ist die Tätigkeit der Klägerin als teilzeitbeschäftigte Lehrkraft des Landes Hessen in der vorliegend streitigen Zeit versicherungspflichtig in der GKV gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V

Zwar trägt die Klägerin verschiedentlich vor, sie sei (in einer Privatschule) selbstständig tätig. Offensichtlich ist sie insoweit jedoch nicht hauptberuflich selbstständig erwerbstätig. Nur in diesem Fall würde die Versicherungspflicht gem. § 5 Abs. 5 SGB V nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGG V entfallen. 
Anhaltspunkte für eine Versicherungsfreiheit nach § 6 oder § 7 SGB V sind weder vorgetragen noch aus den vorliegenden Unterlagen erkennbar.

Das Sozialgericht hat zutreffend festgestellt, dass die Beklagte die Befreiung der Klägerin von der Versicherungspflicht in der GKV wegen Fehlens der Voraussetzungen nach § 8 Abs. 1 Nr. 3 SGB V rechtmäßig abgelehnt hat. 

Der Senat verweist insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 153 Abs. 4 SGG auf die zutreffenden Ausführungen des angefochtenen Urteils des Sozialgerichts Wiesbaden.

Auch hat das Sozialgericht nicht nur zutreffend, sondern auch ausführlich dargelegt weshalb die Einwendungen der Klägerin aus europarechtlicher Sicht zu keinem anderen Ergebnis führen können. Auch insoweit verweist der Senat gemäß § 153 Abs. 4 SGG auf die angefochtene Entscheidung. Einen Grund für eine Vorlage beim EuGH sah der Senat deshalb nicht.

Darüber hinaus konnten die im Berufungsverfahren vorgetragenen Argumente zu keiner anderen Entscheidung führen.

Soweit die Klägerin vorträgt, ihr sei von dem Land Hessen zugesichert worden, sie könne in der vorliegenden streitigen Zeit weiterhin privat krankenversichert sein, so konnte dies - selbst wenn dies zutreffend sein sollte - keine andere Entscheidung rechtfertigen. Denn die Frage, ob ein Beschäftigter aufgrund seiner abhängigen Tätigkeit in der GKV pflichtversichert ist, entscheidet sich nicht nach dem Wissen und Wollen des Beschäftigten oder Arbeitgebers bzw. steht nicht zur Disposition der Vertragsparteien. Ausschlaggebend sind allein die einschlägigen gesetzlichen Regelungen.

Auch ist das Persönlichkeitsrecht der Klägerin durch ihre von der Besoldungsstelle des Landes Hessen veranlasste Anmeldung zur Beklagten nicht unverhältnismäßig und nicht unrechtmäßig beeinträchtigt. Wie die Klägerin selbst vorträgt, hat sie von ihrem Wahlrecht gem. § 173 Abs. 1 und 2 SGB V bewusst keinen Gebrauch gemacht, da sie in der vorliegend streitigen Zeit weiterhin in der privaten Krankenversicherung sein wollte. Der Senat kann bei diesem Sachverhalt keine Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Klägerin in der Auswahl der Beklagten durch das Land Hessen erkennen. Vielmehr ist das Land Hessen gem. §§ 175 Abs. 3 S. 2 SGB V, 198 SGG V aufgrund der fehlenden Krankenkassenwahl der Klägerin seiner ihm als Arbeitgeber obliegenden Pflicht nachgekommen, die Klägerin als versicherungspflichtige Beschäftigte an die zuständige Krankenkasse zu melden. Da die Klägerin nach ihrem eigenen Vortrag innerhalb der gesetzlich vorgeschriebenen Zeit keine Wahl unter den gem. § 173 Abs. 2 SGB V möglichen Versicherungsträgern der GKV getroffen hatte, meldete das Land Hessen die Klägerin gem. § 175 Abs. 3 S. 2 SGB V bei der Beklagten als einer nach § 173 SGB V wählbaren Krankenkasse an und teilte dies der Klägerin mit Schreiben der Besoldungsstelle vom 16. Oktober 2006 mit. Das von der Klägerin nicht ausgeübte Wahlrecht nach § 173 SGB V ist vorliegend auf der Grundlage von § 175 Abs. 2 S. 2 SGB V auf das Land Hessen übergegangen (siehe dazu: Bundessozialgericht, Urteil vom 8. Oktober 1998, Az. B 12 KR 11/98 R, veröff. in Juris; siehe auch Blöcher in jurisPK-SGB V, § 175 Rn. 39 f.).

Auch ist es allein Entscheidung der Klägerin, ob sie ihre private Krankenversicherung entsprechend den gesetzlichen Möglichkeiten nach § 5 Abs. 9 SGB V kündigt, die Möglichkeiten der gesetzlichen Krankenversicherung nutzt bzw. einen zusätzlichen privaten Krankenversicherungsvertrag im Hinblick auf die von ihr gewünschten Leistungen außerhalb des Leistungskatalogs der GKV abschließt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.

Rechtskraft
Aus
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