S 16 AS 815/13

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Darmstadt (HES)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 16 AS 815/13
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 9 AS 532/17 B
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss

Gegen den Kläger zu 2.) wird wegen des Nichterscheinens im heutigen Termin ein Ordnungsgeld von 100,00 Euro (einhundert Euro) festgesetzt.


Gründe

I.

Die Kläger begehren in den Klageverfahren mit den Aktenzeichen S 16 AS 815/13, S 16 AS 933/15, S 16 AS 980/15, S 16 AS 1011/15 und S 16 AS 809/16 die Umwandlung der von der Beklagten darlehnsweise bewilligten Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) in Leistungen in Form eines Zuschusses.

In allen Verfahren werden die Kläger von einem oder auch mehreren Bevollmächtigten vertreten. Soweit diese in den jeweiligen Verfahren Akteneinsicht beantragt hatten, wurde dies jeweils durch die Kammer sowohl in die Gerichts- als auch die Behördenakte gewährt und auch die entsprechenden Akten an die jeweiligen Bevollmächtigten der Kläger übersandt. Lediglich auf den letzten (wiederholten) Akteneinsichtsantrag des Rechtsanwalts G. erfolgte zwar die Gewährung von Akteneinsicht, eine Übersendung an dessen Kanzlei wurde jedoch wegen des bevorstehenden Termins abgelehnt.
Schon zuvor waren Rechtsanwalt G. auf dessen Antrag auf Akteneinsicht vom 6. Dezember 2016 hin sämtliche Gerichts- und Behördenakten zur Einsicht übersandt worden. Im Nachgang zu dieser Akteneinsicht monierten die Kläger, die Akte der Beklagten sei unvollständig übersandt worden und forderten das Gericht auf, die fehlenden Teile noch zu übersenden. Da seitens der Kammer keine Unvollständigkeit festgestellt werden konnte, erfolgte keine weitere Übersendung von Aktenteilen. Die Kläger blieben insoweit bei ihrer Tatsachenauffassung.

In allen oben genannten Verfahren hat die Kammer für den 13. Oktober 2017 um 10:45 Uhr einen gemeinsamen Erörterungstermin anberaumt. Hierfür wurde für alle Kläger das persönliche Erscheinen angeordnet. Die entsprechenden Ladungen wurden den Klägern laut Zustellungsurkunden am 15. September 2017 zugestellt. Die Kläger sind zu diesem Termin nicht erschienen. Auch die Bevollmächtigten der Kläger erschienen zu diesem Termin nicht. Herr Rechtsanwalt H. aus der Kanzlei F., einer der Bevollmächtigten der Kläger, hat am Tag des Erörterungstermins um 08:45 Uhr bei Gericht angerufen und mitgeteilt, dass „der Kläger“ ihm eine E-Mail geschrieben und ihn ausdrücklich angewiesen habe, den heutigen Termin nicht wahrzunehmen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie die die Kläger betreffende Behördenakte (8 Bände und 2 Hefter) Bezug genommen.


II.

Der vorliegende Beschluss hat unter allen oben genannten Aktenzeichen zugleich zu ergehen. Die entsprechenden Verfahren waren durch Beschluss im Erörterungstermin am 13. Oktober 2017 zur gemeinsamen Verhandlung in diesem Erörterungstermin miteinander verbunden worden. Dies wirkt sich vorliegend allein zu Gunsten der Kläger aus, da ansonsten in jedem einzelnen Verfahren über die Festsetzung eines Ordnungsgeldes zu entscheiden wäre, was letztlich zur Festsetzung von fünf getrennten Ordnungsgeldern führen könnte.

Nach § 106 Abs. 3 Nr. 7 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann der Vorsitzende das persönliche Erscheinen eines Beteiligten zu einem Erörterungstermin anordnen. Nach § 111 Abs. 1 Satz 2 SGG, der insoweit entsprechende Anwendung findet, ist auf die Folgen des Ausbleibens hinzuweisen. Diese bestimmen sich nach § 202 SGG in Verbindung mit § 141 Abs. 3 Zivilprozessordnung (ZPO). Danach kann gegen einen Beteiligten, dessen persönliches Erscheinen angeordnet ist, der aber im Termin ausbleibt, ein Ordnungsgeld wie gegen einen nicht erschienenen Zeugen gemäß § 380 Abs. 1 Satz 1 ZPO festgesetzt werden. Nach § 381 Abs. 1 Satz 1 ZPO unterbleibt die Festsetzung eines Ordnungsgeldes, wenn sein Ausbleiben rechtzeitig genügend entschuldigt wird. Erfolgt die Entschuldigung nicht rechtzeitig, so unterbleibt nach Maßgabe des Satzes 2 die Festsetzung eines Ordnungsgeldes nur dann, wenn glaubhaft gemacht wird, dass dem Beteiligten an der Verspätung der Entschuldigung kein Verschulden trifft. Erfolgt die genügende Entschuldigung nachträglich, so werden die gegen den Beteiligten getroffenen Anordnungen nach § 381 Abs. 1 Satz 3 ZPO wieder aufgehoben.

Die Voraussetzungen für die Festsetzung eines Ordnungsgeldes sind im Fall des Klägers zu 2. gegeben.
Alle Kläger in den vorliegenden Verfahren, mithin auch der Kläger zu 2., waren zum Erörterungstermin vom 13. Oktober 2017 ordnungsgemäß geladen. Auch hatte der Kammervorsitzende gemäß § 111 Abs. 1 S. 1 SGG das persönliche Erscheinen der Kläger, mithin auch des Klägers zu 2., zu diesem Termin angeordnet. Gemäß § 111 Abs. 1 S. 2 SGG ist dabei auf die Folgen des Ausbleibens, nämlich auf die Möglichkeit der Verhängung von Ordnungsgeld bei unentschuldigtem Ausbleiben (vgl. § 202 SGG i. V. m. § 141 Abs. 3 S. 1 ZPO), hingewiesen worden. Das Ladungsschreiben vom 12. September 2017 enthält einen formularmäßigen Hinweis, der diesen Anforderungen genügt. Dieses Ladungsschreiben wurde den Klägern, insbesondere auch dem Kläger zu 2., am 15. September 2017 zugestellt (vgl. Bl. 261-263 der Gerichtsakte im Verfahren S 16 AS 815 / 13).

Der Kläger zu 2. ist zum Termin am 13. Oktober 2017 nicht erschienen. Dieses Nichterscheinen wurde vom Kläger zuvor nicht entschuldigt. Ein Entschuldigungsgrund ist insoweit für die Kammer auch nicht zu erkennen.

Ob die Festsetzung eines Ordnungsgeldes als Folge des Nichterscheinens eines Beteiligten trotz Anordnung des persönlichen Erscheinens bereits auf der Tatbestandsebene nur in denjenigen Fällen in Betracht kommt, in denen die Anordnung des persönlichen Erscheinens der Sachverhaltsaufklärung dient (vgl. insoweit LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom einen 20. Mai 2012, – L 10 AS 403 20 Aus 12 B – mit weiteren Nachweisen zur Darstellung des Streitstandes; Juris), kann hier dahin stehen. Denn in der Sache diente die Anordnung des persönlichen Erscheinens der Kläger dazu, in den vorliegenden Verfahren den Sachverhalt weiter aufzuklären. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Kläger mehrfach moniert haben, die von der Beklagten vorgelegte Behördenakte sei unvollständig. Inhaltlich erheben sie damit den Vorwurf der Verletzung des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs (vgl. Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz [GG]). Insoweit diente der Termin zunächst dazu, gemeinsam mit den Beteiligten aufzuklären, inwieweit die Behördenakte als unvollständig anzusehen sein könnte, da dies für das Gericht bisher nicht erkenntlich war und ist. Dies gilt insbesondere auch für den Kläger zu 2., der sich nach Eintritt seiner Volljährigkeit den Argumentationen der Kläger zu 1. und 3. immer angeschlossen hat und entsprechende Schriftsätze, die von der Klägerseite unmittelbar an das Gericht gerichtet wurden mit unterschrieb.

Darüber hinaus sollte der Termin dazu dienen, die Sach- und Rechtslage mit dem Beteiligten zu erörtern und insbesondere das Gericht auf den neuesten Tatsachenstand zu bringen. Hintergrund hierbei ist, dass zwischen den Beteiligten streitig ist, wie die Beteiligung des Klägers zu 1. an einer Erbengemeinschaft während des laufenden Bezugs von Leistungen nach dem SGB II zu bewerten ist. Insoweit sollte aufgeklärt werden, wann diese Erbengemeinschaft, die seit 2006 besteht, letztlich auseinandergesetzt wurde und welche Zuflüsse hieraus wann stattgefunden haben.

Letztlich sollte im vorliegenden Termin den Beteiligten auch noch deutlich gemacht werden, mit welchen Konsequenzen die Kläger insgesamt wegen des eingetretenen Erbfalls während des Bezugs von Leistungen nach dem SGB II zu rechnen haben.

Damit diente der anberaumte Termin insbesondere der Vorbereitung einer noch ausstehenden mündlichen Verhandlung. Das Verfahren sollte insbesondere in tatsächlicher Hinsicht weiter gelenkt werden, um alle Verfahren jeweils in einer mündlichen Verhandlung aufgrund des dann vollständig aufgeklärten Sachverhaltes einer Entscheidung zuführen zu können. Dies war den Klägern letztmals auch mit gerichtlicher Verfügung vom 27. September 2017 so mitgeteilt worden.

Aufgrund der hier gegebenen Sachlage hat die Kammer das ihr im Rahmen der Festsetzung eines Ordnungsgelds zustehende Ermessen beim Kläger zu 2. dahingehend ausgeübt, ein Ordnungsgeld gegen den Kläger zu 2. festzusetzen. Dies beruht auf dem gleichförmigen Verhalten alle Kläger in den vorliegenden Verfahren, so dass im Folgenden deren gemeinsames Verhalten dargestellt wird, welches aber auch beim Kläger zu 2. vorlag. Ein auf § 141 Abs. 3 ZPO gestütztes Ordnungsgeld kann im sozialgerichtlichen Verfahren nur festgesetzt werden, wenn das unentschuldigte Ausbleiben der Partei die Sachaufklärung erschwert und dadurch den Prozess verzögert, da Zweck des über § 202 SGG anwendbaren § 141 Abs. 1 ZPO nicht ist, eine vermeintliche Missachtung des Gerichts zu ahnden, sondern die Aufklärung des Sachverhalts zu fördern (LSG Berlin-Brandenburg, a. a. O., m. w. N.). Das Ausbleiben der Kläger zum oben genannten Termin, damit auch das Ausbleiben des Klägers zu 2. in diesem Termin, erschwert die Sachverhaltsaufklärung in allen fünf Verfahren der Kläger erheblich und verzögert den Prozess dadurch ungemein. Zuvorderst beruht dies darauf, dass der von den Klägern erhobene Vorwurf der Verletzung des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs ausgeräumt werden muss. Es versteht sich von selbst, dass die Kammer bemüht ist, eine Verletzung des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs vollumfänglich zu vermeiden. Dazu gehört auch, dass selbstverständlich den Beteiligten vollumfängliche Akteneinsicht in die Gerichts- und Behördenakte gewährt wird. Dies gebietet daneben auch der Grundsatz des fairen Verfahrens. Wenn jedoch unklar ist, inwieweit tatsächlich nach Auffassung der Kläger eine unvollständige Behördenakte hier vorliegt und inwieweit dies für die Entscheidung im vorliegenden Verfahren relevant ist, ist es damit Aufgabe der Kammer dies aufzuklären. Alle schriftlichen Versuche, dem näher zu kommen, sind bisher gescheitert. Die Kammer hat es daher als absolut notwendig erachtet, dies im Rahmen eines Erörterungstermins aufzuklären. Nur so kann nach der Überzeugung der Kammer gewährleistet werden, dass im Rahmen einer Entscheidung von einem vollständig aufgeklärten Sachverhalt ausgegangen werden kann. Diese Sachverhaltsaufklärung haben die Kläger durch das bisher unentschuldigte Fernbleiben zum Termin am 13. Oktober 2017 nicht nur erschwert, sondern sogar (temporär) verhindert. Der Prozess kann daher nicht ungehindert fortgeführt werden. Hinzu kommt, dass nicht nur die Kläger im Termin am 13. Oktober 2017 nicht erschienen sind, sondern auch keiner ihrer Bevollmächtigten. Jedenfalls einer dieser Bevollmächtigten hat dies getan, weil er durch die Klägerseite hierzu angewiesen wurde. Daraus kann nur geschlossen werden, dass die Verhinderung des Fortgangs des Verfahrens auch Zweck des Fernbleibens zum Termin war.

Insgesamt befindet sich die Kammer in den vorliegenden Verfahren aufgrund des Ausbleibens der Kläger im Termin vom 13. Oktober 2017 in der Situation, dass die von den Klägern hier betriebenen Verfahren weiterhin als nicht entscheidungsreif anzusehen sind und allein aufgrund des Ausbleibens zum Termin schon nicht einer mündlichen Verhandlung zugeführt werden können. Dies bewirkt eine erhebliche zeitliche Verzögerung.

Hinsichtlich der Höhe des Ordnungsgeldes hat die Kammer ihr Ermessen ebenfalls ausgeübt und erachtet die Auferlegung eines Ordnungsgeldes in Höhe von 100,00 € beim Kläger zu 2. als gerechtfertigt und angemessen (§§ 111, 106 SGG, §§ 141 Abs. 3, 380 ZPO). Hierbei hat die finanzielle Situation des Klägers zu 2. Beachtung gefunden. Dieser steht nach dem Wissensstand der Kammer nicht mehr im Bezug von Leistungen nach dem SGB II, hat jedoch schon während des Leistungsbezuges durch Ausübung einer geringfügigen Beschäftigung „eigenes Geld“ verdient. Von maßgebender Bedeutung für die Festsetzung der Höhe des Ordnungsgeldes ist jedoch wiederum die erhebliche Erschwerung der Sachverhaltsaufklärung und die Verzögerung, die durch das Verhalten des Klägers zu 2. – und der übrigen Kläger auch – in den vorliegenden Prozessen eingetreten ist. Darüber hinaus war bei der Ermessensausübung hinsichtlich der Höhe des Ordnungsgeldes zu berücksichtigen, dass die Kläger, und damit auch der Kläger zu 2., durch ihr Verhalten zugleich fünf Verfahren verzögert haben. Zu Gunsten des Klägers zu 2. war jedoch zu berücksichtigen, dass für die Kammer erkennbar die Verfahren bisher durch seine Eltern, die Kläger zu 1. und 3. dominiert wurden. Dies ändert jedoch nichts daran, dass auch die Anwesenheit des Klägers zu 2. Im Termin am 13. Oktober 2017 notwendig war und auch insoweit eine Sachverhaltsaufklärung durch den Kläger zu 2. verhindert wurde. Hier ist beispielsweise für den Fall des Obsiegens der Kläger dem Grunde nach (d.h. Gewährung von Leistungen als Zuschuss) zu klären, inwieweit der Kläger über eigenes Einkommen verfügte und eventuell aufgrund § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II aus der Bedarfsgemeinschaft (gegebenenfalls auch nur zeitweise) ausgeschieden ist. All dies konnte aufgrund des Fernbleibens des Klägers zu 2. im Termin am 13. Oktober 2017 nicht aufgeklärt werden. Die Gesamtumstände führen jedoch dazu, dass das Ermessen der Kammer hinsichtlich der Höhe des Ordnungsgeldes beim Kläger zu 2. anders auszuüben ist, als bei den Klägern zu 1. und 3. Das Ordnungsgeld war beim Kläger zu 2. deutlich (um 2/3) niedriger festzusetzen und erscheint daher nur in Höhe von 100,00 € als gerechtfertigt und angemessen.

Rechtskraft
Aus
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