L 6 AS 205/16

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
1. Instanz
SG Wiesbaden (HES)
Aktenzeichen
S 33 AS 300/13
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 AS 205/16
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

I.    Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 17. Dezember 2015 wird zurückgewiesen.

II.    Die Beteiligten haben einander auch für das Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten. 

III.    Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Bewilligung von Geldleistungen für eine Wohnungsausstattung als Zuschuss statt als Darlehen.

Die 1982 geborene Klägerin ist italienische Staatsangehörige. Sie lebte erstmals in der Zeit von 2002 bis 2009 in Deutschland. Sie wohnte ab Juli 2005 zusammen mit ihrem zunächst berufstätigen, italienischen Ehemann, C. A., in einer Mietwohnung C-Straße x in A-Stadt. Am xx. xxx 2004 wurde die Tochter D. und am xx. xxx 2007 wurde die Tochter E. geboren.

Im Jahr 2008 hielt sich die Klägerin wegen des Todes ihres Vaters im April 2008 für vier Wochen in Italien auf. Nach ihrer Rückkehr in die Wohnung in Deutschland fand sie diese nach eigenen Angaben ausgeräumt und ohne Möbel vor. Ihr Ehemann war zwischenzeitlich verhaftet worden. Nach Haftende noch im Jahr 2008 trennte sich das Ehepaar. Der Ehemann zog aus der gemeinsamen Wohnung aus und zu seiner neuen Lebensgefährtin nach F-Stadt. In der Folge stand die Klägerin mit ihren Kindern im Leistungsbezug nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) bei der Beklagten.

Im März 2009 wurden der Klägerin von der Beklagten Mittel zur Anschaffung einer Erstausstattung ihrer Wohnung gewährt; im Einzelnen waren dies Möbel für Kinder-, Schlaf- und Wohnzimmer sowie eine Küche mit Kühlschrank und eine Waschmaschine.

Im Juli 2009 zog die Klägerin mit ihren Kindern in den Sommerferien wieder zu ihrer Mutter nach Italien. Dazu, ob sie die Absicht hatte, wieder nach Deutschland zurückzukehren, hat die Klägerin in erster und zweiter Instanz einander widersprechende Angaben gemacht. Sie bezog nach eigenen Angaben in Italien ihr altes Kinderzimmer. Ihre Wohnung in Deutschland verließ sie, ohne diese zu kündigen, und ließ auch den zuvor von der Beklagten gewährten Hausstand dort zurück. Die Einrichtungsgegenstände wurden von dem Vermieter nach der Annahme der Klägerin zur Begleichung von Mietrückständen bzw. Räumungskosten verwertet. 

Im April 2012 zog die Klägerin zusammen mit ihren Kindern wieder nach Deutschland und beantragte Leistungen bei der Beklagten. Auch zu den Gründen für eine Rückkehr nach Deutschland hat die Klägerin in erster und zweiter Instanz unterschiedliche Angaben gemacht. 

Seit ihrer Rückkehr nach Deutschland wohnte die Klägerin gemeinsam mit ihren Töchtern zunächst bei ihrem Schwiegervater im C-Straße y in A-Stadt, der selbst Sozialhilfe bezog, sodann bei einem Bekannten unter der Adresse G-Straße in A-Stadt. Anschließend zog sie zu einer Cousine in der H-Straße. Die Kinder besuchen staatliche Schulen in A-Stadt.

Am 26. Juli 2012 beantragte die Klägerin die Zustimmung des Beklagten zur Anmietung einer Wohnung. Mit Beschluss des Sozialgerichts Wiesbaden vom 29. August 2012 (S 16 AS 686/12 ER) wurde die Beklagte verpflichtet, ihre Zusicherung zum Umzug der Klägerin in die Wohnung A-Straße in A-Stadt zu erteilen.

Unter dem Datum 15. Oktober 2012 (BI. 4 und BI. 6 der Leistungsakte) und 19. Oktober 2012 (BI. 10 und BI. 15 der Leistungsakte) schlossen die Beklagte und die Klägerin Darlehensverträge für die Anschaffung von Möbeln und Haushaltsgroßgeräten in Höhe von insgesamt 1.799,48 €. Die Darlehensverträge enthielten die Vereinbarung, dass die Darlehen in monatlichen Raten in Höhe von 10 % der Regelleistung getilgt werden sollten.

Nachfolgend erließ die Beklagte eine Reihe von Darlehensbescheiden: Mit drei Bescheiden vom 19. Oktober 2012 gewährte die Beklagte der Klägerin ein Darlehen in Höhe von 1.023,00 € gemäß § 24 Abs. 1 SGB II für die Erstausstattung der Wohnung (BI. 2 f. Leistungsakte), gemäß § 24 Abs. 1 SGB II i.V. m. § 42a SGB II für die Anschaffung einer Waschmaschine als Sachleistung (BI. 8 Leistungsakte) und gemäß § 24 Abs. 1 SGB II i.V. m. § 42a SGB II für die Anschaffung eines Kühlschranks als Sachleistung (BI. 12 Leistungsakte). Weiterhin gewährte die Beklagte darlehensweise Leistungen gemäß § 24 Abs. 1 SGB II i.V. m. § 42a SGB II für die Anschaffung eines Elektroherdes als Sachleistung (Bescheid vom 1. November 2012, Bl. 17 Leistungsakte). Mit Bescheid vom 18. Dezember 2012 (BI. 25 Leistungsakte) gewährte die Beklagte der Klägerin vorläufig ein Darlehen in Höhe von 931,13 € für die Anschaffung von Elektrogroßgeräten (Elektroherd, Waschmaschine, Kühlschrank). Die Auszahlung erfolgte an die Firma J. in J Stadt, von der die Elektrogeräte bezogen wurden. Die Darlehen sollten in monatlichen Raten in Höhe von 38,20 € beginnend ab dem 1. Februar 2013 getilgt werden. Von dem Darlehen in Höhe von 931,13 € wurde ein Betrag von 191,00 € getilgt, so dass noch eine Gesamtrückforderung der Beklagten in Höhe von 1.763,13 € offen ist. 

Gegen die Darlehensbescheide legte die Klägerin mit Schreiben vom 22. Oktober 2012 (BI. 27 Leistungsakte) und vom 1. Januar 2013 (BI. 29 Leistungsakte) jeweils Widerspruch ein. Die Widersprüche wurden mit Widerspruchsbescheid vom 14. März 2013 als unbegründet zurückgewiesen.

Am 4. April 2013 hat die Klägerin Klage bei dem Sozialgericht Wiesbaden erhoben. Sie hat vorgetragen, dass es sich bei der Anschaffung des Hausstandes im Jahr 2012 um eine Wohnungserstausstattung i.S.v. § 24 Abs. 3 Nr. 1 SGB II gehandelt habe, die als Zuschuss und nicht als Darlehen zu gewähren sei. Sie hat sich im Wesentlichen auf die Entscheidung des Bundessozialgerichtes vom 27. September 2011 - B 4 AS 202/10 R berufen.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 17. Dezember 2015 als unbegründet abgewiesen. Die Klage richte sich gegen die Bescheide vom 19. Oktober 2012 und vom 18. Dezember 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. März 2013, mit denen der Beklagte die von der Klägerin am 15. Oktober 2012 beantragten Geldleistungen für den Erwerb der Wohnungsausstattung als Darlehen bewilligt habe. Diese Bescheide beinhalten zugleich eine konkludente Ablehnung einer Bewilligung dieser wohnraumbezogenen Gegenstände als Zuschuss bzw. Beihilfe (vgl. BSG, Urteil vom 6. August 2014 - B 4 AS 57/13 R).

Bei dem geltend gemachten Anspruch auf Leistungen für Wohnungserstausstattungen nach § 24 Abs. 3 Nr. 1 SGB II handele es sich um einen eigenständigen, abtrennbaren Streitgegenstand, über den isoliert und unabhängig von den übrigen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts entschieden werden könne. Die Klägerin verfolge ihren Anspruch hinsichtlich des Hausrats zu Recht mit der kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz – SGG). Sie begehre die Umwandlung einer Darlehensleistung in eine solche als Zuschuss bzw. Beihilfe. Höhere SGB II-Leistungen seien nicht im Streit.

Ob die Klägerin als italienische Staatsangehörige von Leistungen nach dem SGB II gemäß § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II ausgeschlossen sei, könne im vorliegenden Verfahren offen bleiben. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 24 Abs. 3 Nr. 1 SGB II lägen jedenfalls nicht vor.

Nach § 24 Abs. 3 Nr. 1 SGB II seien Leistungen für Wohnungserstausstattungen nicht vom Regelbedarf nach § 20 SGB II umfasst. Sie würden gesondert erbracht. Bei dem Begehren der Klägerin auf einen Zuschuss zu der erneuten Beschaffung von Einrichtungsgegenständen im Jahr 2012 handele es sich aber nicht um eines, das auf eine „Erstausstattung" im Sinne von § 24 Abs. 3 Nr. 1 SGB II gerichtet ist.

Um eine Wohnungserstausstattung im Sinne von § 24 Abs. 3 Nr. 1 SGB II handele es sich dann, wenn ein Bedarf für die Ausstattung einer Wohnung bestehe, der nicht bereits durch vorhandene Möbel und andere Einrichtungsgegenstände gedeckt sei. Der Anspruch sei insoweit bedarfsbezogen zu verstehen (BSG, Urteil vom 19. September 2008 – B 14 AS 64/07 R; BSG, Urteil vom 27. September 2011 – B 4 AS 202/10 R; BSG, Urteil vom 23. Mai 2013 – B 4 AS 79/12 R).

Zwar gehe die Kammer nach dem glaubhaften Vortrag der Klägerin davon aus, dass diese nach ihrem „Rückumzug" von Italien nach Deutschland im April 2012 nicht mehr über die nötige Wohnungsausstattung verfügt habe und ein entsprechender Bedarf damit bestanden habe. Die Darlegungen der Klägerin, sie habe den Hausstand in ihrer vormaligen Wohnung am C-Straße x in A-Stadt zurückgelassen und der Vermieter habe diese verwertet, erschienen glaubhaft. Die Klägerin habe hierzu im Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage vom 24. März 2015 vorgetragen, sie habe Deutschland verlassen und habe nicht zurückkehren wollen, da sie gerade erfahren habe, dass ihr Mann mit einer anderen Frau ein Kind erwarte. Sie habe die Wohnung zurückgelassen, ohne den Mietvertrag zu kündigen. Die Miete sei in der Zeit während ihres Leistungsbezuges vom Beklagten direkt an den Vermieter überwiesen worden; ob und wie lange die Miete nach ihrer Ausreise weiter an den Vermieter gezahlt worden sei, wisse sie nicht. Sie gehe daher davon aus, dass der Vermieter die Möbel verwertet habe.

Bei dem hiernach vorliegenden Bedarf handele es sich allerdings nicht um einen solchen für eine „Wohnungserstausstattung" im Sinne von § 24 Abs. 3 Nr. 1 SGB II. Denn der Klägerin seien bereits im März 2009 Leistungen für die Anschaffung einer Wohnungserstausstattung der von ihr damals bewohnten Wohnung am C-Straße x in A Stadt gewährt worden. Hiervon seien in der Folge Möbel für Kinder-, Schlaf- und Wohnzimmer sowie eine Küche mit Kühlschrank und eine Waschmaschine angeschafft worden. Der im April 2012 bestehende erneute Bedarf sei darin begründet, dass die Klägerin im Juli 2009, d.h. bereits drei Monate nach Anschaffung des Hausstandes, wieder nach Italien zurückgezogen sei und ihre damalige Wohnung samt neu angeschafften Möbeln zurückgelassen habe. Im Erörterungstermin vom 24. März 2015 habe sich die Klägerin dahingehend eingelassen, dass sie damals nicht die Absicht gehabt habe, nach Deutschland zurückzukehren. Für eine Rückkehr nach Deutschland habe sie sich erst in Italien entschieden, weil sie habe feststellen müssen, dass es dort keine soziale Absicherung für sie und ihre Kinder gebe.

Die erneute Beschaffung von Einrichtungsgegenständen als Wohnungserstausstattung durch einen Zuschuss des Leistungsträgers sei nur unter engen Voraussetzungen möglich und komme bei einem erneuten Bedarfsanfall nur in Betracht, wenn der Hilfebedürftige nachweise, dass er - aufgrund außergewöhnlicher Umstände bzw. eines besonderen Ereignisses - über die notwendigen Ausstattungsgegenstände nicht mehr verfüge. Das Erfordernis außergewöhnlicher Umstände bzw. eines besonderen Ereignisses folge aus der Systematik der §§ 20 ff. SGB II unter Berücksichtigung der nach dem Sinn und Zweck der Regelungen gebotenen bedarfsbezogenen Betrachtungsweise. Bedarfe für wohnraumbezogene Gegenstände könnten Erstausstattungsbedarf, aber auch Teil des Regelbedarfs sein. Insofern geht der Gesetzgeber davon aus, dass alle wohnraumbezogenen Bedarfe, die nicht im Zusammenhang mit der spezifischen Situation der Erstausstattung stünden , nicht von diesem Anspruch, sondern bereits von der Regelleistung umfasst werden (BSG, Urteil vom 24. Februar 2011 - B 14 AS 75/10 R). Seien vor Eintritt des Bedarfs an Einrichtungsgegenständen die notwendigen Gegenstände vorhanden gewesen, solle deren Ersetzung bei erneutem Bedarf aus der Regelleistung erfolgen.

Insofern zeigten auch die vom Gesetzgeber beispielhaft genannten Erstausstattungen für die Wohnung nach einem Wohnungsbrand oder bei Erstanmietung nach einer Haft (BT-Drucks 15/1514, S. 60), dass die Schwelle für die Annahme eines vom Regelbedarf nicht umfassten und aufzufangenden Bedarfs für Wohnungserstausstattungen oder eine erneute Beschaffung einer Wohnungsausstattung im Sinne der Erstausstattung regelmäßig erst bei einem Verlust der Einrichtungsgegenstände durch von außen einwirkende besondere Ereignisse erreicht werde. Solche außergewöhnlichen Umstände bzw. besonderen müssten regelmäßig geeignet sein, den plötzlichen Untergang bzw. die Unbrauchbarkeit der Wohnungsausstattung unabhängig von sonstigen allgemeinen Gründen für den Verschleiß oder den Untergang der Gegenstände herbeizuführen. Entsprechend habe das Bundessozialgericht wertungsmäßig diejenigen Fälle einer Ersatzbeschaffung der erstmaligen Ausstattung einer Wohnung gleichgestellt, bei denen vorhandene Ausstattungsgegenstände allein durch einen vom Grundsicherungsträger veranlassten Umzug in eine angemessene Wohnung unbrauchbar geworden seien (BSG, Urteil vom 1. Juli 2009 - B 4 AS 77/08) oder bei einem Rückumzug aus dem Ausland durch die besonderen Umstände des Umzugs untergegangen seien (BSG, Urteil vom 27. September 2011 - B 4 AS 202/10 R).

Ausgehend von den zuvor dargelegten rechtlichen Maßstäben könne nicht allein der Umzug nach Italien und wieder zurück nach Deutschland als eine Anknüpfungstatsache für die erneute Beschaffung von Wohnungsausstattungsgegenständen im Wege einer zuschussweisen anstelle der erfolgten darlehensweisen Bewilligung nach § 24 Abs. 3 Nr. 1 SGB II anerkannt werden. Vorliegend fehle es schon an „außergewöhnlichen Umständen" bzw. einem „besonderen Ereignis" als Anknüpfungstatsache für die Übernahme einer erneuten Beschaffung als Wohnungserstausstattung der Einrichtungsgegenstände. Der Verlust des Hausrats sei auch nicht aufgrund der besonderen Umstände des Umzugs eingetreten. Vielmehr habe die Klägerin ihre damalige Mietwohnung samt Hausrat willentlich aufgegeben. Sie habe sich im Termin zur Erörterung des Sachverhaltes am 24. März 2015 dahingehend eingelassen, dass sie die Möbel in der Absicht zurückgelassen habe, nicht zurückzukehren. Auch um die Kündigung der Mietwohnung habe sie sich nicht gekümmert. Sie wisse auch nicht, ob und wie lange der Vermieter den Mietzins erhalten habe. Sie habe sich nicht darum gekümmert; die Miete sei zuvor durch den Beklagten direkt an den Vermieter gezahlt worden.

Insofern sei vorliegend eine andere Fallgestaltung gegeben als jene, die der Entscheidung des BSG vom 27. September 2011 – B 4 AS 202/10 R zugrunde gelegen habe. Dort habe sich die Klägerin infolge eines Wechsels ihres Arbeitgebers nach Spanien entschlossen, dort für ihn tätig zu werden und sei – bei Übernahme der Transportkosten durch den Arbeitgeber   mit ihrem gesamten Hausstand in eine von diesem angemietete Wohnung in Spanien gezogen. Nach einer betriebsbedingten Kündigung habe ihr Arbeitgeber die Einlagerung der Möbel angeboten, um ihr dann aber nach ihrer Rückkehr nach Deutschland telefonisch mitzuteilen, dass die Möbel „weg" seien. 

Im Hinblick auf die hiermit einhergehende Missbrauchsgefahr dürfe die Entsorgung gebrauchter Möbel und Haushaltsgegenstände nicht zu einem Leistungsanspruch nach § 24 Abs. 3 Nr. 1 SGB II führen (Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 18. September 2013 - L 13 AS 146/11 -, Rn. 45, juris unter Bezugnahme auf Loose, in: Hohm, GK-SGB II, § 24 Rn. 35, Stand November 2011).

Die Klägerin hat gegen das ihr am 20. Februar 2016 zugestellte Urteil am 23. Februar 2016 Berufung zum Hessischen Landessozialgericht eingelegt.

Sie rügt, das Sozialgericht habe sich über die zutreffenden Ausführungen des Bundessozialgerichts in seinem Urteil vom 27. September 2011, B 4 AS 202/10 R hinweggesetzt. Danach komme eine Erstausstattung auch bei einem erneuten Bedarfsfall in Betracht, wenn nachgewiesen werde, dass – regelmäßig im Zusammenhang mit besonderen Ereignissen – über die nunmehr notwendigen Ausstattungsgegenstände nicht mehr verfügt werden könne. Verschuldensgesichtspunkte dürften bei der Feststellung des Bedarfs nicht berücksichtigt werden. Es sei nicht zulässig, einen Anspruch allgemein wegen fahrlässigen Verhaltens in Verfolgung eigener Belange abzulehnen. Genau dies aber tue das Sozialgericht, indem es der Klägerin vorhalte, sie habe den 2009 gewährten Hausstand zurückgelassen und damit den Verlust selbst herbeigeführt. Das vom Sozialgericht vermisste besondere Ereignis bestehe darin, dass die Klägerin unter dem tiefgreifenden Eindruck der neuen Beziehung ihres Mannes Hals über Kopf ohne Rückkehrabsicht weggezogen und erst wieder drei Jahre später nach Deutschland zurückgekommen sei. Dies sei einem trennungsbedingten Neubedarf gleichzusetzen. Das vom Sozialgericht der Klägerin vorgeworfene Verschulden könne allenfalls einen Ersatzanspruch bei rechtswidrigen Leistungen begründen (§ 34a SGB II).

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 17. Dezember 2015 sowie die Bescheide der Beklagten vom 19. Oktober 2012 und vom 18. Dezember 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. März 2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die gewährten Leistungen für Hausrat und Möbel als Erstausstattung zuschussweise zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist auf die ihres Erachtens zutreffenden Gründe des angegriffenen Urteils.

Wegen der weiteren Einzelheiten und Unterlagen und wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der Entscheidung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, aber unbegründet.

Das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 17. Dezember 2015 sowie die Bescheide der Beklagten vom 19. Oktober 2012 und vom 18. Dezember 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. März 2013 halten einer rechtlichen Überprüfung stand. Die angegriffenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. In Streit sind darlehnsweise gewährte Leistungen in Höhe von 1.023,- € für Möbel sowie in Höhe von 931,13 € für Haushaltsgroßgeräte (Elektroherd, Waschmaschine, Kühlschrank, Bescheid vom 18. Dezember 2012), zusammen 1.954,13 €, von denen 191,00 € durch die Klägerin zurückbezahlt wurden. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung dieser Leistungen als Zuschuss. 

Nach § 24 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB II in der ab 1. April 2001 bis 31. Dezember 2016 gültigen Fassung sind nicht vom Regelbedarf nach § 20 SGB II umfasst Bedarfe für Erstausstattungen für die Wohnung einschließlich Haushaltsgeräten. Leistungen für diese Bedarfe werden nach § 24 Abs. 3 Satz 2 SGB II gesondert erbracht.
 
Das Sozialgericht hat zutreffend festgestellt, dass es sich bei dem geltend gemachten Anspruch auf Leistungen für Wohnungserstausstattungen nach § 24 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB II um einen eigenständigen, abtrennbaren Streitgegenstand handelt, über den isoliert und unabhängig von den übrigen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts entschieden werden kann (BSG, Urteil vom 23. Mai .2013 – B 4 AS 79/12 R; BSG, Urteil vom 6. August 2014 - B 4 AS 57/13 R). Die Klägerin verfolgt ihren Anspruch auf Umwandlung einer Darlehensleistung in eine solche als Zuschuss bzw. Beihilfe hinsichtlich des Hausrats zu Recht mit der kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 4 SGG). Da die Beklagte bereits geleistet hat, ist lediglich der Rechtsgrund der Zahlung (Zuschuss statt Darlehen) in Streit (BSG, Urteil vom 28. Februar 2013 - B 8 SO 4/12 R, Rn. 9; BSG, Urteil vom 30. August 2010 - B 4 AS 70/09 R, juris Rn. 12; BSG, Urteil vom 18. Februar 2010 - B 4 AS 5/09 R, juris Rn. 10).

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine – nicht darlehensweise – Erstausstattung durch die Beklagte. Der Senat legt den Bescheid vom 19. Oktober 2012 in dem es heißt, die Klägerin beantrage eine Erstausstattung für ihre Wohnung, und weiter, dem Antrag werde entsprochen –, dahingehend aus, dass trotz dieses Wortlauts mit diesem Bescheid gerade keine „Erstausstattung“ im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB II), gewährt wurde, sondern nur ein Darlehen zur Deckung eines vom Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts umfassten und nach den Umständen unabweisbaren Bedarfs, hier zur Wohnungsausstattung. Hierfür spricht die Bezugnahme der Beklagten auf die einschlägige Bestimmung des § 24 Abs. 1 SGB II und die Bezugnahme auf den Darlehensvertrag, in dem nicht von „Erstausstattung“ die Rede ist, sondern nur von „Möbeln“. Auch die Klägerin selbst hat den Bescheid dahingehend verstanden, dass ihr die Finanzierung der Möbel in Höhe von 1.023,00 € nur darlehensweise und damit gerade nicht als Erstausstattung im Sinne des Gesetzes gewährt werde.

Ob die Klägerin von Leistungen nach dem SGB II gemäß § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II im Jahr 2012 grundsätzlich ausgeschlossen war, kann dahinstehen. Weder arbeitete die Klägerin noch suchte sie Arbeit und sie ist der deutschen Sprache nach wie vor nicht mächtig. Nach ihren eigenen Angaben in erster Instanz ist sie zum Zweck des Bezugs von Sozialleistungen nach Deutschland eingereist, während sie gemäß ihren Angaben in zweiter Instanz nach Deutschland zog, um ihren Kindern den Umgang mit ihrem Vater zu ermöglichen. Der Frage, welcher Aufenthaltszweck tatsächlich vorlag und ob sich daraus ein Aufenthaltsrecht der Klägerin ergab, musste vom Senat indessen nicht weiter geklärt werden. Denn jedenfalls sind die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 24 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB II nicht erfüllt. 

Ein erneuter Bedarf für eine erneute Erstausstattung für die Wohnung einschließlich Haushaltsgeräten bestand bei der Klägerin nicht. Diese hatte zwar einen Bedarf für die Wiederbeschaffung der Wohnungseinrichtung, die ihr durch die Darlehen der Beklagten ermöglicht wurde. Diese Wiederbeschaffung ist aber unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts keine Erstausstattung im Sinne des § 24 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB II.

So hat das Bundessozialgericht in seinem Urteil vom 27. September 2011, B 4 AS 202/10 R, juris Rn. 17 f. zur Vorgängerbestimmung des § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB II a.F. ausgeführt, dass Leistungen für Erstausstattungen der Wohnung einschließlich Haushaltsgeräten gesondert erbracht werden. Der Anspruch sei - entsprechend den anderen Leistungen des SGB II - bedarfsbezogen zu verstehen. Entscheidend sei, ob erstmals ein Bedarf entstehe. In Abgrenzung zu einem Erhaltungs- und Ergänzungsbedarf, der aus der Regelleistung zu bestreiten sei, komme eine Wohnungserstausstattung auch bei einem erneuten Bedarfsanfall in Betracht, wenn der Hilfebedürftige nachweise, dass er - regelmäßig im Zusammenhang mit besonderen Ereignissen - über die nunmehr notwendigen Ausstattungsgegenstände bisher nicht oder nicht mehr verfüge. Von den in den Gesetzesmaterialien beispielhaft genannten Bedarfen für eine Wohnungserstausstattung, z.B. nach einem Wohnungsbrand oder bei Erstanmietung nach einer Haft, stehe jedenfalls der Wohnungsbrand für Konstellationen, bei denen - nach dem Willen des Gesetzgebers - Leistungen nach § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB II a.F. für einen erneuten Bedarfsanfall im Sinne einer Ersatzbeschaffung als „Wohnungserstausstattung“ gewährt werden könnten. Entsprechend habe der Senat bereits entschieden, dass der erstmaligen Ausstattung einer Wohnung wertungsmäßig diejenigen Fälle einer Ersatzbeschaffung gleichzustellen seien, bei denen vorhandene Ausstattungsgegenstände allein durch einen vom Grundsicherungsträger veranlassten Umzug in eine angemessene Wohnung unbrauchbar würden (BSG Urteil vom 1.7.2009 - B 4 AS 77/08 R - SozR 4-4200 § 23 Nr. 4 RdNr. 14 f). Gleiches gelte unter Berücksichtigung der gebotenen bedarfsbezogenen Betrachtungsweise, wenn die Wohnungsausstattung bei einem Zuzug aus dem Ausland (z.B. durch die besonderen Umstände des Umzugs) untergegangen sei. Auch diese Fallgestaltungen seien grundsätzlich von einer Ersatzbeschaffung für Wohnungserstausstattung nach § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB II umfasst. Mit dem 14. Senat gehe auch der erkennende Senat davon aus, dass Verschuldensgesichtspunkte nicht schon bei der Feststellung des Bedarfs berücksichtigt werden dürfen, weil der im SGB II zu deckende Bedarf grundsätzlich aktuell bestehen müsse und auch aktuell vom Grundsicherungsträger zu decken sei.

Die vorliegende Fallkonstellation ist, wie das Sozialgericht ausführlich und zutreffend begründet hat, mit der eines Wohnungsbrandes oder dem Untergang von Möbeln bei einem Umzug oder einer Einlagerung nicht vergleichbar. 

Zwar hatte die Klägerin im Jahr 2012, als sie mit ihren Kindern von Italien wieder nach Deutschland zog, einen tatsächlichen Bedarf für die Ausstattung ihrer Wohnung. Denn in Italien lebte die Klägerin nach ihrem glaubhaften Vortrag mit ihren Kindern bei ihrer Mutter bzw. Familie ohne eigenen Hausstand. Den ihr von der Beklagten im März 2009 als Erstausstattung gewährten und fast neuwertigen Hausrat hatte die Klägerin in A-Stadt zurückgelassen. Bei ihrer Rückkehr nach Deutschland fand sie ihn nicht mehr vor. Den Bedarf „Ausstattung der neu angemieteten Wohnung mit Möbeln und Hausrat“ hat die Beklagte durch die Gewährung der Darlehnsleistungen, die der Klägerin die nötigen Anschaffungen ermöglichten, gedeckt. Eine zuschussweise Leistung ist durch das Gesetz vorliegend jedoch nicht gefordert. Denn es ist nichts dafür ersichtlich, dass die Klägerin deshalb nicht mehr über die Wohnungseinrichtung verfügte, weil ein „besonderes Ereignis“ im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts eingetreten war.

Vorliegend ist es schon das zweite Mal, dass die Klägerin vorträgt, nach einem Aufenthalt in Italien ihre Wohnungseinrichtung nicht mehr vorzufinden. Die Klägerin hat sich während ihres Italienaufenthalts nicht um die von ihr in A-Stadt angemietete Wohnung gekümmert, so dass diese schließlich geräumt wurde. Die Klägerin hat selbst vorgetragen, dass der Vermieter die Wohnungseinrichtung wohl verwertet habe. Das heißt dann aber, dass Schulden der Klägerin gegenüber dem Vermieter aus der Miete und Räumung der Wohnung mit der Verwertung der Möbel (teilweise) beglichen wurden. Warum unter der Prämisse, dass wie von der Klägerin selbst vorgetragen, sie die ihr als Erstausstattung zur Verfügung gestellten Möbel dazu benutzt hat bzw. es hat geschehen lassen, dass Schulden gegenüber einem Dritten (dem Vermieter) mit der Verwertung der Möbel bezahlt werden, sie gegen den Leistungsträger nach dem SGB II einen Anspruch auf erneute Erstausstattung mit Möbeln haben sollte, erschließt sich nicht. 

Es ist nicht Sinn und Zweck der Vorschrift über die Erstausstattung dem Leistungsberechtigten eine Mobilität zu garantieren, bei der er sich mit dem Verbleib von Möbeln und Hausrat nicht beschäftigen muss, weil bei einem erneuten Zuzug in den Zuständigkeitsbereich einer Leistungsträgers nach dem SGB II dieser erneut verpflichtet ist, eine Erstausstattung zu gewähren, wenn auf die früher vorhandenen Möbel etc. nicht mehr zugegriffen werden kann. 

Schon aus dem Umstand, dass das SGB II eine Bestimmung über Umzugskosten enthält (§ 22 Abs. 6 SGB II, hier in der ab 1. April 2011 geltenden Fassung), ist zu schließen, dass der Gesetzgeber nicht davon ausgeht, dass Möbel und Hausrat nach Umzug jeweils vom neu oder auch wieder zuständigen Leistungsträger nach dem SGB II zu finanzieren sind. Vielmehr geht das Gesetz davon aus, dass Möbel und Hausrat bei einem Umzug mitgeführt werden. Ein Leistungsempfänger, der seine Möbel und seinen Hausrat schlicht zurücklässt, ohne sich in irgendeiner Weise darum zu kümmern, was mit diesen Gegenständen geschieht, ist nicht anders zu behandeln, als jemand, der sie verschenkt, verkauft oder wegwirft. Zwar ist die Frage, inwieweit Umzugskosten bei einem Umzug ins Ausland vom Leistungsträger nach dem SGB II zu tragen sind, höchstrichterlich noch nicht entschieden. Aber selbst wenn man davon ausginge, dass Umzugskosten lediglich anteilig bis zur Landesgrenze zu tragen wären, wäre daraus nicht zu schließen, dass mittelose Personen, die mehrfach ihren gewöhnlichen Aufenthalt zwischen In- und Ausland ändern, bei jedem erneuten Zuzug einen erneuten Anspruch auf Erstausstattung haben.

Entgegen dem Vortrag der Klägerin berücksichtigt der Senat hier auch nicht unzulässigerweise Verschuldensgesichtspunkte. Es geht nicht darum, ob es der Klägerin vorwerfbar ist, sich um ihre Wohnung und ihren Hausrat bei ihrem Umzug nach Italien nicht gekümmert zu haben. Es geht um die schlichte tatbestandliche Feststellung, dass die Klägerin ihre Sachherrschaft über Möbel und Hausrat, die ihr als Erstausstattung gewährt worden waren, willentlich aufgegeben hat. Damit entstand bei ihrer Rückkehr nach Deutschland ein Bedarf „Wiederbeschaffung von Wohnungseinrichtung“, der von der Beklagten durch Gewährung der streitgegenständlichen Darlehen gedeckt wurde. Ein Anspruch auf eine erneute zuschussweise Erstausstattung durch die Beklagte ergibt sich dagegen ebensowenig wie wenn die Klägerin ihre Möbel an Nachbarn verkauft oder so schlecht behandelt hätte, dass sie nach kurzer Zeit verschlissen gewesen wären. 

Hieran ändert auch nichts der Vortrag der Klägerin in der Berufung, sie habe unter dem tiefgreifenden Eindruck der neuen Beziehung ihres Mannes Hals über Kopf Deutschland ohne Rückkehrabsicht verlassen. Zum einen hatte die Klägerin in ihrer Klage vom 4. April 2013 und hat sie auch wieder in der mündlichen Verhandlung vor dem Hessischen Landessozialgericht vorgetragen, sie habe ursprünglich die Absicht gehabt, in ihre Wohnung nach A-Stadt zurückzukehren. Zum anderen wurde schon die erste Gewährung der Erstausstattung mit trennungsbedingtem Neubedarf begründet, nachdem die Klägerin die mit dem Ehemann ehemals gemeinsam bewohnte Wohnung ausgeräumt vorgefunden hatte. Der Grund „trennungsbedingter Neubedarf“ ist mit der ersten Erstausstattung durch die Beklagte im März 2009 erschöpft. Denn der Ehemann war bereits im Jahr 2008 zu seiner Freundin nach F-Stadt gezogen, so jedenfalls der Vortrag der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Hessischen Landessozialgericht. Der erneute Umzug der Klägerin nach Italien im Juli 2009 erfolgte nach der Aussage der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Hessischen Landessozialgericht „wegen der Ferien“. Ein eine erneute Erstausstattung rechtfertigendes besonderes Ereignis im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist damit nicht ansatzweise dargetan. 

Die Kostenentscheidung basiert auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil Revisionszulassungsgründe nach § 160 SGG nicht ersichtlich sind.

Rechtskraft
Aus
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