Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Kassel vom 13. Februar 2017 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass festgestellt wird, dass der Widerspruch des Antragstellers vom 24. Januar 2017 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 17. Januar 2017 aufschiebende Wirkung hat.
Die Antragsgegnerin hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers auch des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Dem Antragsteller wird Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin B. B., B-Straße, A-Stadt für den zweiten Rechtszug ohne Ratenzahlung ab Antragstellung bewilligt.
Gründe
Die Beschwerde der Antragsgegnerin, mit der diese sinngemäß beantragt hat,
den Beschluss des Sozialgerichts Kassel vom 13. Februar 2017 aufzuheben und den Eilantrag des Antragstellers abzulehnen,
bleibt ohne Erfolg. Die Beschwerde ist zwar zulässig, insbesondere fristgerecht erhoben worden, aber unbegründet.
Dem Antragsteller stehen die Leistungen, zu deren Gewährung das Sozialgericht die Antragsgegnerin verpflichtet hat, im Ergebnis zu. Allerdings folgt die Zahlungsverpflichtung der Antragsgegnerin nicht aus dem Vorliegen der Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 86b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Auf § 86b Abs. 2 SGG kann nicht zurückgegriffen werden, weil Absatz 1 der Norm als vorrangige Bestimmung eingreift. Zwar liegt keine der dort ausdrücklich aufgezählten Konstellationen vor, § 86b Abs. 1 SGG ist aber auch dann entsprechend - anzuwenden, wenn ein Widerspruch aufschiebende Wirkung hat, diese Wirkung von der Behörde jedoch nicht beachtet wird (allgemeine Meinung, s. nur Keller; in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 86b Rn. 15). So verhält es sich hier.
Die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur (vorläufigen) Zahlung der Leistungen, zu denen sie erstinstanzlich verurteilt wurde, ergibt sich aus dem Bescheid vom 30. Dezember 2016, mit dem den Antragstellerinnen Leistungen in Höhe von insgesamt 584 € monatlich bewilligt wurden. Dieser Bescheid ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, durch den eine Regelung über die Gewährung von Leistungen nach dem Dritten Kapitel des Sozialgesetzbuches (SGB) Zwölftes Buch (XII) – Sozialhilfe (SGB XII) auch über den Monat Januar 2017 hinaus getroffen wurde. Zwar hat die Beklagte den Bescheid durch weiteren Bescheid vom 17. Januar 2017 mit Wirkung ab dem 1. Februar 2017 aufgehoben. Der gegen diesen Aufhebungsbescheid eingelegte Widerspruch der Antragstellerinnen vom 24. Januar 2017 entfaltet jedoch aufschiebende Wirkung, so dass es bei der vorläufigen Zahlungspflicht der Antragsgegnerin aus dem Ursprungsverwaltungsakt bleibt.
Der Einstufung des Bescheides vom 30. Dezember 2016 als Dauerverwaltungsakt steht nicht die in dessen Text enthaltene Formulierung „Nach der Berechnung haben diese Personen ‹der Antragsteller› insgesamt folgenden Anspruch auf Sozialhilfe für den Monat 1/2017“ entgegen. Denn da maßgeblich ist, wie der Empfänger aus objektivierter Sicht den Inhalt des Bescheides verstehen durfte und musste (sog. objektiver Empfängerhorizont, s. zu diesem Kriterium nur BSG, Urteil vom 27. Mai 2014 – B 8 SO 26/12 R – juris, Rn. 18) kommt es, neben dem Wortlaut des konkret betroffenen Verwaltungsaktes, für die Interpretation auch auf sonstige Umstände, wie z.B. den Inhalt vorheriger Bescheide, sonstiger Schriftstücke oder auch auf tatsächliches Verhalten der Beteiligten an.
Hiervon ausgehend, spricht für die Auslegung als Verwaltungsakt mit Dauerwirkung bereits, dass der Bescheid vom 30. Dezember 2016 in der Überschrift als „Bescheid über die Änderung von laufenden Leistungen nach dem SGB XII – Drittes Kapitel (Hilfe zum Lebensunterhalt)“ bezeichnet wird. Denn ein Änderungsbescheid kann nur vorliegen, wenn Leistungen auf Dauer, d.h. über den konkret bezeichneten Monat hinaus, bewilligt wurden. Beschränkt sich der Bewilligungszeitraum dagegen auf einen einzelnen Monat, sind später erlassene Bescheide, mit denen Leistungen für Folgemonate gewährt werden, Erst- und keine Änderungsbescheide. Die Antragsgegnerin hat sich im Übrigen auch bei dem weiteren, von ihr stammenden Bescheid, mit dem sie dem Antragsteller Leistungen nach dem 3. Kapitel des SGB XII bewilligt hat, bei der Überschrift an der Terminologie, die bei Verwaltungsakten mit Dauerwirkung üblich ist, orientiert, indem sie den ersten Bescheid vom 29. März 2016 – also den Ausgangsbescheid – als „Bescheid über die Gewährung von laufenden Leistungen nach dem SGB XII“ tituliert hat. Hinzu kommt, dass die Antragsgegnerin, obgleich von ihr in diesem Bescheiden die Leistungen nur für einzelne Monate beziffert wurden, Leistungen in entsprechender Höhe auch für die nicht mehr konkret benannten Folgemonate erbracht hat. Ein objektiver Empfänger musste daher die Bewilligungsentscheidungen so verstehen, dass sie nicht nur für den jeweils konkret benannten Monat, sondern auch für den Zeitraum danach Wirkung entfalten und damit solange Grundlage für die jeweils ausgezahlten Leistungen sind, bis sie durch einen neuen Bescheid ersetzt werden. Ergänzende Regelungen oder sonstige Hinweise, die einer solchen Auslegung widersprechen könnten – etwa die Erklärung, der Bescheid entfalte Geltung nur für die Zeiträume, für die Leistungen tatsächlich ausgezahlt würden - enthalten weder der Bescheid vom 30. Dezember 2016 noch der Ausgangsbescheid.
Nicht zuletzt hat die Beklagte dem Antragsteller noch mit Schreiben vom 30. Dezember 2016 bescheinigt, dass dieser Hilfe zum Lebensunterhalt beziehen und dass die Leistung „bis auf weiteres“ gewährt wird. Auch dieses Schreiben ist bei der Auslegung des am gleichen Tage ergangenen Bescheides zu berücksichtigen und rechtfertigt es, diesen Bescheid aus Empfängersicht als Verwaltungsakt mit Dauerwirkung einzustufen.
Eine andere Interpretation ist schließlich auch nicht aufgrund des Schreibens der Antragsgegnerin vom 21. Dezember 2016 gerechtfertigt. Dieses Schreiben kann schon deswegen nicht zur Deutung des Bescheides vom 30. Dezember 2016 als einer auf den Monat Januar 2017 beschränkten Leistungsgewährung herangezogen werden, weil sich das Schreiben und der Bescheid vom 30. Dezember 2016 gerade widersprechen. Mit dem vom 21. Dezember 2016 datierenden Schreiben hatte die Antragsgegnerin dem Antragsteller nämlich mitgeteilt, wegen einer Gesetzesänderung zum 1. Januar 2017 entfalle der Anspruch auf Sozialhilfeleistungen mit Ablauf des 31. Dezember 2016. Bis zur Ausreise könnten nur noch für längstens einen Monat eingeschränkte Leistungen gewährt werden. Der Antragsteller wurde aufgefordert, bis zum 13. Januar 2017 Gründe mitzuteilen, weswegen Leistungen über den 31. Dezember 2016 hinaus zu erbringen seien. Hiernach wäre zu erwarten gewesen, dass die Antragsgegnerin dem Antragsteller für Januar 2017 - jedenfalls vor Abgabe einer Rückäußerung, die hier gar nicht erfolgte – gar keine Leistungen gewährt, zumindest aber keine Leistungen in der bisherigen Höhe. Dies hat die Antragsgegnerin mit dem Bescheid vom 30. Dezember 2016 jedoch nicht getan, sondern reguläre Leistungen nach dem 3. Kapitel des SGB XII bewilligt. Aus objektivierter Empfängersicht betrachtet hat die Antragsgegnerin daher mit dem Bescheid vom 30. Dezember 2016 nicht ihre in dem vor vorherigen Schreiben geäußerte Rechtsauffassung umgesetzt, sondern abweichend zu diesem Schreiben weiter Leistungen im bisherigen Umfang zugesprochen. Dies verbietet es, das Schreiben für die Auslegung des Bescheides mit heranzuziehen.
Letztlich ergibt sich auch nicht aus der Natur der Leistungen nach dem 3. Kapitel des SGB XII, dass diese nur ausnahmsweise als Dauerleistung bewilligt werden dürfen, die Gewährung in Form eines Dauerverwaltungsaktes also lediglich unter ganz besonderen Voraussetzungen – die hier fehlen - angenommen werden könnte. Genauso wie bei anderen Leistungen nach dem SGB XII entscheidet vielmehr auch bei der Hilfe zum Lebensunterhalt alleine die Behörde im Rahmen der konkreten Bescheiderteilung darüber, für welche Zeiträume sie dem Hilfebedürftigen die Leistungen zuspricht. Das SGB XII enthält insoweit keine Vorgaben. Ebenso wenig lässt sich aus dem Umstand, dass die Leistungen bedürftigkeitsabhängig sind, folgern, es finde eine ständige Bedarfsprüfung statt, die einer Gewährung als Dauerleistung entgegenstehe. Wäre das der Fall, dürften auch alle anderen Leistungen nach dem SGB XII, weil ebenfalls bedürftigkeitsabhängig, nicht auf Dauer bewilligt werden. Letzteres entspricht freilich weder der praktischen Handhabung noch den rechtlichen Anforderungen. Ganz im Gegenteil hat der Gesetzgeber etwa für die Grundsicherungsleistungen nach dem 4. Kapitel des SGB XII gerade langfristige Bewilligungszeiträume vorgeschrieben werden (s. § 44 Abs. 3 S. 1 SGB XII), verlangt also im Regelfall sogar die Gewährung dieser Leistungen auf Dauer.
Abschließend ist klarstellend darauf hinzuweisen, dass im Rahmen der Beschwerde nur über den Zeitraum, für den erstinstanzlich eine Verurteilung erfolgte, zu entscheiden war (Leistungen vom 2. Februar 2017 bis einschließlich 30. Juni 2017, längstens jedoch bis zur rechtskräftigen Entscheidung betreffend den Widerspruch des Antragstellers vom 24. Januar 2017 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 17. Januar 2017), weil der Antragsteller seinerseits keine Beschwerde gegen den sozialgerichtlichen Beschluss eingelegt hat. Eine Leistungspflicht der Antragsgegnerin über den 30. Juni 2017 hinaus besteht daher auf Grundlage des sozialgerichtlichen oder des hiesigen Beschlusses nicht. Auch darüber, ob dem Antragsteller höhere Leistungen, als ihm durch den Bescheid vom 30. Dezember 2016 bewilligt wurde, zustehen könnte, war keine Entscheidung zu treffen, weil es schon keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass der Antragsteller im Rahmen des vorliegenden Verfahrens höhere monatliche Leistungen, als ihm mit diesem Bescheid zugesprochen wurden, begehrt.
Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Auch die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren lagen vor.
Gemäß § 73a Abs. 1 S. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 114 S. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) ist einem Beteiligten auf Antrag Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wenn er nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Diese Anforderungen sind vorliegend erfüllt. Die hinreichenden Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung ergeben sich aus den vorgenannten Ausführungen. Die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe waren ebenfalls gegeben. Die Bewilligung hatte, in Anbetracht der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Antragstellers, wie sie sich aus der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 7. März 2017 ergeben, ratenfrei zu erfolgen.
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.