L 7 AL 92/16

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
1. Instanz
SG Wiesbaden (HES)
Aktenzeichen
S 5 AL 84/15
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AL 92/16
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

I.    Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 12. Oktober 2016 aufgehoben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 8. April 2015 sowie unter Änderung des Bewilligungsbescheides vom 9. April 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Mai 2015 sowie der Änderungsbescheide vom 18. Juni 2015 und 8. Juli 2015 verurteilt, dem Kläger Arbeitslosengeld ohne Minderung der Anspruchsdauer auch für die Zeit vom 1. Juni bis 23. August 2015 und vom 23. Februar bis 29. Mai 2017 zu gewähren.

II.    Die Beklagte hat dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen zu erstatten.

III.    Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen eine Sperrzeit mit Minderung der Anspruchsdauer beim Arbeitslosengeld (ALG) nach dem Sozialgesetzbuch, Drittes Buch (SGB III), wegen Arbeitsaufgabe infolge Beendigung seines Arbeitsverhältnisses durch einen Altersteilzeitvertrag und beansprucht noch ALG vom 1. Juni 2015 bis 23. August 2015 und vom 23. Februar bis 29. Mai 2017.

Der 1952 geborene Kläger war langjährig bei der C. AG beitragspflichtig beschäftigt. Er schloss mit seinem früheren Arbeitgeber am 19.12.2006 einen Altersteilzeitvertrag (ATZ-Vertrag), beginnend mit dem 01.06.2009 im Blockmodell, wonach sein Beschäftigungsverhältnis am 31.05.2015 endete. Das Recht zur Kündigung im Rahmen der gesetzlichen oder arbeitsvertraglichen Bestimmungen blieb gemäß § 9 Nr. 3 des ATZ-Vertrages unberührt. Entsprechend der Verpflichtung gemäß § 8 Nr. 1, 2. Absatz des ATZ-Vertrages legte er seinem Arbeitgeber mit Schreiben vom 21. Januar 2007 eine Bestätigung der DRV-Bund über den möglichen Bezug einer vorgezogenen Altersrente mit Vollendung des 63. Lebensjahres vor. Anschließend war der Kläger bis zum Beginn seiner Altersrente am 1. Juni 2017 arbeitslos und erzielte noch aus einer wöchentlich weniger als 15-stündigen Nebentätigkeit als Rechtsanwalt ein Nebeneinkommen.

Mit Schreiben vom 19. September 2009 und 19. November 2010 wandte er sich an die DRV Bund und bat um Bestätigung, dass er aufgrund der inzwischen festgestellten Schwerbehinderteneigenschaft ab dem 63. Lebensjahr Altersrente ohne Abschläge beziehen könne. Bereits mit Schreiben vom 18. Februar 2014 teilte der Kläger der Beklagten seine Absicht mit, ab 1. Juni 2015 wieder arbeiten zu wollen, und bat um Auskunft, wann er sich arbeitslos melden müsse, um keine Fristen zu versäumen (Bl. 1 elektronische Leistungsakte – LA).
Auf Antrag und Arbeitslosmeldung des Klägers vom 12. Januar 2015 bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 09.04.2015 vorläufig ALG mit einer Anspruchsdauer von „720 Kalendertagen“ vom 01.06.2015 bis 22.2.2017, allerdings bis 23. August 2015 ohne Leistungsbetrag. Mit Sperrzeitbescheid vom 08.04.2015 stellte die Beklagte eine 12 wöchige Sperrzeit vom 01.06.2015 bis 23.08.2015 fest, weil der Kläger ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes durch den Abschluss des Altersteilzeitvertrages seine Arbeitslosigkeit herbeigeführt habe. Hierdurch verkürze sich die ursprüngliche Anspruchsdauer von 720 Tagen um 180 Tage.

Den dagegen eingelegten Widerspruch begründete der Kläger damit, ein wichtiger Grund für den Abschluss des ATZ-Vertrages liege vor, wenn durch den Vertrag eine drohende Kündigung verhindert werde. Auch die Sicherung zukünftiger Leistungen müsse als wichtiger Grund anerkannt werden ebenso wie wirtschaftlichen Entwicklungen, die ihn dazu zwängen, wieder arbeiten zu gehen.
Er habe durch Umstrukturierungen bei seinem früheren Arbeitgeber die Position des Niederlassungsleiters mit Gesamtprokura verloren und sei zu einem Transaktionsmanager mit Handlungsvollmacht degradiert worden. Das Unternehmen sei in eine wirtschaftliche Schieflage geraten. Durch den Abschluss des ATZ-Vertrages habe er sich damals auch gegen eine Insolvenz des Unternehmens absichern wollen. Bei Abschluss des Vertrages habe er tatsächlich vorgehabt, in Rente zu gehen. Erst im Jahr 2014 habe er erfahren, dass er einen Anspruch auf ALG habe. Zudem sei er davon ausgegangen, mit 63 Jahren abschlagsfrei in Rente gehen zu können. Er habe sich deshalb drei Jahre nach Abschluss des Vertrages beim Versorgungswerk der Rechtsanwälte erkundigt, ob diese Auffassung richtig sei. Erst dann habe er erfahren, dass er bei einem Rentenbeginn mit 63 Jahren erhebliche Abschläge in Kauf nehmen müsse. Die Renten müssten inzwischen versteuert werden, die anhaltende Niedrigzinsphase wirke sich erheblich auf die Versorgungsbezüge aus und die Beiträge der privaten Krankenversicherung seien deutlich gestiegen. 

Die Beklagte wies den Widerspruch gegen den Sperrzeitbescheid mit Widerspruchsbescheid vom 06.05.2015 zurück. Der Kläger habe durch den Abschluss des ATZ-Vertrages sein Arbeitsverhältnis gelöst und damit seine Arbeitslosigkeit herbeigeführt. Ein wichtiger Grund hierfür liege nicht vor. Sinn und Zweck des ATZ-Gesetzes sei der nahtlose Übergang von der Altersteilzeit in den Rentenbezug. Entscheide sich der Arbeitnehmer dazu, sich nach Vertragsende doch wieder dem Arbeitsmarkt zur Verfügung zu stellen, liege gerade das Verhalten vor, das mit einer Sperrzeit belegt werden solle. Etwas anderes gelte nur, wenn dem Arbeitslosen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und der Abwägung der Interessen der Versichertengemeinschaft ein anderes Verhalten nicht zugemutet werden könne.

Die dagegen am 15.05.2016 bei dem Sozialgericht Wiesbaden erhobene Klage hat der Kläger u. a. damit begründet, durch die im Jahr 2012 beschlossene Heraufsetzung des Rentenalters müsse er nun bei einem Großteil seiner Altersbezüge statt mit einer Kürzung von nur 24 x 0,3 %, d.h. mit 7,2% Abschlag, nunmehr mit einer Kürzung von 28 x 0,3 %, d.h. mit 8,4 % Abschlag, rechnen. Somit habe er u.a. deshalb einen wichtigen Grund für den Abschluss des ATZ-Vertrages gehabt. Das ALG sei ihm daher ohne Sperrzeit mit ungekürzter Anspruchsdauer für 720 Tage zu bewilligen gewesen.
Mit Änderungsbescheiden vom 18. Juni 2015 und 8. Juli 2015 hat die Beklagte den Leistungsbetrag für die Zeit vom 24. August 2015 bis 22. Februar 2017 unter Beibehaltung der ursprünglichen Anspruchsdauer neu festgesetzt, zuletzt gänzlich ohne Anrechnung von Nebeneinkommen. Ebenso zahlt die Beklagte für die Zeit des Arbeitslosengeldbezuges einen Beitragszuschuss zum berufsständischen Versorgungswerk der Rechtsanwälte. 

Mit Urteil vom 12. Oktober 2016 hat das Sozialgericht die Klage als unbegründet abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: 
„Der Kläger ist durch die angefochtenen Bescheide nicht beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 SGG, denn diese sind rechtmäßig. Er hat im Zeitraum vom 01.06.2015 bis 23.08.2015 keinen Anspruch auf Zahlung von Arbeitslosengeld, denn die Beklagte hat für diesen Zeitraum zutreffend den Eintritt einer Sperrzeit festgestellt. Die Bezugsdauer mindert sich um 180 Tage.
Gegenstand des Verfahrens sind der Sperrzeitbescheid vom 08.04.2015 und der Leistungsbescheid vom 09.04.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.05.2015. Bewilligungsbescheid und Sperrzeitbescheid sind untrennbar miteinander verbunden und bilden eine Einheit (BSG, Urteil vom 05.08.1999 - B 7 AL 14/99 R; v. 12.05.2012 - B 11 AL 6/11 R). Daher ist davon auszugehen, dass sich der Widerspruchsbescheid auf beide Bescheide bezieht, auch wenn er den Bewilligungsbescheid nicht ausdrücklich erwähnt. 
Nach § 159 Abs. 1 Satz 1 SGB III ruht der Anspruch für die Dauer einer Sperrzeit, wenn sich die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer versicherungswidrig verhalten hat, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben. Nach § 159 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB III liegt versicherungswidriges Verhalten vor, wenn die oder der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst oder durch ein arbeitsvertragswidriges Verhalten Anlass für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses gegeben und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat (Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe).
Der Kläger hat durch den Abschluss des Altersteilzeitvertrages sein unbefristetes Arbeitsverhältnis in ein befristetes umgewandelt. Mit Abschluss des Vertrags am 19.12.2006 hat er sich bewusst mit Wirkung zum 31.05.2015 von seinem Beschäftigungsverhältnis gelöst. Der Kläger hat seine Arbeitslosigkeit auch grob fahrlässig herbeigeführt, da er bei Abschluss des Aufhebungsvertrages keine Aussicht auf ein Anschlussarbeitsverhältnis hatte (BSG v. 13.08.1986, 7 Rar 1/86). Er hat die für den Eintritt der Sperrzeit maßgebliche Beschäftigungslosigkeit (BSG, Urteil vom 05.08.1999 - B 7 AL 14/99 R; v. 25.04.2002 - B 11 AL 65/01 R) zum 31.05.2015 bewusst in Kauf genommen. 
Der Kläger hatte keinen wichtigen Grund im Sinne der gesetzlichen Regelungen, der den Eintritt einer Sperrzeit verhindert. Das Institut der Sperrzeit dient dazu, Manipulationen des in der Arbeitslosenversicherung gedeckten Risikos entgegenzuwirken. Die Versichertengemeinschaft soll typisierend gegen Risikofälle geschützt werden, deren Eintritt der Versicherte selbst zu vertreten hat bzw. die durch ein Zusammenwirken von Arbeitgeber und Arbeitnehmer entstehen (BSG 84, 225, 230). Über das Vorliegen eines wichtigen Grunds ist unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu entscheiden. Eine Sperrzeit soll nur eintreten, wenn dem Versicherten unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung seiner Interessen mit den Interessen der Versichertengemeinschaft ein anderes Verhalten zugemutet werden kann. Dies ist nicht nach den subjektiven Vorstellungen des Arbeitslosen zu beurteilen, sondern ein wichtiger Grund im Sinne des Sperrzeitrechts muss objektiv gegeben sein (BSG, Urteil vom 14.09.2010 - B 7 AL 33/09 R; v. 02.05.2012 - B 11 AL 6/11 R). Für die Beurteilung des wichtigen Grundes ist hierbei auf den Zeitpunkt des Lösungstatbestandes abzustellen, vorliegend den Abschluss des Vertrages vom 19.12.2006.
Ein wichtiger Grund ist vorliegend nicht nachgewiesen. Ein solcher ist anzuerkennen, wenn der Arbeitnehmer bei Abschluss einer Altersteizeitvereinbarung beabsichtigt hatte, nach deren Ende nahtlos aus dem Arbeitsleben auszuscheiden (BSG, Urteil vom 21.07.2009 – B 7 AL 6/08 R). Dies ergibt sich unter Berücksichtigung der Überlegungen des Gesetzgebers zur Einführung der Altersteilzeit. Regelungsziel war es, die Praxis der Frühverrentung durch eine sozialverträgliche Möglichkeit eines gleitenden Übergangs vom Erwerbsleben in den Ruhestand (Altersteilzeitarbeit) abzulösen (BR-Drs. 208/96, S. 1, 22). Einem Arbeitnehmer, der sich entsprechend dieser Gesetzesintention verhält, ist der Abschluss einer Altersteilzeitvereinbarung nicht vorzuwerfen. Dem Ziel des Altersteilzeitgesetzes, eine Nahtlosigkeit zwischen der Altersteilzeitbeschäftigung und dem Rentenbeginn - ohne den Zwischenschritt der Arbeitslosigkeit mit Leistungsbezug durch die Bundesagentur für Arbeit - zu erreichen, kann nur Rechnung getragen werden, wenn nach der Altersteilzeit auch tatsächlich nahtlos eine Rente beantragt werden sollte (BSG, Urteil vom 21.07.2009 - B 7 AL 6/08 R). 
Für die Prognose ist unter anderem von Bedeutung, von welchen Voraussetzungen der Arbeitnehmer bei Abschluss des ATZ-Vertrages ausgegangen ist. Die Beurteilung seines künftigen Verhaltens ist damit abhängig von der rentenrechtlichen Situation und davon, ob beziehungsweise wie der Arbeitnehmer diese unter Berücksichtigung welcher Kenntnisse beziehungsweise Nachfragen bei sachkundigen Stellen eingeschätzt hat (vgl. BSG, a. a. O., Rd. 14). Ferner kann sich ein wichtiger Grund daraus ergeben, dass dem Arbeitnehmer, wenn er nicht die entsprechende Vereinbarung mit dem vormaligen Arbeitgeber getroffen hätte, eine betriebsbedingte Kündigung gedroht hätte (BSG, Urteil vom 21.07.2009   B 7 AL 6/08 R). 
Vorliegend gibt es aber weder Nachweise dafür, dass der Kläger bei Abschluss des Altersteilzeitvertrages am 19.12.2006 tatsächlich die Absicht hatte, am 31.05.2015 aus dem Erwerbsleben auszuscheiden, um Altersrente in Anspruch zu nehmen, noch finden sich Anhaltspunkte, die bei prognostischer Betrachtung eine entsprechende Annahme stützen würden.
Das Vorbringen des Klägers, aufgrund des Hinausschiebens des Rentenalters von 65 auf 67 Jahren erhöhe sich für einen wesentlichen Teil seiner Rentenbezüge die Höhe der Abschläge für die Inanspruchnahme der Versorgung mit 63 Jahren von 7,2 % auf 8,4 %, stützt diese Annahme nicht. Die Unterzeichnung des Altersteilzeitvertrages noch im Jahr 2006 verhinderte für den vor 1955 geborenen Kläger aufgrund der Übergangsregelung des § 235 Abs. 2 S. 3 SGB VI die Anhebung des Rentenalters in der gesetzlichen Rentenversicherung. Dies war dem Kläger zum Zeitpunkt der Vertragsunterzeichnung bewusst. Er erkundigte sich jedoch nach seinen Angaben nicht darüber, wie sich die Anhebung des Rentenalters auf seine übrigen Versorgungsbestandteile auswirken würde und ob dort - wie in der gesetzlichen Rentenversicherung - die Schwerbehinderung des Klägers eine abschlagsfreien Rente bzw. die Inanspruchnahme von Versorgungsbezügen bereits mit 63 Jahren ermögliche. Der Kläger hat Ansprüche aus der Versorgung der Rechtsanwälte, aus einem berufsständischen Versorgungswerk aus dem Bankenbereich sowie aus einer betrieblichen Altersversorgung und weiteren Zusatzversorgungen. Über die zu erwartende Höhe der Ansprüche aus diesen fünf Versorgungsverträgen holte der Kläger sich vor Abschluss des Altersteilzeitvertrages keine konkrete Auskunft ein. Erst drei Jahre nach Abschluss des Altersteilzeitvertrages erkundigte er sich beim Versorgungswerk der Rechtsanwälte, ob aufgrund seiner Schwerbehinderung eine abschlagsfreie Rente mit 63 Jahren möglich ist. 
Zum Zeitpunkt der Lösung seines Beschäftigungsverhältnisses hat der Kläger keine konkrete Prognose getroffen, wie hoch seine späteren Rentenbezüge bzw. seine Versorgung ausfallen würden. Eine Verschlechterung einer solchen Prognose ist damit nicht eingetreten. Es ist ohnehin fraglich, ob seine Versorgung mit Vollendung des 63. Lebensjahres tatsächlich geringer ausgefallen würde, als ihm dies im Jahr 2006 prognostiziert worden wäre. Denn seit 2006 gab es auch deutliche Steigerungen in der Rentenhöhe. Eine allgemeine Verschlechterung der finanziellen Lage des Klägers aufgrund der niedrigen Zinsen, der Erhöhung seiner Krankenversicherungsbeiträge und der Besteuerung der Renten musste der Kläger bei der Entscheidung über den Abschluss des Altersteilzeitvertrages einkalkulieren. Da der Kläger sich über die konkret zu erwartende Höhe seiner Versorgungsbezüge keine Kenntnis verschafft hat, kann nicht davon ausgegangen werden, dass er es bei Abschluss des Altersteilzeitvertrages nicht auch in Betracht gezogen hat, die Zeit bis zur Inanspruchnahme seiner Versorgungsbezüge mit dem Bezug von Alg zu überbrücken. 
Andere wichtige Gründe, wie die Drohung mit einer rechtmäßigen, betriebsbedingten Kündigung zum selben Beendigungszeitpunkt sieht das Gericht nicht.

Eine konkrete Drohung mit einer Kündigung vor Abschluss des Vertrages lag nach dem eigenen Vortrag des Klägers nicht vor. Das Gericht konnte deshalb von der Vernehmung der vom Kläger benannten Zeugen, welche die damaligen Umstände im Unternehmen bestätigen sollten, absehen. Der Kläger hat angegeben, ihm sei - ebenso wie anderen Mitarbeitern, die hierfür in Betracht kamen - schriftlich das Angebot eines Altersteilzeitvertrages gemacht worden, ohne dass zuvor ein Personalgespräch stattgefunden habe. Der Grund für den Kläger, den Vertrag abzuschließen, war nicht die Androhung einer Kündigung sondern die Befürchtung, das sich in einer wirtschaftlich schwierigen Situation befindende Unternehmen könne in Insolvenz geraten. Ein Insolvenzrisiko war aber zum Zeitpunkt des Abschlusses des Aufhebungsvertrages nicht so konkret, dass der Kläger davon ausgehen konnte, dass sein Arbeitsverhältnis aufgrund einer Zahlungsunfähigkeit seines Arbeitgebers beendet werden würde. Der Kläger hat nach Abschluss des Altersteilzeitvertrages noch jahrelang im Unternehmen gearbeitet. Das Arbeitsverhältnis endete - wie geplant - erst etwa 8 1/2 Jahre nach Unterzeichnung des Altersteilzeitvertrages. Auch die Verschlechterung seiner Position im Unternehmen, d.h. die Degradierung von der Position des Niederlassungsleiters mit Gesamtprokura zum Transaktionsmanager mit Handlungsvollmacht, stellen keinen wichtigen Grund dar, zu Lasten der Versichertengemeinschaft das Beschäftigungsverhältnis ohne Aussicht auf einen Anschlussarbeitsvertrag zu beenden. Es mag für den Kläger die richtige und objektiv nachvollziehbare Entscheidung gewesen sein, sein Beschäftigungsverhältnis für einen Zeitraum von mehr als acht Jahren abzusichern. Ein wichtiger Grund im Sinne der Sperrzeitregelung liegt indes nicht vor. 
Den Beginn und die Dauer der Sperrzeit hat die Beklagte zutreffend festgestellt. Die Sperrzeit beginnt gemäß § 159 Abs. 2 Satz 1 SGB III mit dem Tag nach dem Ereignis, das die Sperrzeit begründet hat. Im Falle eines Altersteilzeitvertrages im Blockmodell beginnt die Sperrzeit erst mit dem Ende der Freistellungsphase (Bayerisches LSG v. 02.12.2015   L 10 AL 52/15; Karmanski in Brand, SGB III, 7. Auflage, § 159 Rn. 139), denn maßgebliches Ereignis ist der Eintritt der Beschäftigungslosigkeit (BSG, Urteil vom 21.07.2009 – B 7 AL 6/08 R).
Die Dauer der Sperrzeit beträgt gemäß § 159 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 3 Satz 1 SGB III zwölf Wochen. Die Sperrzeit war nicht wegen einer besonderen Härte gemäß § 159 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2b SGB III auf sechs Wochen zu verkürzen. Die Annahme einer besonderen Härte ist gerechtfertigt, wenn nach den Gesamtumständen des Einzelfalles der Eintritt einer Sperrzeit mit der Regeldauer objektiv als unverhältnismäßig anzusehen ist 
Anhaltspunkte hierfür sieht das Gericht nicht. Der Kläger konnte sich frei entscheiden, mit 63 in Rente zu gehen und wegen des vorzeitigen Rentenbezugs bei den Versorgungswerken bzw. Zusatzversorgungen Abschläge in Kauf zu nehmen - die gesetzliche Rente stand ihm bereits mit 63 Jahren abschlagsfrei zu. Er hat die Alternative gewählt, sich erneut dem Arbeitsmarkt zur Verfügung zu stellen. Damit hat er einen Anspruch auf Arbeitslosengeld, unter Berücksichtigung der festgestellten Sperrzeit und einer Anspruchsminderung. Er kann aber einen Großteil der Zeit bis zum Bezug einer abschlagsfreien Rentenversorgung überbrücken. Diese beiden Alternativen hätte der Kläger als Rechtsanwalt bereits bei Abschluss des Altersteilzeitvertrages erkennen können bzw. er hätte sich entsprechende Auskünfte einholen können. 
Die Minderung der Anspruchsdauer um 180 Tage (ein Viertel der Anspruchsdauer) folgt aus § 148 Abs. 1 Nr. 4 SGB III. Hierbei handelt es sich um eine Rechtsfolge der Sperrzeit. Der Anspruch auf Arbeitslosengeld mindert sich um die Anzahl der Tage einer Sperrzeit; in den Fällen einer Sperrzeit von zwölf Wochen mindestens jedoch um ein Viertel der Anspruchsdauer, die der oder dem Arbeitslosen bei erstmaliger Erfüllung der Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld zusteht“.

Gegen das ihm am 21. Oktober 2016 zugestellte Urteil hat der Kläger am 4. November 2016 Berufung bei dem Hessischen Landessozialgericht in Darmstadt eingelegt, mit der Begründung, er habe bei Abschluss des Altersteilzeitvertrages am 19. Dezember 2006 die Absicht gehabt, unmittelbar nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses am 31. Mai 2015 vorgezogene Altersrente zu beanspruchen. Diese Absicht sei insbesondere durch die tatsächliche Beantragung der Altersrente bei all seinen sechs Versorgungsträgern auch hinreichend objektiviert. Er habe von allen Versorgungsträgern regelmäßig jährlich schriftlich Auskunft über die Höhe seiner Anwartschaften erhalten, weshalb er solche Auskünfte nicht habe beantragen müssen. Außerdem habe die Insolvenz seines Arbeitgebers wie auch eine betriebsbedingte Kündigung gedroht, wie aus betriebsbedingten Kündigungen anderer Mitarbeiter sichtbar und eine Vernehmung der Zeugen Dr. D. und E. ergeben werde. Diesen Risiken habe er ebenfalls mit dem Abschluss des ATZ-Vertrages vorgebeugt, der über eine Ausfallversicherung von über 200.000 € abgesichert gewesen sei. Seine Versorgung betrage trotz der zusätzlichen Versorgungsverträge nur 40 % seiner Bruttobezüge als Angestellter. Durch die Anhebung der Altersgrenze auf 67 Jahre hätte sich seine Versorgung bei Umsetzung seiner ursprünglichen Absicht noch weiter auf ein unzumutbares Niveau vermindert. Ferner habe sich durch die anhaltende Niedrigzinsphase das Versorgungsniveau der kapitalgedeckten Zusatzversicherungen erheblich vermindert, was zusätzlich ein wichtiger Grund für ihn gewesen sei, seine ursprüngliche Absicht, ab 1. Juni 2015 vorgezogene Altersrente zu beanspruchen, aufzugeben. Zum Nachweis seiner beim Abschluss des ATZ-Vertrages am 19. Dezember 2006 bestehenden Absicht, nach Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses zum 1. Juni 2015 vorgezogene Altersrente zu beanspruchen, hat der Kläger Schreiben des Versorgungswerks der Rechtsanwälte im Lande Hessen vom 5. Juni 2014, des BVV F-Stadt vom 13. Juni 2014, der G. Pensionsversicherung a. G. vom 30. Juni 2014, aus denen sich jeweils vorgezogene Rentenanträge des Klägers aus dem Monat Juni 2014 ergeben, sowie Abschriften eigener Schreiben vom 15. April 2015 an die C. GmbH und vom 7. August 2014 an die H.-AG, die ebenfalls die Beantragung vorgezogener Rentenleistungen bzw. die Rücknahme eines solchen Antrages betreffen (Bl. 246-251 Gerichtsakte – GA). 

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 12. Oktober 2016 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 8. April 2015 sowie unter Änderung des Bewilligungsbescheides vom 9. April 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Mai 2015 sowie der Änderungsbescheide vom 18. Juni 2015 und 8. Juli 2015 zu verurteilen, ihm Arbeitslosengeld ohne Minderung der Anspruchsdauer auch für die Zeit vom 1. Juni bis 23. August 2015 und vom 23. Februar bis 29. Mai 2017 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, dem Vortrag des Klägers seien keine hinreichenden objektiven Anhaltspunkte für die bei Abschluss des ATZ-Vertrages bestehende Absicht, unmittelbar im Anschluss an das Beschäftigungsverhältnis vorgezogene Altersrente beanspruchen zu wollen, zu entnehmen.

Wegen weiterer Einzelheiten und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten (GA) sowie der Leistungsakten der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Gegenstand des Berufungsverfahrens sind neben dem vom Kläger angegriffenen Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 12. Oktober 2016, dem Sperrzeitbescheid der Beklagten vom 8. April 2015 sowie dem Bewilligungsbescheid vom 9. April 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Mai 2015 auch die Änderungsbescheide der Beklagten vom 18. Juni und 8. Juli 2015, mit denen die Beklagte den Leistungsbetrag im ursprünglichen Leistungszeitraum zu Gunsten des Klägers neu festgesetzt hat, denn gemäß § 96 Abs. 1 SGG wird ein neuer Verwaltungsakt, der nach Klageerhebung (hier: 15. Mai 2015) ergeht, Gegenstand des Klageverfahrens, wenn er nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergangen ist und den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt. Dies ist hier der Fall, wobei der letzte Änderungsbescheid vom 8. Juli 2015 zwar erst ab 1. September 2015 und damit nach Ende der Sperrzeit beginnt, aber mit dem Leistungsende am 22. Februar 2017 die Minderung der Anspruchsdauer übernimmt. 

Da sich der Kläger auch gegen die Minderung der Anspruchsdauer um 180 Tage wendet, ist sein Begehren im Wege der Auslegung so zu verstehen, dass er auch Arbeitslosengeld für die restliche Anspruchsdauer von 96 Tagen und somit vom 23. Februar bis 29. Mai 2017 begehrt, wie er auch selbst in seiner Klageschrift vom 12. Mai 2015 zum Ausdruck gebracht hatte. Zwar war sein erstinstanzlich zu Protokoll erklärter Klageantrag nur im Sinne einer Anfechtung gegen die Minderung der Anspruchsdauer aufgenommen worden, insoweit ist jedoch noch im Berufungsverfahren der Übergang von der reinen Anfechtungs- zur Leistungsklage im Wege der Klageerweiterung gemäß §§ 153 Abs. 1, 99 Abs. 3 Nr. 2 SGG zulässig (siehe: B. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Lei-therer/Schmidt, SGG-Kommentar, 12. Aufl. 2017, § 99 Rn. 4 m.w.N.), sofern der erstinstanzliche Klageantrag nicht schon durch Auslegung als Leistungsantrag aufzufassen ist, weil der Kläger als Rechtsanwalt insoweit über ausreichende Rechtskunde verfügen sollte. 

Die zulässige Berufung des Klägers ist auch in der Sache begründet.
Das klageabweisende Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 12. Oktober 2016 war daher ebenso wie der rechtswidrige Sperrzeitbescheid der Beklagten vom 8. April 2015 aufzuheben, denn die Voraussetzungen für die Feststellung einer Sperrzeit vom 1. Juni bis 23. August 2015 sowie einer Minderung der Anspruchsdauer auf Arbeitslosengeld um 180 Tage lagen nicht vor. Dementsprechend war dem Kläger, der sein Begehren nunmehr insgesamt mit der statthaften Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4 SGG) verfolgt, unter Abänderung des Bewilligungsbescheides vom 9. April 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Mai 2015 sowie der Änderungsbescheide vom 18. Juni und 8. Juli 2015 Arbeitslosengeld (ohne Minderung der Anspruchsdauer) auch für die Zeit vom 1. Juni 2015 bis 23. August 2015 und vom 23. Februar bis 29. Mai 2017 zu gewähren.
Der Kläger hat am 1. Juni 2015 ein Stammrecht auf ALG erworben, weil er die Regelvoraussetzungen des Anspruchs hierfür erfüllt (§ 137 Abs. 1 SGB III). Er hat sich bei der Beklagten am 12. Januar 2015 zum 1. Juni 2015 arbeitslos gemeldet (§§ 137 Abs. 1 Nr. 2, 141 SGB III), die Anwartschaftszeit erfüllt (§§ 137 Abs. 1 Nr. 3, 142 SGB III) und er war auch arbeitslos (§§ 137 Abs. 1 Nr. 1, 138 SGB III). Zu Unrecht hat das Sozialgericht (SG) angenommen, dass der Zahlungsanspruch auf ALG wegen des Eintritts einer Sperrzeit ruhte. Nach § 159 Abs. 1 Satz 1 SGB III ruht der Anspruch für die Dauer einer Sperrzeit, wenn sich ein Arbeitnehmer versicherungswidrig verhalten hat, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben. Versicherungswidriges Verhalten liegt nach § 159 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Halbsatz 1 Alt. 1 SGB III vor - nur dieser Tatbestand kommt hier in Betracht -, wenn der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat (Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe). Die Sperrzeit beginnt nach § 159 Abs. 2 Satz 1 SGB III mit dem Tag nach dem Ereignis, das die Sperrzeit begründet, also in Anwendung des Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 mit dem ersten Tag der Beschäftigungslosigkeit. Zutreffend ist das SG davon ausgegangen, dass der Kläger das Beschäftigungsverhältnis dadurch gelöst hat, dass er mit seiner Arbeitgeberin im Rahmen einer Altersteilzeitvereinbarung das unbefristete Arbeitsverhältnis in ein befristetes umgewandelt hat. Dadurch ist er nach dem Ende der Freistellungsphase zum 1. Juni 2015 - wegen der bis dahin bestehenden Bindungen nicht aber schon vorher - beschäftigungslos geworden. Der Kläger hat seine Arbeitslosigkeit auch zumindest grob fahrlässig herbeigeführt. Löst ein Arbeitnehmer sein Beschäftigungsverhältnis, führt er seine Arbeitslosigkeit jedenfalls dann grob fahrlässig herbei, wenn er nicht mindestens konkrete Aussichten auf einen Anschlussarbeitsplatz hat (vgl. BSG vom 17.11.2005   B 11a/11 AL 49/04 R - SozR 4-4300 § 144 Nr. 10 Rn. 14; BSG vom 2.5.2012 - B 11 AL 6/11 R - BSGE 111, 1 = SozR 4-4300 § 144 Nr. 23, Rn.15). Solche konkreten Aussichten bestanden unzweifelhaft nicht. Doch kann sich der Kläger für sein Verhalten auf einen wichtigen Grund berufen. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG ist über das Vorliegen eines wichtigen Grundes unter Berücksichtigung des Ziels der Sperrzeitregelung zu entscheiden. Diese soll die Versichertengemeinschaft vor Risikofällen schützen, deren Eintritt der Versicherte selbst zu vertreten hat; eine Sperrzeit soll nur eintreten, wenn dem Versicherten unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung seiner Interessen mit den Interessen der Versichertengemeinschaft ein anderes Verhalten zugemutet werden kann. Dies ist nicht nach den subjektiven Vorstellungen des Arbeitslosen zu beurteilen, ein wichtiger Grund im Sinne des Sperrzeitrechts muss vielmehr objektiv gegeben sein (BSG vom 14.9.2010   B 7 AL 33/09 R - SozR 4-4300 § 144 Nr. 21 Rn. 12; BSG vom 2.5.2012   B 11 AL 6/11 R - BSGE 111, 1 = SozR 4-4300 § 144 Nr. 23, Rn. 17; Voelzke, NZS 2005, 281, 285; Eicher, SGb 2005, 553, 555). Dabei hat der wichtige Grund nicht nur die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses, sondern gerade auch den konkreten Zeitpunkt der Beendigung zu umfassen (BSG vom 17.10.2002 - B 7 AL 136/01 R - SozR 3-4300 § 144 Nr. 12 S 34; BSG vom 17.11.2005 - B 11a/11 AL 49/04 R - SozR 4-4300 § 144 Nr. 10 Rn. 17). Im Falle der Lösung des Beschäftigungsverhältnisses durch Altersteilzeitvertrag hat der 7. Senat des BSG mit Urteil vom 21.7.2009 (B 7 AL 6/08 R - BSGE 104, 90 = SozR 4-4300 § 144 Nr. 18) diese Rechtsprechung konkretisiert. Ein Arbeitnehmer kann sich auf einen wichtigen Grund berufen, wenn er bei Abschluss der Vereinbarung beabsichtigt, nahtlos von der Freistellungsphase der Altersteilzeit in den Rentenbezug zu wechseln, und eine entsprechende Annahme prognostisch gerechtfertigt ist. Die Beurteilung des künftigen Verhaltens des Arbeitnehmers ist dabei abhängig von der rentenrechtlichen Situation und davon, ob bzw. wie er diese unter Berücksichtigung seiner Kenntnisse und Nachfragen bei sachkundigen Stellen eingeschätzt hat. Der Gesetzgeber hat mit der Einführung der Altersteilzeit das Ziel verfolgt, die Praxis der Frühverrentung durch eine neue, sozialverträgliche Möglichkeit eines gleitenden Übergangs vom Erwerbsleben in den Ruhestand (Altersteilzeitarbeit) abzulösen. Es war das erklärte Ziel des Gesetzgebers, der Frühverrentungspraxis unter Nutzung des damals rechtlich möglichen vorgezogenen Altersruhegeldes wegen Arbeitslosigkeit entgegenzuwirken und die Sozialversicherung - insbesondere die Arbeitslosenversicherung - durch die Einführung der Altersteilzeit zu entlasten (vgl. BR-Drucks 208/96, S 1, 22 f). Vor diesem Hintergrund kann einem Arbeitnehmer, der sich dieser Gesetzesintention entsprechend verhält und nach der Altersteilzeit nahtlos in den Rentenbezug wechseln will, der Abschluss eines Altersteilzeitvertrages nicht vorgeworfen werden, wenn prognostisch, gestützt auf objektive Umstände, von einem solchen Willen zum direkten Übergang auszugehen war (BSG, Urteil vom 12. September 2017 – B 11 AL 25/16 R – Juris Rn. 17, 18).
So aber liegt der Fall hier. Der Kläger war über die Höhe seiner Versorgungsanwartschaften durch laufende jährliche Auskünfte informiert. Maßgeblich sind für den erkennenden Senat im Rahmen der freien Beweiswürdigung (§§ 153 Abs. 1, 128 Abs. 1 SGG) für den bei Abschluss des ATZ-Vertrages vorliegenden Willen des Klägers, im unmittelbaren Anschluss an sein Beschäftigungsverhältnis vorgezogene Altersrente beanspruchen zu wollen, insbesondere seine Schreiben vom 19. September 2009 und vom 19. November 2010 an die DRV Bund sowie die durch entsprechende Schreiben verschiedener Versorgungsträger bestätigte Beantragung von Leistungen spätestens ab 1. Juni 2015, insbesondere des Versorgungswerks der Rechtsanwälte im Lande Hessen vom 5. Juni 2014 (Bl. 246 GA), mit dem der Eingang des Antrages auf „vorgezogene Altersrente ab dem 01.06.2015“ bestätigt wird. Hierbei ist auch von Bedeutung, dass der Bezug einer vorgezogenen Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung einen Anspruch auf Arbeitslosengeld vollständig und aus der berufsständischen Versorgung der Rechtsanwälte zumindest teilweise, sofern die Versorgungsleistung mindestens den Betrag des Arbeitslosengeldes erreicht auch vollständig, zum Ruhen bringt (§ 156 Abs. 1 S. 1 Nr. 4, Abs. 2 Nr. 3b SGB III, Düe in Brand, SGB III, 7. Aufl. 2015, § 156 Rn. 43, 44; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 28. November 2007, L 11 AL 429/05, Juris Rn. 21 ff.).
Zur Überzeugung des Senats ist die tatsächliche Antragstellung für den auch bei dem wesentlich früheren Abschluss des ATZ-Vertrages bestehenden Willen ein mindestens gleich starkes Indiz, wie die Einholung von Informationen zur Voraussetzungen und Höhe eines Rentenanspruchs vor Abschluss der ATZ-Vereinbarung, auch wenn die Rentenanträge dann nachträglich – wie hier – zurückgenommen wurden. Wie das BSG in der bereits zuvor zitierten Entscheidung (a.a.O. Rn. 19 ff) ausgeführt hat, ist die Absicht, bei Abschluss des Altersteilzeitvertrages nach dem Ende der Altersteilzeit aus dem Arbeitsleben auszuscheiden und sich nicht erneut dem Arbeitsmarkt zur Verfügung zu stellen, objektiv ausreichend belegt, wenn sich der Leistungsempfänger bereits vor Abschluss der Altersteilzeitvereinbarung bei einer Rentenstelle über die Möglichkeit des objektiv möglichen vorgezogenen Rentenbezugs mit einem Rentenabschlag sowie die zu erwartende Rentenhöhe informiert hat. Nichts anderes kann gelten, wenn ein solcher Antrag – wie hier – rechtzeitig gestellt wurde und der Kläger, wie er glaubhaft versichert, über die Höhe der zu erwartenden Versorgungsleistungen bzw. Anwartschaften ohnehin regelmäßig unterrichtet wurde. 
Ob die in seinem Schreiben vom 18. Februar 2014 an die Beklagte zum Ausdruck kommende zwischenzeitliche Entscheidung des Klägers, sich entgegen seiner früheren Absicht dennoch arbeitslos zu melden, den Rentenbeginn hinauszuschieben und (erst) ab 1. Juni 2017 Rente bzw. Versorgungsleistungen in Anspruch zu nehmen, auf den nachträglich eingetretenen Minderungen sowohl in der gesetzlichen Rentenversicherung (durch Anhebung der Regelaltersgrenze auf das 67. Lebensjahr gemäß § 36 SGB VI in der Fassung vom 20. April 2007) als auch in der privaten kapitalgedeckten Versorgung aufgrund der Niedrigzinsphase beruhen, wie der Kläger für den Senat glaubhaft versichert, kann letztlich dahingestellt bleiben. Dieser offenbar nur zwischenzeitlichen Änderung des ursprünglichen Planes kommt keine maßgebliche Bedeutung zu, denn es bedarf bezüglich des wichtigen Grundes keiner retrospektiven Prüfung, sondern allein einer in die Zukunft gerichteten Prognose und damit einer ex-ante-Betrachtung ausgehend vom Zeitpunkt des Lösungstatbestandes. Tatbestandlich knüpft § 159 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Halbsatz 1 Alt. 1 SGB III allein an das (versicherungswidrige) Verhalten des Arbeitnehmers an, das zur Lösung des Beschäftigungsverhältnisses geführt hat. Das Vorliegen eines wichtigen Grundes ist deshalb nicht nur inhaltlich, sondern auch zeitlich bezogen auf diesen das Beschäftigungsverhältnis auflösenden Akt zu prüfen. Maßgeblich sind allein die Verhältnisse zum Zeitpunkt des Sperrzeitereignisses; einem späteren Verhalten kommt für die Frage, ob der Versicherte für sein Verhalten einen wichtigen Grund hatte, keine Bedeutung mehr zu (so ausdrücklich: BSG, a.a.O., Rn. 21-24 m.w.N.), wenn - wie hier - bei Abschluss des ATZ-Vertrages der (durch die spätere tatsächliche Antragstellung) objektivierte Wille bestand, unmittelbar im Anschluss an das Beschäftigungsverhältnis „in Rente“ zu gehen.
Damit war auch die Minderung der Anspruchsdauer gemäß § 148 Abs. 1 Nr. 4 SGB III von ursprünglichen 720 Tagen um 180 Tage aufzuheben und Arbeitslosengeld sowohl für die Sperrzeit vom 1. Juni bis 23. August 2015 als auch für die restliche Anspruchsdauer von 96 Tagen vom 23. Februar bis 29. Mai 2017 zu bewilligen, in der der Kläger weiterhin arbeitslos war und die Regelvoraussetzungen des Anspruchs nach § 137 Abs. 1 SGB III erfüllte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Der Senat hat die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen, weil er der Frage, ob zur Beurteilung des Willens des beteiligten Arbeitnehmers bei Abschluss eines ATZ-Vertrages auch auf erst nach Vertragsschluss eingetretene Tatsachen abgestellt werden kann, grundsätzliche Bedeutung beimisst.

Rechtskraft
Aus
Saved