S 14 R 595/13

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Darmstadt (HES)
Sachgebiet
Rentenversicherung
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 14 R 595/13
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 2 R 82/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 13 R 205/20 B
Datum
Kategorie
Urteil

1.    Der Bescheid der Beklagten vom 09.11.12 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.11.13 wird aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin aufgrund ihres Antrages vom 19.10.12 aus der Versicherung ihres am xx.xx.12 verstorbenen Ehemannes eine Witwenrente in gesetzlicher Höhe zu gewähren. 
 
2.    Die Beklagte hat der Klägerin ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten. 
 
  
T a t b e s t a n d 
 
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beklagte der Klägerin eine Witwenrente bewilligen muss oder ob eine sogenannte Versorgungsehe vorliegt. 

Die 1961 geborene Klägerin heiratete am 28.02.2012 ihren am xx.xx.2012 verstorbenen Ehemann D. A. Dieser war bei der Beklagten rentenversichert. Am 19.10.2012 beantragte sie die Gewährung einer Witwenrente aus der Versicherung ihres 1953 geborenen Ehemannes.  

Die Klägerin und der Versicherte lebten seit etwa 30 Jahren in einem gemeinsamen Haushalt. Sie haben zwei gemeinsame Kinder (die 1984 geborene Zeugin und die 1993 geborene E.) sowie ein 2005 geborenes Enkelkind. Die Tochter E. lebte zum Zeitpunkt der Eheschließung weiterhin im Haushalt der Eltern. Der Verstorbene war seit 2002 arbeitslos und bezog seit 2005 Arbeitslosengeld II. Die Klägerin arbeite seit dem 01.08.2011 bei der Gemeinde A-Stadt mit schwankendem Einkommen. Im Zeitraum vom Oktober 2012 bis Januar 2013 betrug das Arbeitsentgelt durchschnittlich 745,60 Euro im Monat. Am 04.08.2011 machte der Versicherte im Rahmen der Feier zum 50. Geburtstag der Klägerin öffentlich einen Heiratsantrag. Ab Herbst 2011 hatte der Versicherte dann 40 kg abgenommen und ließ sich am 30.01.2012 von seinem Hausarzt untersuchen. Er berichtete, es gehe ihm nicht so gut und er habe keinen Appetit. Eine Untersuchung ergab einen Ikterus mit dem dringenden Verdacht einer Gallengangstenose bzw. Pankreasaffektion, weswegen er sofort zur Behandlung und Diagnostik in das Kreiskrankenhaus Bergstraße eingewiesen wurde. Dort stellten die Ärzte Anfang Februar einen Bauchspeicheldrüsenkrebs mit Metastasen in der Leber fest. Nach Entlassung des Versicherten aus dem Krankenhaus am 22.02.2012 meldete die Klägerin die Eheschließung am 27.02.2012 an, nachdem sie am 23.02.2012 die entsprechenden Unterlagen besorgt hatte. Die Eheschließung erfolgte am 28.02.2012. Am 06.03.2012 begann eine palliative Chemotherapie. Vom 22.03.2012 bis 12.04.2012 nahm der Versicherte an einer Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation teil, aus der er arbeitsunfähig entlassen wurde. Am 02.10.2012 verstarb der Versicherte. 

Die Klägerin beantragte am 19.10.2012 eine Hinterbliebenenrente. Mit Bescheid vom 09.11.2012 lehnte die Deutsche Rentenversicherung Hessen die Gewährung von Witwenrente aus der Versicherung des Versicherten ab, da die Eheschließung nach dem 31.12.2001 erfolgte und die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert habe, so dass die gesetzliche Vermutung einer sogenannten „Versorgungsehe“ eingreife. 

Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin am 30.11.2012 Widerspruch. Zur Begründung trug sie vor, dass der Grund für die Heirat die gemeinsamen Kinder und Enkelkinder gewesen seien. Ihr Ehemann habe ihr bereits am 04.08.2011 einen Heiratsantrag auf einem Familienfest gemacht habe und die Hochzeit sei erst für Januar, dann Anfang Februar 2012 geplant gewesen. Wegen der Erkrankung ihres Ehemannes dann aber auf Ende Februar zurückgestellt worden, als es ihm wieder besser gegangen sei. Die Eheringe seien aber bereits Mitte Januar 2012 ausgesucht worden. Zum Zeitpunkt der Hochzeit sei niemand davon ausgegangen, dass der Ehemann am xx.xx.2012 versterben werde. Mit der Heirat hätten sie ihren Enkelkindern vermitteln wollen, dass eine Ehe erstrebenswert sei und dass es wichtig sei, die familiäre Zusammengehörigkeit durch die Ehe zu festigen. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 07.11.2013 zurück, da die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert habe (§ 46 Abs. 2a SGB VI) und daher eine Versorgungsehe vermutet werde. Diese Vermutung sei von der Klägerin nicht widerlegt worden.  

Gegen den Widerspruchsbescheid hat die Klägerin am 11.12.2013 Klage vor dem Sozialgericht Darmstadt erhoben. 

Die Klägerin trägt vor, sie habe fast 30 Jahre mit ihrem verstorbenen Ehemann zusammengelebt und sie hätten gemeinsame Kinder und ein Enkelkind. Ihr Ehemann habe sich nach einer gescheiterten Ehe über Jahre gegen eine neuerliche Ehe gewehrt. Erst nach der Geburt des Enkelkindes habe sich dies geändert. Nach der Verlobung am 04.08.2011 sollte die standesamtliche Hochzeit eigentlich noch im Jahr 2011 stattfinden. Es sei aber kein gemeinsamer Tag mit der Familie gefunden worden, weswegen die Hochzeit dann für Anfang Februar 2012 geplant wurde, dann aber wegen der Erkrankung nochmals zurückgestellt wurde. Bis zur Aufnahme ins Krankenhaus sei allen unbekannt gewesen, dass der Kläger an einem Bauchspeicheldrüsenkrebs litt und es rechnete auch bei der Hochzeit niemand mit einem Todeseintritt im Oktober 2012. Auch nach der Entlassung habe niemand geahnt, dass der Ehemann krankheitsbedingt versterben werde (siehe Entlassungsbericht vom 29.02.2012). Die behandelnden Ärzte hätten mit niemanden über den tödlichen Verlauf gesprochen. Zweck der Eheschließung sei nicht die Versorgungsabsicht, sondern die Erfüllung des Eheversprechens vom 04.08.2011 gewesen. 

Die Klägerin beantragt, 
den Bescheid der Beklagten vom 09.11.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.11.2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin aufgrund ihres Antrags vom 19.10.2012 eine Witwenrente aus der Versicherung ihres am xx.xx.2012 verstorbenen Ehemannes zu gewähren. 

Die Beklagten beantragt, 
die Klage abzuweisen. 

Die Beklagte verweist auf ihren Vortrag im Widerspruchsverfahren und trägt vor, dass die Klägerin und der Versicherte bereits während der stationären Behandlung vom 30.01.2012 bis 22.02.2012 über die unheilbare, weit fortgeschrittene Krebserkrankung informiert worden seien. Die Lebensbedrohlichkeit habe der Klägerin und dem Versicherten bewusst sein müssen. Die gesetzliche Vermutung einer Versorgungsehe sei nicht widerlegt. 
Das Gericht hat Unterlagen von den behandelnden Ärzten des Versicherten angefordert. 

Zur Akte sind gelangt ein Befundbericht des Arztes für Allgemeinmedizin Dr. F. vom 20.03.2014 sowie die Beantwortung der Fragen vom 09.10.2014 und der Onkologin Dr. G. von Februar 2014 und 14.10.2014. Darüber hinaus hat das Kreiskrankenhauses Bergstraße die Krankenunterlagen über den Versicherten übersandt und die zusätzlichen Fragen am 14.10.2014 zu den Überlebenschancen und der Aufklärung des Versicherten und der Klägerin beantwortet. 
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakte Bezug genommen. 
 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e 

Die Klage hat Erfolg, da sie zulässig und begründet ist. 
 
Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig, weil die Klägerin einen Anspruch auf Gewährung einer Witwenrente nach § 46 Abs. 2 S. 1 des Sechsten Sozialgesetzbuches (SGB VI) hat. Danach hat eine Witwe, die nicht wieder geheiratet hat, Anspruch auf eine Witwenrente, nach dem Tod des versicherten Ehegatten, der die allgemeine Wartezeit erfüllt hat. Zudem muss die Witwe entweder ein eigenes Kind oder ein Kind des versicherten Ehegatten, das das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, erziehen oder das 47. Lebensjahr vollendet haben oder erwerbsgemindert sein. Der am xx.xx.2012 verstorbene Ehemann hat ausweislich seines Versicherungsverlaufs die allgemeine Wartezeit erfüllt und die Klägerin hat zum Zeitpunkt des Todes Ihres Ehemannes das 47. Lebensjahr vollendet und nicht wieder geheiratet. 
Entgegen der Ansicht der Beklagten ist der Anspruch auch nicht wegen § 46 Abs. 2a SGB VI ausgeschlossen. Danach haben Witwen oder Witwer keinen Anspruch auf Witwenrente oder Witwerrente, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen. 

Die Ehe zwischen der Klägerin und ihrem verstorbenen Ehemann hat vom 28.02.2012 bis 02.10.2012 weniger als ein Jahr gedauert.  
§ 46 Abs. 2a SGB VI enthält eine gesetzliche Vermutung, mit der (widerlegbar) unterstellt wird, dass beim Tod des Versicherten innerhalb eines Jahres nach der Eheschließung die Erlangung einer Versorgung Ziel der Eheschließung war. Die Widerlegung der Rechtsvermutung erfordert nach § 202 SGG iVm. § 292 Zivilprozessordnung (ZPO) den vollen Beweis des Gegenteils. Die bloße Erschütterung der gesetzlichen Vermutung durch Beweis ihrer möglichen Unrichtigkeit genügt nicht, erforderlich ist der volle Beweis des Gegenteils der gesetzlichen Vermutung (Greger, in: Zöller, Zivilprozessordnung, 31. Aufl. 2016, § 292 ZPO, Rn. 2). Die Kammer muss im Wege freier Beweiswürdigung die Überzeugung vom Gegenteil der Vermutung gewinnen; eine gewisse Wahrscheinlichkeit genügt nicht (Prütting, in: Münchener Kommentar, ZPO, 5. Aufl. 2016, § 292 Rn. 23). Eine Tatsache ist danach bewiesen, wenn sie in so hohem Grade wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung zu begründen (BSG, Urteil vom 05. Mai 2009, Az: B 13 R 55/08 R, Rn. 28).

Als "besondere Umstände" im Sinne des § 46 Abs. 2a SGB VI sind alle äußeren und inneren Umstände des Einzelfalles anzusehen, die auf einen von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggrund für die Heirat schließen lassen. Dabei kommt es auf die (gegebenenfalls auch voneinander abweichenden) Beweggründe (Motive, Zielvorstellungen) beider Ehegatter an (BSG, Urteil vom 05. Mai 2009, Az: B 13 R 55/08 R, Rn. 20). Die "Annahme" des anspruchsausschließenden Vorliegens einer Versorgungsehe bei einer Ehedauer von nicht mindestens einem Jahr ist nur dann nicht gerechtfertigt, wenn die Gesamtbetrachtung und Abwägung der Beweggründe beider Ehegatten für die Heirat ergibt, dass die von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggründe insgesamt gesehen den Versorgungszweck überwiegen oder zumindest gleichwertig sind. Es ist daher auch nicht zwingend, dass bei beiden Ehegatten andere Beweggründe als Versorgungsgesichtspunkte für die Eheschließung ausschlaggebend waren. Vielmehr sind die von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggründe in ihrer Gesamtbetrachtung auch dann noch als zumindest gleichwertig anzusehen, wenn nachweislich für einen der Ehegatten der Versorgungsgedanke bei der Eheschließung keine Rolle gespielt hat (BSG, Urteil vom 05. Mai 2009, Az: B 13 R 55/08 R, Rn. 21). Die gegen eine Versorgungsehe sprechenden Umstände müssen umso gewichtiger sein, je offenkundiger und je lebensbedrohlicher eine Krankheit bei Eheschließung war; mit dem Grad der Lebensbedrohlichkeit einer Krankheit und dem Grad der Offenkundigkeit steigt der Grad des Zweifels an den zu beweisenden "besonderen Umständen" (vgl. BSG vom 5. Mai 2009, Az: B 13 R 55/08 R, juris Rn. 27; Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 24. Juli 2015, Az: L 5 R 39/14, juris Rn. 48). Gegen eine Versorgungsehe sprechen hingegen grundsätzlich ein plötzlicher unvorhersehbarer Tod (z.B. Arbeits-/Verkehrsunfall, Verbrechen, Infektionskrankheit), wenn die tödlichen Folgen einer Krankheit bei Eheschließung nicht vorhersehbar waren, wenn Ausländer eine im Inland ungültige – nach ausländischem Recht gültige – Ehe in einer gültigen deutschen Trauung nachholen, wenn gemeinsame leibliche Kinder vorhanden sind, wenn der Hinterbliebene ein minderjähriges Kind des Verstorbenen erzieht oder wenn die Heirat zur Sicherung der erforderlichen Betreuung oder Pflege des anderen Ehegatten erfolgt. Die vorgenannten Umstände sind jedoch keine pauschalisierten Widerlegungsgründe, die eine Versorgungsehe grundsätzlich ausschließen. Maßgebend sind immer die Umstände des konkreten Einzelfalles (Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 16. November 2011, Az.: L 5 R 320/10, juris Rn. 29f.). 

Gemessen an diesem Maßstab ist die Kammer der Überzeugung, dass es nicht alleiniger oder überwiegender Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen und im Falle der Eheschließung der Klägerin und des Versicherten die gesetzliche Vermutung widerlegt ist. 
Bei dem Kläger ist zwar seit Anfang Februar 2012 eine fortgeschrittene Bauchspeicheldrüsenkrebserkrankung mit Metastasen in der Leber diagnostiziert und ihm wurde nach operativem Eingriff eine palliative Chemotherapie empfohlen (vgl. den Entlassungsbericht des Kreiskrankenhaus Bergstraße vom 29.09.2012). Insofern geht die Kammer durchaus von einer erkennbar lebensbedrohlichen Erkrankung aus. Es liegt auch nicht fern, dass es dem Kläger– der sich seiner lebensbedrohlichen Situation jedenfalls bewusst sein musste – bei Eheschließung auch um die Hinterbliebenenversorgung seiner damaligen Verlobten ging. Liegt der Wunsch nach einer Hinterbliebenenversorgung allein bei einem Partner vor, ist eine überwiegende Versorgungsabsicht aber nicht anzunehmen (Bohlken, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VI, 2. Aufl. 2013, § 46 SGB VI, Rn. 113).  

Selbst wenn der Klägerin zum Zeitpunkt der Eheschließung – wie von dem Beklagten angenommen – bei Eheschließung am 28.02.2012 bewusst war, dass der Versicherte voraussichtlich in absehbarer Zeit sterben wird, liegen hier zur Überzeugung der Kammer besondere Umstände vor, die das Vorliegen einer Versorgungsehe widerlegen. Es steht nicht zur hinreichenden Überzeugung der Kammer fest, dass die Klägerin – wie von ihr und der Tochter vorgetragen – zum Zeitpunkt der Eheschließung die Lebensbedrohlichkeit der Erkrankung nicht bewusst war. Gegen ein Bewusstsein der Klägerin von dem voraussichtlichen nahen Tod des Versicherten sprechen zunächst nicht die Angaben der behandelnden niedergelassenen Ärzte im gerichtlichen Verfahren. Auf Nachfrage des Gerichts, wann die Klägerin von den Überlebenschancen in Kenntnis gesetzt wurde, teilte der Hausarzt am 09.10.2014 nur mit, dass ein Aufklärungsgespräch in der Klinik geführt worden sei und dem Kläger möglicherweise dort die Überlebenschancen mitgeteilt wurden. Die Onkologin Dr. H. teilte am 14.10.2014 mit, dass der Kläger bei Erstvorstellung im Februar 2012 ausführlich über seine Erkrankung und die Prognose aufgeklärt wurde. Das Kreiskrankenhaus teilte zwar mit, dass mit der Klägerin in langen ausführlichen Gesprächen über die schlechte Prognose und das angestrebte Best Supportive Care Therapieziel gesprochen wurde. Dies bezieht sich aber auf den Krankenhausaufenthalt des Klägers im September 2012 und gerade nicht auf den Zeitpunkt vor der Eheschließung. In dem erst zwei Jahre später geschriebenen Bericht wird aber erwähnt, dass ein betreuender Kollege bei dem Voraufenthalt auch die Klägerin informiert habe. Die Klägerin und die Zeugin trugen hingegen vor, dass sie erst im September 2012 von Dr. G. über die schlechte Prognose (Überleben nur noch bis Weihnachten) erfahren habe. Zudem schilderte die Klägerin auch, dass sie nach der Entlassung des Klägers aus dem Krankenhaus Ende Februar 2012 zunächst angenommen hatte, dass er die Krankheit mit der Chemotherapie noch ein paar Jahre überstehe.  

Ob der Klägerin die Lebensbedrohlichkeit der Erkrankung des Versicherten bewusst war, kann allerdings dahingestellt bleibe, denn aufgrund der Umstände im Einzelfall ist die Kammer hier jedenfalls hinsichtlich der Klägerin vom Vorliegen anderer Zwecken als einer Versorgungsabsicht überzeugt. Die wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin sind zwar nicht geeignet, die Annahme einer Versorgungsehe zu widerlegen (vgl. zu diesem Motiv: Bohlken, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VI, 2. Aufl. 2013, § 46 SGB VI, Rn. 123). Die Klägerin hätte aufgrund ihrer wirtschaftlichen Situation durchaus einen finanziellen nicht unerheblichen Vorteil durch die Gewährung von Witwenrente in Höhe von 529 Euro aus der Versicherung des Versicherten (vgl. die Testberechnung der Beklagten vom 06.03.2013). Die finanzielle Situation ist aber auch nicht geeignet, einer Überzeugung von einer nicht bestehenden Versorgungsehe von vornherein entgegenzustehen. Denn die Rente hätte zusammen mit ihren Einkünften aus der Erwerbstätigkeit nicht gereicht, um den existenzsichernden Bedarf von ihr und ihrer Tochter zu decken (vgl. den Bescheid des SGB II -Trägers vom 19.04.2012, der von einem Anspruch der Eheleute und ihrer Tochter nach Berücksichtigung des Einkommens von 1.100,43 Euro ausging).  
Allein der Umstand, dass die Klägerin und der Versicherte vor der Eheschließung am 28.02.2012 nach außen erkennbar seit etwa 30 Jahren in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft leben, kann für sich genommen sowohl ein Indiz für als auch gegen das Vorliegen einer Versorgungsehe sein (Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 24. Juli 2015, Az: L 5 R 39/14, juris Rn. 43). Im Ergebnis kann es deshalb in jedem Einzelfall nicht allein auf die Dauer des Zusammenlebens vor der Eheschließung ankommen können, sondern vielmehr entscheidend darauf, welche weiteren Begleitumstände nach einem mehr oder weniger langen Zusammenleben den Heiratsentschluss maßgeblich herbeigeführt haben (ebenda). Vorliegend spricht das lange Zusammenleben für eine nicht überwiegende Versorgungsabsicht. Denn die Klägerin und der Versicherte hatten hier bereits Heiratspläne, als die Erkrankung noch nicht diagnostiziert war (vgl. Bohlken, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VI, 2. Aufl. 2013, § 46 SGB VI, Rn. 117f.). Die Klägerin und der Versicherte hatten sich bereits mehrere Monate vor Diagnose und Kenntnis der lebensbedrohlichen Erkrankung verlobt. Sie hatten bereits vor der Erkrankung am 04.08.2011 nach außen erkennbar dokumentiert, dass sie nunmehr nach 30 Jahren heiraten und entsprechende weitergehende Fürsorge- und Einstandspflichten füreinander eingehen mögen. Der bei der Verlobung anwesende Arbeitgeber der Klägerin hatte in einer schriftlichen Mitteilung gegenüber der Beklagten mitgeteilt, dass eine Verlobung stattgefunden habe. Auch die Zeugin und die Klägerin selber hatten die Verlobung im August 2011 glaubhaft geschildert. Der Umstand, dass es anschließend erst Ende Februar 2012 zur Eheschließung gekommen ist, ändert an der Überzeugung des Gerichts nichts. Denn die Klägerin und die Zeugin hatten übereinstimmend und glaubhaft geschildert, dass diese zeitliche Verzögerung zum einen darauf beruhte, dass die Klägerin zunächst noch Ende Oktober 2011 eine Kreuzfahrt für zwölf Tage angetreten hatte und zudem nach den Feierlichkeiten zum 50. Geburtstag das Geld für eine weitere Feier knapp war. Daher konnte eine Hochzeit vor dem Krankenhausaufenthalt nicht mehr stattfinden. Die Klägerin selber schilderte leb- und glaubhaft, dass sie sich schon lange eine Eheschließung gewünscht hatte. Sie vermutete der Versicherte war wegen seiner früheren Ehefrau traumatisiert oder geschockt. Auch die Zeugin erwähnte, dass die Klägerin eigentlich schon lange mit einer Heirat gerechnet habe und ihr erzählt hätte, dass sie sich einen Antrag wünsche. Der schon lange bestehende – und damit von einer Versorgungsabsicht losgelöste – Heiratswunsch kommt auch in der schriftlichen Aussage des Arbeitgebers der Klägerin zum Ausdruck. Er hatte berichtet, dass die Klägerin bei der Annahme des Heiratsantrags in einem Unterton bemerkt habe, dass es ja auch Zeit werde. Es ist für die Kammer plausibel und nachvollziehbar, dass die Klägerin den Versicherten – nun da er ihr einen Antrag gemacht hatte – heiratete und damit ihr lang gehegter Wunsch in Erfüllung ging.  

Bei den Umständen der Eheschließung ist auch zu berücksichtigen, dass die Eheleute zwei gemeinsame Kinder hatten, sowie ein Enkelkind. Auch wenn die Kinder nicht mehr minderjährig sind, sondern die jüngste Tochter zum Zeitpunkt der Eheschließung bereits 18 Jahre alt war, hat die Klägerin überzeugend vorgetragen, dass für sie eine Hochzeit von Anfang an eigentlich dazugehört hatte. Sie wollte auch wegen der Kinder und der im Jahr 2005 geborenen Enkelkinder heiraten.  

Aus diesen Umständen bildet sich die Kammer die Überzeugung, dass es der Klägerin nicht überwiegend auf die Versorgung ankam.  

Die Kostenentscheidung beruht auf der Anwendung von § 193 SGG und folgt der Entscheidung in der Sache. 
 

Rechtskraft
Aus
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