Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Gießen vom 2. Mai 2006 wird zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin hat der Antragstellerin auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.
G r ü n d e
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Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Antragsgegnerin verpflichtet ist, die Antragstellerin vorläufig in die gesetzliche Krankenversicherung als freiwillig versichertes Mitglied aufzunehmen.
Die 1941 geborene Antragstellerin bezog von 1994 bis 31. Dezember 2004 Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) und vom 1. Januar 2005 bis 9. Februar 2006 Arbeitslosengeld II nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II). In dieser Zeit war sie pflichtversichertes Mitglied bei der Antragsgegnerin gemäß § 5 Abs. 2 a Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V). Mit Bescheid vom 11. Januar 2006 stellte die G. f. I. u. A. FX. - - die Leistungen zur Grundsicherung nach dem SGB II mit Wirkung zum 10. Februar 2006 wegen Vollendung des 65. Lebensjahres ein.
Am 13. Januar 2006 beantragte die Antragstellerin die Aufnahme in die freiwillige Krankenversicherung. Die Antragsgegnerin schaltete den M. D. d. K. () ein, der in der Stellungnahme vom 7. März 2006 nach Rücksprache mit dem behandelnden Hausarzt die Auffassung vertrat, die Antragstellerin sei zumindest seit 2004, vermutlich schon seit vielen Jahren auf Dauer erwerbsunfähig. Hierauf gestützt, lehnte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 10. März 2006 die freiwillige Weiterversicherung ab. Zur Begründung führte sie aus, die Zeit als Leistungsbezieher nach dem SGB II könne nicht berücksichtigt werden, da diese Leistung wegen fehlender Erwerbsfähigkeit zu Unrecht bezogen worden sei.
Am 27. März 2006 hat die Antragstellerin bei dem Sozialgericht Gießen im Wege der einstweiligen Anordnung beantragt, die Antragsgegnerin vorläufig zu verpflichten, sie in die freiwillige Krankenversicherung aufzunehmen, da sie dringend Krankenversicherungsschutz bedürfe. Demgegenüber vertritt die Antragsgegnerin die Auffassung, dass die Antragstellerin die Vorversicherungszeit nicht erfülle, da sie die Leistungen vom 1. Januar 2005 bis 9. Februar 2006 zu Unrecht bezogen habe. Im Übrigen fehle es an einem Anordnungsgrund, da die Antragstellerin über den Sozialhilfeträger Schutz bei Krankheit erlangen könne.
Mit Beschluss vom 2. Mai 2006 hat das Sozialgericht Gießen die Antragsgegnerin verpflichtet, die Antragstellerin vorläufig bis zur Bestandskraft des Bescheides der Antragsgegnerin vom 10. März 2006 als freiwillig Versicherte in die gesetzliche Krankenversicherung aufzunehmen. In den Gründen hat es ausgeführt: Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin habe die Antragstellerin die Voraussetzungen für den Beitritt in die freiwillige gesetzliche Krankenversicherung zum 10. Februar 2006 erfüllt, denn sie sei bis 9. Februar 2006 versicherungspflichtiges Mitglied bei der Antragsgegnerin und unmittelbar vor dem Ausscheiden aus der Versicherungspflicht mindestens 12 Monate - nämlich vom 1. Januar 2005 bis 9. Februar 2006 - gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 a SGB V durch den Bezug des Arbeitslosengeldes II pflichtversichert gewesen. Der Leistungsbezug sei auch nicht zu Unrecht erfolgt, da der Bewilligungsbescheid der nicht mit Wirkung für die Vergangenheit aufgehoben worden sei. Ein Prüfungsrecht, ob bei der Antragstellerin Erwerbsfähigkeit vorgelegen habe, stehe der Antragsgegnerin nicht zu. Dies obliege nach § 44 a SGB II allein der Agentur für Arbeit. Es liege auch ein Anordnungsgrund vor. Der Antragstellerin sei angesichts ihrer schweren Krankheit nicht zuzumuten, eine Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Sie bedürfe einer regelmäßigen medizinischen Versorgung. Die Verweisung auf die Sozialhilfe zur Deckung des medizinischen Bedarfes sei ihr in Anbetracht der eindeutigen Rechtslage nicht zumutbar.
Gegen diesen der Antragsgegnerin mit Empfangsbekenntnis vom 4. Mai 2006 zugestellten Beschluss hat sie am 12. Mai 2006 bei dem Hessischen Landessozialgericht Beschwerde eingelegt. Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten dem Hessischen Landessozialgericht vorgelegt.
Die Antragsgegnerin ist unter Bezugnahme auf Entscheidungen des Sozialgerichts Lübeck und Köln der Auffassung, dass ihr ein eigenes Prüfungsrecht im Sinne von § 9 SGB V zustehe. Sie hat des Weiteren den Widerspruchsbescheid vom 10. Juli 2006 überreicht, in dem sie ihre Auffassung bekräftigt.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Gießen vom 2. Mai 2006 aufzuheben und den Antrag zurückzuweisen.
Die Antragstellerin beantragt (sinngemäß),
die Beschwerde zurückzuweisen.
Der Senat hat mit Beschluss vom 17. August 2006 den L. G. – S. zum Verfahren beigeladen.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den übrigen Akteninhalt Bezug genommen sowie auf den der Akten der Antragsgegnerin, der Gegenstand der Beratung gewesen ist.
I I .
Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist zulässig aber unbegründet (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG).
Das Sozialgericht hat zutreffend entschieden, dass die Antragsgegnerin verpflichtet ist, die Antragstellerin vorläufig in die freiwillige Krankenversicherung aufzunehmen.
Nach § 86 b Abs. 2 S. 2 SGG kann das Gericht auf Antrag auch schon vor Klageerhebung eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn diese Regelung nötig erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden. Die tatsächlichen Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs beziehungsweise des Rechtsverhältnisses und der Grund für eine notwendige vorläufige Regelung sind glaubhaft zu machen (§ 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung - ZPO - in Verbindung mit § 86 b Abs. 2 S. 4 SGG).
Der Antragstellerin steht ein Anordnungsanspruch zu. Sie erfüllt die Voraussetzungen zur Aufnahme in die freiwillige Versicherung nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 SGB V. Danach können der Versicherung beitreten Personen, die als Mitglieder aus der Versicherungspflicht ausgeschieden sind und in den letzten fünf Jahren vor dem Ausscheiden mindestens 24 Monate oder unmittelbar vor dem Ausscheiden ununterbrochen mindestens 12 Monate versichert waren; Zeiten der Mitgliedschaft nach § 189 und Zeiten, in denen eine Versicherung allein deshalb bestanden hat, weil Arbeitslosengeld II zu Unrecht bezogen wurde, werden nicht berücksichtigt.
Wie das Sozialgericht im Einzelnen zutreffend dargelegt hat, war die Antragstellerin vom 1. Januar 2005 bis zum 9. Februar 2006 versicherungspflichtiges Mitglied bei der Antragsgegnerin und damit über 12 Monate versichert. Die Aufhebung des Bezuges von Arbeitslosengeld II durch die erfolgte wegen Vollendung des 65. Lebensjahres für die Zukunft und nicht rückwirkend.
Damit hat die Antragstellerin das Arbeitslosengeld II nicht "zu Unrecht" bezogen. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin - und den Entscheidungen des Sozialgerichts Lübeck und Sozialgerichts Köln - steht ihr aufgrund der Neuregelung des § 9 Abs. 1 Nr. 1 SGB V durch das Gesetz vom 22. Dezember 2005 (BGBl. I S. 3676) keine eigene Prüfungskompetenz hinsichtlich der Erwerbsfähigkeit zu. Nach § 44 a SGB II stellt die Agentur für Arbeit beziehungsweise der nach § 6 b SGB II zuständige Träger fest, ob der Arbeitssuchende erwerbsfähig und hilfebedürftig ist. Diese Regelung zur Feststellungsbefugnis hat zur Folge, dass der entsprechenden Entscheidung Tatbestandswirkung zukommt (vergleiche im Einzelnen: Sozialgericht Wiesbaden, Beschluss vom 19. Mai 2006 - S 17 KR 115/06 ER sowie Hessisches Landessozialgericht, Beschluss vom 7. Juli 2006 - L 8 KR 109/06 ER). Auch aus der Begründung zum Gesetzesentwurf vom 22. Dezember 2005 lässt sich für die Rechtsansicht der Antragsgegnerin nichts herleiten (Deutscher Bundestag, Drucksache 16/245 vom 14. Dezember 2005, Seite 9, 10; vgl. hierzu auch Sozialgericht Fulda, Beschluss vom 15. Mai 2006 - S 4 KR 432/06 ER).
Insbesondere ist mit der Novellierung von § 9 Abs. 1 Nr. 1 SGB V die Regelung in § 45 SGB II - gemeinsame Einigungsstelle - nicht geändert worden, wonach bei Streitigkeiten über die Erwerbsfähigkeit oder die Hilfebedürftigkeit eines Arbeitssuchenden zwischen den Trägern der Leistungen sowie bei Streitigkeiten über die Erwerbsfähigkeit mit einem Leistungsträger, der bei voller Erwerbsminderung zuständig wäre, eine gemeinsame Einigungsstelle entscheidet. Aus der Tatsache, dass die Krankenkassen nicht in den Kreis der Leistungsträger aufgenommen worden sind, die die Einigungsstelle anrufen dürfen, kann im Umkehrschluss nicht angenommen werden, dass ihnen ein eigenes Prüfungsrecht zusteht. Konsequent wäre vielmehr gewesen, sie in den Kreis der Leistungsträger aufzunehmen, die die Einigungsstelle anrufen können, was inzwischen durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitssuchende (vom 20. Juli 2006, BGBl I, 1705, in Kraft seit 1. August 2006) erfolgt ist.
Daraus folgt, dass § 9 Abs. 1 Nr. 1 SGB V auf die Fälle einer rückwirkenden Aufhebung der Leistungsbewilligung durch den Leistungsträger des SGB II beschränkt ist.
Die Antragstellerin hat den Antrag auch innerhalb der Dreimonatsfrist von § 9 Abs. 2 SGB V gestellt.
Die Antragstellerin muss sich auch nicht auf die Krankenhilfe durch den Sozialhilfeträger verweisen lassen, wie die Antragsgegnerin unter Bezugnahme auf den Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 19. September 2006 (L 5 B 376/06 ER) meint. Entgegen der dort vertretenen Auffassung hält der beschließende Senat, wie oben ausgeführt, die Rechtslage für eindeutig und das Vorliegen der Voraussetzungen einer freiwilligen Versicherung für offensichtlich gegeben. Soweit eine Klage, wie hier, in der Hauptsache Erfolg haben wird, ist dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung in der Regel stattzugeben (Sozialgericht Wiesbaden, a.a.O., MeyerLadewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Auflage, § 86 b, Rdnr. 29 m.w.N.), wobei die Antragstellerin angesichts ihres Krankheitsbildes unzweifelhaft regelmäßiger medizinischer Betreuung bedarf.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Diese Entscheidung kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht
angefochten werden (§ 177 SGG).