Gewollte motorische Abläufe wie das bewusste Ausweichmanöver beim Völkerballspiel sind generell nicht geeignet, die Zusammenhangstrennung einer gesunden Achillessehne zu bewirken.
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 9. November 2017 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Anerkennung eines Ereignisses vom 25. Juni 2013 als Arbeitsunfall.
Der 1960 geborene Kläger hielt sich vom 29. April 2013 bis zum 25. Juni 2013 zur Entwöhnung bei Alkoholabhängigkeit auf Kosten der Deutschen Rentenversicherung in der Reha-Klinik Richelsdorf auf. Beim Völkerballspiel während einer Bewegungstherapiestunde erlitt er am 25. Juni 2013 beim Ausweichen vor einem Ball einen Schmerz im rechten Bein. Nach seinen Angaben im Fragebogen der Beklagten vom 12. Juli 2013 sei er schnell seitlich abgesprungen, um dem Ball auszuweichen und ein „Abwerfen seiner Person“ zu verhindern. Dabei sei ihn plötzlich ein stechendheißer Schmerz an der Stelle an seinem rechten Bein durchfahren, an der die Achillessehne in den Wadenmuskel reiche. Er habe sofort angenommen, dass ihn ein Mitpatient an dieser Stelle mit dem Fuß getroffen habe, was aber zum späteren Zeitpunkt nicht mehr festzustellen gewesen sei. Sichtbare Verletzungen habe er nicht erlitten, eine Schwellung sei erst später erfolgt.
Der Durchgangsarzt Dr. E. stellte in seinem Bericht vom Tag des Ereignisses eine deutliche druckschmerzhafte Schwellung im myotendinösen Übergang der Achillessehne rechts fest. Sensomotorik und Durchblutung seien ohne Befund, eine Wunde habe nicht vorgelegen. Nach dem sonographischen Ergebnis bestand keine Kontinuitätsdurchtrennung der Achillessehne. Der Kläger wurde als arbeitsfähig beurteilt. In einem späteren Durchgangsarztbericht von dem Arzt F. vom 9. Juli 2013 wurde ein Muskelfaserriss der rechten Wade diagnostiziert und Arbeitsunfähigkeit vom 26. Juni 2013 bis zum 6. August 2013 festgestellt. Ein am 17. Juli 2013 durchgeführtes MRT des rechten Unterschenkels ergab eine „wahrscheinlich“ komplette Ruptur der Achillessehne im muskulotendinösen Übergang mit weitgehend erhaltenem Faszienschlauch.
Der Kläger wurde am 3. September 2013 in der Eichhof-Klinik operiert (Sehnennaht der Achillessehne rechts). In dem histo-pathologischen Bericht vom 4. September 2013 wird ein Sehnengewebe mit mukoiden Veränderungen und teils ausgedehnten reparativen Arealen passend zu einer zeitlich zurückliegenden Ruptur von der Achillessehne rechts geschildert.
Mit Bescheid vom 5. November 2013 lehnte die Beklagte Entschädigungsleistungen ab. Ein Arbeitsunfall liege nicht vor, da hier das äußere Ereignis den Gesundheitsschaden nicht rechtlich wesentlich verursacht habe. Für die unfallbedingte Zerreißung einer gesunden Achillessehne als der stärksten Sehne des Körpers werde stets ein bestimmter Mechanismus verlangt, ein direktes Trauma auf die gespannte Sehne. Ein solcher Mechanismus habe hier nicht stattgefunden. Laut Befund der feingeweblichen Untersuchung vom 4. September 2013 bestanden an der Achillessehne bereits ausgeprägte verschleißbedingte Veränderungen. Der Körperschaden sei nur gelegentlich der versicherten Tätigkeit eingetreten und wäre in absehbarere Zeit auch bei jeder normalen Verrichtung des täglichen Lebens eingetreten.
Mit seinem dagegen erhobenen Widerspruch machte der Kläger geltend, nach seiner Ansicht sei sehr wohl von einem direkten Trauma auszugehen. Zu einer Achillessehnenruptur komme es vielfach bei ungewohnten Bewegungsabläufen mit schnellem Abstoppen oder Lossprinten, wie es vorliegend bei der durchgeführten Bewegungstherapie und dem Unfallereignis der Fall gewesen sei.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 31. März 2014 zurück. Der Kläger habe nach seinem Vortrag bewusst eine seitliche Ausweichbewegung ausgeführt. Es ergebe sich kein Anhalt für eine zusätzliche und unfreiwillig zu dieser Seitbewegung plötzlich hinzugetretene unphysiologische Sehnenbelastung.
Der Kläger hat am 25. April 2014 Klage beim Sozialgericht Fulda (Sozialgericht) erhoben. Das Sozialgericht hat ein Gutachten von Amts wegen von dem Chirurgen und Unfallchirurgen Dr. G. vom 22. Februar 2016 eingeholt. Der Sachverständige hat ausgeführt, auf Grund der hier vorliegenden Befunde könne man nicht davon ausgehen, dass vorliegend äußere Gewalt auf den rechten Unterschenkel des Klägers in der Form eingewirkt habe, mit der sich eine Zusammenhangstrennung der Achillessehne erklären lasse. So fänden sich keine typischen Hautveränderungen einer lokalen Gewalteinwirkung. Nach dem Ergebnis des am 17. Juli 2013 durchgeführten MRT liege ein objektiviertes Schadensbild vor, welches typisch für eine indirekte Schädigung sei. Auch der in seiner Kontur erhaltene Bindegewebsschlauch um die Achillessehne spreche gegen ein äußeres Trauma. Der geschilderte willentliche Ereignisablauf mit einer dynamischen Wechselbelastung der Beine und einer abrupten Anspannung der Wadenmuskulatur, um dem Ball auszuweichen, habe die Achillessehne zwar physiologisch belastet, jedoch nicht zerreißen können. Das Ereignis spiegele vielmehr in klassischer Weise das Vorhandensein einer Schadensanlage wider. Auf Antrag des Klägers hat das Sozialgericht sodann ein weiteres Gutachten von dem Facharzt für Chirurgie, Unfallchirurgie und Orthopädie Prof. Dr. H. vom 11. Februar 2017 eingeholt. Der Sachverständige führt aus, entsprechend dem ersten D-Arztbericht sei davon auszugehen, dass ein Mitspieler dem Kläger mit dem Fuß gegen den rechten Unterschenkel geprallt sei, als dieser sich gerade bei einer Ausweichbewegung vor dem Ball befand, so dass der Muskel-Sehnen-Apparat erheblich vorgespannt gewesen sei. Wenn bei einer solchen maximalen Anspannung eine von außen wirkende Kraft gerade im vulnerablen Bereich zwischen Muskel und Sehne wirke, so sei dieser Mechanismus durchaus geeignet, eine Achillessehne zu verletzen. Angesichts des Alters des Klägers zum Unfallzeitpunkt sei davon auszugehen, dass degenerative Veränderungen vorgelegen haben. Allein die Wahrscheinlichkeit einer vorbestehenden Degeneration, ohne Hinweise auf vorherige Achillessehnenprobleme reichten nach seiner Auffassung jedoch nicht aus, die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines traumatischen Zusammenhangs zwischen Ereignis und Achillessehnenverletzung abzulehnen. In einer ergänzenden Stellungnahme vom 2. August 2017 hat der Sachverständige Dr. G. ausgeführt, entgegen der Einschätzung des Prof. Dr. H. sprächen hier die Befunde gegen eine relevante Trittverletzung und für eine leicht ansprechbare Schadensanlage der Achillessehne. Sei der Tritt als Ursache relevant, müsse man ihn durch einen typischen Lokalbefund beweisen können (Schürfungen, Prellmarke oder tiefreichender Weichteilschaden zusätzlich zur Ruptur). Der fehlende Beweis einer konkurrierenden Ursache beweise zudem nicht die Kausalität zum diskutierten Ereignis. Prof. Dr. H. hat dazu in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 13. September 2017 nochmals ausgeführt, sollte bei dem Kläger bei vorgespannter Achillessehne eine von außen wirkende Gewalt in Form eines Trittes gewirkt haben, sei eine traumatische Achillessehnenruptur anzunehmen.
Mit Urteil vom 9. November 2017 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Ein Arbeitsunfall sei nicht festzustellen. Eine von außen wirkende Kraft in Form eines Zusammenpralls mit einem anderen Spieler sei nicht nachgewiesen. Die Befunde sprächen hier für ein degeneratives Geschehen.
Gegen das ihm am 14. November 2017 zugestellte Urteil hat der Kläger am 14. Dezember 2017 Berufung beim Hessischen Landessozialgericht in Darmstadt eingelegt. Er trägt nunmehr vor, die Sache mit dem „Tritt“ durch einen Mitspieler habe sich erledigt, das könne er nicht beweisen. Er gehe aber davon aus, dass hier ein Störfaktor und damit eine unphysiologische Belastung der Achillesferse vorgelegen habe, weil er beim Völkerball einem Ball habe ausweichen müssen. Ein Ausweichen vor einem Ball sei mit einer Unebenheit im Boden vergleichbar und führe daher ebenso wie diese zu einer zusätzlichen Belastung der Achillessehne, die bei maximaler physiologischer Anspannung nicht mehr kompensiert werden könne. Bezüglich dieser Tatsache sei Beweis zu erheben.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 9. November 2017 sowie den Bescheid der Beklagten vom 5. November 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. März 2014 aufzuheben und festzustellen, dass das Ereignis vom 25. Juni 2013 ein Arbeitsunfall ist,
hilfsweise,
Beweis zu erheben für die Tatsache,
dass das Ausweichen vor einem Ball beim „Volleyballspiel“ (richtig: Völkerballspiel) eine geeignete Unfallmechanik darstellt, bei der auch eine gesunde Achillessehne reißen kann, durch Einholung eines Gutachtens des Unfallchirurgen J., Gutachteninstitut J., J-Straße, B Stadt.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, der Bewegungsablauf beim Völkerballspiel sei ein gewillkürter harmonischer Ablauf, bei dem ein Störfaktor nicht ersichtlich sei.
Der Senat hat in einem Erörterungstermin am 14. Juli 2020 die Beteiligten zu einem Beschluss nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) angehört und mit Verfügung vom 12. Januar 2021 darauf hingewiesen, dass er weiterhin eine solche Form der Entscheidung in Erwägung zieht.
Wegen weiterer Einzelheiten zum Sach- und Streitstand sowie zum Vorbringen der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakten (Band I und II) sowie auf die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die zum Verfahren beigezogen worden ist.
Entscheidungsgründe
Der Senat konnte über die zulässige Berufung des Klägers gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss entscheiden, weil er diese einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich gehalten hat, die Beteiligten auf die Möglichkeit dieser Verfahrensweise hingewiesen worden sind und Gelegenheit zur Stellungnahme hatten.
Die Berufung hat keinen Erfolg. Das erstinstanzliche Urteil ist zu Recht ergangen; der angefochtene Bescheid der Beklagten ist nicht zu beanstanden. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung des von ihm geltend gemachten Ereignisses vom 25. Juni 2013 als Arbeitsunfall.
Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch - Gesetzliche Unfallversicherung SGB VII - sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Für einen Arbeitsunfall ist danach grundsätzlich erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt hat (Unfallkausalität) und das Unfallereignis einen Gesundheitsschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität). Das Entstehen von länger andauernden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheitserstschadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist keine Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls, sondern für die Gewährung von Verletztenrente (vgl. BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R - juris Rdnr. 10 m. w. N.).
Hinsichtlich des Beweismaßstabs müssen die Tatbestandsmerkmale der „versicherten Tätigkeit“, „Verrichtung zur Zeit des Unfalls“, des „Unfallereignisses“ sowie des „Gesundheitsschadens“ im Grad des Vollbeweises, d.h. mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit, für das Gericht feststehen (vgl. BSG, Urteil vom 24. Juli 2012 - B 2 U 9/11 R - juris Rdnr. 28). Demgegenüber genügt für den Nachweis der Unfallkausalität sowie des Ursachenzusammenhangs zwischen dem Unfallereignis und dem Gesundheitsschaden (haftungsbegründende Kausalität) die hinreichende Wahrscheinlichkeit. Diese liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden; die reine Möglichkeit genügt nicht (vgl. BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R - juris).
Zutreffend hat das Sozialgericht festgestellt, dass der Kläger während der durch den gesetzlichen Rentenversicherungsträger durchgeführten Rehabilitation gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 15a SGB VII unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stand. Die Verrichtung zum Zeitpunkt des Ereignisses (Teilnahme an der Bewegungstherapie/Völkerballspiel) ist im sachlichen Zusammenhang damit zu sehen. Das Geschehen beim Völkerball am 25. Juni 2013 erfüllt auch den Begriff des Unfallereignisses als zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis. Das Ereignis stellt sich dabei so dar, dass der Kläger bei dem Völkerballspiel einem auf ihn zukommenden Ball seitlich ausgewichen ist und sodann einen Schmerz im rechten Bein verspürte. Den zunächst von ihm angegebenen „Tritt“ durch einen Mitspieler kann der Kläger nicht beweisen und macht er nach den Ausführungen seiner Prozessbevollmächtigten im Erörterungstermin des Senats am 14. Juli 2020 auch nicht mehr geltend. Das Ausweichen vor dem Ball ist eine Einwirkung „von außen“. Mit diesem Erfordernis will das Gesetz nur ausdrücken, das ein aus innerer Ursache, d. h. aus dem Menschen selbst kommendes Ereignis nicht als Unfall anzusehen ist (BSG, Urteil vom 24. Juni 1981 – 2 RU 61/79 – juris). Das Unfallereignis erstreckt sich auch auf Geschehnisse, die im Rahmen der versicherten Tätigkeit „üblich“ sind. Ein außergewöhnliches Geschehen wird nicht vorausgesetzt. Vielmehr genügt ein alltäglicher Vorgang, wie das Stolpern über die eigenen Füße oder das Aufschlagen auf den Boden, weil auch hierdurch ein Teil der Außenwelt auf den Körper einwirkt. Auch durch die versicherte Tätigkeit bedingte Unfälle des täglichen Lebens sind versichert (BSG, Urteil vom 29. November 2011 – B 2 U 10/11 R – juris m. w. N. aus der Rspr.).
Auch das Erfordernis eines Gesundheitsschadens nach § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII liegt vor. Die von dem Kläger geschilderten akuten Schmerzen stellen zwar allein einen solchen Schaden noch nicht da (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 25. Februar 2014 – L 3 U 94/12 – juris), wohl aber die im zeitlichen Zusammenhang mit dem Ereignis aufgetretene Achillessehnenruptur. Dieser Schaden ist indes zur Überzeugung des Senats nicht hinreichend wahrscheinlich auf das Unfallereignis zurückzuführen. Die Achillessehnenruptur stellt keinen Gesundheitserstschaden dar. Der Tatbestand des Arbeitsunfalls scheitert an dem Nichtvorliegen der haftungsbegründenden Kausalität.
Die Kausalitätsfeststellungen zwischen den einzelnen Gliedern des Arbeitsunfalls basieren auf der im gesetzlichen Unfallversicherungsrecht geltenden Theorie der wesentlichen Bedingung. Danach geht es auf einer 1. Stufe der Kausalitätsprüfung um die Frage, ob ein Zusammenhang im naturwissenschaftlichen Sinne vorliegt, d. h. - so die neuere Rechtsprechung des Bundessozialgerichts - ob eine objektive Verursachung zu bejahen ist (BSG, Urteil vom 24. Juli 2012 - B 2 U 9/11 R - juris). Auf dieser Stufe der Tatsachenfeststellungen ist zudem zu prüfen, ob mehrere versicherte und nicht versicherte Ursachen zusammen objektiv wirksam geworden sind, ggf. sind deren Mitwirkungsanteile festzustellen (BSG, Urteil vom 24. Juli 2012 – B 2 U 9/11 R – juris). Beweisrechtlich ist zudem zu beachten, dass ein möglicherweise aus mehreren Schritten bestehender Ursachenzusammenhang positiv festgestellt werden muss (BSG, Urteil vom 9. Mai 2006, a. a. O.) und dass die Anknüpfungstatsachen der Kausalkette im Vollbeweis vorliegen müssen (BSG, Beschluss vom 23. September 1997 - 2 BU 194/97 - Deppermann-Wöbbeking in: Thomann (Hrsg), Personenschäden und Unfallverletzungen, Referenz Verlag Frankfurt 2015, Seite 630). In einer 2. Stufe der Kausalitätsprüfung ist sodann die Unterscheidung zwischen solchen Ursachen notwendig, die für den Erfolg rechtlich verantwortlich gemacht werden bzw. denen der Erfolg zugerechnet wird, und den anderen, für den Erfolg rechtlich unerheblichen Ursachen (BSG, Urteil vom 9. Mai 2006, a. a. O.).
Vorliegend lässt sich die bei dem Kläger nachgewiesene Achillessehnenruptur im naturwissenschaftlichen Sinne (1. Prüfungsstufe) nicht hinreichend wahrscheinlich auf das Unfallereignis als alleinige Ursache zurückführen.
Die Kausalitätsbeurteilung hat auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes über die Möglichkeit von Ursachenzusammenhängen zwischen bestimmten Ereignissen und der Entstehung bestimmter Gesundheitsstörungen zu erfolgen. Dies schließt die Prüfung ein, ob ein Ereignis nach wissenschaftlichen Maßstäben überhaupt geeignet ist, eine bestimmte körperliche Störung hervorzurufen. Daher ist im Rahmen der 1. Stufe der Kausalitätsprüfung nach der im gesetzlichen Unfallversicherungsrecht geltenden Theorie der wesentlichen Bedingung die Frage mit zu beantworten, ob es einen anerkannten wissenschaftlichen Erfahrungssatz über den Ursache-Wirkungs-Zusammenhang, also die Frage der „generellen Eignung“ zwischen der konkreten Einwirkung und dem tatsächlichen Gesundheitsschaden gibt bzw. ob das einwirkende Ereignis als objektive Ursache überhaupt infrage kommt. Im vorliegenden Fall muss daher die - als Anknüpfungstatsache im Vollbeweis nachzuweisende - konkrete Einwirkung nach ihrer Art und Intensität überhaupt geeignet sein, eine traumatische Zusammenhangstrennung der Achillessehne herbeizuführen (vgl. BSG, Urteil vom 9. Mai 2006, a. a. O.; BSG, Urteil vom 24. Juli 2012, a.a.O.; Hempfling, Meyer-Clement, Bultmann, Brill, Krenn, Ludolph, „Achillessehnenschaden - Physik, Medizin und Recht“, MED SACH 2016, S. 114 ff., 126, 131; Spellbrink, „Gibt es eine neue BSG-Rechtsprechung zur Kausalitätsprüfung in der Gesetzlichen Unfallversicherung?“ SGb 2017, 1, 4).
Im Fall des Klägers steht zur Überzeugung des Senats fest, dass das zu Grunde zu legende Ereignis, die bewusste seitliche Ausweichbewegung vor dem Ball, generell nicht geeignet ist, die traumatische Zusammenhangstrennung einer gesunden Achillessehne zu bewirken. Der Senat stützt sich für diese Feststellung wie das Sozialgericht insbesondere auf die überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. G. in dessen Gutachten und ergänzender Stellungnahme. Danach war die Achillessehne des Klägers aus biomechanischer Sicht bei dem Ereignis überhaupt nicht gefährdet. Bei dem Ereignis hat es sich – so der Sachverständige – um einen willentlichen Bewegungsablauf mit einer dynamischen Wechselbelastung der Beine gehandelt. Die abrupte Anspannung der Wadenmuskulatur, um dem Ball auszuweichen, habe die Achillessehne zwar physiologisch belasten, jedoch nicht zerreißen können, zumal andere äußere relevante Faktoren wie Bodenunebenheiten am Ort des Geschehens (Halle) nicht vorgelegen haben. Der Sachverständige Prof. Dr. H. stimmt mit diesen Ausführungen des Dr. G. durchaus überein. Auch nach Auffassung dieses Sachverständigen kommt dem Ausweichmanöver allein nicht die Bedeutung eines geeigneten Unfallmechanismus zu. Entscheidend ist nach Prof. Dr. H. vielmehr die bei einer solchen maximalen Anspannung der Wadenmuskulatur zusätzlich von außen wirkende Kraft, die Prof. Dr. H. in dem Tritt eines Mitspielers sieht. Gerade der „Tritt“ eines Mitspielers ist indes - wie oben ausgeführt - bei der Beurteilung der Eignung des Ereignisses nicht mehr zu diskutieren.
Die Feststellungen des Dr. G. überzeugen, denn der Sachverständige orientiert sich ausdrücklich an den wissenschaftlichen Grundsätzen des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes zum Achillessehnenschaden. Danach ist die Achillessehne, die stärkste Sehne des menschlichen Körpers, nur bei einer Belastung gefährdet, die nicht ihrer anatomisch-biomechanischen Bestimmung entspricht (unphysiologische Belastung). Es handelt sich um Mechanismen (= Störfaktoren), welche die Sehne unter Belastungsspitzen setzen können, ohne dass sich die Zugspannung, d. h. die durch die Querschnittsfläche der Sehne verlaufende Kraft, - koordiniert gesteuert und „gebremst“ von der vorgeschalteten Muskulatur – systematisch aufbauen kann (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Auflage, S. 423 m. w. N.). Als solche unphysiologische Belastungen werden beispielsweise das Abrutschen bzw. Verfehlen einer Stufe mit dem Vorfuß beim Hochgehen auf der Treppe oder der Tritt mit der Ferse voraus in eine nicht erkennbare Vertiefung genannt, wodurch mehr oder weniger das gesamte Körpergewicht auf dem Vorfuß und damit auf der angespannten Sehne lastet; ebenso der Sturz nach vorn bei fixiertem Fersenbein (Abfahrtsski), Sturz nach vorn mit Anwinkelstellung des Fußes, Sturz aus der Höhe unter gleichzeitiger fußrücken-wärtiger Belastung des Fußes (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O.). Demgegenüber können physiologische und gewollt motorische Abläufe eine gesunde Sehne nicht gefährden, sie führen objektiv nicht zu Zerreißung altersentsprechender Sehnen, denn solche Belastungen entsprechen dem bauplanmäßigen Bewegungsmuster (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O.; Hempfling, Meyer-Clement, Bultmann, Brill, Krenn, Ludolph, „Achillessehnenschaden - Physik, Medizin und Recht“, a. a. O., S. 126). Durch einen Muskelzug ist eine gesunde Sehne nicht zu schädigen. Die Sicherheitsreserve zwischen Reißfestigkeit der Sehne und des Muskels ist um ein Vielfaches höher. So ist auch der schnelle Antritt (im Sinne eines Abstoßes) eine physiologische Bewegung, da die Achillessehne hierfür gebaut und funktionell vorgesehen ist, und daher grundsätzlich für eine eingetretene Zusammenhangstrennung unbeachtlich. Allerdings ist im Einzelfall zu prüfen, ob nicht ungeplante Änderungen des Bewegungsablaufs (Störfaktoren) zu einer zusätzlichen Belastung der Achillessehne geführt haben, welche diese bei maximaler physiologischer Anspannung nicht mehr kompensieren konnte (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O, S. 423, 424). Überzeugend hat Dr. G. das Geschehen beim Völkerballspiel am 25. Juni 2013, das Ausweichen vor dem bei dem Spiel auch erwarteten Ball wie den schnellen Antritt als gewollten physiologischen Ablauf angesehen, für den die Sehne vorgesehen ist. Störfaktoren wie eine Bodenunebenheit liegen nicht vor und sind vom Kläger auch gar nicht vorgetragen worden. Wie oben ausgeführt stimmt Prof. Dr. H. unter Zugrundelegung eines solchen Geschehens mit der Bewertung von Dr. G. überein.
Das Ereignis, das gewollte Ausweichmanöver beim Spiel, ist nur zusammen mit einer zum Unfallzeitpunkt vorhandenen Schadensanlage für die Komplettruptur der Achillessehne verantwortlich gewesen. Dabei kommt der unversicherten Schadensanlage überragende Bedeutung zu.
Der Senat stützt sich auch diesbezüglich insbesondere auf die schlüssigen und nachvollziehbaren Feststellungen des Dr. G. Der Sachverständige hat bei dem Kläger altersvorauseilende Sehnenveränderungen diagnostiziert und geht zum Zeitpunkt des Ereignisses für den Senat nachvollziehbar von dem Vorliegen einer Schadensanlage als (Mit)Ursache aus, also einem regelwidrigen Körperzustand, der bereits vor dem Unfall vorhanden war, klinisch oder funktionell jedoch bis dahin noch nicht in Erscheinung getreten ist (vgl. Schönberger/Mertens/Valentin, a. a. O., S. 33 ff.). Auf der Grundlage des wissenschaftlichen Erkenntnisstandes (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O., S. 415) weist der Sachverständige darauf hin, dass die Belastbarkeit der Achillessehne auf Grund altersabhängiger Veränderungen geringer werde, ohne dass wie hier Schmerzen oder andere Symptome darauf hinweisen würden. Bei einer Aktivität wie vorliegend dem Ausweichmanöver könne die Sehne ihren Textur-Zusammenhang sodann verlieren. Entgegen der Auffassung von Prof. Dr. H. ist eine Degeneration oder Texturstörung somit nicht erst dann im Rahmen der Kausalitätsprüfung von Bedeutung, wenn diese zum Zeitpunkt des Unfalls schon klinisch in Erscheinung getreten ist und damit schon ein Vorschaden vorgelegen hat. Für die Annahme von Texturstörungen zum Zeitpunkt des Ereignisses stützt sich Dr. G. auf die lokalen Befunde, die gegen eine traumatische Zerreißung sprechen (nach dem OP-Bericht war der Bindegewebsschlauch um die Achillessehne in seiner Kontur erhalten) sowie auf die zwei Monate nach dem Ereignis durchgeführte pathologische Untersuchung des intraoperativ entnommenen Gewebes. In dem histo-pathologischen Bericht vom 4. September 2013 wird eine überalterte fraglich zweizeitige Ruptur rechts beschrieben sowie mukoide Verquellungen und ausgedehnte reparative Areale mit Granulationsgewebe und neu gebildeten Gefäßen (vgl. zur mehrzeitigen Ruptur als Indiz für eine innere Ursache auch Schönberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O., S. 414). Auch Prof. Dr. H. geht von dem Vorliegen degenerativer Veränderungen zum Zeitpunkt des Ereignisses aus und begründet dies mit dem „passenden“ Alter des Klägers zum Unfallzeitpunkt. Der zu diesem Zeitpunkt 53jährige war genau in dem Alter, wo wesentliche Texturstörungen zunehmend festgestellt werden. Nach dem 40sten Lebensjahr sind solche Störungen mit zunehmender Häufigkeit der Fall, wobei mit fortschreitendem Alter ihre Bedeutung wegen der abnehmenden Muskelkraft wieder rückläufig ist. Vorrangig betroffen ist daher weder der junge noch der alte Mensch (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O. S. 415). Überzeugend hat Dr. G. schließlich dargelegt, dass die Schadensanlage bei dem Kläger sehr ausgeprägt und leicht ansprechbar gewesen sein muss und ihr für den Eintritt des Schadens, die Komplettruptur der Sehne, somit überragende Bedeutung zukommt. Denn das hier vorliegende Ereignis eines willentlichen Bewegungsablaufs bzw. sportlichen Ausweichmanövers, für das die Achillessehne gebaut und funktionell vorgesehen ist, spiegelt - so der Sachverständige - keinen „Unfall“ wider, sondern den akuten Ausbruch einer erkrankten Sehne. Dies steht im Einklang mit dem wissenschaftlichen Erkenntnisstand, wonach bei einer planmäßigen Willkürinnervation ohne Störung des Bewegungsablaufs der Rückschluss auf eine hochgradige Schadensanlage erlaubt ist (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 417, 418). Die Sehne wäre bei jeder anderen Belastung gerissen, die ihre noch verbliebene, fortschreitend absinkende Zugfestigkeit überschreitet (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O., S. 418).
Das versicherte Ereignis, dass im Zusammenhang mit der nicht versicherten ausgeprägten Schadensanlage die Ruptur faktisch mitverursacht hat, ist für diesen Schaden nicht wesentlich gewesen.
Die auf der 2. Prüfungsstufe der Kausalität zu prüfende Wesentlichkeit einer Bedingung ist eine reine Rechtsfrage (vgl. zur Theorie der wesentlichen Bedingung BSG, Urteil vom 30. März 2017 – B 2 U 6/15 R – juris Rn. 23 ff. m. w. N. aus der Rechtsprechung und Literatur). Eine Rechtsvermutung dafür, dass die versicherte Einwirkung wegen ihrer objektiven Mitverursachung der Erkrankung auch rechtlich wesentlich war, besteht nicht. Welche Ursache im Einzelfall rechtlich wesentlich ist und welche nicht, muss nach der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs vom Rechtsanwender (Juristen) wertend entschieden werden und beantwortet sich nach dem Schutzzweck der jeweiligen Norm (grundlegend P. Becker, MED SACH 2007, 92; Spellbrink, MED SACH 2017, 51, 55). In die Bewertung fließt ein, ob die auf der ersten Stufe abschließend festgestellte faktische Mitverursachung des Gesundheitsschadens durch die versicherte Verrichtung/versicherte Einwirkung überhaupt ein versichertes Risiko der gesetzlichen Unfallversicherung verwirklicht hat. Ggf. hängt die Rechterheblichkeit davon ab, ob unversicherte Mitursachen und ihr Mitwirkungsanteil nach Maßgabe des Schutzzwecks der jeweiligen Versicherung in einer Gesamtabwägung dieser Umstände des Einzelfalls die Schadensverursachung derart prägen, dass dieser nicht mehr dem Schutzbereich der Versicherung, sondern dem allgemeinen Lebensrisiko unterfällt (BSG, Urteil vom 24. Juli 2012, a. a. O.). Wesentlich ist dabei nicht gleichzusetzen mit "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig". Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die andere Ursache keine überragende Bedeutung hat.
Danach ist das versicherte Ereignis hier für den Schaden an der Achillessehne als nicht rechtlich wesentlich zu bewerten. Auf Grund seiner Qualität ist es allenfalls Auslöser, durch ein anderes auch alltägliches privates Ereignis ersetzbar, während der nicht versicherten Schadensanlage, den schicksalhaften und altersabhängigen Veränderungen, überragende Bedeutung für den Eintritt des Schadens zukommt. Der Schaden unterfällt damit dem allgemeinen Lebensrisiko und nicht dem Schutzbereich der Gesetzlichen Unfallversicherung.
Dem Beweisantrag des Klägers brauchte der Senat nicht nachgehen. Das Beweismittel, das auf die Feststellung gerichtet ist, allein das Ausweichmanöver beim Völkerballspiel stelle eine Unfallmechanik dar, bei der auch eine gesunde Sehne reißen könne, ist ungeeignet. Der wissenschaftliche Erkenntnisstand ist eindeutig und fordert (hier nicht geltend gemachte und bewiesene) Störfaktoren, die auf den gewollten Ablauf einwirken. Dies wird sowohl von dem Sachverständigen Dr. G. als auch von dem auf Antrag des Klägers gehörten Sachverständigen entsprechend dargelegt. Eine möglicherweise abweichende Einzelmeinung eines weiteren Gutachters könnte diesen Erkenntnisstand nicht erschüttern (vgl. dazu Schmidt in: Meyer-Ladewig, SGG, 13. Auflage, § 103 Rn. 7d, 8).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG, die Entscheidung über die Nichtzulassung der Revision auf § 160 Abs. 2 SGG.