L 6 AS 209/21 B ER

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
S 6 AS 30/21 ER
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 AS 209/21 B ER
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze

1. Eine Antragstellerin kann als nichteheliche Partnerin eines Arbeitnehmers kein Aufenthaltsrecht als Familienangehörige aus § 3 FreizügG/EU ableiten, da der Familiennachzug in § 3 FreizügG/EU abschließend geregelt ist. 

2. Ein Aufenthaltsrecht nach § 3a Abs. 1 Nr. 3 FreizügG/EU als nahestehende Person besteht nicht, weil die Rechtsposition der nahestehenden Personen erst infolge der individuell-konkreten Zulassungsentscheidung entsteht und ein solcher Titel bisher nicht erteilt wurde. 

3. Es besteht kein Aufenthaltsrecht nach § 11 Abs. 1 Satz 11 FreizügG/EU in Verbindung mit § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Aufenthaltsgesetz, wonach die Aufenthaltserlaubnis dem ausländischen Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge unter weiteren Voraussetzungen zu erteilen ist. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen schon deshalb nicht vor, da die minderjährigen Kinder der Antragstellerin nicht deutsche, sondern bulgarische Staatsangehörigkeit sind. 

4. Derzeit ist mangels Verlustfeststellung von einem rechtmäßigen Aufenthalt der Antragstellerin in Deutschland auszugehen. Da § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2a SGB II wie § 23 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 SGB XII nicht ausdrücklich an die Feststellung des Nichtbestehens der Freizügigkeit, sondern nur an das Nichtbestehen eines Aufenthaltsrechts anknüpft, lässt der Wortlaut der Regelung für sich genommen erst recht nicht darauf schließen, dass der Leistungsausschluss vor Bestandskraft der Feststellung des Nichtbestehens der Freizügigkeit gelten soll (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 26. Februar 2020 – 1 BvL 1/20 –, Rn. 12, juris zu § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB XII).

1.    Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Kassel vom 20. April 2021 wird zurückgewiesen.

2.    Der Antragsgegner hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin zu tragen.

Gründe

I.

Der Antragsgegner und Beschwerdeführer (nachfolgend: Antragsgegner) wendet sich mit der Beschwerde gegen die vom Sozialgericht Kassel ausgesprochene Verpflichtung, der Antragstellerin vorläufig für die Zeit vom 10. März 2021 bis zum Eintritt der Rechtskraft der Hauptsacheentscheidung, längstens bis zum 9. September 2021, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch - Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) in gesetzlichem Umfang zu gewähren. 

Die 1999 geborene Antragstellerin, welche vom 5. Juli bis 31. August 2017 einer Erwerbstätigkeit in Deutschland nachging, und ihr nichtehelicher Lebensgefährte C. sind bulgarische Staatsangehörige. 
Sie sind zuletzt im Dezember 2018 erneut nach Deutschland eingereist. Sie haben zwei Kinder, die 2018 geborene D. und den 2020 geborenen E.
Die Antragstellerin hat keine Arbeit. Sie betreut, versorgt und pflegt die Kinder.

Ihr Lebensgefährte bezieht Einkommen aus Erwerbstätigkeit, bis November 2020 zunächst aus unselbstständiger Erwerbstätigkeit bei F. GmbH und seither aus selbstständiger Erwerbstätigkeit als Schrottsammler. Sein monatlicher Gewinn liegt aktuell zwischen 480,00 € und 490,00 €. 

Seit Juni 2021 geht er einer Tätigkeit als abhängig beschäftigte Reinigungskraft nach.

Die Bedarfsgemeinschaft bezog daneben von dem Antragsgegner laufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Zuletzt bewilligte der Antragsgegner mit Bescheid vom 6. August 2020 der Bedarfsgemeinschaft vorläufig Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1. September 2020 bis 28. Februar 2021 (Bl. 882 VA).

Am 16. Januar 2021 beantragte die Bedarfsgemeinschaft bei dem Antragsgegner die Weiterbewilligung von Leistungen nach dem SGB II.

Mit Bescheid vom 26. Januar 2021 bewilligte der Antragsgegner dem Lebensgefährten und den Kindern erneut vorläufig Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1. März 2021 bis 31. August 2021. Im Übrigen wurde der Antrag für die Antragstellerin mit der Begründung abgelehnt, die Antragstellerin sei von Leistungen gemäß § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II ausgenommen (Bl. 966 ff VA). 

Am 16. Februar 2021 legte die Prozessbevollmächtigte für die Antragstellerin Widerspruch ein. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Antragstellerin und ihr Lebensgefährte eine eheähnliche Lebensgemeinschaft führten und zwei Kinder hätten. Die Antragstellerin gehöre nicht zu dem Personenkreis, der von Leistungen nach dem SGB II ausgenommen sei gemäß § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II. Dem berufstätigen Vater sei es nicht zumutbar, seine zwei Jahre und elf Monate alten Kinder zu betreuen. Andere Betreuungspersonen stünden nicht zur Verfügung. Die Antragstellerin sei auf die existenzsichernden Leistungen angewiesen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 23. Februar 2021 wies der Antragsgegner den Widerspruch zurück (Bl. 966 ff. VA). Für die Antragstellerin habe bis zur Geburt und im ersten Lebensjahr des zweiten Kindes ein Aufenthaltsrecht aus familiären Gründen bestanden. Dieses sei weggefallen. Die Antragstellerin habe kein Aufenthaltsrecht beziehungsweise nur ein solches allein aus dem Zweck der Arbeitsuche. Insbesondere seien die Kinder noch nicht schulpflichtig. 

Am 10. März 2021 hat die Antragstellerin durch ihre Prozessbevollmächtigte einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt und Klage eingelegt. 

Die Antragstellerin hat vorgetragen, sie habe ein Aufenthaltsrecht gemäß § 11 Abs. 1 S. 11 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (FreizügG/EU) in Verbindung mit § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) und Art. 18 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV). Dem berufstätigen Vater sei es nicht möglich, seine zweieinhalb Jahre und ein Jahr alten Kinder zu betreuen. Er sei viel kurzfristig unterwegs. Er habe eine Arbeit als Reinigungskraft aufgenommen. Die Kinder müssten dauerhaft beaufsichtigt werden. Zu Familienangehörigen bestehe kein Kontakt. Mit der Mutter und den Schwestern habe man sich überworfen. Erstere sei zudem erwerbstätige Leistungsbezieherin. Das ältere Kind besuche den Kindergarten, für das jüngere Kind suche man einen Platz. Im Alltag und bei Behördenangelegenheiten unterstütze eine sozialpädagogische Familienhilfe. Die Antragstellerin benötige die Leistungen zur Sicherung der Existenz und zur Betreuung, Versorgung und Pflege der Kinder. Abzuwägen sei, ob das Interesse der Allgemeinheit an der Versagung möglicherweise nicht zustehender Leistungen höher wiege als das Interesse der Antragstellerin an der Bewilligung der Leistungen. Die Folgenabwägung falle zugunsten der Antragstellerin aus. Keine Leistungen bedeuteten keinen Schutz bei einer Krankheit und eine Rückkehr in das Heimatland.

Die Antragstellerin hat sinngemäß beantragt, den Antragsgegner im Wege einstweiliger Anordnung zu verpflichten, ihr für die Zeit ab Antragseingang bei Gericht bis zum Eintritt der Rechtskraft der Hauptsacheentscheidung Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zu gewähren.

Der Antragsgegner hat beantragt, den Antrag abzulehnen.

Der Antragsgegner hat vorgetragen, es bestehe keine Freizügigkeitsberechtigung nach § 3 FreizügG/EU. Die Antragstellerin und ihr Lebensgefährte seien eine nichteheliche Lebensgemeinschaft und keine Familienangehörigen. 
Es bestehe auch kein Aufenthaltsrecht nach § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AufenthG. Die Antragstellerin und ihr Lebensgefährte seien keine Ehegatten.
Es bestehe ebenso kein Aufenthaltsrecht nach Art. 10 VO (EU) 492/2011. Die Antragstellerin habe seit der erneuten Einreise im Dezember 2018 nach Deutschland keine Beschäftigung mehr ausgeübt. Die Kinder seien nicht schulpflichtig.
Es bestehe darüber hinaus kein Aufenthaltsrecht aus § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AufenthG. Die Vorschrift sei nicht unmittelbar anwendbar. Die Kinder seien keine deutschen, sondern bulgarische Staatsangehörige. Die Vorschrift sei ebenso wenig analog anwendbar. Das Diskriminierungsverbot aus Art. 18 AEUV sei nicht so weit zu interpretieren, als dass der Nachzug zu einem minderjährigen Unionsbürger mit Aufenthaltsrecht und gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland geregelt werden sollte. Dadurch würden die einschlägigen Vorschriften des FreizügG/EU obsolet. Danach bestehe für Verwandte in aufsteigender Linie wie die Antragstellerin als Mutter ihrer Kinder ein Freizügigkeitsrecht nach Maßgabe des § 4 FreizügG/EU nur, wenn sie über ausreichend Existenzmittel verfügen. Dies sei nicht der Fall, da der Lebensgefährte und die Kinder selbst aufstockend Leistungen nach dem SGB II beziehen. Es bestünde bis zum ersten Lebensjahr ein Aufenthaltsrecht aus familiären Gründen, ab dem ersten Lebensjahr bis zur Schulpflichtigkeit ein Aufenthaltsrecht aus § 11 Abs. 1 S. 11 FreizügG/EU in Verbindung mit § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AufenthG und Art. 18 AEUV, ab Schulpflichtigkeit ein Aufenthaltsrecht aus Art. 10 VO (EU) 492/2011 und danach in der Regel ein Daueraufenthaltsrecht. Dadurch würden die speziellen Vorschriften des FreizügG/EU keinen Anwendungsbereich haben. Kinder würden unabhängig vom Alter für beide Elternteile ein Aufenthaltsrecht und einen Leistungsanspruch vermitteln. Es gebe jedoch keinen Grundsatz, dass ein minderjähriger Unionsbürger in jeden Fall ein Zuzugsrecht für seinen ausländischen Elternteil vermittele. Ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht bestehe erst, wenn der minderjährige Unionsbürger gezwungen wäre, das Unionsgebiet zu verlassen. Der Vater könne bei einem Nebenerwerb mit 480,00 € Gewinn die Kinder betreuen. Er habe keine Vollzeittätigkeit und keine weitere Beschäftigung. Überdies sei die Antragstellerin der deutschen Sprache nicht ausreichend mächtig, sodass sie ohnehin bei sämtlichen Angelegenheiten auch betreffend die Kinder auf ihren Lebensgefährten angewiesen und dieser eingebunden sei. 2018 habe man angegeben, dass die Mutter als Betreuungsperson verfügbar sein würde. Die Antragstellerin müsse nicht ausreisen, sie könne bleiben, wenn sie ihren Lebensunterhalt anderweitig sichern könne.

Mit Beschluss vom 20. April 2021 hat das Sozialgericht Kassel den Antragsgegner im Wege einstweiliger Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin vorläufig für die Zeit vom 10. März 2021 bis zum Eintritt der Rechtskraft der Hauptsacheentscheidung, längstens bis zum 9. September 2021 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in gesetzlichem Umfang zu gewähren. Im Übrigen hat es den Antrag abgelehnt.

Gemäß § 86b Abs. 2 S. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) könne das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr bestehe, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts der Antragstellerin vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Gemäß § 86b Abs. 2 S. 2 SGG seien einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheine (Regelungsanordnung). 

Bilde ein Leistungsbegehren den Hintergrund für die beantragte einstweilige Anordnung, sei diese grundsätzlich im Wege der Regelungsanordnung gemäß § 86b Abs. 2 S. 2 SGG zu gewähren. 

Voraussetzung sei, dass die Antragstellerin einen gegen den Antragsgegner bestehenden materiell-rechtlichen Anspruch auf die begehrte Leistung (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit dessen Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile, das bedeute die Unzumutbarkeit des Abwartens der Entscheidung in der Hauptsache (Anordnungsgrund) glaubhaft gemacht habe gemäß § 86b Abs. 2 S. 4 SGG in Verbindung mit § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) (LSG Hessen, Beschluss vom 19. Dezember 2013 - L 8 KR 411/12 B ER –, juris, Rn. 55). Die Glaubhaftmachung beziehe sich auf die reduzierte Prüfungsdichte und die nur eine überwiegende Wahrscheinlichkeit erfordernde Überzeugungsgewissheit für die tatsächlichen Voraussetzungen des Anordnungsanspruchs und des Anordnungsgrundes (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, Kommentar, 13. Auflage 2020, § 86b SGG Rn. 16b, 16c). 
Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund stünden dabei nicht isoliert nebeneinander. Vielmehr verhielten sich beide in einer Wechselbeziehung zueinander, nach der die Anforderungen an den Anordnungsanspruch mit zunehmender Eilbedürftigkeit beziehungsweise Schwere des drohenden Nachteils zu verringern seien und umgekehrt. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund würden nämlich aufgrund ihres funktionalen Zusammenhangs ein bewegliches System bilden. Wäre eine Klage in der Hauptsache offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so sei der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ungeachtet des Anordnungsgrundes grundsätzlich abzulehnen, weil ein schützenswertes Recht nicht vorhanden sei. Wäre eine Klage in der Hauptsache dagegen offensichtlich zulässig und begründet, so würden sich die Anforderungen an den Anordnungsgrund vermindern und dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sei grundsätzlich stattzugeben, wobei jedoch auf den Anordnungsgrund nicht gänzlich verzichtet werden könne. Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens, wenn etwa eine vollständige Aufklärung der Sach- oder Rechtslage im einstweiligen Rechtsschutz nicht möglich sei, habe das Gericht im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden, welchem Beteiligten ein Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache eher zuzumuten sei (LSG Hessen, Beschluss vom 13. August 2013 - L 1 KR 229/13 B ER -, juris, Rn. 17 m.w.N.). 
Grundsätzlich solle wegen des vorläufigen Charakters der einstweiligen Anordnung die endgültige Entscheidung in der Hauptsache nicht vorweggenommen werden. Wegen des Gebots, effektiven Rechtsschutz zu gewähren (vgl. Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG)), sei von diesem Grundsatz jedoch dann abzuweichen, wenn ohne die begehrte Anordnung schwere, unzumutbare, später nicht wiedergutzumachende Nachteile entstünden, zu deren Beseitigung eine nachfolgende Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (BVerfG, Beschluss vom 25. Oktober 1988 - 2 BvR 745/88 -; BVerfG, Beschluss vom 22. November 2002 - 1 BvR 1586/02 -).
Die Entscheidung des Gerichts hätte wie bei in solchen Fällen in der Hauptsache statthaften Leistungs- beziehungsweise Verpflichtungsklagen nach dem Rechts- und Streitstand zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts zu erfolgen (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Auflage 2020, § 86b SGG Rn. 42).

An diesem Maßstab gemessen sei ein Anordnungsanspruch und ein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht worden.

Gemäß § 7 Abs. 1 S. 1 SGB II in Verbindung mit § 19 Abs. 1 S. 1 SGB II erhielten Leistungen nach dem SGB II, unter anderem Arbeitslosengeld II, Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht hätten (Nr. 1), erwerbsfähig (Nr. 2) sowie hilfebedürftig seien (Nr. 3) und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hätten (erwerbsfähige Leistungsberechtigte) (Nr. 4) sowie nicht nach § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II von Leistungen nach dem SGB II ausgenommen seien. 

Die Antragstellerin habe das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht. Sie sei erwerbsfähig und hilfebedürftig. Sie habe ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Diese Voraussetzungen seien zwischen den Beteiligten nicht streitig.

Die Antragstellerin sei zudem nicht nach § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II von Leistungen nach dem SGB II ausgenommen.

Von Leistungen nach dem SGB II ausgenommen seien 
1.    Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Abs. 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts,
2.    Ausländerinnen und Ausländer,
a)    die kein Aufenthaltsrecht haben oder
b)    deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt,
und ihre Familienangehörigen,
3.    Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes.
S. 2 Nr. 1 gelte nicht für Ausländerinnen und Ausländer, die sich mit einem Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten. Abweichend von S. 2 Nr. 2 erhielten Ausländerinnen und Ausländer und ihre Familienangehörigen Leistungen nach diesem Buch, wenn sie seit mindestens fünf Jahren ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet haben; dies gelte nicht, wenn der Verlust des Rechts nach § 2 Abs. 1 des Freizügigkeitsgesetzes/EU festgestellt worden sei. Die Frist nach S. 4 beginne mit der Anmeldung bei der zuständigen Meldebehörde. Zeiten des nicht rechtmäßigen Aufenthalts, in denen eine Ausreisepflicht bestehe, würden auf Zeiten des gewöhnlichen Aufenthalts nicht angerechnet. Aufenthaltsrechtliche Bestimmungen blieben unberührt. 

Hier seien § 7 Abs. 1 Nr. 2. lit. a und b SGB II relevant. 
Die Ausschlussregelung erfordere eine fiktive Prüfung des Grundes beziehungsweise der Gründe der Aufenthaltsberechtigung, konkret des Bestehens einer Freizügigkeitsberechtigung nach dem FreizügG/EU oder eines Aufenthaltsrechts nach dem AufenthG, dessen Regelungen gemäß § 11 Abs. 1 S. 11 FreizügG/EU a.F. im Wege eines Günstigkeitsvergleichs anwendbar seien. Bereits das Vorhandensein der Voraussetzungen einer Aufenthaltsberechtigung aus einem anderen Grund hindere die erforderliche positive Feststellung eines Aufenthaltsrechts "allein aus dem Zweck der Arbeitsuche". Unerheblich sei, ob dem Unionsbürger ein Aufenthaltstitel nach dem AufenthG tatsächlich erteilt worden sei. Entscheidend sei vielmehr, ob ihm ein solcher zu erteilen wäre (BSG, Urteil vom 30. Januar 2013 - B 4 AS 54/12 R -, juris, Rn. 23 ff.; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 30. Oktober 2018 - L 19 AS 1472/18 B ER -, juris, Rn. 29; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 01. August 2017 - L 19 AS 1131/17 B ER -, juris, Rn. 34, 41; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 30.11.2015 - L 19 AS 1713/15 B ER -, juris, Rn. 15). 
Anspruch auf aufstockende SGB II-Leistungen hätten danach UnionsbürgerInnen und ihre Familienangehörigen, die sich als ArbeitnehmerInnen oder Selbständige in Deutschland aufhielten (§ 2 Abs. 2 Nr. 1, 2 FreizügG/EU). Weiterhin vom Leistungsausschluss nicht erfasst werden würden EU-BürgerInnen, denen der Status als ArbeitnehmerIn oder Selbstständige erhalten bleibe (§ 2 Abs. 3 FreizügG/EU). Außerdem würden vom Leistungsausschluss nicht erfasst werden Personen, die als ausländische Familienangehörige eines in Deutschland erwerbstätigen EU-Bürgers ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hätten oder die als ausländische Familienangehörige eines Deutschen nach Deutschland eingereist seien (§ 2 Abs. 2 Nr. 6 FreizügG/EU) (Leopold in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 5. Auflage Stand 05.01.2021, § 7 SGB II Rn. 131 ff. m.w.N.).   
In der Rechtsprechung der Landessozialgerichte und der Literatur sei umstritten, ob § 11 Abs. 1 S. 11 FreizügG/EU a.F. in Verbindung mit § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AufenthG und Art. 18 Abs. 1 AEUV dem sorgeberechtigten Elternteil eines wegen der Begleitung des anderen Elternteils nach § 3 Abs. 1 S. 1 FreizügG/EU freizügigkeitsberechtigten minderjährigen Unionsbürgers ein Aufenthaltsrecht vermitteln könne (für ein Aufenthaltsrecht: LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 30. November 2015 - L 19 AS 1713/15 B ER -, juris, Rn. 15; Beschluss vom 1. August 2017 - L 19 AS 1131/17 B ER -, juris, Rn. 41 m.w.N.; Beschluss vom 30. Oktober 2018 - L 19 AS 1472/18 B ER -, juris, Rn. 28 ff.; Dienelt in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Auflage 2020, § 11 FreizügG/EU Rn. 97 ff.; Leopold in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 5. Auflage Stand 05.01.2021, § 7 SGB II Rn. 134 m.w.N.; Oberhäuser in: Hofmann, Ausländerrecht, 2. Auflage 2016, § 11 FreizügG/EU Rn. 57 f.; gegen ein Aufenthaltsrecht: LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 22. Mai 2017 - L 31 AS 1000/17 B ER -, juris, Rn. 5, LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 27. Juli 2017 - L 21 AS 782/17 B ER -, juris, Rn. 43; LSG Hessen, Beschluss vom 21. August 2019 - L 7 AS 285/19 B ER -, juris, Rn. 45). Rechtsprechung des Bundessozialgerichts und Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte hierzu sei nicht ersichtlich (BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 4. Oktober 2019 - 1 BvR 1710/18 -, juris, Rn. 12).

Nach summarischer Prüfung folge das Gericht der Auffassung, dass § 11 Abs. 14 S. 1 FreizügG/EU n.F. in Verbindung mit § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AufenthG und Art. 18 Abs. 1 AEUV dem sorgeberechtigten Elternteil eines wegen der Begleitung des anderen Elternteils nach § 3 Abs. 1 S. 1 FreizügG/EU freizügigkeitsberechtigten minderjährigen Unionsbürgers ein Aufenthaltsrecht vermitteln kann.

Nach § 11 Abs. 14 S. 1 FreizügG/EU n.F. finde das AufenthG auch dann Anwendung, wenn es eine günstigere Rechtsstellung vermittele als das FreizügG/EU. Nach § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AufenthG sei die Aufenthaltserlaubnis dem ausländischen Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge zu erteilen, wenn der Deutsche seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet habe - auch ohne Lebensunterhaltssicherung im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG (§ 28 Abs. 1 S. 2 AufenthG). Nach Art. 18 AEUV sei unbeschadet besonderer Bestimmungen der Verträge in ihrem Anwendungsbereich jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verboten. 
Die Meistbegünstigungsklausel des FreizügG/EU beruhe auf dem allgemeinen Grundsatz, dass günstigere innerstaatliche Regelungen nicht verdrängt werden würden, sondern auch für Unionsbürger und ihre Familienangehörigen zu gelten hätten. Sie stelle sicher, dass es nicht zu einer Schlechterstellung gegenüber sonstigen Drittstaatsangehörigen, die unmittelbar dem AufenthG unterfielen, käme.
Auch aus dem Diskriminierungsverbot des AEUV könne sich eine solche günstigere Rechtsstellung ergeben. Dieses finde auf dem Unionsrecht unterfallende Sachverhalte Anwendung, für die der Vertrag keine spezifische Antidiskriminierungsvorschrift bereithalten würde (Dienelt in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Auflage 2020, § 11 FreizügG/EU Rn. 21 ff. m.w.N.), etwa Art. 24 der Richtlinie 2004/38/EG (Michael Holoubek in: Schwarze/Becker/Hatje/Schoo, EU-Kommentar, 4. Auflage 2019, § 18 AEUV Rn. 57 m.w.N.). Letztere erfasse jeden Unionsbürger, der sich aufgrund dieser Richtlinie im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats aufhalte. 

Die Antragstellerin halte sich nicht aufgrund dieser Richtlinie im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats auf. Die spezifische Antidiskriminierungsvorschrift gelte nicht und das Diskriminierungsverbot des AEUV finde Anwendung. Nur so könne auch sichergestellt werden, dass es nicht zu einer Schlechterstellung gegenüber sonstigen Drittstaatsangehörigen, die unmittelbar dem AufenthG unterfielen, komme.

§ 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AufenthG finde aufgrund von § 11 Abs. 14 S. 1 FreizügG/EU n.F. und Art. 18 AEUV auf Elternteile eines minderjährigen ledigen Unionsbürgers, der über ein Aufenthaltsrecht nach dem FreizügG/EU verfüge, zur Ausübung der Personensorge Anwendung. Aus dieser Rechtsstellung könnten die Elternteile ein Aufenthaltsrecht ableiten (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 30. Oktober 2018 - L 19 AS 1472/18 B ER - juris Rn. 28 ff.). Insbesondere im ersten Jahr nach der Geburt solle verhindert werden, dass ein Kind entgegen des Art. 6 Abs. 1 Grundgesetz (GG) von der Erziehungsleistung eines seiner Elternteile ausgeschlossen werde (BSG, Urteil vom 30. Januar 2013 – B 4 AS 54/12 R – juris Rn. 36).

Der Lebensgefährte C. sei als Selbstständiger unionsrechtlich freizügigkeitsberechtigt nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU, die Kinder D. und E. seien als Familienangehörige unionsrechtlich freizügigkeitsberechtigt nach § 2 Abs. 2 Nr. 6 FreizügG/EU in Verbindung mit § 3 Abs. 1 S. 1 FreizügG/EU. Die Antragstellerin, die Mutter, übe das Sorgerecht aus. Aus dieser Rechtsstellung könne sie ein Aufenthaltsrecht ableiten. Insbesondere sei nach Auffassung des Gerichts nicht erkennbar, warum nach dem ersten Jahr nach der Geburt ein Ausschluss eines Kindes von der Erziehungsleistung eines seiner Elternteil, insbesondere der Mutter, weniger schlimm wiege. Ein Kind erscheine auch im zweiten und dritten Lebensjahr ebenso hilfe- und schutzbedürftig. 
Zudem gehe das jüngere Kind noch nicht in einen Kindergarten, so dass es rund um die Uhr der Betreuung bedürfe, die der Vater, selbst wenn er wenige Stunden arbeiten würde, nicht leisten könne. Dies sei auch nicht Aufgabe der sozialpädagogischen Familienhilfe. Zwar habe die Familie 2018 angegeben, dass die Mutter als Betreuungsperson verfügbar sein würde, allerdings werde nunmehr, drei Jahre später, angegeben, dass zu Familienangehörigen kein Kontakt bestehe, da man sich mit der Mutter und den Schwestern überworfen habe. Das Gericht sehe derzeit die Notwendigkeit, dass die Kinder Deutschland mit der Mutter verlassen müssten.
Darüber hinaus bestimme § 3 FreizügG/EU, dass Familienangehörige der in § 2 Abs. 2 Nr. 5 FreizügG/EU genannten, nicht erwerbstätigen Unionsbürger nur unionrechtlich freizügigkeitsberechtigt sind und das Recht auf Einreise und Aufenthalt hätten nach Maßgabe des § 4 FreizügG/EU. Bei dem Lebensgefährten und den Kindern der Antragstellerin handele es sich nicht um nicht erwerbstätige Unionsbürger.

Gemäß § 7 Abs. 1 S. 1 SGB II in Verbindung mit § 19 Abs. 1 S. 1 SGB II habe die Antragstellerin einen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II konkret Arbeitslosengeld II in gesetzlichem Umfang.

Gemäß § 41a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB II sei über die Erbringung von Geldleistungen vorläufig zu entscheiden, wenn ein Anspruch auf Geld- und Sachleistungen dem Grunde nach bestehe und zur Feststellung seiner Höhe voraussichtlich längere Zeit erforderlich sei, etwa bei schwankendem Einkommen. Gemäß § 41 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 SGB II solle der Bewilligungszeitraum insbesondere in den Fällen regelmäßig auf sechs Monate verkürzt werden, in denen über den Leistungsanspruch vorläufig entschieden werde. Eine gegebenenfalls darüberhinausgehende Verpflichtung könne nicht erfolgen.

Ein Anordnungsanspruch sei glaubhaft gemacht worden. Die Antragstellerin verfüge nur über unzureichende Eigenmittel zur Deckung des Bedarfs und auch ein Anordnungsgrund sei glaubhaft. 

Der Antragsgegner hat gegen den Beschluss des Sozialgerichts Kassel vom 20. April 2021 am 29. April 2021 Beschwerde beim Hessischen Landessozialgericht eingelegt.

Der Antragsgegner hält an seiner Rechtsauffassung fest, dass der Ausschluss der Antragstellerin von den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II aufgrund des Vorliegens des Ausschlussgrundes nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 a SGB II rechtmäßig erfolgt sei.
Der Antragsgegner verweist hierzu auf seine Ausführungen im erstinstanzlichen Verfahren beim Sozialgericht Kassel.
Entgegen der Ausführungen des Sozialgerichts in seinem Beschluss vom 20. April 2021 sei der Antragsgegner der Auffassung, dass für die Antragstellerin kein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II bestehe. 
Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts Kassel und der Antragstellerin werde die Auffassung vertreten, dass § 11 Abs. 1 S. 11 FreizügG/EU (a.F.) bzw. § 11 Abs. 14 S. 1 FreizügG/EU (n.F.) in Verbindung mit § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AufenthG und Art 18 Abs. 1 AEUV dem sorgeberechtigten Elternteil eines wegen der Begleitung eines anderen Elternteils nach § 3 Abs. 1 S. 1 FreizügG/EU freizügigkeitsberechtigten minderjährigen Unionsbürgers kein Aufenthaltsrecht vermitteln könne.
Der Antragsgegner verweist auf den im Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Oktober 2019 (Az. 1 BvR 1710/18, Rn. 12) angeführten Meinungsstand zu der benannten Frage (Anwendbarkeit von § 11 Abs. 1 S. 11 FreizügG/EU (a.F.) in Verbindung mit § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AufenthG und Art 18 Abs. 1 AEUV).
Gegen ein solches Aufenthaltsrecht habe sich u.a. das Hessische Landessozialgericht in seinem Beschluss vom 21. August 2019, Az. L 7 AS 285/19 B ER unter Bezugnahme auf die Entscheidungsgründe des Beschlusses des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 22. Mai 2017, Az. L 31 AS 1000/17 B ER, ausgesprochen.
Nach Auffassung des Antragsgegners ergebe sich unter Berufung auf die benannte Rechtsprechung für die Antragstellerin kein Aufenthaltsrecht nach § 11 Abs. 1 S. 11 FreizügG/EU in Verbindung mit § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 Aufenthaltsgesetz und unter Berücksichtigung von Art. 18 Abs. 1 AEUV.
Eine unmittelbare Anwendung des § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AufenthG scheitere bereits daran, dass die Kinder der Antragstellerin nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, sondern bulgarische Staatsangehörige, wie die Antragstellerin selbst, seien.
Auch eine analoge Anwendung des § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AufenthG komme nicht in Betracht, da das Diskriminierungsverbotes aus Art. 18 AEUV nicht so weit zu interpretieren seien, als dass der Nachzug zu einem minderjährigen ledigen Unionsbürger mit Aufenthaltsrecht und gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland geregelt werden sollte.
Durch eine derart weitreichende Auslegung des Diskriminierungsverbotes würden die einschlägigen Vorschriften des FreizügG/EU obsolet. Denn nach dem FreizügG/EU bestehe auch für Verwandte in aufsteigender Linie (§ 3 Abs. 2 Nr. 2 FreizügG/EU) wie der Antragstellerin als Mutter ihrer Kinder nach § 3 Abs. 1 S. 2 FreizügG/EU ein Freizügigkeitsrecht lediglich nach Maßgabe des § 4 FreizügG/EU, also wenn sie unter anderem über ausreichende Existenzmittel verfügten, was vorliegend nicht der Fall sei, da die Kinder und ihr Vater ebenfalls SGB II-Leistungen, zumindest aufstockend, beziehen würden. Die genannte Regelung des FreizügG/EU hätte praktisch keinen Anwendungsbereich mehr, wenn die Ausnahmevorschrift des § 28 AufenthG, die ein Aufenthaltsrecht des ausländischen Elternteils nur zugunsten eines minderjährigen Deutschen regeln würde, auf alle EU-Bürger ausgedehnt werde.

Zwar bestehe nach § 3 Abs. 1 FreizügG/EU für Familienangehörige der in § 2 Abs. 2 Nr. 1 bis 5 FreizügG/EU genannten Unionsbürger das Recht auf Freizügigkeit, wenn sie den Unionsbürger begleiten oder ihm nachziehen würden. Ein Angehörigkeitsverhältnis der Antragstellerin zu dem als Arbeitnehmer aufenthaltsberechtigtem Vater ihrer Kinder bestehe nicht, da die nichteheliche Lebensgemeinschaft kein Familienangehörigkeitsverhältnis vermittele. Insoweit könne auch § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AufenthG nicht zur Anwendung kommen, da dieser ausdrücklich nur den Nachzug von Ehegatten regele.
Folglich könne für die Antragstellerin kein Leistungsanspruch nach dem SGB II über § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II, Art. 18 Abs. 1 AEUV in Verbindung mit § 11 Abs. 1 S. 11 FreizügG/EU (bzw. § 11 Abs. 1 Nr. 14 FreizügG/EU) sowie § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AufenthG hergeleitet werden.
Die Antragstellerin könne sich auch nicht nach der der Gesetzesänderung zum 1. Januar 2021 aufgrund der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs vom 6. Oktober 2020 (Az. C-181/19) und der damit verbundenen Streichung des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 c) SGB II auf ein Aufenthaltsrecht nach Art 10 der VO (EU) 492/2011 berufen.
Danach müsste die Antragstellerin ihr eigenes Aufenthaltsrecht von einem Aufenthaltsrecht ihrer Kinder ableiten können.
Kinder von Unionsbürgerinnen und Unionsbürgern würden unter den Voraussetzungen des Art. 10 der VO (EU) 492/2011 ein eigenständiges Aufenthaltsrecht erwerben, wenn sie mit einer Bezugsperson einreisen, die in Deutschland Arbeitnehmerin oder Arbeitnehmer ist oder zu dieser nachziehen bzw. während oder nach der abhängigen Beschäftigung der Bezugsperson eine (Schul-)Ausbildung beginnen oder die (Schul-) Ausbildung in Deutschland fortsetzen würden.
Die beiden Kinder der Antragstellerin seien am 3. Juni 2018 und 1. März 2020 geboren und somit weder schulpflichtig noch gingen sie einer Ausbildung nach.
Wenn der Antragstellerin ein Leistungsanspruch nach dem SGB II aufgrund der analogen Anwendung von § 11 Abs. 1 S. 11 FreizügG/EU in Verbindung mit § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AufenthG und Art 18 Abs. 1 AEUV zustehen sollte und mit der neueren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes ab Schulpflichtigkeit der Kinder ein Aufenthaltsrecht nach Art. 10 der VO (EU) 492/2011 vermittelt werde, bedeute dies, dass die speziellen Regelungen des FreizügG/EU gewissermaßen keine Anwendung mehr hätten.
Kleinere Kindern würden dann ein Aufenthaltsrecht und damit einen Leistungsanspruch über eine analoge Anwendung von § 11 Abs. 1 S. 11 FreizügG/EU in Verbindung mit § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AufenthG und Art 18 Abs. 1 AEUV vermitteln, ab Schulpflichtigkeit ergebe sich dies aus Aufenthaltsrecht nach Art 10 der VO (EU) 492/2011 und anschließend dürfte in aller Regel ein Daueraufenthaltsrecht erworben worden sein.

Letztlich bedeute dies, dass Kinder, ungeachtet des Alters, für beide Elternteile ein Aufenthaltsrecht und einen Leistungsanspruch hervorrufen würden.
Aus der bisherigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ergebe sich allerdings keineswegs der Grundsatz, dass der minderjährige Unionsbürger grundsätzlich ein Zuzugsrecht für sein ausländisches Elternteil vermitteln würde. Aus der Entscheidung vom 10. Mai 2017 (Az. C/133/15) sei zu entnehmen, dass ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht –  im vorliegenden Fall für die Antragstellerin – von einem minderjährigen Unionsbürger erst dann bestehen könne, wenn dieser ansonsten gezwungen wäre, das Unionsgebiet zu verlassen. Dabei seien alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen. Der Entscheidung sei darüber hinaus zu entnehmen, dass der minderjährige ledige Unionsbürger nicht in jedem Fall ein Aufenthaltsrecht für beide Elternteile vermitteln könne. Im vorliegenden Fall bestehe keine zwingende Notwendigkeit, dass die beiden minderjährigen Kinder Deutschland verlassen müssten, wenn die Antragstellerin kein Aufenthaltsrecht, außer dem zum Zwecke der Arbeitsuche habe.
Im Übrigen habe der Partner der Antragstellerin im Jahr 2018 angegeben, dass seine Mutter als Betreuungsperson zur Verfügung stehe, was darauf schließen lasse, dass weitere Verwandte in der näheren Umgebung leben würden, die bei der Betreuung der Kinder helfen könnten.
Ob die Antragstellerin tatsächlich ab August/September 2021 unproblematisch Leistungen nach dem SGB II zustehen würden, sei reine Spekulation.
Wenn die Antragstellerin allerdings tatsächlich auch ohne Schwierigkeit wieder einer Tätigkeit als Reinigungskraft nachgehen könne, so stelle sich vielmehr die Frage, warum sie nicht bereits jetzt wieder mit einer geringen Stundenzahl arbeite und die Kinderbetreuung mit dem Partner geteilt werde. Bei einer Arbeitszeit von 10-20 Wochenstunden sollte es dem Vater der Kinder durchaus möglich sein diese (zeitweise) zu beaufsichtigen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Beschluss des Sozialgerichts Kassel vom 20. April 2021 aufzuheben und den Antrag abzulehnen, 
hilfsweise die Vollstreckung der einstweiligen Anordnung aus dem Beschluss vom 20. April 2021 auszusetzen.

Die Antragstellerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Entscheidung des Sozialgerichts Kassel sei korrekt ergangen. Die Antragstellerin stütze ihren Leistungsanspruch auf die bisherige Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, wonach sich ein von einem Minderjährigen abgeleitetes Aufenthaltsrecht ergebe, wenn dieser ansonsten gezwungen wäre, das Unionsgebiet zu verlassen (Entscheidung vom 10. Mai 2017, C 133/15). 
Dies sei hier der Fall. Wie bereits erstinstanzlich vorgetragen, könne der Vater seine Kinder neben seiner selbständigen Tätigkeit nicht selber betreuen. Er arbeitet als Schrotthändler. Dies bedeute, dass er – in der Regel auf kurzfristige Benachrichtigung – Schrott einsammele und an einer Sammelstelle abliefere. Die Tätigkeit werde schlecht bezahlt, jede Woche fielen für ihn etwa 10-20 Stunden Arbeit – vornehmlich am Steuer an. Es sei weder dem Vater noch den Kindern zumutbar, die Kinder auf die Fahrten mitzunehmen. Die Kindergartenbetreuung sei durch die Corona-Pandemie zum Teil eingeschränkt. 
Auch eine Betreuung durch Verwandte sei derzeit nicht möglich. Wie erstinstanzlich vorgetragen, lebten zwar die Mutter und zwei Schwestern des Partners der Antragstellerin in Kassel, er habe sich jedoch mit seiner Familie seit 2018 überworfen und keinen Kontakt mehr. 
Die Antragstellerin habe keine Verwandten in Deutschland. 
Zu beachten sei auch, dass davon auszugehen sei, dass der Antragstellerin ab August/ September 2021 unproblematisch Leistungen zustehen dürften. Sie werde wieder als Reinigungskraft tätig sein, sobald das jüngste Kind einen Kindergartenplatz erhalte, und sie werde damit den Status eines Arbeitsnehmers erlangen. Zudem sei die Eheschließung mit dem Vater ihrer Kinder geplant.

Auf Nachfrage des Gerichts nach dem Vorliegen eines Betreuungsplatzes für das jüngste Kind, die Möglichkeit der wechselseitigen Betreuung der Kinder und der Bemühung der Antragstellerin um Arbeit sowie der Bitte zu den Hochzeitsplänen vorzutragen hat die Antragstellerin ausgeführt, dass die Familie von Oktober 2019 bis Mai 2021 die Unterstützung einer sozialpädagogischen Familienhilfe nach dem SGB VIII erhalten habe. 
Die Familie wohne in Vellmar und sei gut in die Nachbarschaft integriert. Der Partner der Antragstellerin spreche recht gut Deutsch und pflege freundschaftlichen Kontakt mit den Nachbarn. Die Tochter D. sei im Kindergarten sehr beliebt und treffe sich auch mit Freunden und Freundinnen. 
Die Antragstellerin sei zu einem Integrationskurs im Schlachthof angemeldet gewesen, habe aber den Kurs wegen der Schwangerschaft und Geburt des jüngsten Kindes nicht antreten können.
Die Antragstellerin erklärte, sie möchte gerne wieder arbeiten. Sie habe zwar noch kein konkretes Jobangebot, sei aber zuversichtlich, dass sie sehr schnell eine Arbeit finde, sobald die Betreuung des jüngsten Kindes sichergestellt sei. 
Leider habe die Familie für das Kind noch keinen Krippenplatz gefunden. Auch mit Hilfe des Jugendamts habe bisher kein Platz organisiert werden können, frühestens im Herbst bestehe Aussicht auf einen Platz. Da die Antragstellerin nicht Autofahren könne, die Familie kein Auto besitze und die nächste Haltestelle des ÖV etwa 15 Min. entfernt liege, komme ein weiter entfernter Krippenplatz nicht in Frage. Die Familie habe daher schon erwogen, umzuziehen.

Auf eine weitere Nachfrage des Gerichts hat die Antragstellerin mitgeteilt, dass ihr Partner aufgrund der Tätigkeit als Reinigungskraft beabsichtige, das selbständige Gewerbe aufzugeben. 
Eine konkrete Planung der Heirat bestehe noch nicht. Weitere Einzelheiten könnten nicht vorgetragen werden. 

Im gerichtlichen Verfahren ist eine Stellungnahme der Familienhelferin vorgelegt worden; diese führt aus, dass die Familie seit Herbst sozialpädagogischen Familienhilfe erhalte. Weiter heißt es: „Die Hilfemaßnahme wird am 30.06.21 beendet. Gemeinsam mit der Familie und Jugendamt sind laut Hilfeplangespräche folgende Zielvereinbarungen festgehalten worden.

1. Die Wohnsituation ist geklärt.
2. Herr C. übt seine berufliche Tätigkeit kontinuierlich aus.
3. Die Entwicklung der Kinder wird gefördert/ Gesundheitsfürsorge.
4. Frau A. kann die Herausforderungen des Alltages bewältigen.
5. Die Eltern sind in ihrer Erziehungskompetenz gestärkt.

D. besucht seit Anfang 2019 die Kindertagesstätte G-Stadt. Der Bruder E. ist in der Kinderkrippe seit März 2021 angemeldet. Leider ist er nur auf die Warteliste. Evtl. könnte er ein Platz nach den Sommerferien erhalten.
Frau A. war bei einem Deutschkurs im Schlachthof angemeldet. In der Schwangerschaft ging es ihr gesundheitlich nicht gut, daher hat sie ein Sprachkurs nicht angetreten. Frau A. versteht zum Teil Deutsch, hat aber erhebliche Schwierigkeiten auf Deutsch zu kommunizieren. In den Monaten der Betreuung bis Mai 2021 hat sich die Familie bemüht in den Bereichen Beruf, Bildung und gesellschaftliche Integration sich zurecht zu finden.
Welche freundschaftlichen Kontakte die Antragstellerin pflegt, obliegt nicht dem Aufgabenbereich einer Familienhilfe. Mit der Familienhilfe hat Frau A. eine Kindergruppe mit einer Kommunikationsassistenz besucht und einige Freizeitunternehmungen unternommen. Ihr Selbstbewusstsein ist ersichtlich gewachsen. Sie selbst wollte in März eine Erwerbstätigkeit aufnehmen, welche darin scheiterte, dass sie keine Betreuung für ihren Jungen, geb. 2020 hatte.
Herr C. hat in der Betreuungszeit gearbeitet und stets bemüht seine Familie finanziell zu unterstützen. Bis April 2020 war er im selbständigen Bereich tätig. Seit Mai 2021 hat die Familienhilfe keinen Kontakt zur Familie, daher kann zu der Frage der Tätigkeit als Reinigungskraft keine Äußerung erfolgen.
Uns wurde mündlich von der Familie mitgeteilt, dass sie bald heiraten wollen. Es liegen alle Unterlagen für eine Heirat vor; nur die Ehefähigkeitsbescheinigung fehlt. Aus diesem Grund wollte die Familie nach Bulgarien fahren. Näheres können wir ihnen leider nicht mitteilen“.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte des Antragsgegners Bezug genommen.

II.

Die am 29. April 2021 bei dem Hessischen Landessozialgericht eingegangene Beschwerde des Antragsgegners mit dem Antrag, den Beschluss des Sozialgerichts Kassel vom 20. April 2021 aufzuheben und den Antrag abzulehnen, ist zulässig, aber unbegründet.

Nach § 86b Abs. 2 S. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Ein solcher wesentlicher Nachteil ist nur anzunehmen, wenn dem Antragsteller gegenüber dem Antragsgegner ein materiell-rechtlicher Leistungsanspruch in der Hauptsache zusteht (Anordnungsanspruch) und es ihm darüber hinaus nicht zuzumuten ist, die Entscheidung über den Anspruch in der Hauptsache abzuwarten (Anordnungsgrund). Die tatsächlichen Voraussetzungen für das Vorliegen eines Anordnungsanspruches und eines Anordnungsgrundes sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 S. 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung – ZPO). 

Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens, wenn etwa eine vollständige Aufklärung der Sach- oder Rechtslage im einstweiligen Rechtsschutz nicht möglich ist, ist im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden, welchem Beteiligten ein Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache eher zuzumuten ist. Dabei sind grundrechtliche Belange des Antragstellers umfassend in der Abwägung zu berücksichtigen. Insbesondere bei Ansprüchen, die darauf gerichtet sind, als Ausfluss der grundrechtlich geschützten Menschenwürde das soziokulturelle Existenzminimum zu sichern (Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz – GG – i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip nach Art. 20 Abs. 1 GG), ist ein nur möglicherweise bestehender Anordnungsanspruch dann, wenn er eine für die soziokulturelle Teilhabe unverzichtbare Leistungshöhe erreicht und nicht absehbar ist, dass kurzfristig die notwendige Klärung über das Vorliegen des Anspruches herbeigeführt werden kann, in der Regel vorläufig zu befriedigen, wenn sich die Sach- oder Rechtslage im Eilverfahren nicht vollständig klären lässt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 - info also 2005, 166).

Ausgehend von diesen Grundsätzen liegen die Voraussetzungen für den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung vor.

1. Die Grundvoraussetzungen eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld II aus § 7 Abs. 1 S. 1 SGB II sind erfüllt, was zwischen den Beteiligten im Übrigen auch nicht streitig ist. Die im Jahre 1999 geborene Antragstellerin hält sich in den in § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 7a SGB II geregelten Altersgrenzen. Sie ist weiter erwerbsfähig im Sinne von § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 in Verbindung mit § 8 Abs. 1 SGB II; Hinweise auf gesundheitliche Einschränkungen ihrer Leistungsfähigkeit sind nicht ersichtlich. Ausländerrechtliche Beschränkungen hinsichtlich der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit (§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 in Verbindung mit § 8 Abs. 2 SGB II) bestehen nicht, da die Antragstellerin Staatsangehörige eines Mitgliedstaates der Europäischen Union ist. Der Senat hat weiter keine durchgreifenden Zweifel an ihrer Hilfebedürftigkeit (§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 in Verbindung mit §§ 9 ff. SGB II).

2. Derzeit ist mangels Verlustfeststellung auch von einem rechtmäßigen Aufenthalt der Antragstellerin in Deutschland auszugehen. Es spricht viel dafür, dass der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II mangels Verlustfeststellung derzeit nicht zu Ungunsten der Antragstellerin eingreift. 

Leistungen nach dem SGB II erhalten gemäß § 7 SGB II in der Fassung vom 9. Dezember 2020 Personen, die 

1. das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben,
2. erwerbsfähig sind, 
3. hilfebedürftig sind und 
4. ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte).

Ausgenommen sind nach § 7 Abs.1 S. 2 SGB II 

1. Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Abs. 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts,

2. Ausländerinnen und Ausländer, 
a) die kein Aufenthaltsrecht haben oder 
b) deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, 
und ihre Familienangehörigen,

3. Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes.
§ 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 gilt nach § 7 Abs. 1 S. 3 SGB II nicht für Ausländerinnen und Ausländer, die sich mit einem Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten. 

Abweichend von Satz 2 Nr. 2 erhalten Ausländerinnen und Ausländer und ihre Familienangehörigen Leistungen nach diesem Buch, wenn sie seit mindestens fünf Jahren ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet haben; dies gilt nicht, wenn der Verlust des Rechts nach § 2 Absatz 1 des Freizügigkeitsgesetzes/EU festgestellt wurde (§ 7 Abs. 1 Satz 4 SGB II). 

a) Die Antragstellerin kann sich nicht auf § 7 Abs. 1 S. 4 SGB II berufen.
Gemäß § 7 Abs. 1 S. 4 SGB II erhalten Ausländerinnen und Ausländer und ihre Familienangehörigen abweichend von § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II Leistungen nach diesem Buch, wenn sie seit mindestens fünf Jahren ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet haben; dies gilt nicht, wenn der Verlust des Rechts nach § 2 Abs. 1 des Freizügigkeitsgesetzes/EU festgestellt wurde. Die Frist nach Satz 4 beginnt mit der Anmeldung bei der zuständigen Meldebehörde (§ 7 Abs. 1 S. 5 SGB II). Zeiten des nicht rechtmäßigen Aufenthalts, in denen eine Ausreisepflicht besteht, werden auf Zeiten des gewöhnlichen Aufenthalts nicht angerechnet (§ 7 Abs. 1 S. 6 SGB II).

Da sich die Antragstellerin erst seit 2018 wieder in Deutschland aufhält, und seit Einreise der Fünfjahreszeitraum nicht abgelaufen ist, hat sie noch kein Daueraufenthaltsrecht begründet.

b) Die Antragstellerin kann als Partnerin eines Arbeitnehmers kein Aufenthaltsrecht als Familienangehörige aus § 3 FreizügG/EU ableiten, da der Familiennachzug in § 3 FreizügG/EU abschließend geregelt ist (BSG, Urteil vom 30. Januar 2013 - B 4 AS 54/12 R, BSGE 113, 60 m.w.N.; auch EUGH, Urteil vom 17. April 1986 - C-59/85 - wonach ein lediger Partner eines Arbeitnehmers kein Familienangehöriger ist). Da die Antragstellerin mit ihrem Partner nicht verheiratet ist, kann sie keinen Aufenthaltsrecht im Wege des Familiennachzuges begründen.

c) Ein Aufenthaltsrecht nach § 4 FreizügG/EU ist ebenfalls nicht ersichtlich. 
Nicht erwerbstätige Unionsbürger und ihre Familienangehörigen, die den Unionsbürger begleiten oder ihm nachziehen, haben das Recht auf Einreise und Aufenthalt, wenn sie über ausreichenden Krankenversicherungsschutz und ausreichende Existenzmittel verfügen (§ 4 FreizügG/EU in der Fassung vom 21. Januar 2013). Ein solches Aufenthaltsrecht besteht nicht, weil die Antragstellerin, die ihren Partner und die gemeinsamen Kinder begleitet, gerade nicht über hinreichende finanziellen Mittel zur Sicherung ihrer Existenz verfügt. 

d) Die Antragstellerin hat kein Aufenthaltsrecht nach § 3a Abs. 1 Nr. 3 FreizügG/EU als nahestehende Person. 
Einer nahestehenden Person eines Unionsbürgers, die selbst nicht als Unionsbürger und nicht nach den §§ 3 oder 4 freizügigkeitsberechtigt ist, kann auf Antrag das Recht zur Einreise und zum Aufenthalt im Bundesgebiet verliehen werden, wenn es sich um eine nahestehende Person im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 4 Buchstabe c FreizügG/EU handelt und der Unionsbürger mit ihr im Bundesgebiet nicht nur vorübergehend zusammenleben wird (§ 3a FreizügG/EU in der Fassung vom 12. November 2020). Nahestehende Personen einer Person im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 4 Buchstabe c FreizügG/EU sind eine Lebensgefährtin oder ein Lebensgefährte, mit der oder dem die Person eine glaubhaft dargelegte, auf Dauer angelegte Gemeinschaft eingegangen ist, die keine weitere Lebensgemeinschaft gleicher Art zulässt, wenn die Personen beide weder verheiratet noch Lebenspartner einer Lebenspartnerschaft im Sinne der Nummer 2 sind (§ 1 FreizügG/EU in der Fassung vom 12. November 2020). Die Antragstellerin erfüllt zwar die Tatbestandsvoraussetzungen, um als nahestehende Person ihres Lebensgefährten dem EU-Bürger, Herrn C. eingestuft werden zu können, da sie mit diesem seit 2018 in Deutschland zusammenlebt, ohne dass das Paar verheiratet ist und beide zwei gemeinsame Kinder haben. Jedoch ist nicht ersichtlich, dass ein entsprechender Aufenthaltstitel besteht. Aus dem Wortlaut von § 3aFreizügG/EU folgt, dass anders als für freizügigkeitsberechtigte Familienangehörige die Rechtsposition der nahestehenden Personen erst infolge der individuell-konkreten Zulassungsentscheidung entsteht, d. h. es handelt sich dabei um einen Verwaltungsakt (Klaus, ZAR 2020, 395, 398 beck-online). Ein solcher Titel wurde soweit ersichtlich bisher nicht erteilt und wäre auch nicht zu erteilen, da nach § 11 Abs. 5 FreizügG/EU darüber hinaus die Regelerteilungsvoraussetzungen nach § 5 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 4 AufenthG erfüllt sein müssen (BeckOK MigR/Gerstner-Heck, 8. Ed. 1.5.2021, FreizügG/EU § 3a Rn. 10). Da der Lebensunterhalt der Antragstellerin nicht gesichert ist, lägen die Voraussetzungen nach § 5 Abs. 1 AufenthG nicht vor. 

e) Die Antragstellerin kann auch kein Aufenthaltsrecht aus Art. 10 der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union ableiten (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 2020 – C-181/19 –, Jobcenter Krefeld – Widerspruchsstelle ./. JD, juris). Denn dies setzt voraus, dass die Kinder der Antragstellerin die Schule besuchen. Im Fall der Antragstellerin sind die Kinder jedoch noch nicht im schulpflichtigen Alter. 
f) Der Antragstellerin steht auch kein Aufenthaltsrecht aus § 11 Abs. 1 S. 11 FreizügG/EU i.V.m. § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AufenthG und Art. 18 AEUV zu. 
Soweit Aufenthaltsrechte von Unionsbürgern nach § 11 Abs. 1 S. 11 FreizügG/EU i.V.m. den Vorschriften des AufenthG zu prüfen sind, ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 30. Januar 2013 - B 4 AS 54/12 R, BSGE 113, 60) unerheblich, ob dem Unionsbürger ein Aufenthaltstitel nach dem AufenthG erteilt worden ist. Eine entsprechende Änderung des § 11 AufentG wurde im Gesetzgebungsprozess verworfen (vgl. Gesetzgebungsvorschlag der Bundesregierung, Drucksache 19/21750 S. 47 und Drucksache 19/21750, 62). Entscheidend ist, ob ihm ein solcher Titel zu erteilen wäre.

Nach § 11 Abs. 1 S. 11 FreizügG/EU findet das AufenthG vorrangig vor dem FreizügG/EU Anwendung, wenn es eine günstigere Rechtsstellung vermittelt als das FreizügG/EU. § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AufenthG sieht vor, dass einem ausländischen Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge - auch ohne Existenzsicherung i.S.v. § 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AufenthG - eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen ist, wenn der Deutsche seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hat. In der Literatur und Rechtsprechung wird vertreten, dass § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AufenthG aufgrund des in Art. 18 AEUV statuierten Gleichbehandlungsgrundsatzes auf minderjährige Unionsbürger und ihre Eltern unmittelbar oder analog Anwendung findet (vgl. Dienelt, § 11 FreizügG/EU Rn 38f; a. A. Kösel/Christ/Häußer, Deutsches Aufenthalts- und Ausländerrecht, Stand Dezember 2013, § 11 FreizügG/EU Rn. 107; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 30. November 2015 – L 19 AS 1713/15 B ER –, juris; SG Frankfurt, Beschluss vom 12. Dezember 2019 – S 16 AS 1466/19 ER –, Rn. 10, juris). 

Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts besteht jedoch kein Aufenthaltsrecht nach § 11 Abs. 1 S. 11 FreizügG/EU in Verbindung mit § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 Aufenthaltsgesetz. Nach diesen Vorschriften ist die Aufenthaltserlaubnis dem ausländischen Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge unter weiteren Voraussetzungen zu erteilen. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen schon deshalb nicht vor, da die minderjährigen Kinder der Antragstellerin nicht deutsche, sondern bulgarische Staatsangehörigkeit sind. 

Des Weiteren wird nachvollziehbar in Rechtsprechung und Literatur vertreten, dass der Wortlaut von § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 Aufenthaltsgesetz keineswegs eine günstigere Rechtsstellung als das Freizügigkeitsgesetz/EU, soweit der Nachzug zu Unionsbürgern betroffen ist, vermittelt (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 22. Mai 2017 – L 31 AS 1000/17 B ER –, Rn. 2 - 3, juris; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 27. Juli 2017 – L 21 AS 782/17 B ER –, Rn. 43 ff., juris).

Zutreffend hat das LSG Berlin-Brandenburg darauf hingewiesen, dass eine bessere Rechtsstellung als nach dem Freizügigkeitsgesetz/EU sich allenfalls dann ergäbe, wenn die Vorschrift in Anwendung des Diskriminierungsverbotes aus Art. 18 AEUV dergestalt interpretiert wird, dass nicht nur der Nachzug zu einem minderjährigen ledigen Deutschen, sondern der Nachzug zu minderjährigen ledigen Unionsbürgern mit Aufenthaltsrecht und gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland geregelt werden sollte (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 22. Mai 2017 – L 31 AS 1000/17 B ER –, Rn. 3, juris).

Hierzu hat das LSG Berlin-Brandenburg weiter ausgeführt: „Nach Auffassung des Senats ist die dargelegte Rechtsauffassung ohne ausreichende Begründung geblieben, die Aufschluss darüber geben könnte, warum mit einer derart weitreichenden Auslegung des Diskriminierungsverbotes die hier einschlägigen Vorschriften des FreizügG/EU obsolet würden. Denn nach dem Freizügigkeitsgesetz/EU besteht auch für Verwandte in aufsteigender Linie (§ 3 Abs. 2 Nr. 2 FreizügG/EU) wie die Antragstellerin als Mutter ihrer Kinder nach § 3 Abs. 1 S. 2 FreizügG/EU ein Freizügigkeitsrecht lediglich nach Maßgabe des § 4 FreizügG/EU, also, wenn sie unter anderem über ausreichende Existenzmittel/Unterhaltsansprüche verfügen, was vorliegend nicht der Fall ist, da die Kinder und ihr Vater ebenfalls SGB II-Leistungen beziehen. Die genannte Regelung des FreizügG/EU hätte praktisch keinen Anwendungsbereich mehr, wenn die Ausnahmevorschrift des § 28 Aufenthaltsgesetz, die ein Aufenthaltsrecht des ausländischen Elternteils nur zugunsten eines minderjährigen Deutschen regelt, auf alle EU-Bürger ausgedehnt wird. Auch ist dem Senat einschlägige Rechtsprechung der sachnäheren Verwaltungsgerichte zum behaupteten Aufenthaltsrecht aus § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 Aufenthaltsgesetz weder aus der zitierten Kommentarliteratur noch aus der zitierten Rechtsprechung des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen (Beschluss vom 30. November 2015, L 19 AS 1713/15 B ER und Urteil vom 1. Juni 2015, L 19 AS 1923/14, zitiert nach juris) noch aus einem Beschluss des 25. Senats des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg (L 25 AS 1331/16 B ER zitiert nach juris) bekannt geworden. Dem   soweit ersichtlich - einzigen Urteil zur Frage eines Aufenthaltsrechts aus § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 Aufenthaltsgesetz des Verwaltungsgerichts Berlin vom 18. März 2009 (Az.: 12 V 40/08 zitiert nach juris) fehlt an der entscheidenden Stelle jede Begründung (siehe Rn. 21 des Abdrucks bei juris).“ (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 22. Mai 2017 – L 31 AS 1000/17 B ER –, Rn. 5, juris).

Die Antragstellerin hat auch deshalb keinen Anspruch auf die Erteilung der begehrten Aufenthaltserlaubnis, da die Regelung des § 28 Abs. 1 AufenthG keine im Sinne des § 11 Abs. 1 S. 11 FreizügG/EU günstigere Regelung für sie als dauerhaft Freizügigkeitsberechtigte darstellt. Beim Vergleich der Vor- und Nachteile der jeweils in Rede stehenden Vorschriften des Freizügigkeitsgesetzes/EU und des Aufenthaltsgesetzes und deren Bewertung sind nämlich nicht beide Rechtsstellungen abstrakt zu betrachten, sondern bezogen auf den konkret zu entscheidenden Einzelfall (Dienelt in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Aufl., § 11 FreizügG/EU Rn. 33).

Dass die Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 AufenthG keine gegenüber dem Freizügigkeitsrecht günstigere Rechtsstellung vermittelt, ergibt sich schon aus der grundsätzlichen Befristung dieser Aufenthaltserlaubnis (§ 7 AufenthG). Des Weiteren vermittelt die Rechtsstellung nach § 28 Abs. 1 AufenthG der Antragstellerin weder einen erleichterten Zugang zum Arbeitsmarkt noch die Möglichkeit einer früheren Einbürgerung (VGH Kassel, Urteil vom 16. November 2016 – 9 A 242/15, BeckRS 2016, 110643 Rn. 23-27, beck-online). 

Der VGH Kassel hat in diesem Zusammenhang dargelegt, dass es der Intention des Gesetzgebers widerspräche, wenn nur die einzelnen Merkmale einer nach dem Aufenthaltsgesetz erreichbaren Rechtsstellung in den Blick genommen, isoliert bewertet und die dem Unionsbürger davon günstigen herausgegriffen würden, ohne die jeweilige Vorschrift in ihrer Gesamtheit und in ihrem Kontext zu sehen (VGH Kassel, Urteil vom 16. November 2016 – 9 A 242/15, BeckRS 2016, 110643 Rn. 31, 32, beck-online unter Verweis auf: Hailbronner, Ausländerrecht, 82. Aktualisierung September 2013, § 11 Freizügigkeitsgesetz/EU Rn. 36; Dienelt in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Aufl., § 11 Rn. 35J). „Dies folgt schon aus dem Wortlaut dieser Bestimmung, wonach das Aufenthaltsgesetz auf einen freizügigkeitsberechtigten EU-Mitgliedstaatsangehörigen (nur) dann Anwendung findet, wenn dieses eine günstigere Rechtsstellung vermittelt, und nicht schon dann, wenn (nur) einzelne tatbestandliche Voraussetzungen oder Rechtswirkungen der danach erreichbaren Rechtsstellung günstiger sind als die vergleichbaren Bestimmungen des EU-Freizügigkeitsrechts“ (VGH Kassel, Urteil vom 16. November 2016 – 9 A 242/15, BeckRS 2016, 110643 Rn. 31, 32, beck-online).

Da es an einer Regelungslücke fehlt und eine Auslegung gegen den klaren Wortlaut einer Gesetzesnorm nicht möglich ist (vgl. dazu: BSG, Urteil vom 19. Februar 2009, B 10 EG 1/08 R -, Rn. 19, juris), ist auch für die analoge Anwendung des § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG kein Raum.

g) Die Antragstellerin kann ein Aufenthaltsrecht auch nicht vom Aufenthaltsrecht ihrer Kinder nach § 3 Abs. 1 S. 1 Freizügigkeitsgesetz/EU ableiten, da insoweit die Maßgabe des § 4 FreizügG/EU zu beachten wäre. Ein Aufenthaltsrecht bestünde nur, wenn sie über ausreichenden Krankenversicherungsschutz und ausreichende Existenzmittel verfügte. Dies ist aber gerade nicht der Fall.

h) Auch ist der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs keineswegs der Grundsatz zu entnehmen, dass der minderjährige Unionsbürger grundsätzlich ein Zuzugsrecht für sein ausländisches Elternteil vermittelt. So hat der Europäische Gerichtshof in einer aktuellen Entscheidung vom 10. Mai 2017 (EuGH, Urteil vom 10. Mai 2017, C-133/15- Chavez-Vilchez) entschieden, dass der minderjährige ledige Unionsbürger nicht in jedem Fall ein Aufenthaltsrecht für beide Elternteile vermittelt.

Der Senat sieht auch nicht die zwingende Notwendigkeit, dass die minderjährigen Kinder das Bundesgebiet zwangsläufig verlassen müssten, wenn kein Aufenthaltsrecht oder lediglich ein Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche der Antragstellerin bejaht wird. Denn die Antragstellerin hat zum einen mitgeteilt, dass eine zeitnahe Heirat noch im Sommer dieses Jahres mit ihrem Partner beabsichtigt sei. Des Weiteren hat die Antragstellerin vorgetragen, dass beabsichtigt sei, eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen, dieser jedoch derzeit die fehlende Betreuung des jüngsten Kindes entgegenstehe. Auf Nachfrage, warum die Betreuung nicht durch den in Teilzeit tätigen Partner und Vater der gemeinsamen Kinder erfolgen könne, blieben die Angaben vage.

Nach den Erkenntnissen des Eilverfahrens stehen zudem die Arbeitszeiten des Vaters der Kinder einer Betreuung nicht entgegen. Denn nach den Angaben im gerichtlichen Verfahren muss davon ausgegangen werden, dass der Partner der Antragstellerin die selbständige Tätigkeit nicht mehr ausübt und stattdessen einer abhängigen Teilzeitbeschäftigung nachgeht. Nähere Angaben zu den Einsatzzeiten wurden trotz Nachfrage des Gerichts, warum die Betreuung nicht geteilt werde, von Seiten der Antragstellerin nicht gemacht.

i) Auch unter europarechtskonformer Auslegung ergibt sich kein Anspruch. 
Art. 21 AEUV sowie Art. 4 der Verordnung Nr. 883/2004 in der durch die Verordnung Nr. 1372/2013 geänderten Fassung und Art. 24 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG in Verbindung mit Art. 7 Abs. 1 Buchst. b und Art. 14 Abs. 2 dieser Richtlinie sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, die es einem Aufnahmemitgliedstaat gestattet, einem wirtschaftlich inaktiven Unionsbürger, der die in Art. 7 Abs. 1 Buchst. b dieser Richtlinie aufgeführten Voraussetzungen erfüllt und der, da er den Mittelpunkt seiner gesamten Interessen in diesen Staat verlagert hat, eine tatsächliche Integrationsverbindung zu diesem Staat nachweist, den Anschluss an dessen System der sozialen Sicherheit und die Inanspruchnahme staatlich finanzierter Leistungen der Gesundheitsversorgung zu den gleichen Bedingungen wie Inländern unter allen Umständen automatisch zu versagen, weil der Unionsbürger keine unselbständige oder selbständige Erwerbstätigkeit in seinem Hoheitsgebiet ausübt (EuGH, Schlussanträge des Generalanwalts/der Generalanwältin vom 11. Februar 2021, C-535/19, Celex-Nr. 62019CC0535). 

Ein solcher Anspruch ist vorliegend nicht glaubhaft gemacht, weil keine hinreichenden tatsächlichen Integrationsverbindungen dargelegt worden sind. Die Antragstellerin war 2017 für wenige Wochen in Deutschland erwerbstätig. Der knapp zweimonatige Tätigkeitszeitraum reicht nicht aus, um den Status als Arbeitnehmerin zu begründen. 

An einem Integrationskurs hat die Antragstellerin nicht teilgenommen. Dass der Teilnahme gesundheitsbedingte Gründe entgegenstanden, wurden nicht glaubhaft gemacht. Die Schwangerschaft als solche kann nicht als Grund angesehen werden, der einer Teilnahme entgegensteht. 

Integrationsanknüpfungen wurden von Seiten der Antragstellerin zwar für den Partner und die Tochter der Antragstellerin vorgetragen, jedoch nicht für sie selbst. Da vorgetragen wird, dass der Kontakt zur Familie des Partners derzeit nicht bestehe, eigene soziale Kontakte nicht benannt werden, sind derzeit tatsächliche Integrationsverbindungen bei der Antragstellerin nicht erkennbar. Daher besteht ein Anspruch auf Leistung auch bei europarechtskonform Auslegung nicht.

Dem steht auch nicht die Entscheidung des EuGH vom 15. Juli 2021 entgegen (EuGH, Urteil vom 15. Juli 2021 – C-709/20 –, juris). In dem Urteil kam der EuGH zum Ergebnis, dass Art. 24 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG (juris: EGRL 38/2004) dahin auszulegen ist, dass er der Regelung eines Aufnahmemitgliedstaats, nach der Unionsbürger mit einem vom Aufnahmemitgliedstaat auf der Grundlage des innerstaatlichen Rechts gewährten Recht auf vorübergehenden Aufenthalt, die nicht erwerbstätig sind und nicht über ausreichende Existenzmittel verfügen, keinen Anspruch auf Sozialhilfe haben, während Personen, die die Staatsangehörigkeit des Aufnahmemitgliedstaats besitzen, in einer solchen Situation einen solchen Anspruch haben, nicht entgegensteht. (EuGH, Urteil vom 15. Juli 2021 – C-709/20 –, Rn.73, juris). 

Weiter hat der EuGH in dieser Entscheidung konkretisiert, dass wenn sich ein Unionsbürger nach innerstaatlichem Recht rechtmäßig im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats als desjenigen aufhält, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, sich die zuständigen nationalen Behörden bei der Entscheidung über die Gewährung von Sozialhilfe jedoch zu vergewissern haben, dass die auf die genannte Regelung gestützte Ablehnung von Sozialhilfe den betreffenden Unionsbürger und die Kinder, für die ihm die elterliche Sorge zusteht, nicht einem konkreten und gegenwärtigen Risiko der Verletzung ihrer Grundrechte, wie sie in den Artikeln 1, 7 und 24 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verbürgt sind, aussetzt. Verfügt der betreffende Unionsbürger über keinerlei Mittel, um für seinen Lebensunterhalt und den seiner Kinder aufzukommen, und ist er auf sich allein gestellt, haben sich die zuständigen nationalen Behörden zu vergewissern, dass er im Falle der Nichtgewährung von Sozialhilfe mit seinen Kindern dennoch unter würdigen Umständen leben kann. Bei dieser Prüfung können die zuständigen nationalen Behörden sämtliche Hilfeleistungen berücksichtigen, die das innerstaatliche Recht vorsieht und die der betreffende Unionsbürger und seine Kinder tatsächlich in Anspruch nehmen können (EuGH, Urteil vom 15. Juli 2021 – C-709/20 –, Rn.86, juris). Da der Partner und die gemeinsamen Kinder aufstockende Leistungen beziehen, ist ein solcher Anspruch nicht glaubhaft gemacht worden.

j) Ein Aufenthaltsrecht der Antragstellerin zur Arbeitsuche besteht derzeit nicht, da sich aus dem Vortrag der Antragstellerin nicht ergibt, dass sie derzeit auf Arbeitsuche ist. Nachfragen des Gerichts wurden so vage beantwortet, das nicht erkennbar ist, dass sie derzeit nach Arbeit sucht. Der Senat geht daher davon aus, dass die Arbeitsuche erst nach Erhalt eines Betreuungsplatzes beabsichtigt ist. 

k) Zwar steht der Antragstellerin wie ausgeführt, kein Aufenthaltsrecht zu, jedoch ist der Verlust der Freizügigkeit derzeit nicht festgestellt. 

2. Mangels Verlustfeststellung hält sich die Antragstellerin derzeit rechtmäßig in Deutschland auf.
Daher ist derzeit davon auszugehen, dass die Antragstellerin ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland i.S.v. § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB II i.V.m. § 30 Abs. 3 S. 2 SGB I hat. Sie hält sich derzeit zukunftsoffen und ohne erkennbare Anzeichen, dies ändern zu wollen, seit Dezember 2018 durchgehend in Deutschland auf. Bis zu einer Entscheidung der Ausländerbehörde nach §§ 5 Abs. 4, 6 FreizügG/EU über den Verlust des Rechts zur Einreise und auf Aufenthalt besteht für einen Unionsbürger grundsätzlich ein zukunftsoffener Aufenthalt i.S.v. § 30 SGB I, unabhängig davon, ob ein materielles Aufenthaltsrecht gegeben ist (BSG, Urteil vom 30. Januar 2013 - B 4 AS 54/12 R; vgl. auch LSG Hessen, Urteil vom 27. November 2013 - L 6 AS 378/12, Rn. 34, juris, wonach das Nichtabstellen auf die materielle Rechtmäßigkeit des Aufenthalts eines Ausländers bei der Auslegung des Begriff "gewöhnlicher Aufenthalt" i.S.v. §§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB II, 30 SGB I kongruent mit dem in Art. 11 VO (EG) 987/2009 konkretisierten Begriff des Wohnorts ist). Das FreizügG/EU geht von einer Vermutung der Freizügigkeit aus, die einem Unionsbürger bis zur Feststellung des Nichtbestehens der Freizügigkeit durch die Ausländerbehörde einen formellen rechtmäßigen Aufenthalt vermittelt (vgl. Dienelt in Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 10 Aufl., § 7 Rn. 10). Das Aufenthaltsrecht besteht daher, solange der Aufnahmemitgliedstaat nicht durch einen nationalen Rechtsakt festgestellt hat, dass der Unionsbürger bestimmte vorbehaltene Bedingungen i.S. des Art 21 AEUV nicht erfüllt (BSG, Urteil vom 30. Januar 2013 – B 4 AS 54/12 R –, Rn. 20, juris). Ein Unionsbürger ist nach § 7 Abs. 1 S. 1 FreizügG/EU erst nach einer Verlustfeststellung nach §§ 2 Abs. 7, 5 Abs. 4, 6 FreizügG/EU ausreisepflichtig (LSG NRW, Beschluss vom 20. März 2015 – L 19 AS 116/15 B ER –, Rn. 21, juris).

Ein solcher Verlust des Rechts der Antragstellerin zur Einreise und auf Aufenthalt nach den Bestimmungen des FreizügG/EU wurde von der zuständigen Ausländerbehörde bislang nicht festgestellt. Es ist auch nicht erkennbar, dass der Antragsgegner durch Einschaltung der zuständigen Behörde das Verfahren zur Verlustfeststellung eingeleitet hat.

Für diese Auslegung spricht der verfassungsrechtlichen Verpflichtung des Staates zur Sicherung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG (vgl. hierzu BVerfG, Urteile vom 9. Februar 2010 - 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 - BVerfGE 125, 175 und vom 18. Juli 2012 - 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 - BVerfGE 132, 134; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 20. März 2015 – L 19 AS 116/15 B ER –, Rn. 27, juris). Der Anspruch auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG umfasst bei Ausländern die Sicherstellung des Existenzminimums auch bei kurzer Aufenthaltsdauer oder kurzer Aufenthaltsperspektive in Deutschland in jedem Fall und zu jeder Zeit (vgl. hierzu BVerfG, Urteil vom 18. Juli 2012 - 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11, Rn. 92; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 20. März 2015 – L 19 AS 116/15 B ER –, Rn. 27, juris).

Da § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2a SGB II wie § 23 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 SGB XII nicht ausdrücklich an die Feststellung des Nichtbestehens der Freizügigkeit, sondern nur an das Nichtbestehen eines Aufenthaltsrechts anknüpft, lässt der Wortlaut der Regelung für sich genommen erst recht nicht darauf schließen, dass der Leistungsausschluss vor Bestandskraft der Feststellung des Nichtbestehens der Freizügigkeit gelten soll (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 26. Februar 2020 – 1 BvL 1/20 –, Rn. 12, juris zu § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB XII).

3. Ein Anordnungsgrund liegt für den streitgegenständlichen Zeitraum vor. Dem Grunde nach hat der Senat keinen durchgreifenden Zweifel, dass die Antragstellerin dringend auf Leistungen der Existenzsicherung angewiesen ist. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Antragstellerin derzeit Einkommen erzielen oder auf Vermögen zurückgreifen könnte. Die notwendigen Mittel zur Sicherung einer menschenwürdigen Existenz stehen ihr erkennbar nicht in ausreichendem Umfang zur Verfügung.

4. Darüber hinaus wird der Hilfsantrag aus den dargelegten Gründen abgelehnt.  

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.

Rechtskraft
Aus
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