I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 14. August 2017 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander auch für das Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
I.
Zwischen den Beteiligten ist in Streit, ob der Beklagte für die Zeit vom 1. Oktober 2005 bis zum 30. September 2006 dem Kläger zu Recht Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) wegen fehlender Mitwirkung versagt hat.
Der Kläger bezog von April bis September 2005 aufgrund eines Bewilligungsbescheides vom 8. August 2005 Leistungen nach dem SGB II von dem Beklagten bzw. dessen Rechtsvorgänger. Auf den am 30. September 2005 gestellten Fortzahlungsantrag verlangte der Beklagte mit Schreiben vom 16. November 2005 die Vorlage verschiedener Unterlagen, darunter Kontoauszüge oder Bankauskunft ab dem 1. März 2005 durchlaufend bis zum 16. November 2005, Nachweis über Mietzahlungen, letzte Nebenkostenabrechnung. Dem Kläger wurde hierzu eine Frist bis zum 23. November 2005 gewährt (Verwaltungsakte [VA] Bl. 35).
Hiergegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 22. November 2005, bei dem Beklagten eingegangen am 23. November 2005, Widerspruch (VA Bl. 36), welcher mit Widerspruchsbescheid vom 29. November 2005 als unzulässig verworfen wurde (VA Bl. 42).
Mit Bescheid vom 25. November 2005 (VA Bl. 39) versagte der Beklagte die beantragten Leistungen ab dem 1. Oktober 2005. Die mit Schreiben vom 16. November 2005 angeforderten Unterlagen und Nachweise seien trotz Belehrung über die Rechtsfolgen nicht vorgelegt worden. Der Bescheid wurde dem Kläger am 29. November 2005 persönlich übergeben (Nachweis Postzustellungsurkunde, Gerichtsakte Bl. 218). Er enthielt eine Rechtsbehelfsbelehrung, wonach gegen den Bescheid innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe Widerspruch erhoben werden könne. Der Widerspruch sei schriftlich oder zur Niederschrift bei der oben genannten Stelle einzulegen.
Im Rahmen eines vor dem Sozialgericht Darmstadt unter dem Aktenzeichen S 19 AS 321/05 ER geführten einstweiligen Rechtsschutzverfahrens reichte der Kläger ein auf den 13. Dezember 2005 datiertes Schreiben ein, welches ausweislich des auf dem Schreiben befindlichen Eingangsstempels am 4. Januar 2006 bei Gericht einging. Er führte dort aus, dass nach zwischenzeitlichem Erlass des Versagungsbescheides vom 25. November 2005 „in vorliegender Sache vorsorglich nunmehr rechtsgemäß auch Klage erhoben" werde.
Der Beklagte erließ daraufhin am 9. Februar 2006 einen Widerspruchsbescheid, mit welchem der als Widerspruch verstandene Schriftsatz des Klägers gegen den Bescheid vom 25. November 2005 als unzulässig verworfen wurde. Die Frist zur Einlegung des Widerspruchs habe am 30. November 2005 begonnen und am 29. Dezember 2005 geendet. Da der Widerspruch erst am 4. Januar 2006 beim Sozialgericht Darmstadt eingegangen sei, sei zu diesem Zeitpunkt die Frist zur Erhebung des Widerspruchs bereits abgelaufen.
Mit seiner am 10. März 2006 bei dem Sozialgericht Darmstadt erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, dass gegen den Versagungsbescheid des Beklagten durch das Schreiben des Klägers vom 13. Dezember 2005 an das Sozialgericht Darmstadt fristgerecht Widerspruch erhoben worden sei. Dieses Schreiben habe er vor den Weihnachtsfeiertagen persönlich beim Sozialgericht in den Fristenbriefkasten eingeworfen. Auch aus dem Verhalten des damaligen vorsitzenden Richters gehe hervor, dass das fragliche Schreiben spätestens am 27. Dezember 2005 vorgelegen habe und somit keinesfalls erst am 4. Januar 2006 bei Gericht eingegangen sei. Ungeachtet dessen sei aufgrund einer fehlerhaften Rechtsbehelfsbelehrung die Monatsfrist nicht wirksam in Gang gesetzt worden. Der Beklagte habe sich für eine förmliche Zustellung des Versagungsbescheids gegen Zustellungsurkunde entschieden. In solchen Fällen sei es erforderlich, in der Rechtsbehelfsbelehrung auf den Zeitpunkt der Zustellung abzustellen und nicht den ungenauen und missverständlichen Begriff der Bekanntgabe, auf welchen der Beklagte vorliegend abgestellt habe, zu wählen. Aus diesem Grund sei die Jahresfrist anzuwenden, welche von ihm in jedem Fall eingehalten worden sei. Schließlich sei der Versagungsbescheid rechtswidrig.
Der Kläger hat schriftlich beantragt, 1. den Bescheid des Beklagten vom 25. November 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. Februar 2006 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, dem Kläger Leistungen nach dem SGB II in gesetzlichen Höhe für die Zeit ab dem 1. Oktober 2005 bis zum 30. September 2006 zu bewilligen, 2. das Schreiben vom 16. November 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. November 2005 aufzuheben.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat sich im Wesentlichen auf seine Darlegungen in den vorgelegten Verwaltungsvorgängen gestützt.
Das Sozialgericht hat die Klage nach mündlicher Verhandlung mit Urteil vom 14. August 2017 abgewiesen. Die Kammer habe in der mündlichen Verhandlung auch in Abwesenheit des Klägers und seines Prozessbevollmächtigten über den Rechtsstreit und auch in der aus dem Rubrum ersichtlichen Besetzung über das Ablehnungsgesuch vom 14. August 2017 entscheiden können (wird ausgeführt).
In der Sache hat das Sozialgericht ausgeführt, die auf Aufhebung des Versagungsbescheids vom 25. November 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. Februar 2006 gerichtete Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG) sei zulässig, aber unbegründet.
Das Begehren des Klägers könne statthaft nur mit der reinen Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 SGG) geltend gemacht werden. Gegen die Versagung einer Sozialleistung wegen fehlender Mitwirkung sei grundsätzlich nur die isolierte Anfechtungsklage gegeben, weil es an einer behördlichen Sachentscheidung über den Leistungsanspruch noch fehle und über die Aufhebung des Versagensbescheids hinaus regelmäßig kein schützenswertes Interesse an einer gerichtlichen Entscheidung bestehe (BSG, Urteil vorn 17. Februar 2004 - B 1 KR 4/02 R; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 31. Januar 2008 - L 21 R 187/05). Streitgegenstand eines solchen Rechtsstreits sei nicht der materielle Anspruch, sondern die Auseinandersetzung über Rechte und Pflichten der Beteiligten im Verwaltungsverfahren. Die Verpflichtung der Behörde zur nochmaligen Entscheidung über den ursprünglichen Antrag ergebe sich bei der Aufhebung des Versagensbescheids von selbst. Ziel der gegen einen Versagungsbescheid wegen fehlender Mitwirkung gerichteten Klage sei insoweit das Begehren, das Verwaltungsverfahren nach dessen Aufhebung fortzusetzen (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 31. Januar 2008 – L 21 R 187/05). Aus diesem Grund sei gegen die Versagung einer Sozialleistung grundsätzlich nur die reine Anfechtungsklage statthaft. Dies gelte auch, wenn die Gewährung existenzsichernder Leistungen nach dem SGB II im Streit stehe (BSG, Urteil vom 1. Juli 2009 – B 4 AS 78/08 R).
Die Anfechtungsklage sei jedoch unbegründet. Der Bescheid des Beklagten vom 25. November 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. Februar 2006 sei rechtmäßig und verletze den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Bescheid des Beklagten vom 25. November 2005 sei gemäß § 77 SGG in der Sache bindend geworden, da der Kläger gegen ihn nicht fristgerecht Widerspruch erhoben habe.
Nach § 84 Abs. 1 Satz 1 SGG sei der Widerspruch binnen eines Monats, nachdem der Verwaltungsakt dem Beschwerten bekanntgegeben worden sei, schriftlich oder zur Niederschrift bei der Stelle einzureichen, die den Verwaltungsakt erlassen habe.
Die Bekanntgabe eines Verwaltungsaktes nach § 37 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) sei die zielgerichtete Mitteilung des Inhalts des Verwaltungsakts durch die Behörde an den Bekanntgabe-Empfänger; auf dessen tatsächliche Kenntnisnahme komme es nicht an, es genüge, dass er nach dem normalen Verlauf der Umstände die Möglichkeit gehabt habe, Kenntnis zu nehmen (vgl. BSG, Urteil vom 4. September 2013 – B 10 EG 7/12 R). Eine bestimmte Form der Bekanntgabe eines Bescheides sei nicht vorgeschrieben.
Diese Voraussetzungen für eine Bekanntgabe würden durch die Zustellung des Bescheides vom 25. November 2005 an den Kläger mittels Zustellungsurkunde am 29. November 2005 erfüllt. Die einmonatige Widerspruchsfrist sei danach bis zum 29. Dezember 2005 gelaufen.
Diese einmonatige Widerspruchsfrist habe der Kläger versäumt. Ausdrücklich habe er zu keinem Zeitpunkt Widerspruch gegen den Bescheid vom 25. November 2005 erhoben. Zu Gunsten des Klägers sei ein Schreiben in dem Verfahren S 19 AS 321/05 ER, mit welchem der Kläger wörtlich „in vorliegender Sache vorsorglich nunmehr rechtsgemäß auch Klage" erhoben habe, als Widerspruch gegen den Versagungsbescheid vom 25. November 2005 gewertet worden. Dieses Schreiben des Klägers vom 13. Dezember 2005 sei bei Gericht jedoch erst am 4. Januar 2006, und damit nach Ablauf der Monatsfrist des § 84 Abs. 1 Satz 1 SGG, eingegangen (Eingangsstempel des Gerichts). Anhaltspunkte dafür, dass das Schreiben bereits zu einem früheren Zeitpunkt (ungestempelt) zu den Akten gelangt sei und erst danach mit einem Eingangsstempel versehen worden wäre, seien nicht ersichtlich.
Die Monatsfrist des § 84 Abs. 1 Satz 1 SGG sei im vorliegenden Fall auch maßgebend, da entgegen der Rechtsauffassung des Klägers die dem Bescheid vom 25. November 2005 beigefügte Rechtsbehelfsbelehrung keine Unrichtigkeit im Sinne des § 66 Abs. 2 Satz 1 SGG aufweise. Mithin könne er sich auch nicht darauf berufen, dass ihm in Anwendung dieser Vorschrift eine Frist von einem Jahr zur Widerspruchseinlegung zur Verfügung gestanden habe.
Nach § 66 Abs. 1 SGG beginne die Frist für ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf nur dann zu laufen, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf, die Verwaltungsstelle oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen sei, den Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich oder elektronisch belehrt worden sei.
Die Voraussetzungen für eine richtige, die Monatsfrist in Lauf setzende Rechtsbehelfsbelehrung seien nach dieser Vorschrift – neben der Form schriftlich oder zur Niederschrift – als inhaltliche Anforderungen die Bezeichnung des statthaften Rechtsbehelfs, hier ein Widerspruch, der zuständigen Stelle, an welche er zu richten sei, und der einzuhaltenden Widerspruchsfrist. Nach dem Sinn und Zweck der Vorschriften, den Beteiligten ohne Gesetzeslektüre die ersten Schritte zur Wahrung ihrer Rechte zu ermöglichen, müsse die Rechtsbehelfsbelehrung auch eine Belehrung über den wesentlichen Inhalt der bei der Einlegung des Rechtsbehelfs zu beachtenden Formvorschriften beinhalten („Wegweiserfunktion"). Andererseits dürfe die Rechtsbehelfsbelehrung nicht mit weiteren Informationen überfrachtet sein; diese seien jedoch unschädlich, wenn sie richtig und vollständig seien, dürften aber nicht Verwirrung stiften oder den Eindruck erwecken, die Rechtsverfolgung sei schwieriger als sie in Wirklichkeit sei (st. Rspr., vgl. BSG, Beschluss vom 7. Juli 1999 – B 3 P 4/99 R; BSG, Urteil vom 14. März 2013 – B 13 R 19/12 R; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl. 2017, § 66 Rn. 5, 10).
Die von einer Rechtsbehelfsbelehrung zu wahrenden (Mindest-)Voraussetzungen würden von der des Bescheids vom 25. November 2005 erfüllt. Hinsichtlich der schriftlichen Form und der inhaltlichen Anforderungen an die Bezeichnung des statthaften Rechtsbehelfs, hier eines Widerspruchs, und der zuständigen Behörde, an die er zu richten sei, sei dies zwischen den Beteiligten nicht umstritten. Entgegen dem Vorbringen des Klägers werde mit diesem Satz auch in zutreffender Weise über den Beginn der Widerspruchsfrist mit der Bekanntgabe des Bescheids als weitere Voraussetzung für eine richtige Rechtsbehelfsbelehrung belehrt, obgleich der Bescheid dem Kläger mittels Zustellungsurkunde zugestellt worden sei.
Dies folge schon aus dem Wortlaut des § 84 SGG, nach dessen Abs. 1 Satz 1 der Widerspruch binnen eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts zu erheben sei. Die Bekanntgabe umfasse dabei auch eine Zustellung. Dies entspreche auch der Definition des Begriffs Zustellung in der heutigen Fassung des § 2 Abs. 1 Verwaltungszustellungsgesetz (VwZG). Zustellung sei danach die Bekanntgabe eines schriftlichen oder elektronischen Dokuments in der in diesem Gesetz bestimmten Form. Ähnlich laute auch § 166 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO). Darüber hinaus blieben nach der in § 37 Abs. 5 SGB X enthaltenen Regelung die „Vorschriften über die Bekanntgabe eines Verwaltungsakts mittels Zustellung unberührt". Eine Zustellung ohne Bekanntgabe sei insoweit auch nach früherem Recht nicht vorstellbar.
Der Begriff der Bekanntgabe sei entgegen älteren Urteilen des BSG (vgl. nur BSG, Urteil vom 27. September 1983 – 12 RK 75/82) nicht mehr ungenau und missverständlich, wie seine obige Beschreibung belege. Vielmehr sei eine Rechtsbehelfsbelehrung, die für den Beginn der Widerspruchsfrist den im Gesetz verwandten Begriff der Bekanntgabe gebrauche, weder irreführend noch unrichtig, auch wenn der angefochtene Bescheid in der besonderen Form der Zustellung – vorliegend mittels Zustellungsurkunde – bekanntgegeben werde. Die Bekanntgabe, die den Fristlauf auslöse, bestehe dann in der Zustellung. Eine genauere Bezeichnung des die Widerspruchsfrist in Lauf setzenden Ereignisses bedürfe es in einem solchen Falle nicht. Die Belehrung, die Widerspruchsfrist beginne mit der Bekanntgabe des Bescheids zu laufen, könne keinen Irrtum des Adressaten über den Beginn der Rechtsbehelfsfrist hervorrufen und dadurch die rechtzeitige Widerspruchseinlegung erschweren, wenn der Bescheid dem Adressaten im Wege der Zustellung mittels Zustellungsurkunde bekanntgegeben worden sei. Denn bei dieser Zustellungsart sei die Zustellung auch aus Sicht des Empfängers stets zugleich die Bekanntgabe. Daran könne ein Zustellungsempfänger bei vernünftiger Überlegung nicht zweifeln (vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Beschluss vom 31. Mai 2006 — 6 B 65/05).
Eine andere Beurteilung ergebe sich auch nicht aus dem von dem Kläger zitierten Urteil des Bundessozialgerichts vom 9. Dezember 2008 (B 8/9 b SO 13/07 R). In jenem Verfahren sei dem Kläger der angefochtene Widerspruchsbescheid per Einschreiben zugestellt worden. Die Rechtsbehelfsbelehrung, wonach die Klage einen Monat „nach Zustellung" (nicht nach Bekanntgabe) zu erheben sei, sei als richtig angesehen worden, weil es nicht nur folgerichtig, sondern sogar erforderlich sei, dass in der Rechtsbehelfsbelehrung auf den Zeitpunkt der Zustellung und nicht der Bekanntgabe abgestellt werde, wenn der Versicherungsträger sich für den Weg der förmlichen Zustellung entscheide. Daraus könne jedoch für die Entscheidung des vorliegenden Verfahrens nichts Zwingendes hergeleitet werden. Auch wenn in solchen Fallkonstellationen, in denen in der Rechtsbehelfsbelehrung auf die tatsächliche Art der Bekanntgabe durch Zustellung Bezug genommen werde, die Rechtsbehelfsbelehrung nicht unrichtig sei, bedeute dies nicht in einer Art Umkehrschluss, dass eine Rechtsbehelfsbelehrung, die auf die gesetzlich vorgesehene Bekanntgabe verweise, unrichtig sei, wenn nicht nur eine formlose Bekanntgabe, sondern eine Zustellung erfolge. Denn aus der tragenden Aussage des Urteils vom 9. Dezember 2008, dass eine Rechtsbehelfsbelehrung nicht unrichtig sei, die nicht auf den im Gesetz verwendeten Begriff Bekanntgabe verweise, sondern auf die tatsächlich vorgenommene Zustellung, folge nicht zwingend, dass immer, wenn seitens der Behörde eine Zustellung erfolge, in der Rechtsbehelfsbelehrung begrifflich nur auf die Zustellung und nicht auf die in der Zustellung liegende Bekanntgabe für den Fristbeginn Bezug genommen werden dürfe (BSG, Urteil vom 9. April 2014 — B 14 AS 46/13 R).
Darüber hinaus seien keine Gesichtspunkte zu erkennen, aus denen sich eine Unrichtigkeit der Rechtsbehelfsbelehrung des angefochtenen Bescheids nach § 66 Abs. 1 SGG ergebe.
Wiedereinsetzung bei verspätetem Widerspruch nach § 67 SGG sei dem Kläger nicht zu gewähren, weil er eine solche nicht beantragt habe und darüber hinaus auch kein Grund zu erkennen sei, wieso er ohne Verschulden verhindert gewesen sei, die Widerspruchsfrist einzuhalten.
Die auf Gewährung von Leistungen vom 1. Oktober 2005 bis zum 30. September 2006 gerichtete Leistungsklage sei unzulässig.
Bei einem reinen Versagungsbescheid, wie er vorliegend gegeben sei, sei eine Leistungsklage grundsätzlich unzulässig. § 54 Abs. 4 SGG finde hierbei grundsätzlich keine Anwendung, da eine Leistungsklage allgemein voraussetze, dass die Verwaltung gerade über die begehrte Leistung entschieden habe (BSG, Urteil vom 25. Oktober 1988 – RAr 70/87), hier also über die materiellen Voraussetzungen des Anspruchs auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes. Davon könne indes keine Rede sein, wenn die Verwaltung gemäß § 66 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - Allgemeiner Teil (SGB I) bis zur Nachholung der Mitwirkung eine Leistung versage, weil der Antragsteller seiner Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen sei. Eine solche Entscheidung setze nämlich nicht voraus, dass die Anspruchsvoraussetzungen der geltend gemachten Sozialleistung nicht erfüllt seien. Der § 66 Abs. 1 SGB I erlaube es dem Leistungsträger gerade ohne weitere Ermittlungen, also ohne abschließende Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen bis zur Nachholung der Mitwirkung, die Leistung zu versagen. Maßgeblich sei allein, ob die in § 66 SGB I geregelten Voraussetzungen bei dem Erlass des Versagungsbescheides gegeben gewesen seien. Dies habe zur Folge, dass die Anfechtung einer Versagung grundsätzlich nicht mit einer Leistungsklage verbunden werden könne, die Versagung vielmehr allein mit der Anfechtungsklage anzugreifen sei, so dass sich die gerichtliche Überprüfung eines auf § 66 SGB I gestützten Bescheides auf die in dieser Vorschrift bestimmten Voraussetzungen für die Versagung der Leistung zu beschränken pflege (BSG, Urteil vom 25. Oktober 1988 – RAr 70/87).
Eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage sei im Falle eines Versagungsbescheides nur ausnahmsweise dann zulässig, wenn die anderweitige Klärung der Leistungsvoraussetzungen behauptet werde oder zwischen den Beteiligten unstreitig sei (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 22. September 2016 — L 7 AS 3613/15) und sich bei einer Aufhebung der Entscheidung über die Versagung wegen fehlender Mitwirkung das bisherige Verwaltungsverfahren lediglich wiederholen würde (BSG, Beschluss vom 25. Februar 2013 – B 14 AS 133/12 B). Dieser Rechtsprechung liege der Gedanke zugrunde, es wäre „aus prozessökonomischen Gründen nicht sinnvoll und aus Rechtsschutzgründen nicht vertretbar", lediglich die Versagung wegen mangelnder Mitwirkung aufzuheben und den Versicherten auf ein neu in Gang zu setzendes Verfahren zu verweisen, wenn bereits alle Leistungsvoraussetzungen nachgewiesen seien. Eine solche Konstellation sei vorliegend aber nicht gegeben, da der Kläger bereits die Entscheidungserheblichkeit der vom Beklagten geforderten Informationen (weiterhin) bestreite und der Beklagte seinerseits die anderweitige Klärung der Leistungsvoraussetzungen bestreite. Die Kammer habe im vorliegenden Verfahren daher nicht zu prüfen, ob der Kläger für den streitigen Zeitraum mit Erfolg Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts beanspruchen könne.
Soweit der Kläger sich darüber hinaus mit der vorliegenden Klage gegen den Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 29. November 2005 wende, sei die Klage unzulässig. Die erhobene Anfechtungsklage sei nicht statthaft.
Die Aufforderung zur Mitwirkung stelle materiell keinen Verwaltungsakt dar. Die Anfechtungsklage setze gemäß § 54 Abs. 1 SGG voraus, dass diese sich gegen einen Verwaltungsakt richte (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage 2017, § 54 Rn. 8). Gemäß § 31 Satz 1 SGB X sei Verwaltungsakt jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts treffe und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet sei. Ein Verwaltungsakt sei somit auf eine unmittelbare, für die Betroffenen verbindliche Regelung von Rechten und Pflichten oder eines Rechtsstatus gerichtet, d. h. darauf, mit dem Anspruch unmittelbarer Verbindlichkeit und mit der Bestandskraft fähiger Wirkung unmittelbar subjektive Rechte der Betroffenen zu begründen, aufzuheben, abzuändern oder verbindlich festzustellen, oder aber darauf, die Begründung, Aufhebung, Abänderung oder Feststellung unmittelbar verbindlich abzulehnen. Ein Verwaltungsakt liege somit nicht vor, wenn eine auf eine gesetzliche Grundlage gestützte Entscheidung noch keinen verbindlichen Charakter haben, diese Wirkung vielmehr erst einem anderen, späteren Akt zukommen solle. Sinn und Zweck der in diesem Sinne geforderten verbindlichen – also endgültigen – Regelung sei es unter anderem auch, die darin ausgesprochene Regelung zu vollstrecken.
Das Verlangen nach § 60 Abs. 1 SGB I könne nicht vollstreckt werden und begründe keine unmittelbaren Rechte oder Pflichten. Komme derjenige, der eine Sozialleistung beantrage oder erhalte, seinen Mitwirkungspflichten nach den §§ 60 bis 62, 65 SGB I nicht nach und werde hierdurch die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert, könne der Leistungsträger ohne weitere Ermittlungen die Leistung bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz oder teilweise versagen oder entziehen, soweit die Voraussetzungen der Leistung nicht nachgewiesen seien. Dies gelte entsprechend, wenn der Antragsteller oder Leistungsberechtigte in anderer Weise absichtlich die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwere. Trotz der Formulierung „hat alle Tatsachen anzugeben" folge aus der Vorschrift des § 60 SGB I, dass der Leistungsträger die Angabe von Tatsachen nur verlangen könne. Eine Pflicht, dem Verlangen nachzukommen, bestehe für den Leistungsempfänger nicht. Der Betroffene habe es vielmehr in der Hand, dem geforderten Verlangen nachzukommen oder sich zu weigern. Daher könne das Verlangen nicht vollstreckt werden. Die Weigerung, dem vom Leistungsträger Verlangten nachzukommen, sei aber kraft Gesetzes nicht folgenlos. Der Leistungsträger könne ohne weitere Ermittlungen die Leistung bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz oder teilweise versagen oder entziehen, soweit die Voraussetzungen des § 66 SGB I vorlägen. Somit enthalte erst diese weitere auf § 66 SGB I gestützte, im Ermessen der Behörde stehende Entscheidung eine verbindliche Regelung. Halte der Betroffene das Verlangen für rechtswidrig, könne er die Rechtmäßigkeit des Verlangens nur inzident mit dem Rechtsbehelf gegen die nach § 66 SGB I mögliche Versagung bzw. Entziehung einer Leistung angreifen. Daher handele es sich bei dem Verlangen nach § 60 Abs. 1 SGB I nur um eine der eigentlichen Entscheidung vorausgehende und diese vorbereitende Maßnahme, die nicht selbständig, sondern nur mit der das Verfahren abschließenden Entscheidung überprüft werden könne. Da demnach die Aufforderung zur Mitwirkung nicht vollstreckt werden könne und nur vorbereitenden Charakter habe, stelle sie materiell keinen Verwaltungsakt dar.
Die von dem Beklagten tatsächlich veranlasste Aufforderung zur Mitwirkung stelle auch formell keinen Verwaltungsakt dar. Werde in der äußeren Form eines Verwaltungsaktes gehandelt, so sei die Maßnahme unabhängig davon, ob sie als Verwaltungsakt hätte erlassen werden dürfen, als Verwaltungsakt zu behandeln. Maßgeblich für die Beurteilung, ob ein behördlicher Akt ein Verwaltungsakt sei, sei nicht das, was die Behörde gewollt oder gedacht habe, sondern der objektive Sinngehalt, das heiße, wie der Bürger unter Berücksichtigung der äußeren Form, Abfassung, Begründung, Beifügung einer Rechtsbehelfsbelehrung und aller sonstigen ihm bekannten oder erkennbaren Umstände nach Treu und Glauben bei objektiver Auslegung analog §§ 157, 133 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) die Erklärung oder das Verhalten der Behörde habe verstehen dürfen oder müssen (Mutschler in: Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, 94. EL Mai 2017, § 31 SGB X Rn. 21; Heße in: BeckOK Sozialrecht, 45. Ed. 1.6.2017, SGB X, § 31 Rn. 19).
Danach liege auch formell kein Verwaltungsakt vor. Dagegen spreche bereits, dass der Beklagte seinem Schreiben vom 16. November 2005 keine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt habe. Auch aus dem Inhalt des Schreibens gehe nicht die Qualität eines Verwaltungsaktes hervor. Der Beklagte habe den Kläger zur Vorlage weiterer Unterlagen hinsichtlich des von ihm gestellten Antrags auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II aufgefordert. Die gesetzlichen Regelungen der Mitwirkung würden aufgezeigt sowie die Folgen der fehlenden Mitwirkung. Das Schreiben des Beklagten vom 16. November 2005 sei somit deutlich geprägt von der reinen Aufforderung zur Mitwirkung und sei nicht in die äußere Form eines Verwaltungsaktes gekleidet. Der Kläger habe das Schreiben vom 16. November 2005 somit nicht als Verwaltungsakt auffassen können.
Da demnach weder materiell noch formell ein Verwaltungsakt vorliege, sei gegen das Schreiben des Beklagten vom 16. November 2005 eine Anfechtungsklage nicht statthaft.
Der Kläger hat gegen das ihm am 18. August 2017 zugestellte Urteil des Sozialgerichts am 18. September 2017 Berufung beim Hessischen Landessozialgericht eingelegt.
Er rügt, dass das erstinstanzliche Urteil unter Mitwirkung einer befangenen Richterin ergangen sei. Er wiederholt seinen erstinstanzlichen Vortrag, dass er sein Schreiben vom 13. Dezember 2005 bereits vor den Weihnachtsferien und damit fristgerecht in den Fristenbriefkasten des Sozialgerichts eingeworfen habe. Dass dieses dann den Eingangsstempel 4. Januar 2006 des Gerichts erhalten habe, könne nur auf einem Verwaltungsfehler beruhen. Er bietet hierzu eine eidesstattliche Versicherung an. Hinsichtlich der Mitwirkungsaufforderung trägt der Kläger vor, es sei offensichtlich rechtsfalsch, wenn die befasste Richterin aus der Tatsache, dass eine Rechtsbehelfsbelehrung von einer Behörde nicht beigefügt werde, schließe, dass deswegen kein formeller Verwaltungsakt vorliegen könne.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 14. August 2017 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen,
1. den Bescheid des Beklagten vom 25. November 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. Februar 2006 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, dem Kläger Leistungen nach dem SGB II in gesetzlichen Höhe für die Zeit ab dem 1. Oktober 2005 bis zum 30. September 2006 zu bewilligen,
2. das Schreiben vom 16. November 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. November 2005 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verweist auf die Verfristung des Widerspruchs gegen den Versagungsbescheid vom 25. November 2005.
Das Gericht hat mit Schreiben vom 6. Oktober 2020 darauf hingewiesen, dass das Landessozialgericht die Berufung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung und ohne Beteiligung ehrenamtlicher Richterinnen oder Richter zurückweisen kann, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Den Beteiligten wurde Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 9. November 2020 gegeben.
Am 26. November 2020 hat der Kläger die ihm mit Schreiben des Gerichts vom 10. November 2020 gewährte Akteneinsicht (Band I und II, Verwaltungsakte Blatt 1 – 518) genommen. Mit Schriftsatz vom 27. Dezember 2020 (Dienstaufsichtsbeschwerde) hat er ein Hinweisschreiben des Sozialgerichts Darmstadt vom 5. Dezember 2005 im Verfahren S 19 AS 321/05 ER sowie das Ladungsschreiben vom 27. Dezember 2005 zu einem Erörterungstermin vor dem Sozialgericht Darmstadt am 6. Januar 2006 in diesem Verfahren vorgelegt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vortrags der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte dieses Verfahrens sowie der Gerichtsakte des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens vor dem Sozialgericht Darmstadt mit dem Aktenzeichen S 19 AS 321/05 ER (Restakte) sowie der beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.
II.
Der Senat kann gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung entscheiden. Die Beteiligten wurden vorab zu der beabsichtigten Verfahrensweise gehört.
Die gemäß §§ 143 und 144 SGG statthafte und gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig, aber nicht begründet.
Soweit der Kläger einen Verfahrensmangel in erster Instanz geltend macht, weil das Urteil des Sozialgerichts unter Mitwirkung einer befangenen Richterin ergangen sei, kann er damit nicht durchdringen. Das Sozialgericht hat in der mündlichen Verhandlung, zu der der Kläger trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht erschienen ist, sein Befangenheitsgesuch gegen die Vorsitzende als unzulässig verworfen. Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 172 Abs. 2 SGG) und für das weitere Verfahren gemäß § 202 Satz 1 SGG i.V.m. § 512 ZPO bindend. Das Landessozialgericht hat sich daher mit dem Beschluss des Sozialgerichts über das Ablehnungsgesuch nicht zu befassen (dazu, dass die Ablehnung eines Befangenheitsantrags in der ersten Instanz eines sozialgerichtlichen Verfahrens wegen der Verschlossenheit des Rechtswegs selbständig mit der Verfassungsbeschwerde angegriffen werden kann, BVerfG, stattgebender Kammerbeschluss vom 21. November 2018 – 1 BvR 436/17 –, juris).
Das ausführlich begründete Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 14. August 2017 ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.
I. Die form- und fristgerecht erhobene Anfechtungsklage gegen den Versagungsbescheid des Beklagten vom 25. November 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. Februar 2006 ist zulässig, aber unbegründet.
Die Anfechtungsklage ist unbegründet, weil der Widerspruch des Klägers gegen den Versagungsbescheid des Beklagten vom 25. November 2005 verfristet und der Bescheid daher bindend geworden war (§ 77 SGG).
Das in dem einstweiligen Rechtsschutzverfahren vor dem Sozialgericht Darmstadt mit dem Aktenzeichen S 19 AS 321/05 ER am 4. Januar 2006 (Eingangsstempel des Sozialgerichts) eingegangene Schreiben des Klägers vom 13. Dezember 2005, in dem dieser Klage u.a. gegen den Versagungsbescheid vom 25. November 2005 erhebt, wurde zu seinen Gunsten als Widerspruchseinlegung gedeutet. Dieser Widerspruch war verfristet, da der Kläger die Monatsfrist des § 84 Abs. 1 Satz 1 SGG versäumt hat.
Dazu, das die Rechtsbehelfsbelehrung des Beklagten im Versagungsbescheid des Beklagten vom 25. November 2005 nicht falsch war und daher auch nicht die Jahresfrist des § 66 Abs. 2 SGG ab Bekanntgabe – hier im Wege förmlicher Zustellung – eröffnet war, wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts verwiesen (§ 153 Abs. 2 SGG).
Soweit sich der Kläger auf das Urteil des Bundessozialgericht vom 9. Dezember 2008 (Az.: B 8/9 b SO 13/07 R) beruft, in dem die Rechtsbehelfsbelehrung, wonach die Klage einen Monat „nach Zustellung“ (nicht nach Bekanntgabe) zu erheben war, als richtig angesehen wurde, weil es nicht nur folgerichtig, sondern sogar erforderlich sei, dass in der Rechtsbehelfsbelehrung auf den Zeitpunkt der Zustellung und nicht der Bekanntgabe abgestellt werde, wenn der Versicherungsträger sich für den Weg der förmlichen Zustellung entscheide, folgt daraus – worauf das Sozialgericht zutreffend abgestellt hat – nicht zwingend, dass immer, wenn seitens der Behörde eine Zustellung erfolgt, in der Rechtsbehelfsbelehrung begrifflich nur auf die Zustellung und nicht auf die in der Zustellung liegende Bekanntgabe für den Fristbeginn Bezug genommen werden darf (BSG, Urteil vom 9. April 2014 – B 14 AS 46/13 R – Rn. 24). Daher ist die Rechtsbehelfsbelehrung eines Bescheids, die für den Beginn der Widerspruchfrist auf die Bekanntgabe des Widerspruchsbescheids verweist, auch dann richtig, wenn der Bescheid zugestellt wird.
Zwar hat der Kläger mit Berufungsschriftsatz vom 17. September 2017 angeboten, über den rechtzeitigen Einwurf des Schreibens vom 13. Dezember 2005 eine eidesstattliche Versicherung abzugeben (Gerichtsakte Blatt 186). Indessen ist die eidesstattliche Versicherung nur ein Mittel der Glaubhaftmachung (§ 294 Abs. 1 ZPO). Sie kann in Verfahren wie dem einstweiligen Rechtsschutz, in denen Glaubhaftmachung genügt (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § § 920, 921 ZPO), als Beweismittel ausreichen. Mit ihr kann jedoch nicht der Vollbeweis geführt werden. In vorliegendem Verfahren müsste aber der Kläger den rechtzeitigen Zugang seines Widerspruchs beweisen.
Diesen Beweis kann der Kläger nicht führen. Es ist unstreitig zwischen den Beteiligten, dass das Schreiben des Klägers vom 13. Dezember 2005 im Verfahren S 19 AS 321/05 ER den Eingangsstempel des Sozialgerichts Darmstadt 4. Januar 2006 trägt. Aus der Einlassung des Klägers, aus dem Verhalten des damaligen vorsitzenden Richters gehe hervor, dass das fragliche – als Widerspruch gedeutete – Schreiben spätestens am 27. Dezember 2005 vorgelegen habe und somit keinesfalls erst am 4. Januar 2006 bei Gericht eingegangen sei, ergibt sich nichts anderes. Der Kläger bezieht sich hiermit auf die Ladung zum Erörterungstermin vom 27. Dezember 2005 im Verfahren S 19 AS 321/05 ER. Aus dieser Ladung ergibt sich nichts für den Zugang seines Schreibens vom 13. Dezember 2005 vor dem 4. Januar 2006. Auch das weitere vom Kläger in Bezug genommene Schreiben des Sozialgerichts im Verfahren S 19 AS 321/05 ER vom 5. Dezember 2005, das seinerseits auf einen Schriftsatz des Klägers vom 29. November 2005 Bezug nimmt, gibt keinen Anhalt für den Zugang seines späteren Schreibens vom 13. Dezember 2005 vor dem 4. Januar 2006.
Die Verpflichtungsklage auf Bewilligung von Leistungen für die Zeit ab dem 1. Oktober 2005 bis zum 30. September 2006 ist schon unzulässig. Auch insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts verwiesen (§ 153 Abs. 2 SGG). Im Übrigen wäre eine zulässige Verpflichtungsklage jedenfalls unbegründet, weil der Widerspruch des Klägers gegen den Versagungsbescheid des Beklagten vom 25. November 2005 verfristet und der Bescheid daher bindend geworden war (§ 77 SGG).
II. Die Anfechtungsklage gegen das Schreiben des Beklagten vom 16. November 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. November 2005 ist gemäß § 54 Abs. 1 SGG zulässig, aber unbegründet.
Das Sozialgericht hat insoweit zu Recht darauf hingewiesen, dass die Mitwirkungsaufforderung des Beklagten nach den §§ 60 ff. SGB I vom 16. November 2005 keinen Verwaltungsakt darstellt. Damit war ein Widerspruch gegen diese Mitwirkungsaufforderung nicht statthaft. Die Mitwirkungsaufforderung nach den §§ 60 ff. SGB I, wie sie der Beklagte hier mit Schreiben vom 16. November 2005 ausgesprochen hat, löst eine Obliegenheit, also eine Pflicht gegen sich selbst (vgl. Mrozynski, in: Mrozynski, SGB I, Sozialgesetzbuch Allgemeiner Teil, 6. Auflage 2019 § 60 Rn. 2) aus, deren Befolgung im eigenen Interesse des Adressaten liegt und bei deren Verletzung der Nichtmitwirkende Rechtsnachteile erleiden kann, wie vorliegend die Versagung beantragter Leistungen mangels Prüfbarkeit der Anspruchsvoraussetzungen.
Dem Einwand des Klägers, aus dem Fehlen einer Rechtsbehelfsbelehrung könne nicht darauf geschlossen werden, dass kein formeller Verwaltungsakt vorliege, ist zwar zuzugeben, dass allein aus dem Fehlen einer Rechtbehelfsbelehrung nicht zwingend geschlossen werden kann, dass kein Verwaltungsakt vorliegt. Indessen fehlt es bei der hier streitigen Mitwirkungsaufforderung am vollsteckbaren Regelungscharakter der Aufforderung, der für einen Verwaltungsakt unabdingbar ist, worauf das Sozialgericht auch maßgeblich abgestellt hat. Das Fehlen einer Rechtsbehelfsbelehrung unterstreicht dann nur noch, dass die Behörde nicht durch Verwaltungsakt regeln will. Die Mitwirkungsaufforderung erhebt somit auch nicht (unzulässigerweise) den Anspruch, eine hoheitliche Regelung treffen zu wollen, und stellt daher auch keinen (bloß) formellen Verwaltungsakt dar.
Der vom Kläger gegen die Mitwirkungsaufforderung erhobene Widerspruch ist daher auch deshalb unzulässig, weil nicht einmal der Rechtsschein eines Verwaltungsaktes durch das Mitwirkungsschreiben erzeugt wird. Der Beklagte hat nach allem den gegen die Mitwirkungsaufforderung gerichteten Widerspruch rechtlich zutreffend mit Widerspruchsbescheid vom 29. November 2005 als unzulässig verworfen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Revisionszulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.