L 1 KR 272/17

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 4 R 469/14
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 1 KR 272/17
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 27. April 2017 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert wird auf 5.000,- € festgesetzt.

Tatbestand

Streitig ist, ob die Beigeladene zu 1.) in ihrer Tätigkeit als Hygienefachkraft für die Klägerin der Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege-, Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliegt.

Die Klägerin ist Trägerin der Fachklinik Dr. A., einer privaten Fachklinik für integrative Onkologie mit 35 Betten.

Die 1976 geborene Beigeladene zu 1.) ist gelernte Fachkinderkrankenschwester für Hygiene (Hygienefachkraft) und seit Juli 2011 hauptberuflich selbstständig tätig. Im Zeitraum vom 1. Juni 2007 bis zum 30. Juli 2011 war die Beigeladene zu 1.) halbschichtig als Hygienefachkraft bei der D-Klinik in D-Stadt abhängig beschäftigt. Auf einen Antrag der Beigeladenen zu 1.) vom 20. Juni 2011 bewilligte die Beigeladene zu 4.) mit Bescheid vom 2. August 2011 die Gewährung eines Gründungszuschusses für die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit als selbstständige Hygienefachkraft für den Zeitraum vom 2. Juli 2011 bis 1. April 2012 in Höhe von monatlich 913,80 €; die Bewilligung wurde mit Bescheid vom 25. April 2012 über den 1. April 2012 hinaus bis 1. Oktober 2012 mit monatlichen Leistungen in Höhe von 300,- € verlängert.

Die Beigeladene zu 1.) bietet unter der Firma „E.“ neben Leistungen aus dem Bereich des Hygienemanagements für Krankenhäuser, Pflege- und Reha-Einrichtungen sowie Praxen auch Kurse und Weiterbildungen im Bereich „Hygiene“ an (z.B. Sachkundekurse gemäß Hessischer Infektionshygieneverordnung). Seit Dezember 2013 beschäftigt die Beigeladene zu 1.) Mitarbeiter; zuletzt waren drei sozialversicherungspflichtige und drei geringfügig beschäftigte Arbeitnehmer für die Beigeladene zu 1.) tätig. Die Beigeladene zu 1.) ist freiwillig versichertes Mitglied der zu 2.) beigeladenen Krankenkasse und entrichtet Beiträge zu einer Berufshaftpflichtversicherung.

Aufgrund einer als „Beratervertrag“ überschriebenen schriftlichen Vereinbarung vom 11. Januar 2013 wurde die Beigeladene zu 1.) für die Klägerin als Hygienefachkraft tätig (Bl. 10-13 der Gerichtsakte). Vertragsgegenstand gemäß § 1 der Vereinbarung ist die Sicherstellung der Tätigkeiten einer Hygienefachkraft innerhalb des Hygienemanagements der von der Klägerin betriebenen Klinik. Die Beigeladene zu 1.) übernimmt die hygienerelevante Betreuung der von der Klägerin betriebenen Klinik vor Ort. Nach der Anlage 1 zum Vertrag fällt in die Zuständigkeit der Beigeladenen zu 1.) insbesondere:

-    die Aufdeckung und Beseitigung von vorhandenen Missständen in Absprache mit der Geschäftsleitung der Klägerin,
-    die Beratung von Mitarbeitern bei mikrobiologischen und hygienerelevanten Fragestellungen in Problemsituationen,
-    die Beratung und Empfehlung bei der Auswahl und Einführung hygienerelevanter Verfahren und Produkte,
-    die Erstellung von Standards zum Management bei speziellen Erkrankungen und speziellen Erregern,
-    die Überwachung, Überarbeitung und Schulung der Hygienepläne und Reinigung und Desinfektionspläne,
-    die Ermittlung des hygienerelevanten Fortbildungsaufwandes und die Planung und Organisation von hygienerelevanten Fortbildungsveranstaltungen sowie deren Durchführung und Protokollierung,
-    die eigenverantwortliche Planung und Organisation für Begehungen und Hygienevisiten und deren Durchführung,
-    die Erstellung hygienerelevanter Protokolle,
-    die Durchführung der Belehrungen nach § 43 Infektionsschutzgesetz (IfSG) nach Absprache sowie
-    die Organisation und Protokollierung des Arbeitskreises „Hygiene“.

Das monatliche Zeitkontingent der Tätigkeit umfasst nach § 2 des Beratervertrages 35 Stunden, wobei die Vertragsparteien den Ort der Tätigkeit je nach Bedarf im Einzelnen festlegen. Unter § 3 des Beratervertrages heißt es, dass die personalrechtliche Weisungsbefugnis gegenüber der Beigeladenen zu 1.) als Auftragnehmerin bei der Geschäftsleitung liegt. Nach § 4 liegt die Verantwortung aller rechtlichen und sonstigen Vorschriften für die Klinik im Hygienemanagement bei der Geschäftsleitung als Auftraggeber. Das Honorar beträgt pauschal 1.280,- € monatlich zuzüglich Mehrwertsteuer. Bei der Überschreitung des Stundenkontingents verpflichtet sich der Auftraggeber zur Zahlung eines Stundenhonorars von 55,- € zuzüglich Mehrwertsteuer für jede über das monatliche Zeitkontingent hinausgehende Stunde. § 5 des Vertrages stellt fest, dass die Durchführung der Leistungen im Hygienemanagement ausschließlich im Namen, im Interesse und auf Rechnung der Klinik als Auftraggeber erfolgt. Der Vertrag trat mit der Unterzeichnung in Kraft und hatte eine Gültigkeitsdauer von einem Jahr, wobei er sich automatisch um ein weiteres Jahr verlängert, wenn die Vertragsparteien ihn nicht mit einer Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Monatsende kündigen. Der Vertrag besteht ungekündigt fort.

Am 8. Oktober 2013 stellte der Beigeladene zu 1.) bei der Beklagten den Antrag, im Hinblick auf ihre bei der Klägerin ab 11. Januar 2013 ausgeübte Tätigkeit festzustellen, dass ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis nicht vorliege. Sie gab an, für ca. zehn verschiedene Einrichtungen tätig zu sein und eigene Arbeitnehmer zu beschäftigen. Sie arbeite mit einem Hygienebeauftragten der Klägerin zusammen und führe eine beratende Tätigkeit aus. Sie teile ihre Zeit frei ein und erledige auch Arbeiten in ihren Geschäftsräumen. Im Fragebogen für Auftraggeber beantragte die Klägerin ebenfalls die Feststellung, dass die Beigeladene zu 1.) nicht abhängig bei ihr beschäftigt sei. Sie teilte ergänzend mit, dass die Beigeladene zu 1.) mit der Geschäftsführung zusammen arbeite. Arbeitsmittel würden nicht gestellt. Die Ausübung der Tätigkeit erfolge persönlich durch die Beigeladene zu 1.). Eine Ersatzkraft könne nicht gestellt werden. Die Aufgabenstellung sei durch die gesetzlichen Vorschriften im Wesentlichen vorgegeben. 

Nach Anhörung stellte die Beklagte gegenüber der Klägerin und der Beigeladenen zu 1.) mit Bescheiden vom 4. Februar 2014 fest, dass die Tätigkeit als Hygienefachkraft in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis ausgeübt werde. Es bestehe Versicherungspflicht in der Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung, nicht jedoch in der Kranken- und Pflegeversicherung; insoweit gelte § 5 Abs. 5 Sozialgesetzbuch Band V – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V). Im Wesentlichen führte die Beklagte zur Begründung aus, dass die Beigeladene zu 1.) in die Arbeitsorganisation der Klägerin eingebunden sei und deren Direktionsrecht unterliege. Die Widersprüche der Klägerin vom 21. Februar 2014 und der Beigeladenen zu 1.) vom 12. März 2014 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheiden vom 25. September 2014 zurück und führte aus, dass die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1.) für mehrere Auftraggeber eine abhängige Beschäftigung bei der Klägerin nicht ausschließe. Die Beigeladene zu 1.) gliedere sich klassischerweise in das betriebliche Gefüge der Klinik ein. Auch werde sie erfolgsunabhängig bezahlt, so dass ein unternehmerisches Risiko fehle. Sie setze auch ausschließlich ihre eigene Arbeitskraft dienend in einer fremden Arbeitsorganisation ein.

Hiergegen hat die Klägerin am 23. Oktober 2014 Klage zum Sozialgericht Gießen erhoben.

Das Sozialgericht hat mit Beschlüssen vom 9. Februar 2015 und vom 21. März 2016 die Hygienefachkraft C. C., die IKK-Südwest, die IKK-Südwest - Pflegekasse - und die Bundesagentur für Arbeit zum Verfahren gemäß § 75 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) notwendig beigeladen.

Die Klägerin hat zur Klagebegründung vorgetragen, die Beigeladene zu 1.) sei bei ihr nicht im Status einer abhängigen Beschäftigung tätig. Man habe einen Beratervertrag geschlossen. Die Vergütung sei erst nach Rechnungsstellung fällig und werde nur nach geleisteten Diensten gezahlt. Anfallende Steuern und Sozialabgaben trage die Beigeladene zu 1.) selbst. Sie sei für andere Kliniken und für die Klägerin weisungsfrei tätig. Die Beigeladene zu 1.) sei auch nicht verpflichtet gewesen, an Fortbildungsmaßnahmen und Besprechungen der Klägerin teilzunehmen. Die Beigeladene zu 1.) hat darauf verwiesen, dass sie seit Juli 2011 selbstständig als freiberufliche Hygienefachkraft tätig sei und Kundenkontakte zu verschiedenen Einrichtungen bestünden. 

Das Sozialgericht hat die Geschäftsführerin der Klägerin und die Beigeladene zu 1.) im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 17. April 2017 angehört; auf die Sitzungsniederschrift (Bl. 173-177 der Gerichtsakte) wird verwiesen.

Das Sozialgericht hat der Klage mit Urteil vom 17. April 2017 stattgegeben, den Bescheid vom 4. Februar 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. September 2014 aufgehoben und festgestellt, dass keine Versicherungspflicht in der Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung aufgrund der Tätigkeit der Beigeladenen zu 1.) bei der Klägerin seit dem 11. Januar 2013 bestehe. Der angefochtene Bescheid sei rechtswidrig; die Beklagte habe zu Unrecht eine Sozialversicherungspflicht festgestellt. Unter Berücksichtigung der durch die höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbstständigen Tätigkeit entwickelten Grundsätze ergebe sich zur Überzeugung des Gerichts, dass nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung die Kriterien einer selbstständigen Tätigkeit überwiegen würden.

Der Vertrag zwischen der Klägerin und der Beigeladenen zu 1.) sei als Beratervertrag geschlossen worden. Zwar spreche der schriftlich festgelegte Vertragsinhalt stellenweise für eine abhängige Beschäftigung, so z.B. insbesondere im Bereich der Weisungsbefugnis, der Verantwortlichkeit für die Einhaltungen der Anforderungen im Hygienemanagement und der Haftung, die bei der Klägerin liege. Wie sich aus den Befragungen der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung ergeben habe, sei das Vertragsverhältnis jedoch insoweit anders gelebt worden. 

Für eine selbstständige Tätigkeit der Beigeladenen zu 1.) spreche, dass diese nach den Angaben in der mündlichen Verhandlung ihre Tätigkeit - entgegen der Regelung des Vertrages - überwiegend weisungsfrei erbringe. Sie sei nach den Angaben der Beteiligten insbesondere an die Vorgaben des Infektionsschutzgesetzes gebunden, deren Einhaltung sie sicherstellen solle. Rechtliche Regelungen für Hygienefachkräfte fänden sich im Infektionsschutzgesetz sowie in § 8 der Hessischen Hygieneverordnung (HHygVO). Die Klägerin bediene sich der Sachkunde der Beigeladenen zu 1.), um ihre eigenen gesetzlichen Verpflichtungen zu erfüllen, was einer klassischen Beratertätigkeit entspreche. Soweit sich aus den gesetzlichen Vorgaben des Infektionsschutzgesetzes ergebe, dass die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1.) in festgelegten Grenzen zu verrichten sei, bedeute dies jedoch nicht, dass die Tätigkeit nur im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung verrichtet werden könne. Denn bei den gesetzlichen Bestimmungen handele es sich nicht um eine Weisung der Klägerin im Sinne einer dienstlichen Anweisung. Die Beigeladene zu 1.) habe in der mündlichen Verhandlung angegeben, dass sie im Innenverhältnis zur Klägerin für die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben im Hygienebereich verantwortlich und für eine fehlerhafte Erbringung ihrer Dienste auch haftbar gegenüber der Klägerin ist. Insoweit trage sie ein eigenes Haftungsrisiko.

Die Beigeladene zu 1.) sei überdies in ihrer Zeiteinteilung frei. Es bestehe keine ständige Dienstbereitschaftspflicht und es würden der Beigeladenen zu 1.) von der Klägerin keine festen Arbeitszeiten ohne vorherige Absprache und gegen den Willen der Beigeladenen zu 1.) zugewiesen. Vielmehr bestimme die Beigeladene zu 1.) überwiegend selbst, wann sie die vertraglich geschuldete Leistung für die Klägerin erbringe. Soweit die Beigeladene zu 1.) die durchzuführenden Fortbildungsmaßnahmen mit dem Sekretariat der Klägerin terminlich abstimme, sei dies rein organisatorisch nicht anders auszugestalten. Gleiches gelte für andere Treffen und Begehungen, die eine organisatorische Absprache in zeitlicher Hinsicht und eine Durchführung in den Räumen der Klägerin voraussetzten. Die Beigeladene zu 1.) habe glaubhaft ausgeführt, dass sie zur Erlangung eines unverfälschten Eindrucks der hygienerelevanten Prozesse bei der Klägerin, die sie aus hygienefachlicher Sicht zu beurteilen habe, teilweise unangemeldet - also gerade ohne vorherige Absprache - in den Räumlichkeiten der Klägerin erscheine. Die Vor- und Nachbereitung führe sie in ihren eigenen Räumlichkeiten in freier Zeiteinteilung durch. Einen ihr zugeteilten Arbeitsplatz in den Räumlichkeiten der Klägerin habe die Beigeladene zu 1.) nicht. Die Beigeladene zu 1.) sei folglich weder zeitlich noch örtlich in den Betrieb der Klägerin eingegliedert gewesen. Sie habe außerhalb ihrer beratenden Tätigkeit an internen Besprechungen oder Fortbildungen nicht teilgenommen.

Soweit die Beigeladene zu 1.) in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, dass sie entgegen der vertraglichen Vereinbarung unabhängig von der geleisteten Stundenzahl monatlich immer nur die Pauschalvergütung von 1.280,- € geltend mache, spreche auch dies für eine selbstständige Tätigkeit. Die Beigeladene zu 1.) erbringe die vereinbarte Dienstleistung unter Ansetzung einer pauschalen Vergütung unabhängig davon, welchen Zeitaufwand sie hierfür benötige. Die Vergütung werde nur fällig, wenn die Beigeladene zu 1.) die vereinbarte Leistung erbracht habe und die Vergütung in Rechnung stelle. Die Beigeladene zu 1.) erhalte keine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und kein Weihnachts- und Urlaubsgeld.

Für eine selbstständige Tätigkeit spreche weiter, dass die Beigeladene zu 1.) nach ihren glaubhaften Angaben in der mündlichen Verhandlung für mehrere Auftraggeber tätig sei, die unterschiedlichsten Hygieneanforderungen gerecht werden müssten. Überdies habe die Beigeladene zu 1.) seit 2013 eigene Mitarbeiter angestellt. Zwischenzeitlich bestünden zwei sozialversicherungspflichtige und zwei geringfügige Beschäftigungsverhältnisse. Diese Mitarbeiter verfügten zwar nicht über die Qualifikation als Hygienefachkraft, sondern seien Hygieneberater und könnten dementsprechend nur für bestimmte Aufgaben außerhalb des Pflegebereichs eingesetzt werden. Sie würden aber nach Weisung der Beigeladenen zu 1.) eingesetzt und nähmen die von ihr vertraglich geschuldeten Tätigkeiten an ihrer Stelle wahr. Diese Mitarbeiter würden auch im Einverständnis mit der Klägerin in deren Einrichtung tätig. Auch wenn die persönliche Aufgabenwahrnehmung durch die Beigeladene zu 1.) bei der Klägerin überwiege, stehe dies vorliegend nicht der Annahme einer selbstständigen Tätigkeit entgegen, da dies seine Begründung insbesondere in der erforderlichen fachlichen Qualifikation finde. Auch der Hinweis der Beklagten, dass die Beigeladene zu 1.) erstmals im Dezember 2013 einen Mitarbeiter beschäftigt habe, spreche nicht gegen eine selbstständige Tätigkeit vor der Einstellung des ersten Mitarbeiters. Dass gegebenenfalls in der Gründungsphase die Mittel nicht für die Beschäftigung von Mitarbeitern ausreichten und alleine aus diesem Grund keine solchen eingestellt worden seien, sei kein Indiz für eine abhängige Beschäftigung.

Die Beigeladene zu 1.) habe zudem - wenn auch nur in eher geringem Maße - ein für Selbstständigkeit sprechendes Unternehmerrisiko zu tragen. Maßgebendes Kriterium für ein solches Risiko sei, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlusts eingesetzt werde, der Erfolg des Einsatzes der sachlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss sei. Die Beigeladene zu 1.) habe - wie es für Dienstleistungen typisch sei - im Wesentlichen ihre Arbeitskraft und weniger Kapital eingesetzt. Aus dem allgemeinen Risiko, außerhalb der Erledigung einzelner Aufträge zeitweise die eigene Arbeitskraft nicht verwerten zu können, folge allerdings noch kein Unternehmerrisiko wegen der einzelnen Einsätze (BSG, Urteil vom 28. September 2011, B 12 R 17/09 R - juris); dies gelte auch im Hinblick darauf, das Anschlussangebote ungewiss seien. Doch erhalte die Beigeladene zu 1.) eine Pauschalvergütung nur für erbrachte Leistungen. Damit hänge der Verdienst von der eigenen Fähigkeit der Erbringung dieser Leistung ab. Dies habe anfangs für alle Tätigkeiten gegolten. Ab der Einstellung von Mitarbeitern gelte dies jedenfalls für die Tätigkeiten, die die Qualifikation als Hygienefachkraft voraussetzten. Ab dem Zeitpunkt, ab dem die Beigeladene zu 1.) Mitarbeiter beschäftige, liege auch hierin ein Unternehmerrisiko, da deren Gehalt als feststehende Ausgabengröße durch die entgeltliche Tätigkeit erwirtschaftet werden müsse.

Die Beklagte hat gegen das ihr am 29. Juni 2017 zugestellte Urteil am 7. Juli 2017 Berufung zum Hessischen Landessozialgericht erhoben.

Zur Berufungsbegründung trägt die Beklagte vor: 

Entgegen der Ausführungen des Sozialgerichts würden vorliegend die Merkmale für eine abhängige Beschäftigung überwiegen. Rechtsgrundlage für die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1.) sei insbesondere § 8 HHygVO. Danach sei die Klägerin verpflichtet eine Hygienefachkraft in Teilzeit oder Vollzeit zu beschäftigen. Hygienefachkräfte seien im klinischen Alltag Ansprechpartner für alle Beschäftigten und vermittelten die Maßnahmen und Inhalte von Hygieneplänen (§ 8 Abs. 4 HHygVO). Sie unterstünden in ihrer Tätigkeit den Krankenhaushygienikern oder der Leitung der Einrichtung (§ 8 Abs. 5 HHygVO). Darüber hinaus gehören die Hygienefachkräfte der Hygienekommission der Einrichtung an (§ 4 HHygVO). Bereits die rechtlichen Grundlagen der Tätigkeit der Beigeladenen zu 1.) bedingten zu deren Umsetzung zwingend die Eingliederung in die betriebliche Organisation der Klägerin. Dem entspreche auch der zwischen den Parteien geschlossene Beratervertrag, insbesondere die vereinbarte Weisungsbefugnis, die Übernahme der Haftung durch die Klinik sowie die arbeitnehmertypische Form der Vergütung. Änderungen des Vertrages bedürften ausweislich des § 9 der Vereinbarung der Schriftform. Schriftliche Änderungen lägen nicht vor und würden auch nicht behauptet. Damit bestehe - unabhängig von ihrer Ausübung - für die Klägerin weiterhin die Rechtsmacht, der Beigeladenen zu 1.) Weisungen zu erteilen. Entgegen den Ausführungen des Sozialgerichts sei gerade die Art der Vergütung ein starkes Indiz für eine abhängige Beschäftigung: Die Beigeladene zu 1.) stelle ihre Arbeitskraft im Umfang von 35 Stunden pro Monat zur Verfügung und erhalte dafür eine Vergütung in Höhe 1.280,- Euro, unabhängig davon, ob die Klägerin die Arbeitskraft in Anspruch nehme. Arbeitsleistungen, die über die vereinbarten 35 Stunden pro Monat hinausgingen, würden mit einer Mehrarbeitsvergütung in Höhe von 55,- € pro Stunde zusätzlich vergütet. Die Tätigkeit für andere Auftraggeber sei kein Indiz für eine selbstständige Tätigkeit; jedes Auftragsverhältnis sei gemäß § 7 SGB IV gesondert zu beurteilen. Ebenso sei es unerheblich, ob die Beigeladene zu 1.) Arbeitnehmer beschäftige. Im Verhältnis zur Klägerin werde sie als Hygienefachkraft höchstpersönlich tätig.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 27. April 2017 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Aus den von der Beklagten zitierten Vorschriften der HHygVO ergebe sich keine Eingliederung der Beigeladenen zu 1.) in die betriebliche Organisation der Klägerin. Maßgeblich sei die tatsächliche Ausführung des Vertragsverhältnisses; ein Berufen auf das vertraglich vereinbarte Schriftformerfordernis bei Vertragsänderungen sei insofern widersprüchlich. Unzutreffend sei, dass die Klägerin für die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1.) die Haftung übernommen habe. Die Klägerin legt ergänzend ein Schreiben des Hessischen Sozialministeriums vom 10. Dezember 2012 vor, mit welchem die Befreiung von den Anforderungen nach § 8 Abs. 1 HHygVO erteilt wurde (Bl. 248 der Gerichtsakte) und erläutert hierzu, dass dies die Befreiung der Position des Krankenhaushygienikers betraf (Bl. 284 bis 286 der Gerichtsakte.)

Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.

Die Berichterstatterin des Senats hat am 20. Dezember 2018 einen Erörterungstermin mit den Beteiligten durchgeführt; die Beigeladene zu 1.) wurde ergänzend angehört. Auf die Sitzungsniederschrift vom 20. Dezember 2018 (Bl. 275 bis 278 der Gerichtsakte) wird verwiesen. Die Leistungsakte der Beigeladenen zu 4.) (Gründungszuschuss) wurde beigezogen.

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen sowie wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten, der Beigeladenen zu 4.) und die Gerichtsakte, die Gegenstand der Beratung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Entscheidung konnte durch Urteil ohne mündliche Verhandlung ergehen, da sich alle Beteiligten mit dieser Vorgehensweise einverstanden erklärt haben, §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.

Das Sozialgericht Gießen hat der Klage zu Recht mit Urteil vom 27. April 2017 stattgegeben. Der Bescheid vom 4. Februar 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. September 2014 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Die Beigeladene zu 1.) übt ihre Tätigkeit für die Klägerin im Rahmen einer selbstständigen Tätigkeit und nicht als abhängige Beschäftigung aus. Es besteht keine Versicherungs- und Beitragspflicht in der Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung.

Versicherungspflichtig sind in der Krankenversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, in der Rentenversicherung nach § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI, in der Arbeitslosenversicherung nach § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB III und in der Pflegeversicherung nach § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB XI gegen Arbeitsentgelt beschäftigte Personen. Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer (abhängigen) Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (st. Rspr., vgl. zum Ganzen z.B. BSG, Urteil vom 14. März 2018 – B 12 R 3/17 R m.w.N.). Die Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit setzt voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, d.h. den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei gegeneinander abgewogen werden (BSG, Urteil vom 23. Mai 2017 - B 12 KR 9/16 R). 

Bei der Statusbeurteilung ist regelmäßig vom Inhalt der zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen auszugehen, den die Verwaltung und die Gerichte konkret festzustellen haben. Liegen schriftliche Vereinbarungen vor, so ist neben deren Vereinbarkeit mit zwingendem Recht auch zu prüfen, ob mündliche oder konkludente Änderungen erfolgt sind. Diese sind ebenfalls nur maßgebend, soweit sie rechtlich zulässig sind. Im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung gehen der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine   formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht (BSG, Urteil vom 8. Dezember 1994 - 11 RAr 49/94 – juris, Rn. 20). Schließlich ist auch die Ernsthaftigkeit der dokumentierten Vereinbarungen zu prüfen und auszuschließen, dass es sich hierbei um einen bloßen "Etikettenschwindel" handelt, der u.U. als Scheingeschäft i.S. des § 117 BGB zur Nichtigkeit dieser Vereinbarungen und der Notwendigkeit führen kann, ggf. den Inhalt eines hierdurch verdeckten Rechtsgeschäfts festzustellen. Erst auf der Grundlage der so getroffenen Feststellungen über den (wahren) Inhalt der Vereinbarungen ist eine wertende Zuordnung des Rechtsverhältnisses zum Typus der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit vorzunehmen und in einem weiteren Schritt zu prüfen, ob besondere Umstände vorliegen, die eine hiervon abweichende Beurteilung notwendig machen (BSG, Urteil vom 14. März 2018 – B 12 KR 3/17 R).

Fehlen zwingende gesetzliche Rahmenvorgaben und kann eine Tätigkeit sowohl in der Form einer Beschäftigung als auch in der einer selbstständigen Tätigkeit erbracht werden, kommt den vertraglichen Vereinbarungen zwischen Arbeitnehmer/Auftragnehmer und Arbeitgeber/Auftraggeber zwar keine allein ausschlaggebende, so doch eine gewichtige Rolle zu. Zwar haben es die Vertragsparteien nicht in der Hand, die kraft öffentlichen Rechts angeordnete Sozialversicherungspflicht durch bloße übereinstimmende Willenserklärung auszuschließen. Dem Willen der Vertragsparteien, keine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung begründen zu wollen, kommt nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts aber indizielle Bedeutung zu, wenn dieser Wille den festgestellten sonstigen tatsächlichen Verhältnissen nicht offensichtlich widerspricht und er durch weitere Aspekte gestützt wird bzw. die übrigen Umstände gleichermaßen für Selbstständigkeit wie für eine abhängige Beschäftigung sprechen (vgl. (BSG, Urteil vom 14. März 2018 – B 12 R 3/17 R m.w.N.).

Nach den vorgenannten Grundsätzen gelangt der Senat unter Abwägung aller Umstände zu der Überzeugung, dass die Beigeladene zu 1.) als Hygienefachkraft keine abhängige Beschäftigung, sondern eine selbstständige Tätigkeit bei der Klägerin ausübt und daher keine Sozialversicherungspflicht besteht.

Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat gemäß § 153 Abs. 2 SGG Bezug auf die erstinstanzlichen Entscheidungsgründe; sie sind überzeugend und würdigen die fallentscheidenden Aspekte vollständig. 

Ergänzend ist anzumerken:

Grundsätzlich ist der Beklagten zuzustimmen, dass für die Statusabgrenzung nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nicht entscheidend ist, ob der Betreffende auch für andere Auftraggeber tätig ist bzw. war. Erforderlich ist selbst im Rahmen eines Dauerrechtsverhältnisses stets eine Bewertung der einzelnen Arbeitseinsätze am Maßstab der von der Rechtsprechung für die Abgrenzung zwischen selbstständiger Tätigkeit und abhängiger Beschäftigung entwickelten Grundsätze (BSG, Urteil vom 18. November 2015 - B 12 KR 16/13 R – juris, Rn. 19; BSG, Urteil vom 28. Mai 2008 – B 12 KR 13/07 R – juris, Rn 26). Abzustellen ist daher vorliegend ausschließlich auf die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1.) für die Klägerin, für die auch nach Auffassung des Senats die Merkmale einer selbstständigen Tätigkeit überwiegen. Das Vorbringen der Beklagten im Rahmen der Berufungsbegründung rechtfertigt keine andere Beurteilung.

Zunächst steht zur Überzeugung des Senats fest, dass weder das Infektionsschutzgesetz (IfSG) noch die Hessische Hygieneverordnung (HHygVO) vom 1. Dezember 2011 (GVBl. I 2011, 737) zuletzt geändert durch Verordnung vom 11. Dezember 2018 (GVBl. S. 276) eine abhängige Beschäftigung einer Hygienefachkraft vorschreiben.

Nach § 23 Abs. 8 Satz 2 Nr. 3 IfSG haben die Landesregierungen zur Prävention nosokomialer Infektionen u.a. für Krankenhäuser durch Rechtsverordnung Regelungen über die erforderliche personelle Ausstattung auch mit Hygienefachkräften zu treffen. Vorgaben zur Ausgestaltung des Vertragsverhältnisses zwischen Krankenhaus und Hygienefachkraft sind nicht geregelt. Vielmehr hat die gemäß § 23 Abs. 1 Satz IfSG beim Robert-Koch-Institut angesiedelte „Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention“ in ihren Empfehlungen „Personelle und organisatorische Voraussetzungen zur Prävention nosokomialer Infektionen“ (Bundesgesundheitsblatt 2009, S. 951 ff.) die Ausgestaltung der vertraglichen Beziehung zwischen „Fachpersonal für Hygiene“ und dem Krankenhaus ausdrücklich offen gelassen und in einem Schaubild als „fest angestellt oder extern“ deklariert (a.a.O. S. 952). Aufgrund der Ermächtigung in § 23 Abs. 8 Satz 2 Nr. 3 IfSG hat die Hessische Landesregierung mit Erlass der HHygVO vom 1. Dezember 2011 (GVBl. I, S. 745, zuletzt geändert durch Art. 4 der Verordnung vom 31. Oktober 2016, GVBl. S. 190) Maßnahmen zur Infektionsprävention normiert. Zu den notwendigen Maßnahmen zur Gewährleistung der Hygiene in stationären Einrichtungen gehört gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 4 HHygVO auch die „Bereitstellung von Hygienefachkräften nach § 8“. In § 8 Abs. 1 HHygVO heißt es:

„Einrichtungen nach § 1 Nr. 1 und 3 müssen Hygienepflegekräfte und Hygieneingenieurinnen und Hygieneingenieure (Hygienefachkräfte) in ausreichender Zahl beschäftigen. Sie müssen je 100 aufgestellten Betten eine Hygienefachkraft im Umfang einer halben Vollzeitstelle beschäftigen; ab 600 aufgestellten Betten muss mindestens eine Hygieneingenieurin oder ein Hygieneingenieur im Umfang einer Vollzeitstelle beschäftigt werden.“

§ 8 Abs. 2 HHygVO regelt, wer als Hygienepflegekraft „beschäftigt“ werden kann. Nach Auffassung des Senats kann aus der Formulierung des Verordnungsgebers (“beschäftigen“) jedoch nicht abgeleitet werden, dass das Tätigwerden einer Hygienefachkraft ausschließlich im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung erfolgen muss. Die HHygVO trifft schon von ihrem Regelungsansatz her keine Aussage über den arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen Status von Hygienefachkräften, sondern normiert allein die - dann im Einzelnen näher ausgestalteten - in verschiedenen Einrichtungen erforderlichen Maßnahmen zur Verhütung, Erkennung, Erfassung und Bekämpfung von nosokomialen Infektionen und Krankheitserregern mit Resistenzen einschließlich des Einsatzes von „Hygienefachpersonal“. Entsprechend ist auch die Regelung des § 13 Nr. 2 HHygVO zu verstehen: Danach handelt ordnungswidrig, wer vorsätzlich oder fahrlässig entgegen den §§ 6 bis 8 nicht das erforderliche Hygienefachpersonal „beschäftigt oder beauftragt“. Folglich sind Beauftragungen freiberuflich tätiger Hygienefachkräfte vom Verordnungsgeber ebenso vorgesehen wie abhängige Beschäftigungen. Aus Vorgaben des äußeren Ordnungsrechts ergibt sich keine Einordnung der Beigeladenen zu 1.) in die betriebliche Arbeitsorganisation der Klägerin (so auch: LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 20. April 2018, L 4 R 4370/15). 

Zudem müssen die tatsächlichen Gegebenheiten im Einzelfall berücksichtigt werden: Die Klägerin verfügt über 35 Betten und hat ausweislich des Schreibens des Kreisausschusses des Wetteraukreises vom 31. August 2012 eine Hygienefachkraft im Umfang von „0,2 Vollzeitstellen“ vorzuhalten. Nach Ansicht des Senats dürfte es für ein kleines Krankenhaus, wie das der Klägerin, praktisch schwer umsetzbar sein, eine Hygienefachkraft mit der erforderlichen Qualifikation im Umfang von acht Wochenstunden (entspricht einer 0,2 Vollzeitstelle mit 40 Wochenstunden) im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses zu beschäftigen. 

Der Senat ist auch davon überzeugt, dass die Klägerin und die Beigeladene zu 1.) ein selbstständiges Dienstverhältnis vereinbaren wollten und dieses auch tatsächlich praktizieren. Das "gelebte" Vertragsverhältnis entspricht dabei dem formell vereinbarten Vertrag über ein selbstständiges Dienstverhältnis.

In § 1 verpflichtete sich die Beigeladene zu 1.), die „Tätigkeiten einer Hygienefachkraft innerhalb des Hygienemanagements der Klinik“ zu übernehmen“ und der Klägerin beratend zur Verfügung zu stehen. Die in Anlage 1 zum Beratervertrag detailliert beschriebene Dienstleistung entspricht dabei den gesetzlichen Vorgaben in § 8 Abs. 4 Sätze 1 und 2 HHygVO sowie den gemäß §§ 8 Abs. 4 Satz 3, 6 Abs. 3 Satz 3 HHygVO heranzuziehenden Empfehlungen des Robert-Koch-Institutes „Personelle und organisatorische Voraussetzungen zur Prävention nosokomialer Infektionen“ (Bundesgesundheitsblatt 2009, S. 951 ff.). Die Schilderung der Beigeladenen zu 1.) in der Sitzung vor dem Sozialgericht sowie im Erörterungstermin am 20. Dezember 2018 bestätigt, dass sie für die Klägerin die Tätigkeit einer Hygienefachkraft wie vereinbart und den gesetzlichen Vorgaben entsprechend erbracht hat.

Ein Weisungsrecht der Klägerin hinsichtlich des Orts der Arbeitsleistung, der Lage der Arbeitszeit oder der Ausführung der Arbeitsleistung ist im Beratervertrag nicht geregelt und kann auch nicht - wie dies das Sozialgericht dies zutreffend ausführt – angesichts der umfassenden Schilderungen der Beigeladenen zu 1.) zu Einzelheiten ihrer Tätigkeit angenommen werden. Das in § 2 und § 5 vereinbarte Zeitkontingent von 35 Stunden entspricht dabei der (ordnungsrechtlichen) Vorgabe des Wetteraukreises an die Klägerin gemäß Schreiben vom 31. August 2012, um die Verpflichtung gemäß § 8 Abs. 1 Satz 2 HHygVO zu erfüllen: Bei einer Bettenzahl von 35 ist eine Hygienefachkraft im Umfang von 0,2 Vollzeitstellen vorzuhalten. 

Auch aus der Vereinbarung unter § 3 des Beratervertrages ist kein entscheidendes Merkmal einer abhängigen Beschäftigung abzuleiten. Die Vertragsparteien haben lediglich vereinbart:

Die personalrechtliche Weisungsbefugnis gegenüber dem Auftragnehmer als Hygienefachkraft liegt bei der Geschäftsleistung.

Nach Auffassung des Senats entspricht diese Vertragsklausel inhaltlich dem § 8 Abs. 5 Satz 2 HHygVO, wonach die Hygienefachkräfte in kleinen Kliniken mit einer geringen Bettenzahl (wie in der Klinik der Klägerin) der Leitung der Einrichtung „unterstehen“. Das in § 3 des Beratervertrag vereinbarte „personalrechtliche Weisungsrecht“ ist vor dem Hintergrund der gesetzlichen Vorgaben des § 8 Abs. 5 Satz 2 HHygVO dahingehend zu verstehen, dass die Geschäftsleitung der Klägerin die Beigeladene zu 1.) lediglich „personalrechtlich“ anweisen und bestimmen kann, dass ausschließlich die Beigeladene zu 1.) als Hygienepflegekraft und keine minderqualifizierte Person zum Einsatz im Pflegebereich kommt. Entsprechend haben Klägerin und Beigeladene zu 1.) übereinstimmend bestätigt, dass die Beigeladene zu 1.) die Tätigkeit als Hygienefachkraft persönlich zu erbringen hat, um die gesetzlich vorgeschriebene Qualifikation im Sinne des § 8 Abs. 2 Satz 1 HHygVO zu gewährleisten. Eine Änderung des Beratervertrages, die gemäß § 9 der Schriftform bedurft hätte, liegt mithin nicht vor. Entgegen der Auffassung der Beklagten beinhaltet § 3 des Beratervertrages nicht die Vereinbarung einer umfassenden Rechtsmacht der Klägerin. 

Die Vereinbarung unter § 4, dass 

die Verantwortung aller rechtlichen und sonstigen Vorschriften für die Klinik im Hygienemanagement bei der Geschäftsführung als Auftraggeber 

liegt, ist entgegen den Ausführungen der Beklagten in der Berufungsbegründung kein Merkmal einer abhängigen Beschäftigung. Die Klägerin ist durch IfSG und HHygVO verpflichtet, Maßnahmen zur Infektionsprävention zu treffen und durch den Einsatz von Hygienepersonal sicherzustellen. Bei nachweislichen Verstößen gegen die gesetzlichen Vorschriften haftet die Klägerin; sie trägt die Verantwortung für die Klinik im Hygienemanagement - wie in § 4 vereinbart. Die Beigeladene zu 1.) hat hierzu im Erörterungstermin vor der Berichterstatterin des Senats noch einmal eindrücklich geschildert, wie der Ablauf bei Empfehlungen (z.B. kostenintensiveres Desinfektionsmittel) oder Beanstandungen (z.B. unzureichende Handdesinfektion einer Krankenschwester) ist: Die Beigeladene zu 1.) gibt die Informationen entsprechend an die Geschäftsleitung der Klägerin weiter und macht zu ihrer eigenen Absicherung Kontrollnotizen. Die Umsetzung der Empfehlungen und damit die Verantwortung trägt – wie in § 4 vereinbart – die Klägerin. Sind Verstöße gegen das HHygVO jedoch auf eine falsche Beratung durch die Beigeladene zu 1.) zurückzuführen, entbindet § 4 diese jedoch nicht von ihrer Haftung gegenüber der Klägerin. Hierfür hat die Beigeladene zu 1.) eine Berufshaftpflichtversicherung abgeschlossen.

Dass die Beigeladene zu 1.) Schulungen der Mitarbeiter entsprechend dem bei der Klägerin bestehenden Zwei-Schicht-System durchführte, ist nicht Ausdruck ihrer Eingliederung in die Organisationsstruktur der Klägerin. Vielmehr wurden die Schulungstermine zwischen ihr und der Klägerin vereinbart, die ihrerseits dann die Schulungen ihren Arbeitnehmern nach den vereinbarten Terminen anwies, damit jeder Mitarbeiter in dem gesetzlich vorgegebenen Umfang geschult wurde.

Für eine abhängige Beschäftigung spricht zunächst die Vereinbarung einer monatlich festen, nicht erfolgsabhängigen Vergütung. Die Beigeladene zu 1.) trägt danach auch kein richtungsweisendes unternehmerisches Risiko. Maßgebliches Kriterium für ein solches Risiko eines Selbstständigen ist, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der tatsächlichen und sächlichen Mittel also ungewiss ist (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 28. Mai 2008 – B 12 KR 13/07 R – juris). Die Beigeladene zu 1.) setzte als eigene Betriebsmittel lediglich Büromaterialien, PC/Laptop und Telefon ein; die Arbeiten, z.B. Erstellen der Hygienepläne, erledigte sie nur teilweise in den eigenen Betriebsräumen. Dementsprechend trug sie kein signifikantes Verlustrisiko. Auch ihre Arbeitskraft setzte sie nicht mit der Gefahr des Verlustes ein. Denn sie erhielt eine rein arbeitszeitbezogene feste Vergütung. Ein insoweit fehlendes Unternehmerrisiko im Sinne eines Verlustrisikos ist jedoch nicht von richtungsweisender Bedeutung, wenn die fragliche Tätigkeit kapitalintensive Betriebsmittel nicht erfordert. Dies ist gerade bei – wie hier in wesentlichem Umfange – beratenden oder auch schulenden Tätigkeiten der Fall. Die Zahlung einer festen, nicht erfolgsabhängigen Vergütung ist kein entscheidendes Merkmal für eine selbstständige Tätigkeit, wenn wie hier kein Werk, sondern eine Dienstleistung geschuldet wird. Allein die – zivilrechtliche – Qualifizierung als Dienstvertrag rechtfertigt nicht die Annahme einer abhängigen Beschäftigung. 

Die Pflicht zur persönlichen Leistungserbringung ist vorliegend - wie bereits dargelegt - der besonderen Sachkunde der Beigeladenen zu 1.) für den Bereich der Hygiene im Pflegebereich geschuldet, die sich die Klägerin verschaffen wollte, und damit nicht Ausdruck einer arbeitnehmertypischen persönlichen Abhängigkeit der Beigeladenen zu 1.). Zu berücksichtigen ist dabei auch, dass die Beigeladene zu 1.) die bei ihr beschäftigten Arbeitnehmer als Hygienebeauftragte im Bereich der Küchen- und Reinigungsschulungen in der Einrichtung der Klägerin eingesetzt hat, so die Angaben der Beigeladenen zu 1.) in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht. Auch wenn die Beigeladene zu 1.) die der Klägerin geschuldete Dienstleistung aufgrund der gesetzlich vorgeschriebenen Qualifikation nach eigenen Angaben zu ca. 80 - 90% persönlich erledigte, ist nach Auffassung des Senats der Einsatz eigener Beschäftigter in der Klinik der Klägerin dort, wo es rechtlich zulässig ist, jedenfalls ein Indiz für eine selbstständige Tätigkeit.

Die Klägerin und die Beigeladene zu 1.) haben ein Pauschalhonorar von 1.280,- € für ein Stundenkontingent von 35 im Monat vereinbart, was einem Stundenhonorar von ca. 36,60 € entspricht. Hygienefachkräfte, d.h. ausgebildete Krankenschwestern und -pfleger mit mindestens 2jähriger Berufserfahrung und Fachweiterbildung, werden nach der P-Tabelle des Tarifvertrages für den Öffentlichen Dienst (2019) in die Entgeltgruppe P9 Fg. 2 eingruppiert und erhalten einen monatlichen Bruttolohn von 3.230,56 €, d.h. bei einer Vollzeitstelle einen Brutto-Stundenlohn von ca. 20,20 € (z.B. www.oeffentlicher-dienst.de). Unter Berücksichtigung der konkreten Umstände, insbesondere weil ein umfassendes Weisungsrecht oder eine Eingliederung im Falle der Beigeladenen zu 1.) als gewichtige Kriterien nicht entgegenstehen, wertet der Senat die Vergütungshöhe vorliegend als zusätzliches Indiz für eine selbstständige Tätigkeit. Denn liegt das vereinbarte Honorar wie hier deutlich über dem Arbeitsentgelt eines vergleichbar eingesetzten sozialversicherungspflichtig Beschäftigten und lässt es dadurch Eigenvorsorge zu, kann dies als ein weiteres Indiz für eine selbstständige Tätigkeit betrachtet werden (vgl. BSG, Urteil vom 31. März 2017, B 12 R 7/15 R). Hinzu kommt, dass die Beigeladene zu 1.) aufgrund § 5 des Beratervertrages rechtlich die Möglichkeit hat, Mehrleistungen mit einem Stundenhonorar von 55,- € zu berechnen, auch wenn sie bisher davon kein Gebrauch gemacht hat.

Zu berücksichtigen ist schließlich, dass die Beigeladene zu 4.) der Beigeladenen zu 1.) für eine Tätigkeit, wie sie als Dienstleistung im Beratervertrag mit der Klägerin vereinbart war, Gründungszuschüsse für die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit gewährt hat. In ihrem Antrag auf Gründungszuschuss hatte die Klägerin u.a. auch auf die beratende Tätigkeit im Hinblick auf die Vorschriften des IfSG und der HHygVO Bezug genommen. Auch wenn der Bescheid der Beigeladenen zu 4.) über die Gewährung eines Gründungszuschusses keine Bindungswirkung gegenüber der Beklagten entfaltet, und der Gewährung eines Existenzgründungszuschusses auch grundsätzlich keine Indizwirkung für eine selbstständige Tätigkeit zukommt (so Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 28. Mai 2013 – L 5 R 863/12), vervollständigt sich für den Senat das Bild einer von Anfang geplanten selbstständigen Tätigkeit der Beigeladenen zu 1.) - und zwar mit dem Inhalt, wie sie für die Klägerin erbracht wurde und wird. Entsprechend hatte die Beigeladene zu 4.) diese Tätigkeit auch als selbstständige Tätigkeit gefördert.

Insgesamt überwiegen auch nach Auffassung des Senats die Merkmale einer selbstständigen Tätigkeit, so dass eine Sozialversicherungspflicht zu verneinen ist. Das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 27. April 2017 ist nicht zu beanstanden. Die Berufung der Beklagten war zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Da Klägerin und Beklagte nicht zu den in § 183 SGG genannten Personen gehören, finden nach § 197a SGG die VwGO und das Gerichtskostengesetz (GKG) Anwendung. Außergerichtliche Kosten der Beigeladenen sind keine zu erstatten, da diese keine Anträge gestellt haben, § 154 Abs. 3 VwGO.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 SGG liegen nicht vor. Der Senat vermag keine grundsätzliche Bedeutung zu erkennen, da es auf die Verhältnisse des jeweiligen Einzelfalles ankommt.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren war endgültig auf 5.000 € festzusetzen. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG) i.V.m. § 197a SGG. Danach ist ein Streitwert von 5.000,- € anzunehmen, wenn der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwertes, wie vorliegend, keine genügenden Anhaltspunkte bietet.

Rechtskraft
Aus
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