Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 23. März 2010 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Höhe des dem Kläger zustehenden Arbeitslosengeldes für die Zeit ab 28. Januar 2008.
Der 1961 geborene Kläger ist Vater zweier Kinder.
Nach Abbruch eines Studiums der Elektrotechnik an der Fachhochschule A-Stadt war er ab 1989 zunächst als Einzelhändler tätig. Nach einer Tätigkeit für die Firma C. GmbH mit dem Geschäftsgegenstand Verkauf von Hardware als Geschäftsführer war er ab 1. März 1996 im Unternehmen D. GmbH, A-Stadt, als Leiter der Technik beschäftigt, neben Personalführung umfasste die Tätigkeit auch Netzwerk- und Betriebssysteminstallation sowie Hardwareumbau. Von 2000 bis 2002 war er nach seinem Vortrag für die Fa. E. in F-Stadt als Schulungskraft im Bereich Servertechnik für die Händler der Fa. G. (H.) abhängig tätig. Zuletzt war er bis 31. Dezember 2005 als EDV-Administrator bei der Fa. J. GmbH zu einem Bruttorarbeitsentgelt von zuletzt 3.311,76 € im Monat beschäftigt, wo er eine interne Auszeichnung „Network Administrator of the Year 2004/2005“ erhielt. Während er eine Freiheitsstrafe in der Justizvollzugsanstalt (JVA) A-Stadt verbüßte, war er von Januar 2006 bis Ende 2007 als Vorarbeiter einer Gruppe von sechs bis sieben Mitarbeitern in der Justizvollzugsanstalt für insgesamt ca. 500 Tage tätig gewesen. Er beantragte nach dem Wechsel vom geschlossenen in den offenen Strafvollzug am 24. Januar 2008 Arbeitslosengeld. Ausweislich einer Bescheinigung der Justizvollzugsanstalt (JVA) A-Stadt saß der Kläger seit 19. Dezember 2005 ein; als 2/3-Termin (§ 57 Strafgesetzbuch – StGB) wurde der 6. September 2008 angegeben. Während der Haft wurde der Antragsteller als Gefangener bei der Beklagten angemeldet und es wurden Beiträge gezahlt. Zusammen mit den Nachweisen über die Tätigkeiten in der JVA reichte der Kläger mit seinem Antrag auch Nachweise betreffend seine vor der Inhaftierung in den Jahren 2003, 2004 und 2005 erzielten Verdienste als EDV-Administrator zu den Akten.
Die Beklagte bewilligte ihm durch den angegriffenen Bescheid vom 8. Februar 2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 4. März 2008, ausweislich des Absendvermerks formlos abgeschickt am 5. März 2008, Arbeitslosengeld ab 24. Januar 2008 für längstens 360 Tage in Höhe von täglich 17,65 € nach einem Bemessungsentgelt von 49,70 € gemessen fiktiv gemäß § 132 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 SGB III, wobei sie davon ausging, dass für den Kläger der Arbeitsmarkt nur für Beschäftigungen, die keine Ausbildung erfordern, zur Verfügung steht. Hierbei ging sie von der letzten, vom Kläger während der Haft ausgeübten Tätigkeit hinsichtlich der möglichen Vermittlungsbemühungen aus.
Der Kläger war später als Anästhesieassistent beschäftigt.
Die gegen die Höhe der Arbeitslosgeldbewilligung gerichtete Klage ist am 7. April 2008 bei dem Sozialgericht Gießen eingegangen.
Der Kläger hat vorgetragen, er habe als Vorarbeiter eine 30%ige Leistungszulage auf den Grundlohn erhalten, was ihn von den ungelernten Kräften unterschieden habe. Im Übrigen entspreche die Qualifikationsgruppe 4, welche die Beklagte herangezogen habe für sein Bemessungsentgelt, nicht seinen Neigungen, seiner Eignung und seiner Leistungsfähigkeit. Er habe eine Fachhochschulreife erlangt und sei vor der Inhaftierung drei Jahre als EDV-Administrator tätig gewesen. Der Kläger hat zunächst die Auffassung vertreten, dass aufgrund der Tätigkeit in der JVA ein Bruttoarbeitsentgelt von 3.182,80 € pro Monat zu Grunde zu legen sei. Später hat er die Rechtsauffassung vertreten, dass er aufgrund seines beruflichen Werdeganges der Qualitätsgruppe Q 3 im Rahmen des § 132 SGB III zuzuordnen sei.
Die Beklagte hat die Rechtsauffassung vertreten, dass die vom Kläger ausgeübte Tätigkeit als EDV-Administrator bei der Einordnung in den für ihn möglichen Arbeitsmarkt deswegen nicht herangezogen werden könne, weil dieses kein Ausbildungsberuf sei. Die Tätigkeit beschreibe eine Zusatz- oder Weiterbildung, die als Zugangsvoraussetzung eine abgeschlossene Ausbildung erfordere, die der Kläger nicht erfolgreich absolviert habe.
Das Sozialgericht Gießen hat die Beklagte mit Urteil vom 23. März 2010 unter Abänderung der streitgegenständlichen Bescheide verurteilt, dem Kläger ab 28. Januar 2008 höheres Arbeitslosengeld unter Berücksichtigung eines an der Qualifikationsgruppe 3 (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 SGB III) orientierten Bemessungsentgelts zu zahlen. Die Klage sei begründet. Die angegriffenen Bescheide seien rechtswidrig und der Kläger durch sie in seinen Rechten verletzt. Bei der streitigen Zuordnung des Klägers im Rahmen des § 132 SGB III sei dieser entgegen der Ansicht der Beklagten und der angegriffenen Entscheidung nicht der Qualitätsgruppe 4, sondern der Qualitätsgruppe 3 gemäß § 132 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB III zuzuordnen. Bei der Zuordnung der Arbeitslosen im Rahmen der fiktiven Bemessung sei nach § 132 Abs. 2 SGB III der Arbeitslose der Qualifikationsgruppe zuzuordnen, welche der beruflichen Qualifikation entspricht, die für die Beschäftigung erforderlich ist, auf die die Agentur die Vermittlungsbemühungen des Arbeitslosen in erster Linie zu erstrecken hat. Relevant seien diejenigen Tätigkeiten, mit denen der Arbeitslose bestmöglich wieder in den Arbeitsmarkt eingegliedert werden könne. Bei der Prognoseentscheidung der Arbeitsvermittlung seien dabei Neigung, Eignung und Leistungsfähigkeit des Arbeitsuchenden sowie die Anforderungen der angebotenen Stellen als Vermittlungskriterien maßgeblich. Diese Zuordnungskriterien habe die Beklagte bei ihrer Entscheidung nicht berücksichtigt. Aus der Sicht des Gerichts sei der Kläger unter Berücksichtigung seiner beruflichen Entwicklung in Tätigkeiten als EDV-Administrator zu vermitteln gewesen. Eine solche Tätigkeit habe der Kläger nachweislich gegen eine diesem Berufsbild entsprechende Vergütung mehr als zweieinhalb Jahre ausgeübt. Unter Berücksichtigung der beruflichen Vorerfahrungen und Tätigkeiten des Klägers seit dem Abbruch des Studiums, die sämtlich im EDV-Bereich, teils betreffend Software und teils betreffend Hardware gelegen hätten, sehe die Kammer die Tätigkeit eines EDV-Administrators ungeachtet der Tatsache, dass der Kläger einen förmlichen Ausbildungsabschluss auch insoweit nicht habe, als die Tätigkeit, worin der Kläger bestmöglich „vermarktet" werden könnte. Der Umstand, dass er diese Tätigkeit während der Haftzeit nicht ausgeübt habe, stehe der Zuordnung zu diesem Arbeitsmarkt nicht entgegen. Denn wenn Neigung, Eignung und Leistungsfähigkeit eines Arbeitsuchenden trotz mehrjähriger Berufspause erhalten blieben, entfalle seine Zuordnung zu der für ihn geltenden Branche nicht automatisch im Sinne einer Entqualifizierung. Auch der Umstand, dass die Inhaftierung des Klägers mit Aktivitäten im Computerbereich zusammengehangen habe, wie er angegeben habe, stehe seiner Vermittlung als EDV-Administrator aus der Sicht des Gerichts nicht entgegen. Insofern habe er sich durch Abbüßung der Haftstrafe rehabilitiert. Anhaltspunkte für einen Eignungsverlust auf Dauer ergäben sich nicht. Der Umstand, dass der Kläger seine Ausbildung nach ca. sechsjährigem Studium erfolglos abgebrochen hat, stehe aus der Sicht des Gerichts unter Berücksichtigung der langjährigen Tätigkeit als Fachkraft in der Computerbranche betreffend Hardware und Software nicht der Einordnung in die Qualitätsgruppe 3 gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 3 SGB III entgegen. Denn bei der Einordnung sei entgegen der Annahme der Beklagten nicht starr auf den erworbenen Ausbildungsabschluss abzustellen, wenn ein solcher Ausbildungsabschluss für die in Betracht kommenden Arbeitsangebote nicht unbedingt maßgebend sei. In diesem Sinne werte das Gericht die Tätigkeit als EDV-Administrator als ein auch heute noch neues Berufsbild, welches zur erfolgreichen Ausübung dieser Tätigkeit einen wirklichen Berufsabschluss im Sinne eines Ausbildungsberufes nicht unbedingt erfordere. Gerade in dem Berufsbild des EDV-Administrators, der mindestens eine einer abgeschlossene Lehre gleichwertige Ausbildung erfordere, sei bis heute ein großer Anteil von Versicherten tätig, die sich diese speziellen Kenntnisse im EDV-Bereich in Eigenregie und durch Berufserfahrung erarbeitet hätten. Dies gelte unter Berücksichtigung des vom Kläger glaubhaft geschilderten beruflichen Werdeganges in dem Sinne, dass er für einen Arbeitsmarkt zur Verfügung gestanden habe, welcher zwar eine hohe berufliche Qualifizierung, nicht jedoch unbedingt einen klaren Berufsabschluss voraussetze.
Das Urteil ist bei der Agentur für Arbeit Gießen ausweislich des Eingangsstempels am 19. April 2010 eingegangen. Das Empfangsbekenntnis ist durch die Erste Sachbearbeiterin für Angelegenheiten nach dem Sozialgerichtsgesetz, Frau K., am 28. April 2010 unterzeichnet worden, wie die Beklagte mit nachgelassenem Schriftsatz vom 7. September 2011 erläutert hat.
Die hiergegen gerichtete Berufung ist am 27. Mai 2010 beim Hessischen Landessozialgericht eingegangen.
Die Beklagte trägt vor, dass bei einem EDV-Administrator die Qualifikation in Form eines besonderen Computerscheins erforderlich sei, der wiederum eine mit Erfolg abgeschlossene Gesellen- oder Abschlussprüfung in einem anerkannten Ausbildungsberuf und eine in der Regel mindestens einjährige Berufspraxis voraussetze. Im Falle des Klägers sei ferner zu beachten, dass er seiner Aussage nach wegen einer Straftat inhaftiert gewesen sei, die er im Umfeld seiner Computertätigkeit begangen habe. Dies stehe trotz seiner mehrjährigen Tätigkeit im EDV-Bereich einer realistischen Eingliederung in den Arbeitsmarkt in diesem Berufsfeld entgegen. Außerdem habe sich der Kläger im hier maßgeblichen Zeitraum im offenen Strafvollzug befunden und habe dem Arbeitsmarkt nur unter besonderen Bedingungen zur Verfügung gestanden. Nach einer Bescheinigung der JVA A-Stadt vom 17. Januar 2008 habe das Arbeitsverhältnis in den zeitlichen Ausgangsrahmen passen müssen und die Entfernung habe maximal 80 km betragen sollen. Durch den Aufenthalt in der JVA habe er zudem berufliche Kenntnisse und Fähigkeiten verloren. Unter diesen Umständen sei eine Zuordnung des Klägers zur Qualifikationsstufe 3 nicht möglich. Einer realistischen Eingliederung in das Berufsfeld der EDV stünden die vorgenannten Umstände entgegen. Daran änderten auch die vom Kläger vorgelegten Zeugnisse und Zertifikate aus den neunziger Jahren nichts.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 23. März 2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er trägt vor, er verfüge über eine berufliche Qualifikation als EDV-Administrator und wäre aufgrund seiner Kenntnisse in diesem Bereich auch vermittelbar gewesen. Über die Berufserfahrung hinaus verfüge er über Qualifikationen, die er neben seiner Tätigkeit durch verschiedene Fortbildungsmaßnahmen nachweisbar erlangt habe und die durch Zertifikate belegt werden könnten. Er sei nicht im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als EDV-Administrator, sondern wegen Betruges nach § 263 StGB verurteilt worden.
Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung am 1. September 2011 gewesen ist.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist zulässig. Sie ist fristgemäß eingelegt. Zwar ist die Zeitspanne von neun Tagen zwischen dem Datum des Eingangsstempels und dem Datum der Unterschrift des Empfangsbekenntnisses durch einen Vertreter der Widerspruchsstelle bei der Beklagten ungewöhnlich. Bei Behörden ist die Zustellung mit Empfangbekenntnis nach § 63 SGG i.V.m. § 174 Zivilprozessordnung (ZPO) indes nur wirksam ab dem Zeitpunkt erfolgt, zu dem das zuzustellende Schriftstück dem „Leiter“ der Behörde oder dem im Prozess Vertretungsberechtigten der Behörde zugegangen ist (vgl. BVerwG Urteil vom 15. Februar 2001 - 6 BN 1/01 = Buchholz 340 § 5 VwZG Nr. 19; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 30. Juni 2008 - L 1 U 3732/07). Auf den Zeitpunkt des Eingangs bei der Poststelle der Behörde kommt es nicht an. Mangels anderer Anhaltspunkte führen die aufgrund der Diskrepanz hervorgerufenen Zweifel an der Richtigkeit des Datums des Zugangs unter Würdigung des ergänzenden Vortrages der Beklagten mit Schriftsatz vom 7. September 2011 allerdings nicht zur Unbeachtlichkeit des bekundeten Datums. Die Richtigkeit der Angaben bei einer mittels Empfangsbekenntnis durchgeführten Zustellung, insbesondere des Datums ist erst dann widerlegt, wenn die Beweiswirkungen des Empfangsbekenntnisses entkräftet sind und jede Möglichkeit ausgeschlossen ist, dass die Angabe auf dem Empfangsbekenntnis richtig sein könnte. Bloße Zweifel - wie im Streitfall - genügen insoweit nicht (Hessisches LSG, Beschluss vom 10. August 2009 – L 6 AS 235/09 B – m.w.N.).
Die Berufung ist indes nicht begründet. Das Sozialgericht Gießen hat die Beklagte zu Recht zur Leistung von Arbeitslosengeld am Maßstab der Qualifikationsstufe 3 verurteilt.
Der Kläger hat gemäß § 118 Abs. 1 SGB III für den streitgegenständlichen Zeitraum Anspruch auf Arbeitslosengeld dem Grunde nach, da im streitgegenständlichen Zeitraum arbeitslos nach § 119 SGB III gewesen ist, sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet hat (§ 122 SGB III) und die Anwartschaftszeit erfüllt (§ 123 Satz 1 i.V.m. § 26 Abs. 1 Nr. 4 SGB III). Hierüber besteht zwischen den Beteiligten weder Streit noch ist sonst weiterer Aufklärungsbedarf erkennbar.
Bei der Ermittlung der Anspruchshöhe ist das Sozialgericht zutreffend von der Anwendung des § 132 SGB III ausgegangen.
Das Arbeitslosengeld beträgt nach § 129 SGB III für Arbeitslose, die mindestens ein Kind haben, 67 Prozent des pauschalierten Nettoentgelts (Leistungsentgelt), das sich aus dem Bruttoentgelt ergibt, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat (Bemessungsentgelt). Der Bemessungszeitraum umfasst nach § 130 Abs. 1 SGB III (in der ab1. Januar 2005 geltenden Fassung des Art. 1 Nr. 71 des Gesetzes vom 23. Dezember 2003, BGBl. I S. 2848) die beim Ausscheiden des Arbeitslosen aus dem jeweiligen Beschäftigungsverhältnis abgerechneten Entgeltabrechnungszeiträume der versicherungspflichtigen Beschäftigung im Bemessungsrahmen. Der Bemessungsrahmen umfasst ein Jahr, er endet mit dem letzten Tag des letzten Versicherungspflichtverhältnisses (§ 120 Abs. 1 Satz 2 SGB III). Nach § 130 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB III wird der Bemessungsrahmen auf zwei Jahre erweitert, wenn der Bemessungszeitraum weniger als 150 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt enthält. Kann ein Bemessungszeitraum von mindestens 150 Tagen mit Anspruch auf Arbeitsentgelt innerhalb des auf zwei Jahre erweiterten Bemessungsrahmens nicht festgestellt werden, ist als Bemessungsentgelt ein fiktives Arbeitsentgelt zu Grunde zu legen (§ 132 Abs. 1 SGB III).
Die Voraussetzungen für eine fiktive Bemessung des Arbeitsentgelts liegen vor, weil der Kläger in dem vorbenannten erweiterten Bemessungsrahmen keinen Anspruch auf Arbeitsentgelt im Sinne des § 132 Abs. 1 SGB III gehabt hat. Die in der JVA ausgeübte Tätigkeit als Vorarbeiter hat kein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 25 SGB III begründet, daher ist das „Arbeitsentgelt“ im Sinne des § 43 StVollzG auch nicht Arbeitsentgelt i.S.d. § 130 ff. SGB III. Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (§ 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV). Vorausgesetzt wird weiterhin, dass ein freiwilliges, auf dem Austausch von Arbeit und Lohn gerichtetes Beschäftigungsverhältnis begründet wird (zu § 104 AFG: BSG, Urteil vom 7. November 1990 - 9b/7 RAr 112/89). Daran fehlt es, weil die Arbeitstätigkeit des Klägers auf gesetzlichem Zwang nach § 41 Abs. 1 StVollzG beruhte und die Versicherungspflicht des Klägers nicht aus § 25 SGB III, sondern aus § 26 Abs. 1 Nr. 4 SGB III herzuleiten ist; diese Vorschrift stellt allein auf die Zahlung von strafvollzugsrechtlichem Arbeitsentgelt etc. ab. Nach den in den Verwaltungsvorgängen befindlichen Bescheinigungen wurden seitens der JVA Beiträge auf der Basis einer Versicherungspflicht nach § 26 Abs. 1 Nr. 4 SGB III, das Arbeitsentgelt wurde ersichtlich nach § 43 StVollzG berechnet. Der Kläger war insbesondere beim Werkbetrieb der JVA und nicht außerhalb der JVA bei einem Privatunternehmen unmittelbar beschäftigt (§ 39 StrVollzG).
Liegen die Voraussetzungen für eine fiktive Festsetzung des Bemessungsentgelts vor, ist der Arbeitslose nach § 132 Abs. 2 Satz 1 SGB III einer Qualifikationsgruppe zuzuordnen, die der beruflichen Qualifikation entspricht, die für die Beschäftigung erforderlich ist, auf die die Arbeitsagentur für Arbeit die Vermittlungsbemühungen für den Arbeitslosen in erster Linie zu erstrecken hat. Für Beschäftigungen, welche keine Ausbildung erfordern (Qualifikationsgruppe 4), ist ein Arbeitsentgelt in Höhe von einem Sechshundertstel der Bezugsgröße zugrunde zu legen (§ 132 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 SGB III). Bei Beschäftigungen, die eine abgeschlossene Ausbildung in einem Ausbildungsberuf erfordern (Qualifikationsgruppe 3), beträgt das fiktive Arbeitsentgelt hingegen ein Vierhundertfünfzigstel der Bezugsgröße (§ 132 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB III).
Bei der Frage, auf welche Beschäftigung die Beklagte ihre Vermittlungsbemühungen in erster Linie zu erstrecken hat, ist zu berücksichtigen, dass § 132 SGB III keine Vermittlungskriterien benennt, welche bei der Vermittlung zwingend zu berücksichtigen wären (zum Folgenden: LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 9. August 2007 – L 7 AL 1160/07 - ; Behrend in: Eicher/Schlegel, SGB III, 76. EL., § 132 Rdnr. 29, 31 ff.). Die maßgeblichen Gesichtspunkte sind daher in erster Linie den gesetzlichen Regelungen zur Arbeitsvermittlung in den §§ 35 ff. SGB III und den Gesetzesmaterialien zu entnehmen (Behrend, a.a.O., § 132 Rdnr. 31). Der Gesetzgeber hat die Suche nach der maßgeblichen Beschäftigung für die fiktive Bemessung auf die Tätigkeiten eingeschränkt, auf die sich die Vermittlungsbemühungen „in erster Linie“ zu erstrecken haben, so dass nicht die Gesamtbreite der dem Arbeitslosen möglichen Beschäftigungen heranzuziehen ist, sondern die Tätigkeiten relevant sind, mit denen der Arbeitslose bestmöglich wieder in den Arbeitsmarkt eingegliedert werden kann (BSG, Urteil vom 6. September 2006 – B 7a AL 66/05 R - juris). Kommen mehrere Beschäftigungen in Betracht, richtet sich die fiktive Bemessung nach derjenigen, welche die höchste berufliche Qualifikation erfordert und daher mit der für den Arbeitslosen günstigsten Qualifikationsgruppe verbunden ist (zum Günstigkeitsprinzip bei den Vorgängerregelungen § 200 Abs. 2 Satz 1 SGB III a.F. und § 112 Abs. 7 AFG vgl. BSG, Urteil vom 23. November 1988 – 7 RAr 6/87 – SozR 4100 § 112 Nr. 42 S. 200; Urteil vom 21. Oktober 2003 – B 7 AL 4/03 R – SozR 4-4300 § 200 Nr. 1 S. 5). Die aus § 35 Abs. 2 Satz 2 SGB III zu entnehmenden personenbezogenen Vermittlungskriterien sind Neigung, Eignung und Leistungsfähigkeit des Arbeitsuchenden sowie die Anforderungen der angebotenen Stellen (BSG, Urteil vom 5. September 2006, a.a.O.). Nach der Gesetzesbegründung soll auch das in Betracht kommende Arbeitsangebot berücksichtigt werden (Behrend, a.a.O., § 132 Rdnr. 9). Die Gesetzesmaterialien zur ähnlichen Vorgängerregelung in § 133 Abs. 4 SGB III a.F. enthalten den Hinweis, dass sich das Bemessungsentgelt nach dem Arbeitsentgelt richtet, welches der Arbeitslose bei erfolgreicher Vermittlung voraussichtlich erzielen könnte (BT-Drs. 13/4941 S. 178). Die möglichen Beschäftigungen müssen in nennenswertem Umfang auf dem Arbeitsmarkt vorhanden, wenn auch nicht offen sein, so dass eine Vermittlung grundsätzlich möglich erscheint (vgl. BSG, Urteil vom 5. August 1999 – B 7 AL 6/99 R – SozR 3-4100 § 136 Nr. 9 S. 46; Behrend, a.a.O., § 132 Rdnr. 35). Es handelt sich insoweit um eine Prognoseentscheidung der Arbeitsverwaltung (BSG, Urteil vom 9. November 1989 – 11/7 RAr 63/87 - <juris>), welche im gerichtlichen Verfahren als Feststellung einer hypothetischen Tatsache voll überprüfbar ist (BSG, Urteil vom 7. April 1987 – 11b RAr 7/86 – SozR 4100 § 44 Nr. 47).
Gemessen an diesem Maßstab spricht nichts gegen die Annahme des Sozialgerichts, dass die Vermittlungsbemühungen entsprechend der vor Antritt der Verbüßung der Haftstrafe innegehabten Stelle als EDV-Administrator bzw. vergleichbaren Tätigkeiten auszurichten sind. Der Zeitraum von etwas über zwei Jahren nach Beendigung der Tätigkeit spricht trotz des schnellen Qualifikationsverfalls in der Computerbranche nicht ohne Hinzutreten konkreter Umstände gegen eine berufliche Zukunft in dieser Branche; der Kläger kann nämlich auf qualifizierte Tätigkeit in der Branche mindestens ab 1996 zurückblicken, wobei er selbst in der Fortbildung tätig gewesen ist. Hieraus kann auch auf eine Fähigkeit geschlossen werden kann, sich selbst auf die zwischenzeitlich eingetretenen Neuerungen einzustellen. Substantiierte Anhaltspunkte für eine Entqualifizierung, denen in einer Beweisaufnahme nachzugehen wäre, wurden auch von der Beklagten nicht vorgetragen. Ebenso kann nicht abstrakt aus der Straftat ein branchenbezogenes Vermittlungshemmnis hergeleitet werden, allein weil die Straftat mittels eines Computers begangen worden ist. Warum im Umkreis von 80 km um A-Stadt – also bis weit in das Rhein-Main-Gebiet hinein – die Ortsgebundenheit des Klägers ein Vermittlungshemmnis in die Computerbranche sein soll, erschließt sich dem Senat ebenfalls nicht.
Die Beschäftigungen, auf die die Beklagte ihre Vermittlungsbemühungen zu erstrecken hatte, sind auch der Qualifikationsgruppe 3 zuzuordnen. Insbesondere steht dem nicht die Formulierung dieser Qualifikationsgruppe entgegen, wonach es sich um Beschäftigungen handelt, die „eine abgeschlossene Ausbildung“ in einem Ausbildungsberuf erfordern. Für die fiktive Bemessung ist nämlich nicht darauf abzustellen, welchen erlernten Beruf oder welches Ausbildungsniveau der Arbeitslose tatsächlich hat, sondern für welche Tätigkeiten er künftig in Betracht kommt; wegen in der Vergangenheit bereits verrichteter höherwertiger Tätigkeiten kann daher auch eine Qualifikationsgruppe zutreffen, die über dem Berufsabschluss liegt (Behrend a.a.O. § 132 Rn. 29).
Der Kläger war vor seiner Haft als „EDV-Administrator“ bei der Fa. J. GmbH beschäftigt. Ausweislich der Urkunde „Network Administrator of the Year 2004/2005“ umfasste diese Aufgabe auch Netzwerkadministration. Hierbei handelt es sich um eine Tätigkeit, die auch seinerzeit regelmäßig eine über die Einstiegsqualifikation hinausgehende, weitere Fortbildungsmaßnahme voraussetzte (vgl. berufskundliche Stellungnahme des Landesarbeitsamtes Bayern an das SG München vom 25. September 2002). Nichts anderes trägt die Beklagte mit ihrer Bezugnahme auf den Computerschein vor.
Dabei ist davon auszugehen, dass das Berufsfeld seinerzeit einerseits den bereits damals vorhandenen, staatlich anerkannten Ausbildungen im elektrotechnischen und computertechnischen Bereich nach entsprechender Weiterqualifizierung offenstand (vgl. auch die o.g. Auskunft des Landesarbeitsamtes Bayern) und bereits deshalb der Qualitätsgruppe 3 zu zuordnen ist, andererseits der Werdegang des Klägers stellvertretend für eine Karriere im computertechnischen Bereich steht, die dadurch gekennzeichnet ist, dass nicht nur vereinzelt nach abgebrochenen Hochschulstudium eine die ungelernte Tätigkeit weit übersteigende Qualifikation bzw. ein entsprechender beruflicher Aufstieg erzielt werden konnte. Dass es sich bei der vor der Haft zuletzt ausgeübten Tätigkeit um einen „Ausreißer“ nach oben ohne Vermittlungsrelevanz gehandelt haben könnte, ist angesichts der vorherigen Tätigkeiten nicht erkennbar. Bereits seit März 1996 war er in einer Aufstiegsposition tätig. Seine eigene spätere Fortbildungstätigkeit spricht ebenfalls für eine gesteigerte Qualifikation.
Da es sich um eine voll gerichtlich überprüfbare Prognoseentscheidung handelt, bei der auf den Zeitpunkt des Entstehens des Arbeitslosengeldes abzustellen ist, kann dem Kläger schließlich nicht entgegen gehalten werden, dass er sich später selbst einem Berufsfeld außerhalb der Computerbranche zuwenden wollte und auch zugewandt hat. Hätte sich der Kläger geweigert, in diesen Bereich vermittelt zu werden, wäre dies im Rahmen der Verhängung einer Sperrzeit relevant geworden, hätte aber auf die Höhe des Anspruches keine Auswirkungen gehabt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.