Die Klage wird abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Aufhebung von gewährten Zuschüssen für eine betriebliche Einstiegsqualifizierung sowie die Erstattung der Leistungen.
Der Kläger betreibt seit dem Jahr 2011 zusammen mit u.a. seinem Bruder B. A. eine Anwaltskanzlei in Bürogemeinschaft in A-Stadt.
Am 11.09.2013 wurde beim Beklagten ein Antrag auf einen Zuschuss für eine betrieblich durchgeführte Einstiegsqualifizierung der Frau C. zur Rechtsanwaltsfachangestellten gestellt. Frau C. war damals im Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch - Zweites Buch - (SGB II). Auf dem Antragsformular befand sich im Feld „Firmenbezeichnung und Anschrift“ der Stempel „Anwaltskanzlei A.“. Hierbei handelte es sich um den Firmenstempel des Klägers. Als Ansprechpartner für Rückfragen wurde dessen Bruder B. A. angegeben. Unterschrieben war das Formular mit dem Namenszug „A.“.
Das Antragsformular enthielt einen Hinweis darauf, dass ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis zustande komme. Der Antragsteller verpflichtete sich nach dessen Wortlaut zudem, innerhalb von drei Monaten nach der Arbeitsaufnahme eine Bestätigung der Anmeldung zur Sozialversicherung vorzulegen.
Dem Antragsformular war ein schriftlicher „Einstiegsqualifizierungsvertrag“ beigefügt, der mit demselben Namenszug unterschrieben war. Das Feld für die Eintragung des Arbeitgebers im Vertragsformular blieb leer. Durch E-Mail v. 12.11.2013 teilte B. A. dem Beklagten noch die Bankverbindung für die Leistungsauszahlung mit. Es handelte sich um ein Konto von B. A.
Der Beklagte erstellte einen Bescheid v. 18.11.2013, mit dem ein monatlicher Zuschuss i.H.v. 323 € für den Zeitraum 01.11.2013 – 31.07.2014 bewilligt wurde. Der Bescheid war mit der Auflage versehen, dass binnen drei Monaten eine Bestätigung der Anmeldung von Frau C. zur Sozialversicherung vorgelegt werden müsse.
In der Folge wurde für den gesamten Leistungszeitraum der Zuschuss auf das Konto des B. A. überwiesen.
Mit Schreiben v. 07.11.2014 forderte der Beklagte den Kläger auf, die Bestätigung der Anmeldung zur Sozialversicherung vorzulegen. Auf die Mitteilung der Kanzlei, dass dem Kläger der Bescheid v. 18.11.2013 nicht zugegangen sei, wurde dieser ihm per Fax v. 14.11.2014 nochmals übersandt. Der Kläger teilte dann mit Schreiben v. 17.11.2014 mit, die erhaltenen Zahlungen in voller Höhe an Frau C. weitergeleitet zu haben. Da die Kanzlei den Bescheid v. 18.11.2013 erst jetzt erhalten habe, sei ihnen unbekannt gewesen, dass eine Anmeldung zur Sozialversicherung nötig gewesen wäre. Man habe sich durch außerordentliche Kündigung von Frau C. getrennt und beabsichtige nun auch nicht mehr, sie noch anzumelden.
Nachdem der Kläger zuvor mit Schreiben v. 18.11.2014 angehört worden war, widerrief der Beklagte daraufhin durch Bescheid vom 06.05.2015 die Leistungsgewährung vollständig und forderte von ihm die Erstattung von 3.230 €.
Mit seinem Widerspruch vom 19.05.2015 machte der Kläger geltend, er habe das Geld überhaupt nicht erhalten. Der Beklagte solle sich an Frau C. wenden. Dieser Widerspruch wurde durch Bescheid v. 19.10.2015 zurückgewiesen. Man könne belegen, dass dem Kläger die Leistungen sehr wohl ausgezahlt worden seien.
Der Kläger hat am 06.11.2015 Klage erhoben.
Er trägt vor, zwar sei Frau C. die „Auszubildende“ von ihm selbst gewesen. Er habe jedoch weder den Bewilligungsbescheid erhalten noch Zahlungen des Beklagten. Die Gelder seien auf das Konto seines ebenfalls in der Kanzlei tätigen Bruders B. ausgezahlt und von diesem jeweils direkt an Frau C. weitergeleitet worden. Der Beklagte müsse sich daher hinsichtlich einer etwaigen Rückforderung an diese wenden.
Er beantragt,
den Bescheid vom 06.05.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.10.2015 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er entgegnet, die Leistungen seien an den Kläger ausgezahlt worden. Dieser habe – selbst wenn er den Bewilligungsbescheid zunächst nicht erhalten haben sollte – im Antragsformular erklärt, sich zur Anmeldung der Frau C. zu verpflichten.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- und die Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Bescheid vom 06.05.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.10.2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Beklagte hat die Leistungsbewilligung zu Recht zurückgenommen und kann vom Kläger die Erstattung der erbrachten Leistungen in der genannten Höhe verlangen.
Zwar geht das Gericht davon aus, dass dem Kläger der Bewilligungsbescheid v. 18.11.2013 nicht vor Auszahlung der Leistungen zuging, da dies nicht bewiesen worden ist. Jedoch wurde dem Kläger durch die erstmalige Auszahlung des Zuschusses auf das Konto seines Bruders die Leistungsbewilligung bekanntgegeben. Es handelt sich insoweit um einen durch konkludentes Handeln erlassenen Verwaltungsakt, der nach § 33 Abs. 2 S. 1 Sozialgesetzbuch – Zehntes Buch – (SGB X) wirksam ist. Ein Verwaltungsakt kann danach schriftlich, elektronisch, mündlich oder "in anderer Weise" erlassen werden. Damit wird auch konkludentes Handeln der Verwaltung erfasst (von Wulffen/Engelmann, SGB X, 5. Aufl 2005, § 33 Rn. 14b mit Rechtsprechungsübersicht). Es müssen dabei Anhaltspunkte dafür vorhanden sein, dass die Behörde die Rechtslage geprüft und eine Verwaltungsentscheidung getroffen hat und auch treffen wollte (BSG, Urteil vom 07. Juli 2005 – B 3 P 12/04 R –, Rn. 18, Juris). Solche Anhaltspunkte ergeben sich hier insbesondere daraus, dass die Auszahlung in zeitlicher Nähe auf den gestellten Antrag hin erfolgte. Zudem war die Kanzlei zuvor von der Sachbearbeiterin des Beklagten noch befragt worden, wohin die Leistungen überwiesen werden sollten. Die tatsächliche Überweisung ohne Übersendung einer Bescheides ließ daher aus Sicht eines objektiven Empfängers nur den Schluss zu, dass der Beklagte zu einer positiven Entscheidung gekommen war, aber einen schriftlichen Bescheid nicht erlassen wollte.
Die Bekanntgabe der Bewilligungsentscheidung erfolgte insbesondere auch gegenüber dem Kläger selbst, obwohl die Leistungen auf das Konto seines Bruders B. A. überwiesen wurden. Ist ein Bevollmächtigter bestellt, kann nach § 37 Abs. 1 S. 2 SGB X die Bekanntgabe eines Verwaltungsaktes ihm gegenüber vorgenommen werden. Der Leistungsantrag war laut Klägervortrag im Namen des Klägers durch dessen Bruder B. A. gestellt worden. Dies wurde auch dadurch dokumentiert, dass der bei der Antragstellung verwendete Stempel der des Klägers war. Als Ansprechpartner im Antragsformular war der Bruder angegeben. Dieser gab auf Nachfrage sein eigenes Konto für die Auszahlung der Leistungen an. Der Kläger hat durch die Übertragung des gesamten Antragsverfahrens an seinen Bruder für die Beklagte zu erkennen gegeben, dass dieser zu sämtlichen Handlungen im Verwaltungsverfahren bevollmächtigt sein sollte. Dies bezieht sich im Zweifel auch auf die Entgegennahme der Leistungen, da für einen Außenstehenden keine Begrenzung der Bevollmächtigung erkennbar war.
Zwar war der vorliegend erfolgte Widerruf der Bewilligung rechtswidrig. Denn nach § 47 Abs. 2 SGB X steht eine solcher Widerruf im Ermessen der Behörde („kann“). Dieses wäre von der Beklagten pflichtgemäß auszuüben gewesen. Weder der Bescheid vom 06.05.2015 noch der Widerspruchsbescheid vom 19.10.2015 lassen jedoch erkennen, dass die Beklagte ihr Ermessen erkannt und ausgeübt hat.
Jedoch kann hier die Widerrufsentscheidung in eine Aufhebung der Bewilligung nach § 48 Abs. 1 S. 2 SGB X umgedeutet werden. Ein fehlerhafter Verwaltungsakt kann nach § 43 Abs. 1 SGB X in einen anderen Verwaltungsakt umgedeutet werden, wenn er auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von der erlassenden Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig hätte erlassen werden können und wenn die Voraussetzungen für dessen Erlass erfüllt sind. Dies ist hier gegeben. Insbesondere sind die Voraussetzungen für eine Aufhebung der Bewilligungsentscheidung nach § 48 Abs. 1 SGB X erfüllt.
Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist nach § 48 Abs. 1 S. 1 SGB X der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll nach Satz 2 Nr. 4 insbesondere mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
Dies war hier der Fall. Der Anspruch des Klägers auf die Zuschüsse zur Einstiegsqualifizierung ist nach Bekanntgabe der Leistungsbewilligung durch die erstmalige Überweisung dadurch weggefallen, dass der Kläger Frau C. im Zeitraum ihrer Beschäftigung bisher nicht sozialversicherungsrechtlich anmeldete. Der gesetzlichen Regelung zum Zuschuss für betriebliche Einstiegsqualifizierungen des § 54 a Abs. 1 und 2 SGB III lässt sich zwar nicht ausdrücklich entnehmen, dass der Zuschuss nur für sozialversicherungsrechtlich angemeldete Beschäftigungsverhältnisse gewährt werden kann. Jedoch ergibt sich bereits aus der dort vorgesehenen Übernahme eines Anteils am Gesamtsozialversicherungsbeitrag und dem in Absatz 2 Nr. 3 vorgesehen zeitlichen Umfang von mindestens 20 Wochenstunden, dass es sich um solche Beschäftigungsverhältnisse handelt. Zudem steht einer Einbeziehung pflichtwidrig nichtangemeldeter Beschäftigungen schon entgegen, dass in diesem Fall die Zuschüsse trotz möglicherweise strafbaren Verhaltens der Parteien des Einstiegsqualifizierungsvertrags (§ 266 a StGB) erbracht werden könnten. Dies widerspricht erkennbar den gesetzgeberischen Interessen.
Dem Kläger ist auch zumindest grobfahrlässige Unkenntnis vom Wegfall des Leistungsanspruches vorzuwerfen. Die erforderliche Sorgfalt wurde hier in besonders grobem Maße verletzt. Vorliegend musste ihm aufgrund der deutlichen Hinweise im Antragsformular klar sein, dass der Anspruch auf den Zuschuss entscheidend von der sozialversicherungsrechtlichen Anmeldung der Frau C. abhing. Sollte lediglich dem Bruder das Formular vorgelegt haben, so muss sich der Kläger dessen Verschulden jedenfalls nach § 166 BGB entsprechend zurechnen lassen. Insbesondere gibt es für das Gericht gerade im Hinblick auf die berufliche Tätigkeit des Klägers und des von ihm bevollmächtigten Bruders B. A., die beide Rechtsanwälte sind, keine Anhaltspunkte dafür, dass ihr individueller Verständnishorizont nicht ausreichend gewesen wäre, um den Wegfall des Leistungsanspruches infolge der fehlenden Anmeldung zu erkennen.
Die maßgeblichen Fristen für die Aufhebung der Bescheide wurden hier eingehalten. Ein Ermessen war nach § 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II i.V.m. § 330 Abs. 3 S. 1 SGB III nicht auszuüben.
Der Kläger hat die Zahlungen auch vollständig nach § 50 Abs. 1 S. 1 SGB X zu erstatten. Entgegen seiner Annahme hat er vom Beklagten Leistungen in der genannten Höhe erhalten. Auch im Rahmen der Auszahlung von Leistungen an einen durch Willenserklärung ermächtigten Dritten (etwa bei Einwilligung des Berechtigten) muss sich der Berechtigte die Leistungen als empfangen zurechnen lassen (BSG, Urteil vom 22. 4. 1987 - 10 RKg 16/85 = SozR 1300 § 50 Nr. 16; BSG, Urteil vom 22. 4. 1987 - 10 RKg 6/86 = juris Rz 12; BSG, Urteil vom 25. 1. 1988 - 10 BKg 14/87 = juris Rz 4). Dies gilt selbst dann, wenn eine solche Ermächtigung nicht vorlag, die auszahlende Behörde aber von ihr ausgehen durfte (BSG, Urteil vom 28. 6. 1991 - 11 RAr 47/90 = SozR 3-1300 § 50 Nr. 10: Vertreter ohne Vertretungsmacht; BSG, Urteil vom 12. 12. 1996 - 11 RAr 31/96 = SozR 3-1300 § 44 Nr. 19; Merten in: Hauck/Noftz, SGB, 08/16, § 50 SGB X, Rn. 20). Es kann daher hier im Ergebnis dahinstehen, ob der Kläger seinen Bruder B. A. tatsächlich intern ausdrücklich zur Entgegennahme der Leistungen ermächtigt hat. Er muss sich jedenfalls vorhalten lassen, dass er durch die Bevollmächtigung im Verwaltungsverfahren beim Beklagten den Eindruck erweckt hat, der Bruder sei auch berechtigt, über den Zahlungsweg zu verfügen.
Unerheblich ist, dass die Leistungen sogleich an Frau C. weitergeleitet wurden. Bei dem Zuschuss zur Einstiegsqualifizierung handelt es sich um eine Leistung an den Arbeitgeber und nicht an den Arbeitnehmer. Dies kam in vorliegendem Fall z.B. auch dadurch zum Ausdruck, dass die Leistung an den Kläger und nicht an Frau C. ausgezahlt wurde.
Schließlich kann sich der Leistungsempfänger im Bereich des § 50 SGB X nicht auf die Einrede des Wegfalls der Bereicherung berufen (Schütze in: von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl., § 50 Rn. 27 m.w.N.).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Das zulässige Rechtsmittel der Berufung ergibt sich aus § 143 SGG.