L 2 R 82/17

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 14 R 595/13
Datum
-
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 2 R 82/17
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 13 R 205/20 B
Datum
Kategorie
Urteil

I.    Auf die Berufung der Beklagten werden das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 6. Dezember 2016 aufgehoben und die Klage abgewiesen. 

II.    Die Beteiligten haben einander in beiden Instanzen keine Kosten zu erstatten.

III.    Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Witwenrente.

Die im Jahr 1961 geborene Klägerin ist die Witwe des im Jahr 1953 geborenen und 2012 verstorbenen D. A. (Versicherter). Die Klägerin und der Versicherte lebten fast 30 Jahre in einem gemeinsamen Haushalt in eheähnlicher Gemeinschaft, aus der zwei Töchter hervorgegangen sind. Eine erste Ehe des Versicherten war 1983 geschieden worden. Zuletzt bezogen der Versicherte und die Klägerin als Teil einer Bedarfsgemeinschaft Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch, Zweites Buch (SGB II).

Der Versicherte litt an Diabetes mellitus bei Adipositas und stand in regelmäßiger ambulanter Behandlung. Nachdem sich sein Gesundheitszustand verschlechtert hatte, wurde der Versicherte am 31. Januar 2012 wegen einer schmerzlosen Gelbsucht stationär im Kreiskrankenhaus Bergstraße in Heppenheim aufgenommen. Dort wurde ein Bauchspeicheldrüsenkopfkarzinom festgestellt, das am 7. Februar 2012 operativ behandelt wurde. Dabei wurde ein fortgeschrittenes bösartiges Tumorleiden der Bauchspeicheldrüse mit Infiltration in die Wand des Zwölffingerdarms, in die Wand der Pfortader und in den linken Leberlappen sowie Lebermetastasen festgestellt. 18 von 45 operativ entfernten Lymphknoten im Bereich der Bauchspeicheldrüse enthielten bösartige Tumorzellen. Am 22. Februar 2012 wurde der Versicherte in die ambulante Behandlung entlassen und für den 6. März 2012 war der Beginn einer palliativen Chemotherapie vorgesehen.

Am 27. Februar 2012 meldeten die Klägerin und der Versicherte die Eheschließung beim Standesamt A-Stadt an. Die Ehe wurde am Folgetag, den 28. Februar 2012, im Standesamt A-Stadt geschlossen. Ab dem 6. März 2012 wurde beim Versicherten eine palliative Chemotherapie durchgeführt. Am 2. Oktober 2012 verstarb der Versicherte.

Am 19. Oktober 2012 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung einer Witwenrente aus der Versicherung ihres verstorbenen Ehemannes. Die Klägerin gab im Rahmen des Rentenantrags an, bereits seit ca. 30 Jahren in einem eheähnlichen Verhältnis und einem gemeinsamen Haushalt mit dem Versicherten gelebt zu haben, und legte entsprechende Meldebescheinigungen des Einwohnermeldeamtes der Gemeinde A Stadt - bei der sie zu diesem Zeitpunkt beschäftigt war - vor. Sie habe zwei gemeinsame Töchter mit dem Versicherten, geboren im Januar 1984 und im November 1993.

Mit Bescheid vom 9. November 2012 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Witwenrente nach § 46 Sozialgesetzbuch, Sechstes Buch (SGB VI) mit der Begründung ab, ausgehend vom Tag der Eheschließung am 28. Februar 2012 habe die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert, so dass die gesetzliche Vermutung einer sog. „Versorgungsehe“ nach §§ 46 Abs. 2a, 242a Abs. 3 SGB VI greife. Diese Vermutung sei nicht widerlegt worden, u.a. nicht durch die Tatsache, dass die Klägerin vor Eheschließung 30 Jahre mit dem Versicherten in eheähnlicher Gemeinschaft zusammengelebt habe. Anhaltspunkte für besondere Umstände zur Widerlegung der gesetzlichen Vermutung seien nicht erkennbar. Der Antrag auf Witwenrente sei daher abzulehnen.

Hiergegen legte die Klägerin am 30. November 2012 Widerspruch ein und trug vor, der Versicherte habe ihr anlässlich ihres 50. Geburtstags am 4. August 2011 im Rahmen einer größeren Familienfeier einen Heiratsantrag gemacht. Grund der Heirat seien die gemeinsamen Kinder und Enkelkinder gewesen. Die Hochzeit habe noch im Jahr 2011 stattfinden sollen. Da jedoch kein gemeinsamer Termin mit der Familie gefunden werden konnte, sei die Hochzeit für Anfang Februar 2012 geplant gewesen. Wegen der Erkrankung des Versicherten sei die Hochzeit nochmals zurückgestellt worden. Die Eheringe seien Mitte Januar 2012 ausgesucht worden. Zum Zeitpunkt der Hochzeit sei niemand davon ausgegangen, dass der Versicherte bereits am 2. Oktober 2012 versterben könne. Mit Schreiben vom 28. Mai 2013 bestätigte der Bürgermeister der Stadt A-Stadt, Herr E., als Gast der Geburtstagsfeier den vorgetragenen Heiratsantrag. Die Hochzeit habe alsbald stattfinden sollen, sei aus Krankheitsgründen jedoch verschoben worden. Auf Nachfrage der Beklagten teilte die Klägerin mit, die Eheringe seien erst kurze Zeit vor dem Kauf bestellt worden, da sie in ausreichender Zahl im Schmuckgeschäft vorrätig gewesen seien und eine Gravur nur zwei Tage benötigt habe. Eine Auftragsbestätigung des Juweliers bereits aus Mitte Januar 2012 wurde nicht vorgelegt.

Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 7. November 2013 zurückgewiesen. Zur Begründung führte die Beklagte aus, die Ehe zwischen der Klägerin und dem Versicherten habe nicht mindestens ein Jahr gedauert. Der gesetzlich vermutete Ausschluss nach § 46 Abs. 2a SGB VI sei von der Klägerin nicht widerlegt worden. Der Nachweis, dass der Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung nicht alleiniger oder überwiegender Zweck der Heirat gewesen sei, sei nicht erbracht worden. Es sei nicht nachgewiesen worden, dass der Versicherte durch ein unvorhersehbares Ereignis plötzlich verstorben sei oder zum Zeitpunkt der Heirat nicht vorhersehbar gewesen sei, dass eine vorhandene Krankheit zum Tode führen würde. Sowohl der Versicherte als auch die Klägerin seien spätestens nach Feststellung der Lebermetastasen und der ausgedehnten Infiltration des Bauchspeicheldrüsentumors in die Nachbarorgane noch während der stationären Behandlung bis zum 22. Februar 2012 über das unheilbare, tödlich verlaufende Krankheitsstadium aufgeklärt gewesen. Deshalb sei ab dem 6. März 2012 auch eine palliative Chemotherapie durchgeführt worden. Auch die Umstände der Trauung sprächen dafür, dass den Partnern der baldige Tod des Versicherten bewusst gewesen sei. Die Eheschließung am 28. Februar 2012 sei erst eine Woche nach Entlassung aus dem Krankenhaus und nach Kenntnis des tödlichen Verlaufs der Erkrankung am Folgetag der Bestellung des Aufgebots (27. Februar 2012) erfolgt. Es sei nicht nachgewiesen, dass die 30 Jahre andauernde bewusste außereheliche Partnerschaft, aus der zwei mittlerweile volljährige Kinder hervorgegangen seien, ohne überwiegende Versorgungsabsicht zugunsten einer Hochzeit beendet werden sollte.

Gegen den Widerspruchsbescheid erhob die Klägerin am 11. Dezember 2013 Klage vor dem Sozialgericht Darmstadt.

Das Sozialgericht hat Befundberichte der behandelnden Ärzte des Versicherten eingeholt, konkret des Kreiskrankenhauses Bergstraße, des Medizinischen Versorgungszentrums coMED, Onkologische Praxis, in F-Stadt und des Hausarztes Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. med. G. Letzterer teilte mit, eine erhebliche Veränderung des Gesundheitszustandes des Versicherten sei zwischen November 2011 und Januar 2012 eingetreten. Den Versicherten habe er erst am 30. Januar 2012 wiedergesehen.

Laut Entlassungsbericht des Kreiskrankenhauses Bergstraße vom 29. Februar 2012 habe sich der Versicherte vom 3. bis 22. Februar 2012 in stationärer Behandlung befunden. Diagnostiziert wurde ein fortgeschrittenes Pankreaskopfkarzinom und Lebermetastasen. Am 7. Februar 2012 sei eine partielle Duodenopankreatektomie nach Whipple und eine Nachresektion des Pankreaskorpus durchgeführt worden. Nach viertägigem intensivmedizinischem Aufenthalt sei der Versicherte auf Normalstation zurückverlegt worden. Am 22. Februar 2012 sei er in hausärztliche Betreuung entlassen worden. Der Fall sei im Onkologischen Arbeitskreis erörtert worden, wobei die Empfehlung zur palliativen Chemotherapie mit Gemcitabin ausgesprochen worden sei. Am 6. März 2012 sollte die Chemotherapie eingeleitet werden.

Laut Arztbrief des Medizinischen Versorgungszentrums coMED, Dr. med. H., wurde am 6. März 2012 eine Chemotherapie mit Gemcitabin eingeleitet. Der Versicherte habe hiernach die Operation am 7. Februar 2012 gut verkraftet und sei ohne größere Beschwerden.

Auf ergänzende Nachfrage des Gerichts teilte Dr. G. mit Schreiben vom 9. Oktober 2014 mit, Überlebenschancen des Versicherten hätten nicht bestanden. Auch bei palliativer Behandlung habe eine Überlebenszeit von geschätzt sechs Monaten bis einem Jahr bestanden. Ein Aufklärungsgespräch sei in der Klinik geführt worden, möglicherweise seien ihm dort die Überlebenschancen mitgeteilt worden. Der Tod des Versicherten, mit dem er am 2. Juli 2012 letztmals Kontakt gehabt habe, sei für ihn nicht überraschend gewesen. Dr. H. teilte auf die gerichtliche Anfrage hin mit Schreiben vom 14. Oktober 2014 mit, die Überlebenschancen eines Patienten mit der bekannten onkologischen Erkrankung könne man nicht als gut einschätzen. Bei Erstvorstellung im Februar 2012 sei der Versicherte ausführlich über seine Erkrankung, Verlauf und Prognose aufgeklärt worden. Das Kreiskrankenhaus Bergstraße teilte mit Schreiben vom 19. November 2014 mit, nach Wiederaufnahme des Versicherten ab dem 15. September 2012 sei in langen ausführlichen Gesprächen mit der Ehefrau des Versicherten über die schlechte Prognose und das Therapieziel gesprochen worden. Die Überlebenschancen seien nach der Operation am 7. Februar 2012 als schlecht eingeschätzt worden. In Zusammenschau habe schon ab der Diagnosestellung eine Palliativsituation bestanden. Nach der Operation mit festgestelltem Tumorstadium pT3 sei dies seitens des histologischen Befundes zu erwarten gewesen. Der Tod des Versicherten sei aus ihrer Sicht nicht unerwartet oder überraschend gewesen.

Das Sozialgericht hörte die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 6. Dezember 2016 informatorisch an und vernahm die gemeinsame Tochter der Klägerin und des Versicherten, Frau J., als Zeugin.

Mit Urteil vom 6. Dezember 2016 hob das Sozialgericht den Bescheid vom 9. November 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. November 2013 auf und verurteilte die Beklagte, der Klägerin aufgrund ihres Antrags vom 19. Oktober 2012 aus der Versicherung ihres am 2. Dezember 2012 verstorbenen Ehemannes eine Witwenrente in gesetzlicher Höhe zu gewähren. Zur Begründung führte das Sozialgericht aus, die Kammer sei der Überzeugung, dass es nicht alleiniger oder überwiegender Zweck der Heirat gewesen sei, einen Anspruch auf Hinterbliebenenrente zu begründen. Die gesetzliche Vermutung sei widerlegt worden. Beim Kläger habe seit Anfang Februar 2012 erkennbar eine lebensbedrohliche Situation vorgelegen. Es liege auch nicht fern, dass es dem Versicherten bei Eheschließung auch um die Hinterbliebenenversorgung seiner damaligen Verlobten gegangen sei. Liege der Wunsch nach einer Hinterbliebenenversorgung allein bei einem Partner vor, so sei eine überwiegende Versorgungsabsicht aber nicht anzunehmen. Selbst wenn der Klägerin bei Eheschließung am 28. Februar 2012 bewusst gewesen sei, dass der Versicherte voraussichtlich in absehbarer Zeit sterben werde, lägen besondere Umstände vor, die das Vorliegen einer Versorgungsehe widerlegten. Es stehe nicht zur hinreichenden Überzeugung der Kammer fest, dass der Klägerin zum Zeitpunkt der Eheschließung die Lebensbedrohlichkeit der Erkrankung nicht bewusst gewesen sei. Dies könne jedoch dahingestellt bleiben, denn aufgrund der Umstände des Einzelfalls sei die Kammer jedenfalls hinsichtlich der Klägerin vom Vorliegen anderer Zwecke als einer Versorgungsabsicht überzeugt. Zwar seien die wirtschaftlichen Verhältnisse nicht geeignet, die Annahme einer Versorgungsehe zu widerlegen, da die Klägerin einen nicht unerheblichen finanziellen Vorteil durch die Witwenrente hätte. Auch mit zusätzlichem Einkommen aus einer Witwenrente wäre die Klägerin jedoch seinerzeit mit ihrer Tochter weiterhin im Leistungsbezug nach dem SGB II geblieben. Auch der Umstand, dass die Klägerin seit etwa 30 Jahren in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft mit dem Versicherten gestanden habe, könne für sich genommen sowohl ein Indiz für als auch gegen das Vorliegen einer Versorgungsehe sein. Nach den Begleitumständen spreche die Dauer des Zusammenlebens aber gegen eine überwiegende Versorgungsabsicht. Denn die Klägerin und der Versicherte hätten bereits Heiratspläne gehabt, bevor die Krankheit diagnostiziert worden sei. Die Verlobung habe bereits mehrere Monate zuvor stattgefunden. Der Umstand, dass es erst im Februar 2012 zur Heirat gekommen sei, ändere hieran nichts, da dies an einer Kreuzfahrt der Klägerin und am knappen Geld nach den Feierlichkeiten zum 50. Geburtstag gelegen habe. Die Klägerin habe leb- und glaubhaft geschildert, dass sie sich schon lange eine Eheschließung gewünscht habe, was von der Zeugin bestätigt worden sei. Es sei für die Kammer plausibel und nachvollziehbar, dass die Klägerin den Versicherten - nun da er ihr einen Antrag gemacht hatte - heiratete und damit ihr lang gehegter Wunsch in Erfüllung gegangen sei. 

Gegen das ihr am 10. Februar 2017 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 7. März 2017 Berufung vor dem Hessischen Landessozialgericht eingelegt.

Die Beklagte ist im Wesentlichen der Auffassung, die Vermutung des Vorliegens einer sog. Versorgungsehe sei nicht widerlegt. Der Versicherte habe zum Zeitpunkt der Eheschließung nach objektiven Maßstäben offenkundig an einer lebensbedrohlichen Krankheit mit ungünstiger Verlaufsprognose gelitten. Dieser Umstand sei für beide Eheleute klar erkennbar gewesen. Dies ergebe sich auch daraus, dass die Heirat unmittelbar nach Entlassung aus dem Krankenhaus am 22. Februar 2012 und noch vor Beginn der palliativen Chemotherapie am 6. März 2012 kurzfristig stattgefunden habe. Auch wenn seit dem Heiratsantrag vom 4. August 2011 abstrakte Heiratspläne bestanden hätten, so seien diese vor Bekanntwerden der lebensbedrohlichen Erkrankung Ende Februar 2012 nicht erkennbar umgesetzt worden. Geplant gewesen sei vielmehr ein großes Hochzeitsfest mit der ganzen Familie, dessen genauer Termin noch nicht festgestanden habe. Nach Bekanntwerden der Erkrankung und Entlassung aus dem Krankenhaus sei dann aber unmittelbar die Hochzeit im kleinen Kreis erfolgt. Wäre die lebensbedrohliche Erkrankung nicht klar erkennbar gewesen, hätten die Vorbereitungen für eine große Hochzeitsfeier in Ruhe stattfinden können. Bei früheren konkreten Heiratsplänen wäre mit Einreichung der Unterlagen beim Standesamt A-Stadt vom Versicherten und der Klägerin, einer Mitarbeiterin der Gemeinde A-Stadt, auch ein konkreter Hochzeitstermin vereinbart worden. Die Anmeldung habe jedoch erst am 27. Februar 2012 stattgefunden, einen Tag vor der Eheschließung. Die Klägerin hätte durch die Gewährung der Witwenrente und weitere Absicherungen einen nicht unerheblichen finanziellen Vorteil. Nicht ausreichend sei im Übrigen, wenn nur für einen der Ehegatten der Versorgungsgedanke bei der Eheschließung keine Rolle gespielt habe. 

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 6. Dezember 2016 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

        die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend und führt ergänzend aus, sie sei weder vor noch nach der Eheschließung von den behandelnden Ärzten über die schwere Erkrankung des Versicherten informiert worden. Dies habe sie erst im Gespräch mit Dr. H. im September 2012 erfahren. Der Versicherte habe jegliche Information über seinen Gesundheitszustand für sich behalten. Er habe über seinen Gesundheitszustand weder mit ihr noch mit anderen Familienangehörigen gesprochen. Die Ehe sei nicht aus Versorgungsgründen geschlossen worden. Die Auskunft des Standesamtes bestätige, dass bereits Ende des Jahres 2011, d.h. vor Kenntnis des Versicherten von seiner schweren Erkrankung, konkrete Heiratspläne bestanden hätten. Zweck der Eheschließung sei nicht eine Versorgungsabsicht gewesen, sondern die Erfüllung des Eheversprechens vom 4. August 2011.

Der Senat hat im Wege der Sachverhaltsaufklärung die Patientenakte des Versicherten sowie einen weiteren Befundbericht vom 21. März 2019 bei dem ehemaligen behandelnden Hausarzt Dr. G. eingeholt. Nachdem der Versicherte anlässlich eines Kontrolltermins am 24. November 2011 gegenüber Dr. G. angegeben hatte, sich wohl zu fühlen und keine besonderen Beschwerden zu haben, habe er beim nächsten Besuch am 30. Januar 2012 mitgeteilt, es gehe ihm nicht so gut. Es sei eine stationäre Einweisung unter dem Verdacht eines Pankreas-Karzinoms gefolgt. Dort sei ein Pankreas-Karzinom mit Leberfiliae festgestellt und palliativ mittels Chemo und Whipple-OP sowie Nachresektion am 7. Februar 2012 therapiert worden. Er habe vom 22. März bis 12. April 2012 eine Rehabilitationsmaßnahme besucht. Der Versicherte habe seine Partnerin geheiratet, die selbst nicht Patientin bei Dr. G. gewesen sei.

Der Senat hat ergänzend eine Auskunft des Standesamtes A-Stadt eingeholt, das mit Schreiben vom 8. Juli 2019 mitgeteilt hat, dass die Eheschließung am 27. Februar 2012 angemeldet worden sei, die erforderlichen Unterlagen zur Anmeldung der Ehe aber bereits Ende des Jahres 2011 im Standesamt A-Stadt abgegeben worden seien. Die Eheschließung habe im Standesamt A-Stadt stattgefunden, wobei die Eheschließung als normale Zeremonie mit Angehörigen und Freunden im Trauzimmer im A-Stadt Rathaus gefeiert worden sei. Dem ausführenden Standesbeamten sei weder durch die Eheschließenden selbst noch durch seine über 30-jährige Erfahrung aufgefallen, dass eine Dringlichkeit der Eheschließung bestanden habe.

Die Beteiligten haben mit Schriftsätzen vom 12. und 19. Mai 2020 ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erteilt.

Wegen der Einzelheiten im Übrigen wird auf die Gerichts- und Rentenakten, die vorgelegen haben und Gegenstand der Beratung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Das Gericht entscheidet gemäß § 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung, da die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärt haben.

Die gemäß §§ 143 und 144 SGG statthafte Berufung ist zulässig. Sie ist insbesondere gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegt worden.

Die Berufung ist auch begründet. Das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 6. Dezember 2016 kann keinen Bestand haben. Der ablehnende Bescheid der Beklagten vom 9. November 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. November 2013 ist rechtmäßig und beschwert die Klägerin nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 SGG. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Hinterbliebenenrente aus der Versicherung ihres verstorbenen Ehemannes, da der Anspruch nach 46 Abs. 2a SGB VI ausgeschlossen ist.

Anspruchsgrundlage für die streitgegenständliche Leistung ist § 46 Abs. 2 Satz 1 SGB VI. Danach haben Witwen, die nicht wieder geheiratet haben, nach dem Tode des versicherten Ehegatten, der die allgemeine Wartezeit erfüllt hat, u.a. dann Anspruch auf große Witwenrente, wenn sie das 47. Lebensjahr vollendet haben. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Die Klägerin ist die Witwe des am xx. xxx 2012 verstorbenen Versicherten, der die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren gemäß § 50 Abs. 1, 51 Abs. 1 SGB VI erfüllt hatte. Die im Jahr 1961 geborene Klägerin hatte im Zeitpunkt des Todes des Versicherten das 47. Lebensjahr vollendet und hat nicht wieder geheiratet.

Gemäß § 46 Abs. 2a SGB VI besteht ein Anspruch auf Witwenrente jedoch nicht, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen. Die Regelung geht von der Annahme aus, der überlebende Ehegatte habe bei einer Ehedauer von weniger als einem Jahr in den meisten Fällen von seinen eigenen wirtschaftlichen Verhältnissen vor der Eheschließung noch keinen so großen Abstand genommen, dass er diese nicht nach dem Tod des anderen Ehegatten fortsetzen bzw. wiederaufnehmen oder sich eine selbständige Lebensführung neu erarbeiten könnte (vgl. Steiner, Die Versorgungsehe in der gesetzlichen Rentenversicherung, SGb 2015, 589). Der Ausschluss von Hinterbliebenenversorgung bei einer sog. Versorgungsehe ist dabei auch in Ansehung des durch Art. 6 Abs. 1 Grundgesetz (GG) garantierten besonderen Schutzes der Ehe verfassungsgemäß, was bereits höchstrichterlich entschieden worden ist (vgl. BSG, Beschluss vom 23. September 1997, 2 BU 176/97, zu § 594 RVO). Darüber hinaus verstößt die Vorschrift des § 46 Abs. 2a SGB VI im Übrigen auch nicht gegen den allgemeinen oder einen speziellen Gleichheitssatz des Art. 3 GG (vgl. BSG, Urteil vom 5. Mai 2009, B 13 R 53/08 R).

Die Vorschrift des § 46 Abs. 2a SGB VI begründet für alle seit dem Inkrafttreten am 1. Januar 2002 geschlossenen Ehen (vgl. § 242a Abs. 3 SGB VI) die gesetzliche Vermutung, dass bei Tod des Versicherten innerhalb eines Jahres nach der Eheschließung die Erlangung einer Versorgungsehe Ziel der Eheschließung war. Die Ehe zwischen der Klägerin und dem Versicherten hat vom 28. Februar 2012 bis zum xx. Oktober 2012 und damit weniger als ein Jahr gedauert, so dass grundsätzlich die gesetzliche Vermutung des § 46 Abs. 2a SGB VI eingreift.

Diese Vermutung kann allerdings widerlegt werden, wie sich aus der in § 46 Abs. 2a SGB VI verwendeten Formulierung "es sei denn" ergibt. Sie ist widerlegt, wenn besondere Umstände (insbesondere Unfalltod des Versicherten, vgl. BT-Drucks. 14/4595, S. 44) vorliegen, aufgrund derer trotz kurzer Ehedauer die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen. Die Widerlegung der Vermutung erfordert nach § 202 Satz 1 SGG i. V. m. § 292 Zivilprozessordnung (ZPO) den vollen Beweis des Gegenteils. Der Vollbeweis verlangt dabei zumindest einen der Gewissheit nahekommenden Grad der Wahrscheinlichkeit. Die nur denkbare Möglichkeit reicht hingegen nicht aus. Eine Tatsache ist danach bewiesen, wenn alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung hiervon oder einen so hohen Grad der Wahrscheinlichkeit zu begründen, dass kein vernünftiger Mensch noch zweifelt (vgl. BSG, Urteil vom 28. Juni 2000, B 9 VG 3/99 R). Dies ändert zwar nichts an der sich aus dem Untersuchungsgrundsatz des § 20 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch (SGB X) ergebenden Amtsermittlungspflicht der Beklagten, führt im Ergebnis jedoch dazu, dass die Folgen eines nicht ausreichenden Beweises nach Ausschöpfung aller Ermittlungsmöglichkeiten nach dem Grundsatz der sog. objektiven Beweislast von den Anspruchstellern zu tragen sind. Die gesetzliche Vermutung, „dass es der alleinige und überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen“, verfolgt den Zweck, die Träger der Rentenversicherung und die Sozialgerichte von der Ausforschung im Bereich der privaten Lebensführung zu entbinden (vgl. BSG, Urteil vom 5. Mai 2009, B 13 R 55/08 R). Aus diesem Grund ist vorrangig anhand aller vorhandenen objektiven Ermittlungsmöglichkeiten der Frage nachzugehen, ob entgegen der Vermutung es doch nicht der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, der Witwe bzw. dem Witwer eine Hinterbliebenenversorgung zu verschaffen (vgl. BSG, Urteil vom 3. September 1986, 9a RV 8/84). Die Vermutung der Versorgungsabsicht ist nur dann widerlegt, wenn sich bei der Gesamtabwägung aller zur Eheschließung führenden Motive beider Ehegatten ergibt, dass insgesamt nicht der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, dem Hinterbliebenen eine Versorgung zu verschaffen (vgl. BSG, Urteil vom 28. März 1973, 5 RKnU 11/71).

Dabei sprechen folgende besondere Umstände grundsätzlich gegen eine Versorgungsehe:
-    ein plötzlicher unvorhersehbarer Tod (z.B. Arbeits-/Verkehrsunfall, Verbrechen, Infektionskrankheit);
-    die tödlichen Folgen einer Krankheit waren bei Eheschließung nicht vorhersehbar;
-    die Nachholung einer gültigen deutschen Trauung durch hier in ungültiger – nach ausländischem Recht gültiger - Ehe lebende Ausländer;
-    das Vorhandensein gemeinsamer leiblicher Kinder bzw. Schwangerschaft;
-    die Erziehung eines minderjährigen Kindes des Verstorbenen durch den Hinterbliebenen;
-    eine Heirat zur Sicherung der erforderlichen Betreuung oder Pflege des anderen Ehegatten.
Die vorgenannten Umstände sind jedoch keine pauschalisierten Widerlegungsgründe, die eine Versorgungsehe grundsätzlich ausschließen. Maßgebend sind stets die Umstände des konkreten Einzelfalles, die in einer Gesamtbetrachtung miteinander abzuwägen sind.

Als besondere Umstände im Sinne des § 46 Abs. 2a SGB VI sind alle äußeren und inneren Umstände des Einzelfalles anzusehen, die auf einen von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggrund für die Heirat schließen lassen. Dabei kommt es auf die (ggf. auch voneinander abweichenden) Beweggründe (Motive, Zielsetzung) beider Ehegatten an (vgl. BSG, Urteil vom 5. Mai 2009, B 13 R 55/08 R). Allgemeine Gesichtspunkte, wie sie in mehr oder weniger starker Ausprägung nahezu bei jeder Eheschließung als Motiv eine Rolle spielen können, rechtfertigen für sich genommen noch nicht die Annahme von „besonderen Umständen“ im Sinne des § 46 Abs. 2a SGB VI (vgl. Hessisches LSG, Urteil vom 17. November 2006, L 5 R 19/06; Schleswig-Holsteinisches LSG, Urteil vom 11. Mai 2009, L 8 R 162/07). Um die gesetzliche Vermutung für das Vorliegen einer Versorgungsehe zu widerlegen, reicht es deshalb nicht aus, wenn allein der Wunsch, nicht mehr allein sein zu wollen, die Absicht, eine Lebensgemeinschaft auf Dauer zu begründen, das Bedürfnis, sich zum Ehepartner zu bekennen oder vergleichbare Beweggründe ausschlaggebend für die Eheschließung gewesen sind (vgl. Bayerisches LSG, Urteil vom 25. Januar 1972, L 8/V 202/71). Es kommt vielmehr entscheidend darauf an, dass die von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggründe derart im Vordergrund standen und für den Heiratsentschluss ausschlaggebend waren, dass in Ansehung der konkreten Situation im Zeitpunkt der Eheschließung nicht mehr von einem überwiegenden Versorgungszweck der Eheschließung ausgegangen werden kann. Dabei sind die von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggründe in ihrer Gesamtbetrachtung auch dann noch als zumindest gleichwertig anzusehen, wenn nachweislich für einen der Ehegatten der Versorgungsgedanke bei der Eheschließung keine Rolle gespielt hat (vgl. BSG, Urteil vom 5. Mai 2009, B 13 R 55/08 R). Die abschließende Typisierung oder Pauschalisierung der von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggründe ist angesichts der Vielgestaltigkeit von Lebenssachverhalten nicht möglich (BSG, Urteil vom 6. Mai 2010, B 13 R 134/08 R).

Die von dem hinterbliebenen Ehegatten behaupteten inneren Umstände für die Heirat sind zudem nicht nur für sich isoliert zu betrachten, sondern vor dem Hintergrund der im Zeitpunkt der jeweiligen Eheschließung bestehenden äußeren Umstände in eine Gesamtwürdigung einzustellen und unter Berücksichtigung aller sonstigen Umstände des Falles zu bewerten (vgl. BSG, Urteil vom 6. Mai 2010, B 13 R 134/08 R). Eine besonders gewichtige Bedeutung kommt hierbei stets dem Gesundheits- und Krankheitszustand des Versicherten zum Zeitpunkt der Eheschließung zu (vgl. Hessisches LSG, Urteil vom 11. Dezember 2009, L 5 R 84/09). Bei der Heirat eines bereits an einer lebensbedrohlichen Krankheit leidenden Versicherten ist in der Regel die Vermutung des § 46 Abs. 2a SGB VI nicht widerlegt.

Insgesamt gilt, dass bei der abschließenden Gesamtbewertung insbesondere die (inneren und äußeren) Umstände, die gegen eine Versorgungsehe sprechen, um so gewichtiger sein müssen, je offenkundiger und je lebensbedrohlicher die Krankheit eines Versicherten zum Zeitpunkt der Eheschließung gewesen war. Dementsprechend steigt mit dem Grad der Lebensbedrohlichkeit einer Krankheit und dem Grad der Offenkundigkeit zugleich der Grad des Zweifels an dem Vorliegen solcher vom hinterbliebenen Ehegatten zu beweisenden besonderen Umstände, die von diesem für die Widerlegung der gesetzlichen Annahme („Vermutung“) einer Versorgungsehe bei dem Versterben des versicherten Ehegatten innerhalb eines Jahres nach Eheschließung angeführt werden (Hessisches LSG, Urteil vom 15. Dezember 2017, L 5 R 51/17).

Unter Beachtung dieser Grundsätze ist vorliegend die gesetzlich unterstellte Versorgungsabsicht zur Überzeugung des Senats nicht durch den Nachweis „besonderer Umstände“ widerlegt. Denn der Senat kann nach Gesamtabwägung der für den Eheschluss im vorliegenden Fall maßgebenden, ermittelbaren Beweggründe nicht mit der für den Vollbeweis notwendigen Gewissheit feststellen, dass die Eheschließung zwischen der Klägerin und dem Versicherten nicht allein oder nicht überwiegend der Begründung eines Anspruchs auf Hinterbliebenenversorgung gedient hat, mithin neben dem vom Gesetzgeber vermuteten Versorgungscharakter der Ehe zumindest gleichwertige andere besondere Motive vorgelegen haben.

Bei verständiger Würdigung des medizinischen Berichtswesens muss zur Überzeugung des Senats davon ausgegangen werden, dass die tödlichen Folgen der bei dem Versicherten vorliegenden Krebserkrankung zum Zeitpunkt der Eheschließung am 28. Februar 2012 - selbst bei erst später eingetretener Kenntnis der Klägerin von der konkret verbliebenen Lebenserwartung des Versicherten im September 2012 - bekannt waren. So äußerte der Hausarzt Dr. G. laut Patientenakte am 30. Januar 2012 den Verdacht eines Bauspeicheldrüsen-Karzinoms, der nach stationärer Einweisung in das Kreiskrankenhaus Heppenheim bestätigt wurde und zur Operation des Versicherten am 7. Februar 2012 führte. Neben dem viertägigen Aufenthalt des Versicherten auf der Intensivstation des Krankenhauses deutet für den Senat auch die bereits während des Krankenhausaufenthalts organisierte und ab dem 6. März 2012 zeitnah beginnende Chemotherapie auf den objektiv zum Ausdruck kommenden lebensbedrohenden Charakter der Erkrankung hin. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Onkologische Arbeitskreis des Krankenhauses angesichts des Tumorstadiums (pT3, pN1 (18/45), pM1 (hepar), d.h. einem Primärtumor von erheblicher Größe und Eindringtiefe, dem Befall von Lymphknoten in Tumornähe sowie dem Nachweis von Fernmetastasen) lediglich noch eine Chemotherapie mit palliativem Charakter empfohlen hat. Für den Senat ist vor diesem Hintergrund kaum nachvollziehbar, dass dem Versicherten bei Entlassung aus dem Krankenhaus am 22. Februar 2012 - unabhängig von seinem Auftreten gegenüber der Klägerin und dem Rest seiner Familie - die Lebensbedrohlichkeit seiner Erkrankung nicht bewusst gewesen sein sollte. Der palliative Charakter der Chemotherapie wurde auch nach der Eheschließung von ärztlicher Seite aus kontinuierlich thematisiert, ohne dass der Versicherte unter Zugrundelegung der Darstellung der Klägerin sowie der Zeugenaussage der gemeinsamen Tochter im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht die Lebensbedrohlichkeit seines Gesundheitszustands seiner Familie eröffnet hat. Dies gilt sowohl für die behandelnde Onkologin Dr. H. bei Beginn der Chemotherapie am 6. März 2012 als auch ausweislich des Entlassungsberichts vom 24. April 2012 für die Eleonoren-Klinik Lindenfels, in der sich der Versicherte vom 22. März bis 12. April 2012 aufgehalten hat und die bei dem Versicherten ein fortgeschrittenes Pankreaskarzinom mit hepatischer Filiaelisierung und Whipple-Operation am 7. Februar 2012 mit nachfolgender Chemotherapie Gemcitabine beschrieb, wobei die Therapie des Patienten aufgrund des Tumorstadiums als palliativ anzusehen sei. Allein die mangelnde Eröffnung seines Gesundheitszustands spricht vor diesem Hintergrund nicht gegen eine Kenntnis des Versicherten von seiner lebensbedrohlichen Erkrankung zum Zeitpunkt der Eheschließung. Für die Kenntnis des Versicherten von seinem lebensbedrohlichen Zustand bereits zum Zeitpunkt der Eheschließung spricht ebenfalls, dass die gemeinsame Tochter im Rahmen der Zeugenvernehmung angegeben hat, ihr Vater sei nach dem Krankenhausaufenthalt sehr erschreckt gewesen. Die Erkrankung sei dann ein treibender Punkt gewesen, nun die Dinge in die Hand zu nehmen, die er lange vor sich hergeschoben habe.

Es ist nicht zwingend, dass bei beiden Ehegatten andere Beweggründe als Versorgungsgesichtspunkte für die Eheschließung ausschlaggebend waren. Vielmehr sind die von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggründe in ihrer Gesamtbetrachtung auch dann noch als zumindest gleichwertig anzusehen, was für die Widerlegung der gesetzlichen Vermutung ausreichen würde, wenn nachweislich für einen der Ehegatten der Versorgungsgedanke bei der Eheschließung keine Rolle gespielt hat (BSG, Urteil vom 5. Mai 2009, B 13 R 55/08 R). Der Senat ist jedoch nicht im Sinne des Vollbeweises davon überzeugt, dass Versorgungsaspekte angesichts der schweren Erkrankung des Versicherten bei der Eheschließung in der Person der Klägerin nachweislich keine Rolle gespielt haben.

Unter Berücksichtigung der Gesamtumstände ist der Senat nicht davon überzeugt, dass die Klägerin, die seit ca. 30 Jahren mit dem Versicherten in enger häuslicher Gemeinschaft gelebt, eine nichteheliche Lebensgemeinschaft gebildet und gemeinsame Kinder erzogen hat, völlige Unkenntnis von der Schwere der Erkrankung des Versicherten zum Zeitpunkt der Eheschließung hatte. Auch ohne eigene Teilnahme an einem ärztlichen Beratungsgespräch ist für den Senat nicht nachvollziehbar, dass die Klägerin keine zumindest grobe Kenntnis von der Diagnose des Versicherten, seinem Krankenhausaufenthalt inklusive viertägigem Aufenthalt in der Intensivstation und der ab dem 6. März 2012 anstehenden Chemotherapie gehabt haben soll. Der Senat sieht sich insoweit durch die Aussage der Klägerin in der mündlichen Verhandlung am 6. Dezember 2016 bestätigt, wenn sie dort angegeben hat, es sei dem Versicherten bessergegangen, als er die Chemo bekommen habe. Sie habe dann gedacht, er hätte es gepackt, „man hofft ja eben auch“. An anderer Stelle gab die Klägerin an, sie habe gedacht, dass der Versicherte „das mit der Chemo noch ein paar Jahre überstehe“. Bei dem Indiz des überraschenden Eintritts des Todesfalls kommt es indes nicht darauf an, ob die Lebenserwartung des Versicherten im Zeitpunkt der Eheschließung exakt bestimmbar war. Entscheidend ist, ob das Ableben des Versicherten vorhersehbar war und nicht unerwartet auftrat. Das muss vorliegend mit Blick auf die Schwere der Krebserkrankung zweifellos bejaht werden. Von einem aus Sicht der Klägerin plötzlichen unvorhersehbaren Tod oder einer Unvorhersehbarkeit der tödlichen Folgen der Erkrankung des Versicherten bei Eheschließung kann zur Überzeugung des Senats vor diesem Hintergrund nicht ausgegangen werden.

Es lagen zum Zeitpunkt der erstmaligen Kenntnis des Versicherten von seiner Erkrankung auch noch keine derart konkreten Heiratspläne vor, als dass die Erkrankung keinen Einfluss auf die Eheschließung hätte nehmen können. Zwar hatte der Versicherte, nachdem er nach einer Scheidung in erster Ehe knapp 30 Jahre mit der Klägerin in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft zusammengelebt und zwei gemeinsame, mittlerweile volljährige Kinder erzogen hat, anlässlich des 50. Geburtstags der Klägerin im August 2011 einen Heiratsantrag ausgesprochen, der von der Klägerin auch angenommen wurde. Das Verlöbnis im August 2011 führte jedoch zunächst noch nicht zu konkreten Heiratsplänen. Insbesondere konnte die Klägerin zur Überzeugung des Senats die Vereinbarung eines konkreten Heiratstermins vor der erstmaligen Kenntnis des Versicherten von seiner Erkrankung nicht nachvollziehbar begründen. Zwar hat die Klägerin glaubhaft darlegen können, bereits seit längerer Zeit auf den Heiratsantrag des Versicherten gewartet zu haben und zu einer Heirat bereit gewesen zu sein. Konkrete Maßnahmen zur Eheschließung, insbesondere die Anmeldung der Eheschließung, erfolgten im nunmehr vorliegenden Einverständnis mit dem Versicherten jedoch erst wenige Tage nach Feststellung seiner Tumorerkrankung und seiner Entlassung aus dem Krankenhaus. So besorgte die Klägerin unmittelbar nach Entlassung des Versicherten aus dem Krankenhaus die notwendigen Personenstandsurkunden, die ausweislich der von der Klägerin vorgelegten Kopien zwischen dem 22. und 24. Februar 2012 erstellt worden waren. Nach dreißigjährigem Zusammenleben und einer halbjährigen Verlobungszeit erfolgte die Hochzeit sodann in unmittelbarem Anschluss an die Anmeldung der Eheschließung vom 27. Februar 2012, nämlich bereits am Folgetag. Die Eheschließung am 28. Februar 2012 stand für die Eheleute bereits im Lichte des für den 6. März 2012 geplanten Beginns einer palliativen Chemotherapie.

Zutreffend hat das Sozialgericht darauf hingewiesen, dass allein der Umstand, dass die Klägerin und der Versicherte vor der Eheschließung nach außen erkennbar seit etwa 30 Jahren in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft gelebt haben, für sich genommen sowohl ein Indiz für als auch gegen das Vorliegen einer Versorgungsehe sein kann (Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 24. Juli 2015, Az: L 5 R 39/14). Unter Berücksichtigung der konkreten Begleitumstände der Eheschließung führten jedoch weder die Geburt von Enkelkindern im Jahr 2005 noch das Heiratsversprechen vom August 2011 zu einer zeitnahen Eheschließung. Erst die Diagnose des Bauchspeicheldrüsen-Karzinoms führte zu einer Bestellung des Aufgebots und der Heirat am Folgetag ohne größere Festlichkeiten im Kreis der Familie, obwohl ausweislich der Zeugenaussage der gemeinsamen Tochter in der mündlichen Verhandlung am 6. Dezember 2016 eigentlich „ein großes Fest mit der ganzen Familie“ beabsichtigt gewesen sei. Angesichts des einfachen Rahmens der letztlich durchgeführten Eheschließung wären die von der Klägerin geschilderten Hindernisse einer früheren Hochzeit, konkret die gegen Ende Oktober 2011 stattfindende elftägige Kreuzfahrt der Klägerin und die finanziell angespannte Situation der Ehepartner, bei konkreter Heiratsabsicht bereits zuvor überwindbar gewesen.  

Unter Berücksichtigung der Schwere der Erkrankung zum Zeitpunkt der Heirat am 28. Februar 2012 kann der Senat - anders als das Sozialgericht - zur eigenen Überzeugung letztlich keine zumindest gleichwertigen Absichten neben einer vermuteten Versorgungsabsicht als nachgewiesen anerkennen. Der Senat ist insbesondere nicht im Sinne des Vollbeweises davon überzeugt, dass die Schwere der Erkrankung den Eheleuten zum Zeitpunkt der Eheschließung unbekannt war. Bei der Gesamtwürdigung ergibt sich für den Senat letztlich nicht die Überzeugung, dass der Umstand der lebensbedrohlichen Erkrankung und damit auch der Versorgungsgedanke nicht ausschlaggebend waren, am 28. Februar 2012 zu heiraten.

Die Voraussetzungen für das Vorliegen einer sog. Pflegeehe (vgl. dazu BSG, Urteil vom 3. September 1986, 9a RV 8/84), bei der die Rechtsvermutung einer sogenannten Versorgungsehe in der Regel als widerlegt gilt, können im vorliegenden Fall nicht bejaht werden. Weder hat die Klägerin vorgetragen noch ist es für den Senat erkennbar, dass die Ehe offenkundig zu dem Zweck geschlossen wurde, die häusliche Pflege eines Versicherten, der dauernd auf fremde Hilfe angewiesen ist, durch die verbesserte Rechtsposition eines Ehegatten sicherzustellen. Nach dem Ergebnis der Sachverhaltsaufklärung war der Versicherte bereits nicht dauerhaft auf fremde Hilfe angewiesen, da er noch während der Chemotherapie angegeben hatte, es gehe ihm gut, und er war noch in der Lage, mit der Klägerin und ihrem Enkelkind einen Urlaub in Berchtesgaden zu verbringen, bevor er in schlechterem Allgemeinzustand im September 2012 erneut stationär aufgenommen werden musste.

Nach alledem konnte das Urteil des Sozialgerichts keinen Bestand haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.

Rechtskraft
Aus
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