I. Auf die Berufung der Klägerin wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 8. April 2015 abgeändert und der Bescheid vom 15. Januar 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. September 2013 vollumfänglich aufgehoben.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen.
III. Die Revision wird zugelassen.
IV. Der Streitwert wird für das erstinstanzliche Verfahren auf 1.121,06 € und für das Berufungsverfahren auf 900,00 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Erstattung überzahlter Rentenzahlungen nach Versterben der Rentenberechtigten.
Die im Jahr 1947 geborene Klägerin ist die Tochter der 2012 verstorbenen D. (Versicherte). Die Versicherte bezog von der Beklagten zuletzt monatlich eine Altersrente in Höhe von 890,72 € sowie eine Witwenrente in Höhe von 230,34 €. Die laufende Rentenzahlung an die Versicherte wurde erst zum 31. Juli 2012 eingestellt. Für den Zeitraum Juli 2012 überwies die Beklagte noch 1.121,06 € auf das Konto der Versicherten bei der Sparkasse E-Stadt. Zudem bezog die Versicherte Witwengeld von der Beigeladenen, bei dem es ebenfalls zu einer Überzahlung kam. Die Klägerin war bevollmächtigt, über das Konto der Versicherten zu verfügen.
Mit Mitteilungen vom 9. Juli 2012 wurden die Beklagte sowie die Sparkasse E-Stadt vom Renten Service über den Tod der Versicherten informiert. Nach Auskunft der Sparkasse E-Stadt erfolgten am 2. Juli 2012 vom Konto der Versicherten mehrere Abhebungen und Abbuchungen, u.a. zwei Barabhebungen am Geldautomat in Höhe von 500,00 € und 400,00 € sowie Überweisungen an den „F. Versand“ in Höhe von 106,00 €, an „G.“ in Höhe von 34,35 € und 69,99 € sowie an „H-Mail Order GmbH“ in Höhe von 62,97 €. Der Kontostand vor Eingang der Renten habe 6.046,78 € Soll betragen, nach Gutschrift der Renten 4.969,29 € Soll.
Die Klägerin traf in der Folge eine Vereinbarung mit der Beigeladenen über die Rückführung überzahlter Witwengeldbezüge der Versicherten für den Monat Juli 2012 in Höhe von 900,00 €, zahlbar in monatlichen Raten zu 25,00 €.
Mit Schreiben vom 5. Dezember 2012 hörte die Beklagte die Klägerin zu einer Erstattung der überzahlten Rentenzahlung in Höhe von 1.121,06 € an. In ihrem Antwortschreiben vom 17. Dezember 2012 teilte die Klägerin mit, sie habe sich an der geforderten Überzahlung in keinster Weise bereichert. Ihre Mutter habe ihre Geldangelegenheiten immer selbst erledigt. Sie habe zwar über eine Vollmacht verfügt, diese habe jedoch nur für den Fall gegolten, dass die Versicherte selbst kein Geld habe holen können. Die 900,00 € habe sie für Beerdigungskosten und Räumung der Wohnung benötigt. Das Erbe habe sie gegenüber dem Amtsgericht Bad Homburg am 5. August 2012 ausgeschlagen.
Mit Bescheid vom 15. Januar 2013 forderte die Beklagte von der Klägerin als Verfügende einen Betrag in Höhe von 1.121,06 € nach § 118 Abs. 4 Satz 1 Sozialgesetzbuch, Sechstes Buch (SGB VI) zurück. Die Forderung setze sich zusammen aus Beträgen vom 2. Juli 2012 in Höhe von 500,00 € und 400,00 € sowie den ebenfalls am 2. Juli 2012 zugelassenen Abbuchungen in Höhe von 106,00 €, 34,35 € und 60,99 €. Die Klägerin habe als Verfügungsberechtigte über die entsprechenden Beträge bankübliche Zahlungsgeschäfte zu Lasten des Kontos vorgenommen beziehungsweise zugelassen. Da sich die Forderung an die Klägerin selbst richte, sei die Ausschlagung des Erbes unerheblich.
Hiergegen legte die Klägerin am 12. Februar 2012 Widerspruch ein und trug unter Vorlage eines Schreibens der Beigeladenen vom 28. November 2012 vor, sie führe bereits überzahlte Versorgungsbezüge wegen § 52 Abs. 4 Beamtenversorgungsgesetz (BeamtVG) i.V.m. § 118 Abs. 3 bis 5 SGB VI für die Versicherte in Höhe von 900,00 € zurück.
Mit Widerspruchsbescheid vom 2. September 2013 wies die Beklagte den Widerspruch mit der Begründung zurück, eine vorrangige Inanspruchnahme des Geldinstituts sei nach § 118 Abs. 3 SGB VI ausgeschlossen, da kein ausreichendes Guthaben auf dem Konto vorhanden gewesen sei und über Beträge, die über den geforderten Rückforderungsbetrag hinausgehen, verfügt worden sei. Die Klägerin habe mit den veranlassten oder zugelassenen Verfügungen in den Schutzbetrag eingegriffen. Einem Verzicht auf die Rückforderung der Überzahlung könne nicht entsprochen werden. Es sei unbeachtlich, dass die Klägerin das Erbe ausgeschlagen habe.
Gegen den am 3. September 2013 zugestellten Widerspruchsbescheid erhob die Klägerin am 4. Oktober 2013 Klage vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main. Sie legte handschriftliche Notizen über Verbindlichkeiten gegenüber „F.“, „G.“ und „H.“ für Juli mit Erledigungsvermerk „28.“ (wohl 06.2012) sowie den Personalausweis der Versicherten zur Verdeutlichung ihrer Handschrift vor.
Mit Gerichtsbescheid vom 8. April 2015 änderte das Sozialgericht den angegriffenen Bescheid vom 15. Januar 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. September 2013 in der Gestalt ab, dass die Klägerin nur 900,00 € an die Beklagte zurückzuzahlen hat. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen. Die Beklagte wurde verurteilt, ein Fünftel der außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu tragen. Zur Begründung führte das Sozialgericht aus, die zulässige Anfechtungsklage sei in Höhe von 900,00 € [wohl 221,06 €] begründet. Die Klägerin sei zur Rückzahlung von 900,00 € gemäß § 118 Abs. 4 SGB VI verpflichtet. Dem stehe nicht entgegen, dass die Klägerin die Kosten der Wohnungsräumung und Beerdigung nach ihren Angaben beglichen habe. Eine überzahlte Rente gehöre nicht zum Nachlass und könne daher auch nicht zur Begleichung von Nachlassverbindlichkeiten eingesetzt werden. Soweit die Klägerin auf die Vereinbarung mit der Beigeladenen verweise, handele es sich um eine völlig andere Forderung, die nicht im Zusammenhang mit der überzahlten Rente stehe. Anders verhalte es sich mit der Rückforderung der Beträge in Höhe von 106,00 € an „F. Versand“ sowie 34,35 € und 69,99 € an „G.“. Hier stehe fest, dass die Klägerin über diesen Betrag nicht verfügt habe, diese vielmehr zu Lebzeiten der Versicherten von dieser selbst veranlasst worden seien. Dies ergebe sich aus den vorgelegten handschriftlichen Notizen. Die Klägerin könne auch nicht als Verfügende im Sinne des Zulassens dieser Buchungen in Anspruch genommen werden, da das Zulassen eines banküblichen Geschäftes ein pflichtwidriges Unterlassen durch vorwerfbar unterlassene Handlungen, durch die Verfügungen Dritter über das Konto verhindert werden könnten, erfordere. Ein solch pflichtwidriges Unterlassen sei nicht erkennbar. Die Klägerin habe nachvollziehbar dargelegt, dass sie lediglich Kontovollmacht besessen habe, ohne davon Gebrauch gemacht zu haben. Sie habe zudem angegeben, nie Einblick in die Kontoauszüge und die Geldangelegenheiten der Mutter gehabt zu haben. Entsprechend könne die Klägerin nicht zur Rückzahlung des Betrages in Höhe von 221,06 € herangezogen werden.
Gegen den ihren Prozessbevollmächtigten am 14. April 2015 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 12. Mai 2015 Berufung bei dem Hessischen Landessozialgericht eingelegt.
Die Klägerin ist im Wesentlichen der Auffassung, die Rückzahlung sei nicht von ihr zu fordern. Ihre Mutter habe bis zu ihrem Tode sämtliche Geschäfte selbst erledigt. Die Kontovollmacht sei bereits viele Jahre zuvor vorsorglich erteilt worden. Sie habe lediglich für die Wohnungsräumung einen Betrag in Höhe von 900,00 € abgehoben, der durch Zahlungen an die Beigeladene wegen überzahlten Witwengeldes zurückgeführt worden sei. Hierfür könne sie nicht doppelt haften. Sonstige Verfügungen habe sie nicht vorgenommen.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 8. April 2015 abzuändern und den Bescheid vom 15. Januar 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. September 2013 vollumfänglich aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend und führt ergänzend aus, der Klägerin könne darüber hinaus auch ein pflichtwidriges Unterlassen vorgeworfen werden, da sie von der Kontovollmacht wusste, Kenntnis vom Tod der Versicherten am xx. xxx 2012 hatte und bereits am 2. Juli 2012 in Ausübung ihrer Kontovollmacht bankübliche Zahlungsgeschäfte selbst vorgenommen habe.
Die mit Beschluss vom 16. Januar 2020 beigeordnete Beigeladene hat sich in der Sache nicht eingelassen und stellt keinen eigenen Antrag.
Die Beteiligten haben mit Schriftsätzen vom 20. (Klägerin) und 22. Januar 2020 (Beklagte und Beigeladene) ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erteilt.
Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der Verwaltungsakte, die Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Das Gericht entscheidet gemäß § 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung, da die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärt haben.
Die statthafte Berufung (§§ 143, 144 Abs. 1 SGG) der Klägerin ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt (§ 151 Abs. 1 SGG).
Streitgegenstand des allein durch die Klägerin angestrengten Berufungsverfahrens ist lediglich noch die Rückzahlung eines Betrages in Höhe von 900,00 €. Soweit die Beklagte ursprünglich eine weitergehende Rückzahlung angestrebt hatte, wurde der streitgegenständliche Bescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheides bereits durch Gerichtsbescheid vom 8. April 2015 als teilweise rechtswidrig aufgehoben. Mangels Berufungseinlegung durch die Beklagte wurde der Gerichtsbescheid insoweit rechtskräftig.
Die Berufung ist auch begründet. Der angegriffene Bescheid vom 15. Januar 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. September 2013 ist auch hinsichtlich des verbliebenen Erstattungsbetrages von 900,00 € rechtwidrig und beschwert die Klägerin im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG.
Die Beklagte hat insgesamt keinen Anspruch auf Rückzahlung überzahlter Rente gegen die Klägerin.
Die Beklagte hat der Versicherten in Unkenntnis ihres Versterbens am 30. Juni 2012 die Altersrente für den Monat Juli 2012 ausgezahlt. Rückzahlungsansprüche wegen Zahlungen eines Rentenversicherungsträgers über den Tod des Leistungsberechtigten hinaus sind in § 118 Abs. 3 und 4 SGB VI geregelt. Dabei gelten Geldleistungen, die für die Zeit nach dem Tod des Berechtigten auf ein Konto bei einem Geldinstitut überwiesen werden, gemäß § 118 Abs. 3 Satz 1 SGB VI als unter Vorbehalt erbracht. Das Geldinstitut hat sie der überweisenden Stelle oder dem Träger der Rentenversicherung zurückzuüberweisen, wenn diese sie als zu Unrecht erbracht zurückfordern (vgl. zum eigenständigen öffentlich-rechtlichen Anspruch nach § 118 Abs. 3 Satz 2 SGB VI gegen Geldinstitute auf Rücküberweisung von Geldleistungen: BSG Großer Senat, Beschluss vom 20. Februar 2019, GS 1/18). Nach § 118 Abs. 3 Satz 3 SGB VI besteht eine Verpflichtung des Geldinstituts zur Rücküberweisung nicht, soweit über den entsprechenden Betrag bei Eingang der Rückforderung bereits anderweitig verfügt wurde, es sei denn, dass die Rücküberweisung aus einem Guthaben erfolgen kann. Danach besteht vorliegend kein Anspruch gegenüber dem Geldinstitut der Versicherten. Die Sparkasse E-Stadt ist nicht zur Rücküberweisung des von der Beklagten geforderten Überzahlungsbetrages verpflichtet, da das Konto der Versicherten nicht über ein Guthaben verfügte - hier vielmehr mit einem Soll in Höhe von 4.969,29 € selbst nach Gutschrift der Renten belastet war - und die Klägerin durch Abhebungen in Höhe von 500,00 € sowie 400,00 € am 2. Juli 2012 über den Betrag von 900,00 € bereits anderweitig verfügt hatte.
Nachdem ein systematisch vorrangiger Anspruch gegenüber dem Geldinstitut nach § 118 Abs. 3 SGB VI ausscheidet, kommt grundsätzlich ein Anspruch der Beklagten gegen die Klägerin als Verfügende im Sinne des § 118 Abs. 4 SGB VI in Betracht. Nach § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI sind, soweit Geldleistungen für die Zeit nach dem Tod des Berechtigten zu Unrecht erbracht worden sind, sowohl die Personen, die die Geldleistungen unmittelbar in Empfang genommen haben oder an die der entsprechende Betrag durch Dauerauftrag, Lastschrifteinzug oder sonstiges bankübliches Zahlungsgeschäft auf ein Konto weitergeleitet wurde (Empfänger), als auch die Personen, die als Verfügungsberechtigte über den entsprechenden Betrag ein bankübliches Zahlungsgeschäft zu Lasten des Kontos vorgenommen oder zugelassen haben (Verfügende), dem Träger der Rentenversicherung zur Erstattung des entsprechenden Betrages verpflichtet. Der Träger der Rentenversicherung hat solche Erstattungsansprüche nach § 118 Abs. 4 Satz 2 SGB VI - wie hier mit streitigem Bescheid vom 15. Januar 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. September 2013 - durch Verwaltungsakt geltend zu machen.
Die Klägerin ist Verfügende im Sinne des § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI. Verfügende sind die Personen, die als Verfügungsberechtigte über den entsprechenden Betrag ein bankübliches Zahlungsgeschäft zu Lasten des Kontos vorgenommen oder zugelassen haben. Die Klägerin war hier über das Konto der Versicherten verfügungsberechtigt und hat über den Betrag von 900,00 € durch zwei getrennte Abhebungen am Geldautomat jeweils ein bankübliches Zahlungsgeschäft in Form der Barauszahlung zu Lasten des Kontos der Versicherten vorgenommen.
Zwar hat die Beklagte danach grundsätzlich einen Anspruch auf Erstattung in Höhe „des entsprechenden Betrages“, d.h. in Höhe des Betrages, über den die Klägerin verfügt hat, hier insgesamt 900,00 €. Dem Erstattungsanspruch steht jedoch entgegen, dass die Klägerin diesen Betrag bereits in voller Höhe der Beigeladenen nach § 52 Abs. 4 BeamtVG i.V.m. § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI erstattet hat.
Nach § 52 Abs. 4 BeamtVG, der die Rückforderung von Versorgungsbezügen regelt, gilt § 118 Abs. 3 bis 5 SGB VI entsprechend. Die Vorschrift passt nach der Gesetzesbegründung die versorgungsrechtlichen Vorschriften zur Auszahlung laufender Geldleistungen an die im Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung geltenden Bestimmungen, konkret § 118 Abs. 3 und 4 SGB VI, an (BT-Drucks. 14/7064, S. 39), wobei es sich um eine dynamische Verweisung auf die rentenrechtlichen Regelungen zur Sicherstellung des Rückforderungsanspruchs des Dienstherrn handelt (BT-Drucks. 16/7076, S. 160). Die Beigeladene hatte einen Anspruch nach § 52 Abs. 4 BeamtVG i.V.m. § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI gegenüber der Klägerin wegen überzahlter Witwengeldbezüge an die Versicherte für den Monat Juli 2012 geltend gemacht und mit ihr eine Ratenzahlungsvereinbarung über die Rückerstattung eines Betrages in Höhe von 900,00 € getroffen, die nach Zahlung der letzten Rate im November 2015 zur vollständigen Rückführung des Betrages geführt hat.
Durch den Abschluss der Rückzahlung in Höhe von 900,00 € an die Beigeladene ist der parallele Erstattungsanspruch der Beklagten untergegangen. Die Beklagte kann von der Klägerin nicht die Erstattung weiterer zu Unrecht erfolgter Rentenzahlungen verlangen. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Systematik nebeneinander bestehender Erstattungsansprüche des Dienstherrn nach § 52 Abs. 4 BeamtVG i.V.m. § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI und des Rentenversicherungsträgers nach § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI (ggfs. auch anderer Träger aufgrund § 45 Abs. 1 des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) oder § 66 Abs. 2 Satz 4 Bundesversorgungsgesetz (BVG) jeweils i.V.m. § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI) diese - obwohl dies weder vertraglich vereinbart noch gesetzlich angeordnet ist (vgl. etwa § 117 Satz 1 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch – SGB X -) – gegenüber dem Verfügenden zu Gesamtgläubigern nach § 428 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) werden lässt, so dass der Verfügende gegenüber mehreren Gläubigern lediglich verpflichtet ist, die Leistung nur einmal zu bewirken. In diesem Fall befreit die Leistung an einen frei wählbaren Gläubiger den Schuldner von seiner Verpflichtung gegenüber sämtlichen Gesamtgläubigern (Böttcher in: Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, § 428 BGB, Rn. 1). § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI ist jedenfalls so auszulegen, dass gegen den Verfügenden gerichtete Erstattungsansprüche insgesamt nicht den Betrag übersteigen dürfen, der dem Verfügenden aus den zu Unrecht an den verstorbenen Versicherten gezahlten Leistungen zugeflossen ist (so bereits für Empfänger im Sinne des § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI: Urteil des Senats vom 15. September 2015, L 2 R 104/13).
Nach dem Wortlaut des § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI ist der Verfügende zur Erstattung des „entsprechenden Betrages“ verpflichtet. Im Rahmen der Definition des Verfügenden nennt die Vorschrift weiter die Voraussetzung, dass die Person als Verfügungsberechtigte „über den entsprechenden Betrag“ ein bankübliches Zahlungsgeschäft zu Lasten des Kontos vorgenommen hat. Daraus ergibt sich, dass der zu erstattende Betrag nicht die gesamten Geldleistungen umfasst, die für die Zeit nach dem Tod des Berechtigten zu Unrecht erbracht worden sind, sondern auf die Höhe beschränkt ist, in welcher der Verfügende im Rahmen des banküblichen Zahlungsgeschäfts verfügt hat. Für die Beklagte bedeutet dies bereits nach dem Wortlaut der Vorschrift, dass sie von vornherein nicht die Erstattung ihrer gesamten Überzahlung für den Monat Juli 2012 in Höhe von 1.121,06 € von der Klägerin fordern kann. Gleiches gilt für den Erstattungsanspruch der Beigeladenen hinsichtlich des überzahlten Witwengeldes für den Monat Juli 2012. Der Wortlaut begrenzt damit den einzelnen Rückerstattungsanspruch nach § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI. Eine Aussage dahingehend, ob diese Haftungsbeschränkung zugunsten des Verfügenden absolut gelten soll oder lediglich relativ wirkt im Hinblick auf die jeweils einzelnen Erstattungsansprüche mehrerer Anspruchsinhaber nach § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI, trifft der Wortlaut indes nicht.
Die absolute Begrenzung des Erstattungsbetrages folgt jedoch aus Sinn und Zweck des § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI. Die Vorschrift soll im öffentlichen Interesse gewährleisten, dass zu Unrecht geleistete Rentenzahlungen, die von Dritten empfangen oder über die Dritte verfügt haben, von dem Empfänger oder Verfügenden zurückerstattet werden. Geschaffen wird ein Sonderrecht des Staates, das die privatrechtlichen Rechtsbeziehungen überlagert und die erfolgte Vermögensverschiebung dem Verfügenden nicht zu Lasten der Beitragszahler endgültig belässt (Urteil des Senats vom 15. September 2015, L 2 R 104/13). Dabei ist ein Wegfall der Bereicherung des Verfügenden im Sinne des § 818 Abs. 3 BGB im Rahmen des § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI grundsätzlich unbeachtlich (Kühn, in: Kreikebohm, SGB VI, 5. Aufl. 2017, § 118, Rn. 68; vgl. zur Parallelvorschrift des § 96 Abs. 4 Satz 1 Sozialgesetzbuch, Siebtes Buch SGB VII : LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 30. März 2017, L 16/3 U 58/14). Diese verschärfte bereicherungsrechtliche Haftung ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts auch verfassungsgemäß und mit Art. 3 Grundgesetz (GG) vereinbar (BSG, Urteil vom 11. Dezember 2002, B 5 RJ 42/01 R; Körner, in: Kass/Komm, SGB VI, Stand September 2019, § 118, Rn. 28a; offen gelassen in BVerfG, Beschluss vom 21. Februar 2018, 1 BvR 606/14). Letztlich handelt es sich beim Erstattungsanspruch nach § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI damit um eine bereicherungsrechtliche Abschöpfung des beim Empfänger oder Verfügenden eingetretenen Vermögensvorteils. Der Vermögensvorteil des Verfügenden ist jedoch bereits abgeschöpft, wenn - wie hier gegenüber der Beigeladenen - einer der aus § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI abgeleiteten Erstattungsansprüche vollständig befriedigt wurde.
Eine absolute Haftungsbeschränkung folgt auch aus der Systematik der § 118 Abs. 3 und 4 SGB VI. Die nach § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI möglichen Schuldner haften nicht einzeln für die Erstattung des gesamten Überzahlungsbetrages, sondern sind nur verpflichtet, den Betrag, den sie aus dem Konto des verstorbenen Versicherten erhalten haben, entsprechend zu erstatten (ebenso Pflüger in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VI, 2. Aufl., § 118 SGB VI, Rn. 151; Reinhardt, SGB VI, 4. Aufl. 2018, § 118, Rn. 12; Kühn, in: Kreikebohm, SGB VI, 5. Aufl. 2017, § 118, Rn. 80). Denn der Rückforderungsanspruch nach § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI korrespondiert mit der „Entreicherung“ des vorrangig zur Rückführung verpflichteten kontoführenden Geldinstituts nach § 118 Abs. 3 Satz 3 SGB VI (Kühn, in: Kreikebohm, SGB VI, 5. Aufl. 2017, § 118, Rn. 64) durch den Verfügenden oder den Empfänger. Eine über diesen Betrag hinausgehende Erstattung im Interesse der Versichertengemeinschaft (oder im Falle des § 52 Abs. 4 BeamtVG des Dienstherrn) würde eine unverhältnismäßige und auch durch das Verhalten des Schuldners nicht gerechtfertigte individuelle Belastung darstellen. Zwar soll der Verfügende aus der ungerechtfertigten Rentenüberweisung keine wirtschaftlichen Vorteile ziehen können, jedoch soll er auch keine wirtschaftlichen Nachteile befürchten müssen. Den Interessen der Versichertengemeinschaft (oder des Dienstherrn) wird bereits durch die nach § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI gewährten Privilegierungen ausreichend Rechnung getragen. Hierzu gehört, dass sich die Anspruchsgegner nicht - wie etwa die Erben - auf die Vertrauensschutzregelungen der § 50 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. §§ 45, 48 SGB X (vgl. BT-Drucks. 13/2590, S. 25) oder die Jahresfrist nach § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X berufen können und die Auswahl innerhalb der nach § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI in Betracht kommenden Schuldner (Verfügende und Empfänger) nach Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten erfolgen darf (vgl. BSG, Urteil vom 10. Juli 2012, B 13 R 105/11; Beschluss des Senats vom 9. Juli 2013, L 2 R 120/13 NZB).
Die Haftung der Klägerin aus § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI ist vor diesem Hintergrund auf die Höhe des von ihr verfügten Betrages von 900,00 € beschränkt. Mit Rückzahlung dieses Betrages an die Beigeladene ist der Anspruch der Beklagten in vollem Umfang untergegangen. Die Klägerin ist nicht verpflichtet, der Beklagten weitere 900,00 € zu erstatten. Die Berufung hat daher Erfolg.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 Teils. 3 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1, Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Revision war gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen. Der Senat misst der Rechtsfrage, ob die Haftung eines Verfügenden im Sinne des § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI für den Fall, dass mehrere Leistungsträger Ansprüche auf Erstattung aus dieser Vorschrift gegen ihn geltend machen, absolut beschränkt ist auf die Höhe des Betrages, über den verfügt wurde, grundsätzliche Bedeutung bei.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 Teils. 1 SGG i.V.m. § 63 Abs. 2 Satz 1, § 52 Abs. 1 und 3 Satz 1 sowie § 47 Abs. 1 S 1 Gerichtskostengesetz (GKG).