L 3 U 195/19

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 1 U 15/17
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 195/19
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

1. Eine versicherte Ursache, die gemeinsam mit einer bestehenden Schadensanlage objektiv wirksam für eine Sehnenruptur geworden ist, ist keine rechtlich wesentliche (Mit-) Ursache für die Ruptur, wenn die nichtversicherte Schadensanlage überragend ist. Es verwirklicht sich dann kein Risiko, das dem Schutzzweck der Unfallversicherung zuzuordnen ist. Der soziale Schutz wird in derartigen Fällen durch die Krankenversicherung abgedeckt.

I.    Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 6. September 2019 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

II.    Die Beteiligten haben einander in beiden Instanzen keine Kosten zu erstatten.

III.    Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Streitig zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung eines Ereignisses vom 4. Juli 2016 als Arbeitsunfall.

Der 1977 geborene Kläger ist Anwendungstechniker bei der C. GmbH. Am 4. Juli 2016 besuchte er auf einer Geschäftsreise Bombardier D-Stadt, einen Kunden seiner Arbeitgeberin. Abends beim Betreten des Hotels in D-Stadt, in dem er übernachten wollte, fiel er hin. Er wurde dann mit dem Rettungswagen ins Klinikum D-Stadt gebracht. Dort gab er an, dass er mit dem linken Bein fehlgetreten und die Kniescheibe aus dem Gelenk gesprungen sei (Patellaluxation).

Im Durchgangsarztbericht wurden am linken Knie ein Erguss, eine tanzende Patella, eine deutliche Schwellung infrapatellar mit einer tastbaren Delle, infrapatellar lokale Druckschmerzen und ein Patellahochstand mit lateraler Laxität befundet. Die aktive Knieextension und Beinelevation waren nicht möglich. Der Lachmann-Test und der Varus- und Valgusstresstest waren negativ. Ein Meniskuszeichen war nicht vorhanden. Durchblutung, Motorik und Sensibilität waren intakt. Eine Sonographie ergab den Verdacht auf eine Patellasehnenläsion. Die Röntgenaufnahmen zeigten einen Patellahochstand. Als Erstdiagnose wurde der Verdacht auf eine traumatische Ruptur der Patellasehne mit fraglicher Patellaluxation bei spontaner Reposition angegeben. 

In der Unfallanzeige vom 5. Juli 2016 wurde zum Unfallhergang angegeben, dass der Kläger mit dem linken Bein fehlgetreten sei und es keine Augenzeugen gebe. Der Kläger selbst gab gegenüber der Beklagten an, dass er beim Betreten des Hotels mit dem linken Bein fehlgetreten sei. Er habe Halbschuhe getragen und glaube, dass er seitlich im X-Sinne eingeknickt sei. Beim Einknicken sei das Knie erst gestreckt und dann gebeugt gewesen, der Fuß habe fest auf dem Boden gestanden. Er glaube, dass der Körper sich beim Sturz nach rechts gedreht habe. Er sei auf den Hintern gefallen. Er habe einen Bluterguss im Knie gehabt und die Kniescheibe sei nach oben links rausgesprungen gewesen.

Am 18. Juli 2016 wurde der Kläger stationär in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Frankfurt (BGU) aufgenommen und operiert. Hierbei wurde eine „sehr schräg verlaufende Ruptur von proximal lateral nach distal medial“ befundet. Die Pathologin Dr. E. gab in einem Bericht vom 20. Juli 2016 an, dass das Präparat Sehnenpartikel mit einerseits frischer Kontinuitätstrennung und andererseits nicht ganz frischer Rissbildung in einem frühen Reparationsstadium zeige. Es gäbe nur sehr spärlich vitale Sehnenfäden, so dass nur eine eingeschränkte Beurteilung der Degeneration möglich sei. Es liege eine geringe, altersentsprechende Texturstörung vor. Das morphologische Bild spreche für ein mehrzeitiges, über wenige Wochen laufendes Rupturgeschehen.

Bereits im Jahr 2010 hatte der Kläger eine Patellasehnenruptur rechts erlitten, als er beim Hinunterlaufen auf einer Treppe ausgerutscht war. Diese war ebenfalls operativ versorgt worden. Das eingesandte Gewebe zeigte sich minimal degenerativ verändert.

In einer beratungsärztlichen Stellungnahme vom 31. August 2016 gab Dr. F. an, dass es sich bei dem als Unfallhergang beschriebenen Fehltritt nicht um ein plötzlich von außen einwirkendes Ereignis auf die vorgespannte Sehne handele. Der Kläger habe außerdem angegeben, dass der Fuß fest auf dem Boden gestanden habe, so dass es an der entsprechenden Krafteinwirkung auf die vorgespannte Sehne fehle. Im Pathologiebericht würden sowohl frische als auch ältere Anteile einer Ruptur beschrieben. Aufgrund der zeitlichen Latenz zur operativen Versorgung könnten diese nicht komplett unfallbedingt sein. Bei dem Ereignis habe es sich um eine Gelegenheitsursache gehandelt. Da der Kläger bereits rechts eine Sehnenruptur erlitten habe, sei eine genetische Disposition anzunehmen. 

Mit Widerspruchsbescheid vom 19. September 2016 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses am 4. Juli 2016 als Arbeitsunfall ab. Bei der Ruptur handele es sich um einen Schaden, der nur gelegentlich der versicherten Tätigkeit eingetreten sei. Ein Anspruch auf Leistungen bestehe deshalb nicht. 

Der Kläger legte Widerspruch gegen den Bescheid ein und gab an, dass er auf glatten Fliesen mit dem linken Fuß weggerutscht sei. Hierbei sei es zur Belastung des Kniegelenks gekommen. Er habe zwei knackende Geräusche wahrgenommen. 

Mit Bescheid vom 6. Februar 2017 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Das Ereignis sei keine wesentliche Teilursache für den Sehnenriss gewesen.

Am 10. Februar 2017 hat der Kläger Klage beim Sozialgericht Gießen (Sozialgericht) erhoben. Das Sozialgericht hat ein Gutachten von Amts wegen bei dem Orthopäden Dr. G. eingeholt. Bei der Begutachtung hat der Kläger angegeben, dass er beim Betreten des Hotels einen Rucksack und eine Reisetasche bei sich gehabt habe. Der Boden habe aus Natursteinfliesen bestanden. Er sei nicht ganz glatt gewesen, sondern leicht uneben. An der Stelle, an der er gestürzt sei, habe ein Teppich gelegen, an dem müsse er hängen geblieben sein. Er könne sich nur erinnern, dass er das Gefühl gehabt habe, dass etwas zweimal gerissen und er dann hingefallen sei. Nachdem er die Hose hochgemacht habe, habe er gesehen, dass die Kniescheibe nach außen gerutscht sei. Im Gutachten vom 20. November 2017 hat Dr. G. ausgeführt, dass beim Kläger ein Zustand nach operativ versorgter Patellasehnenruptur links nach Ruptur am 4. Juli 2016 vorliege. In der einschlägigen Literatur gebe es keine Ausführungen zum Unfallhergang. Die Patellasehne rupturiere meistens in der zweiten Lebenshälfte, degenerative Schäden oder altersbedingte Veränderungen seien bei entsprechender Disposition häufig. Bei der Ruptur handele es sich um eine Gelegenheitsursache. Bereits die rechte Sehne sei bei einem Ereignis gerissen, das nicht geeignet sei, eine gesunde Sehne reißen zu lassen. Ebenso verhalte es sich bei der Ruptur links. Das Stolpern oder Hängenbleiben an einer Unebenheit oder Rauigkeit sei eine alltägliche Situation. Selbst unter Berücksichtigung, dass der Kläger Taschen getragen habe, sei der Mechanismus nicht geeignet, eine gesunde Kniescheibensehne reißen zu lassen. Die histologische Untersuchung beweise, dass eine Vorschädigung vorgelegen habe. Ohne die Vorschädigung wäre die Sehne nicht gerissen. Sowohl die Ruptur der linken als auch die Ruptur der rechten Sehne seien Folge einer inneren Disposition. Die Patellasehnenruptur wäre bei jeder geringfügigen Mehrbelastung aufgetreten.

Auf Antrag des Klägers hat das Sozialgericht ein orthopädisch-unfallchirurgisches Gutachten nach § 109 Sozialgerichtsgesetz - SGG - bei Dr. H. eingeholt. Dieser gibt im Gutachten an, dass der Kläger über ein Verdrehtrauma berichtet habe. Aktuell bestünden ein diskreter Patellahochstand links nach traumatischer Patellaluxation und Ruptur der Patellasehne, ein persistierendes Instabilitätsgefühl ventral am linken Knie und eine diskrete posttraumatische retropatellare Arthrose mit Krepitation. Beim Unfall habe sich der Kläger eine Patellaluxation, eine Distorsion und eine Patellasehnenruptur zugezogen. Durch die Patellaluxation sei es zu einer pathologischen Vorspannung der Patellasehne gekommen, die bei gleichzeitig forcierter Flexion nicht mehr genügend Reservespielraum habe, um den erforderlichen Längenausgleich ohne Riss oder eine andere Schädigung auszudehnen. Am Kniegelenk seien keine Vorschäden bekannt gewesen, so dass es sich bei der Ruptur nicht um eine Verschlimmerung handele, sondern diese erst durch den Unfall entstanden sei.

In einer beratungsärztlichen Stellungnahme vom 5. September 2018 hat Dr. F. ausgeführt, dass in der einschlägigen Literatur angegeben werde, dass eine gesunde Patellasehne das 17,5-fache des Körpergewichts benötige, damit sie rupturiere. Eine gesunde Patellasehne könne durch Eigenkräfte nicht reißen. Insbesondere sei bei einer Luxation der Patella nicht von einer Vorspannung auszugehen, da die Überspannung des Streckapparats gerade zur Luxation der Patella aus dem Gleitlager führe. Durch die Luxation komme es zum Spannungsabfall in den angehängten Sehnenanteilen. Den Ausführungen von Dr. H. könne deshalb nicht gefolgt werden. 

In einer ergänzenden Stellungnahme vom 6. Dezember 2018 hat Dr. H. nach Übersendung der von Dr. F. zitierten Literatur angegeben, dass der Unfallmechanismus beim Kläger aus einer Kombination von lateraler Patellaluxation mit vermehrter Vorspannung der Patellasehne bei einer Beugung von 60° bestanden habe. Aufgrund des einschießenden Instabilitätsgefühls sei es zu einem Wegsacken des Körpers über dem Kniegelenk gekommen. Inwieweit das Knie bei dem Unfall in Varus- oder Valgusstress belastet worden sei, könne nicht zweifelsfrei geklärt werden. Im Zweifelsfall müsse eine externe biomechanische Testung der Belastungssituation erfolgen. 

Hierzu hat Dr. F. am 15. Januar 2019 ausgeführt, dass es nicht denkbar sei, dass es unter dem geschilderten Varus- oder Valgusstress zu einer Patellaluxation und begleitend zu einer Patellasehnenruptur bei einer nicht vorgeschädigten Sehne komme. Es bleibe dabei, dass es sich bei dem Unfall um eine Gelegenheitsursache gehandelt habe.

In der mündlichen Verhandlung vom 6. September 2019 hat der Kläger angegeben, dass er nicht hundertprozentig schildern könne, was passiert sei. Er könne sich noch daran erinnern, dass er rechts weggerutscht sei und sich dabei das Bein verdreht habe. Dann habe es zweimal geknackt und er sei gestürzt. Zwischen den zwei Knackgeräuschen sei ein kleiner Zeitraum gewesen. Mit Urteil vom 6. September 2019 hat das Sozialgericht die Beklagte antragsgemäß unter Aufhebung des Bescheids vom 19. September 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. Februar 2017 verurteilt, das Ereignis vom 4. Juli 2016 als Arbeitsunfall und als Unfallfolge eine Patellaluxation links anzuerkennen. Der Kläger sei beim Betreten des Hotels mit Taschen in der Hand ausgerutscht, habe sich das verletzte Bein verdreht und sei anschließend auf das Bein gestürzt. Dies sei bereits ausreichend, einen Arbeitsunfall anzuerkennen, da der Durchgangsarzt zumindest einen Kniegelenkserguss festgestellt habe. Dies reiche als Gesundheitserstschaden aus. Auch die Patellaluxation sei kausal auf den Unfall zurückzuführen. Eine Gelegenheitsursache liege immer dann vor, wenn ein vergleichbarer Schaden etwa zur selben Zeit bei jeder anderen Verrichtung des täglichen Lebens auch eingetreten wäre. Beweispflichtig hierfür sei die Beklagte. Das Gutachten von Dr. G. reiche in diesem Zusammenhang nicht aus, da dieser sich nicht dazu geäußert habe, ob der Schaden etwa zu derselben Zeit auch ohne das versicherte Ereignis eingetreten wäre. Aus der beratungsärztlichen Stellungnahme ergebe sich, dass ein Teil der Ruptur frisch gewesen sei. Offen sei, wie stark die alten Anteile der Ruptur gewesen seien. Nur wenn diese äußerst ausgeprägt gewesen seien, könne nachgewiesen werden, dass die Vollruptur auch ohne den Sturz eingetreten wäre. Das Ereignis sei zur Überzeugung des Gerichts - wie sich aus den Ausführungen von Dr. H. ergebe – generell geeignet gewesen, eine Patellaluxation herbeizuführen. Innerhalb kürzester Zeit habe sich, wie vom Durchgangsarzt festgestellt, ein Bluterguss gebildet. Dies spreche für einen heftigen Sturz. Es lasse sich nachträglich nicht mehr konstruieren, ob die Luxation schon durch die Verdrehung des Knies oder erst durch den Aufschlag auf das Kniegelenk eingetreten ist. Sie sei aber zeitlich mit dem Sturz eng verbunden. 

Am 29. November 2019 hat die Beklagte gegen das am 14. November 2019 zugegangene Urteil Berufung eingelegt. Sie trägt u.a. vor, dass das Ereignis vom 4. Juli 2016 nicht kausal für die Patellasehnenruptur gewesen sei. Ein Aufprall auf dem Boden sei nicht bewiesen. Selbst wenn dieser bewiesen sei, wäre der Aufprall mit dem Kniegelenkserguss Folge des Sehnenrisses. Dr. F. und Dr. G. hätten nachvollziehbar ausgeführt, dass die Sehne vorgeschädigt gewesen sei, so dass bei nächster Gelegenheit ebenfalls mit einer Ruptur zu rechnen gewesen wäre. Bei der histologischen Untersuchung seien ältere Rissbildungen gesichert worden. Für eine genetische Disposition spreche, dass es am anderen Bein ebenfalls zu einem Riss gekommen sei. 

Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 6. September 2019 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Im Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage ist der Kläger erneut zum Unfallhergang befragt worden. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 24. November 2020 verwiesen.

Die Beteiligten haben mit Schriftsätzen vom 2. Dezember 2020 (Kläger) bzw. vom 3. Dezember 2020 (Beklagte) ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Rechtsstreits ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten, insbesondere in den medizinischen Unterlagen und im Vorbringen der Beteiligten, wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der Beratung gewesen ist.

Entscheidungsgründe

Der Senat konnte mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 124 Abs. 2 SGG).

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet.

Das Sozialgericht hat den Bescheid vom 19. September 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. Februar 2017 zu Unrecht aufgehoben und die Beklagte zu Unrecht verurteilt, das Ereignis vom 4. Juli 2016 als Arbeitsunfall und als Unfallfolge eine Patellaluxation links anzuerkennen. Der Bescheid der Beklagten, in dem diese die Anerkennung eines Arbeitsunfalls ablehnt, ist vielmehr rechtmäßig. 

Arbeitsunfälle sind nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch - Gesetzliche Unfallversicherung - SGB VII Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen, § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII. Ein Arbeitsunfall setzt daher voraus, dass das Verhalten des Versicherten, bei dem sich der Unfall ereignet hat, den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt hat (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang). Die Verrichtung muss ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis und dadurch einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten objektiv und rechtlich wesentlich verursacht haben (Unfallkausalität und haftungsbegründende Kausalität, vgl. z.B. BSG, Urteil vom 30. März 2017 – B 2 U 15/15 R – juris Rn. 14; stRspr.).

Zu Überzeugung des Senats ist der Kläger beim Betreten des Hotels am Abend des 4. Juli 2016 zum Einchecken im Rahmen einer Dienstreise einer versicherten Tätigkeit gem. § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII nachgegangen. 

Aus dem Gesamtgeschehen - der Kläger geht in das Hotel mit einem Rucksack und einer Reisetasche, macht einen „Fehltritt“ und fällt auf den Boden - ergibt sich für den Senat auch zweifelsfrei das Vorliegen eines zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignisses. Für das von außen auf den Körper einwirkende, zeitlich begrenzte Ereignis ist kein besonderes, ungewöhnliches Geschehen erforderlich. Alltägliche Vorgänge wie Stolpern usw. genügen (BSG, Urteil vom 17. Februar 2009 - B 2 U 18/07 R - juris). Mit dem Erfordernis, dass das Ereignis von außen auf den Körper des Versicherten einwirken muss, wird lediglich zum Ausdruck gebracht, dass ein allein aus innerer Ursache, wie Herzinfarkt, Kreislaufkollaps usw., kommendes Geschehen, wenn dieses während der versicherten Tätigkeit auftritt, oder aber eine vorsätzliche Selbstschädigung (vgl. BSG, Urteil vom 29. November 2011 - B 2 U 10/11 R - juris) nicht als Unfall anzusehen sind. Die Unfreiwilligkeit der Einwirkung bei dem, den das Geschehen betrifft, ist dem Begriff des Unfalls immanent, weil ein geplantes, willentliches Herbeiführen einer Einwirkung dem Begriff des Unfalls widerspricht (vgl. BSGE 61, 113, 115 = BSG in SozR 2200 § 1252 Nr. 6 S. 20). Ein Unfall ist typischerweise dadurch gekennzeichnet, dass ein normaler Geschehensablauf plötzlich durch einen ungewollten Vorfall unterbrochen wird (vgl. Urteil des BSG vom 29. November 2011 - B 2 U 10/11 R - juris). Gewillkürte körperliche Bewegungen können ausnahmsweise den Unfallbegriff erfüllen, wenn es sich z.B. um einen Fall gewollten Handelns auf Grund einer ungewollten Einwirkung handelt (vgl. BSG, Urteil vom 29. November 2011 - B 2 U 23/10 R - juris: Gefahrenbremsung des Triebfahrzeugführers eines S-Bahn-Zuges) (vgl. auch Hessisches Landessozialgericht, Beschluss vom 15. April 2019 - L 3 U 35/19 B -).  

Weiterhin besteht für den Senat kein Zweifel am Vorliegen der Unfallkausalität, d.h. der Kausalität zwischen der Verrichtung zur Zeit des Unfalls und dem Unfallereignis. Diese könnte vorliegend nur dann entfallen, wenn nachgewiesen wäre, dass der Kläger aufgrund der von ihm angeführten Patellaluxation bzw. der Patellasehnenruptur gestürzt ist (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 17. Februar 2009 - B 2 U 18/07 R - juris; Wagner in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, 2. Aufl. Stand 26. Mai 2020, § 8 SGB VII, Rn. 125). Hierfür ergeben sich keine Anhaltspunkte. Der Kläger hat außerdem mehrfach angegeben, dass er zunächst „weggerutscht“ bzw. „eingeknickt“, „hängengeblieben“ oder „fehlgetreten“ sei und es erst dann „geknackt“ habe. Der Senat hat keinen Anlass, diese Angabe des Klägers in Zweifel zu ziehen. 

Ein im Vollbeweis nachgewiesener Gesundheitsschaden liegt aufgrund der Patellasehnenruptur links ebenfalls vor. Bestand im Rahmen der Untersuchung am 4. Juli 2016 aufgrund der klinischen und bildgebenden Befunde lediglich der Verdacht auf eine Ruptur, zeigte sich bei der zeitnah nach dem Unfall am 18. Juli 2016 durchgeführten Operation, wie sich aus dem OP-Bericht vom 18. Juli 2016 ergibt, eine „sehr schräg verlaufende Ruptur von proximal lateral nach distal medial“.

Bei den Befunden „Erguss“, „tanzende Patella“, „deutliche Schwellung infrapatellar“, „tastbare Delle infrapatellar“, „aktive Knieextension und Beinelevation unmöglich“, „infrapatellar lokale Druckschmerzen“ und „Patellahochstand mit lateraler Laxizität“ im Durchgangsarztbericht vom 4. Juli 2016 handelt es sich vor dem Hintergrund der im Vollbeweis vorliegenden Ruptur hingegen nicht um (gesonderte) Gesundheitsschäden, sondern vielmehr um Symptome der Ruptur, d.h. zusammen mit der Erkrankung auftretende Erscheinungen, die entweder vom Patienten selbst oder vom Arzt wahrgenommen werden (vgl. zum Symptom: Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 267. Auflage 2017, S. 1754; vgl. zur Klinik und den Symptomen einer Patellasehnenruptur: Pschyrembel, a.a.O., S. 1361 f.). Damit sind jedoch nicht die unterschiedlichen Symptome, sondern die diese auslösende Störung als Gesundheitserstschaden festzustellen (vgl. Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 25. Februar 2014 – L 3 U 94/12 – juris).

Die vom Sozialgericht als „Unfallfolge“ bezeichnete Patellaluxation links ist für den Senat nicht im Vollbeweis nachgewiesen. Für das Vorliegen einer derartigen Luxation gibt es nur die Angabe des Klägers selbst, einem medizinischen Laien. Im Durchgangsarztbericht vom 4. Juli 2016 wird weder bei den klinischen noch bei den bildgebenden Befunden eine Luxation erwähnt. Folgerichtig wird als Erstdiagnose dann auch nur eine „fragliche Patellaluxation“ angegeben. Im Rahmen der unterschiedlichen ärztlichen Stellungnahmen und Begutachtungen geht lediglich Dr. H. im Gutachten vom 7. August 2018 von einer traumatischen Patellaluxation aus. Dies allerdings ohne dass in den ihm vorliegenden medizinischen Unterlagen oder zum Zeitpunkt der Untersuchung hierfür Befunde vorlagen, sondern allein aufgrund der Angaben des Klägers bei der Untersuchung. In den Augen des Senats besteht deshalb zwar die Möglichkeit, dass eine derartige Luxation tatsächlich vorgelegen hat. Dies reicht jedoch für die beim Vollbeweis erforderliche an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit (vgl. § 128 Abs. 1 SGG) nicht aus.

Weiterhin ist das Vorliegen einer Distorsion im Bereich des linken Knies neben der bereits sicher vorliegenden Patellasehnenruptur nicht im Vollbeweis nachgewiesen. Zwar gibt Dr. H. in seinem Gutachten vom 7. August 2018 auf Seite 9 an, dass der Kläger bei dem Unfall auch eine Distorsion erlitten habe. Aufgrund welcher Befunde er hiervon ausgeht, erschließt sich jedoch nicht. Bei einer Distorsion handelt es sich um häufig durch indirekte Gewalteinwirkung (z.B. durch Verdrehung des Kniegelenks) entstehende Läsionen im Bandapparat mit Schwellung, Hämatom, Funktionseinschränkung und Schmerzen. Die Distorsion ist von einer Ruptur abzugrenzen (vgl. Pschyrembel, a.a.O., S. 420), die neben weiteren Symptomen auch die für eine Distorsion typischen Symptome aufweist (vgl. Pschyrembel, a.a.O., S. 1361 f.). Im Durchgangsarztbericht findet dementsprechend eine gesonderte Distorsion am linken Knie neben dem Verdacht auf eine traumatische Patellasehnenruptur mit fraglicher Patellaluxation keine Erwähnung. 

Die als Gesundheitsschaden im Vollbeweis vorliegende Patellasehnenruptur links kann jedoch nicht kausal auf das streitgegenständliche Unfallereignis zurückgeführt werden (haftungsbegründende Kausalität).

Für die haftungsbegründende Kausalität muss zwischen dem Unfallereignis und dem geltend gemachten Gesundheitsschaden ein Ursachenzusammenhang nach der im Unfallversicherungsrecht geltenden Theorie der wesentlichen Bedingung bestehen (BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 – B 2 U 1/05 R – juris). Danach geht es auf einer ersten Stufe der Kausalitätsprüfung um die Frage, ob ein Zusammenhang im naturwissenschaftlichen Sinne vorliegt, d.h. – so die neuere Rechtsprechung des Bundessozialgerichts – ob eine objektive Verursachung zu bejahen ist (BSG, Urteil vom 24. Juli 2012 – B 2 U 9/11 R – juris). In einer zweiten Prüfungsstufe ist sodann durch Wertung die Unterscheidung zwischen solchen Ursachen notwendig, die wesentlich sind, weil sie rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden können bzw. denen der Erfolg zugerechnet wird, und den anderen, für den Erfolg rechtlich unerheblichen Ursachen (BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 – B 2 U 1/05 R – juris; Urteil vom 24. Juli 2012 – B 2 U 9/11 R – juris). Beweisrechtlich ist zudem zu beachten, dass der möglicherweise aus mehreren Schritten bestehende Ursachenzusammenhang positiv festgestellt sein muss (BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 – B 2 U 1/05 R – juris) und dass die Anknüpfungstatsachen der Kausalkette im Vollbeweis vorliegen müssen (BSG, Beschluss vom 23. September 1997 – 2 BU 194/97 – juris; Deppermann-Wöbbeking in: Thomann [Hrsg.], Personenschäden und Unfallverletzungen, 2015, S. 630; Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 11. September 2020 – L 3 U 150/18 – juris; stRspr.). Als Beweismaßstab für die ursächlichen Zusammenhänge gilt wie für alle Kausalitätsfeststellungen im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung auch hier der gegenüber dem Vollbeweis geringere Beweismaßstab der (hinreichenden) Wahrscheinlichkeit. Diese ist gegeben, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden. Nicht genügend ist die bloße Glaubhaftmachung und erst Recht nicht die bloße Möglichkeit (BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 – B 2 U 1/05 R – juris; Urteil vom 31. Januar 2012 – B 2 U 2/11 R – juris; Urteil vom 17. Dezember 2015 – B 2 U 8/14 R – juris). 

Der naturwissenschaftliche Zusammenhang (1. Prüfungsstufe) zwischen dem „Fehltritt“ des Klägers und der Patellasehnenruptur liegt vor. Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass der „Fehltritt“ des Klägers im Eingangsbereich des Hotels neben einer bestehenden Schadensanlage, der überragende Bedeutung zukam, mitursächlich für die Ruptur der Patellasehne war. Hierfür stützt sich der Senat auf die nachvollziehbaren und dem aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand entsprechenden Ausführungen von Dr. G. und Dr. F.

Die Kausalitätsbeurteilung hat auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes über die Möglichkeit von Ursachenzusammenhängen zwischen bestimmten Ereignissen und der Entstehung bestimmter Gesundheitsstörungen zu erfolgen. Auf der 1. Prüfungsstufe ist zudem zu prüfen, ob mehrere versicherte und nicht versicherte Ursachen zusammen objektiv wirksam geworden sind und es sind ggf. deren Mitwirkungsanteile festzustellen (BSG, Urteil vom 24. Juli 2012 – B 2 U 9/11 R – juris). Dies schließt die Prüfung ein, ob ein Ereignis nach wissenschaftlichen Maßstäben überhaupt geeignet ist, eine bestimmte körperliche Störung hervorzurufen. Daher ist die Frage mit zu beantworten, ob es einen anerkannten wissenschaftlichen Erfahrungssatz über den Ursache-Wirkungs-Zusammenhang, also die Frage der „generellen Eignung“ zwischen der konkreten Einwirkung und dem tatsächlichen Gesundheitsschaden gibt bzw. ob das einwirkende Ereignis als objektive Ursache überhaupt infrage kommt (BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 – B 2 U 1/05 R – juris). 

Für den Senat steht zunächst fest, dass der Unfall nicht objektiv geeignet war, eine gesunde Patellasehne zerreißen zu lassen. Zur Überzeugung des Senats ist der Kläger beim Gehen mit Rucksack und Reisetasche „fehlgetreten“, nach hinten gestürzt und mit dem Hintern auf dem Boden aufgeschlagen. Wie genau es zu dem Sturz des Klägers im Eingangsbereich des Hotels gekommen ist bzw. wie der „Fehltritt“ ausgesehen hat, lässt sich hingegen zur Überzeugung des Senats nicht aufklären. Nicht im Vollbeweis liegen für den Senat insbesondere ein Verdrehen des linken Beines bzw. Knies oder ein seitliches Einknicken des Knies nach innen und ein Sturz auf das linke Knie bzw. ein Aufschlagen des linken Knies auf dem Boden vor. In der Unfallanzeige vom 5. Juli 2016 und dem Durchgangsarztbericht vom 4. Juli 2016 ist nur von einem „Fehltritt“ des Klägers mit dem linken Bein die Rede. Im von der Beklagten übersandten Formular spricht der Kläger auch von einem Fehltritt. Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens gibt er an, dass er mit dem linken Fuß weggerutscht sei. Bei der Begutachtung durch Dr. G. ist dann von Natursteinfliesen mit leichten Unebenheiten und einem Teppich die Rede, an dem der Kläger hängengeblieben sein könnte. In der mündlichen Verhandlung vom 6. September 2019 gibt der Kläger dann u.a. wieder an, dass er nach rechts weggerutscht sei, sagt aber außerdem, dass er nicht zu hundert Prozent sicher sei, was passiert sei, um im Erörterungstermin am 24. November 2020 dann für den Senat aufgrund der vorherigen Angaben nachvollziehbar zu erklären, dass er nicht wisse, wie es zu dem Sturz gekommen sei. Von einer Drehbewegung und einem Einknicken des Knies nach innen spricht der Kläger erstmals im von der Beklagten übersandten Formular, wiederholt dies anscheinend bei der Begutachtung durch Dr. H. und außerdem in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht. Auch hier revidiert er seine Aussage dann für den Senat aufgrund der vorhergehenden Angaben nachvollziehbar im Rahmen des Erörterungstermins und gibt an, dass er auch hier nicht wisse, was passiert sei. Von einem Aufschlag des linken Knies des Klägers auf dem Boden bzw. von einem Sturz auf das Knie ist, mit Ausnahme der Entscheidungsgründe des Urteils des Sozialgerichts vom 6. September 2020 nie die Rede. Im Formular der Beklagten gibt der Kläger vielmehr an, dass er nur nach hinten auf den Hintern gefallen sei. Wie es in diesem Zusammenhang zu einem Aufschlag des Knies auf den Boden gekommen sein soll, ist für den Senat nicht nachvollziehbar. Zu einem derartigen Unfallhergang legen sowohl Dr. F. in seinen Stellungnahmen vom 31. August 2016 und vom 15. Januar 2019 als auch Dr. G. im Gutachten vom 20. November 2017 schlüssig dar, dass dieser nicht geeignet ist, eine gesunde Sehne reißen zu lassen. Dies steht im Einklang mit der von der Beklagten übersandten und von Dr. F. ausgewerteten einschlägigen wissenschaftlichen Literatur (vgl. hierzu Hempfling/Krenn, Schadensbeurteilung am Bewegungssystem, Band 2, S. 772 ff., Bl. 95 ff. der Gerichtsakte). Die Ausführungen von Dr. H. im Gutachten vom 7. August 2018 und in der ergänzenden Stellungnahme vom 6. Dezember 2018 zur Eignung des Unfalls sind hingegen nicht nachvollziehbar. Es fehlt hier bereits, wie sich aus den vorhergehenden Ausführungen ergibt, an den von Dr. H. als feststehend zugrunde gelegten Anknüpfungstatsachen. Weder die von ihm als Grundlage für die Schädigung angenommene Patellaluxation noch eine Beugung des Knies von 60° vor der Ruptur sind bewiesen. Zur Beugung hat der Kläger vielmehr selbst im Formular der Beklagten ausgeführt, dass das Bein gerade war, er dann etwas wahrgenommen hat und das Knie erst dann gebeugt war. Eine biomechanische Testung der Belastungssituation, wie sie Dr. H. vorschlägt, scheidet schon deshalb aus, weil der genaue Unfallmechanismus nicht feststeht.

Hieraus folgt jedoch nicht, dass der Unfall im speziellen Fall des Klägers die (endgültige) Ruptur der linken Patellasehne nicht objektiv mitverursacht hat. Wie zuvor bereits ausgeführt, erhob der Durchgangsarzt am 4. Juli 2016 nach dem Sturz des Klägers die klassischen Befunde für das Vorliegen einer Patellasehnenruptur und gab als Diagnose den Verdacht auf eine Ruptur an, der sich bei der Operation bestätigte. Weiterhin fand die Pathologin Dr. E. bei ihrer Untersuchung Sehnenpartikel mit einer frischen Kontinuitätstrennung. Für den Senat besteht daher kein Zweifel daran, dass die Sehne beim Sturz des Klägers endgültig gerissen ist. Dies wird durch Dr. G. und Dr. F. bestätigt, die im Ergebnis die objektive Eignung des Unfalls für die (Rest-)Ruptur der Patellasehne im Fall des Klägers nicht ausschließen.

Überragende Ursache für die Ruptur war zur Überzeugung des Senats jedoch die beim Kläger an der Patellasehne bestehende Schadensanlage. Bei einer Schadensanlage handelt es sich um einen regelwidrigen Körper- oder Geisteszustand, der bereits vor dem Unfall vorhanden war, klinisch oder funktionell vor dem Unfall jedoch noch nicht in Erscheinung getreten ist (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Auflage 2017, S. 33 ff.). Nach eigenen Angaben hatte der Kläger, wie sich sowohl aus dem Durchgangsarztbericht wie auch aus dem von ihm ausgefüllten Formular ergibt, vor dem Unfall keine Beschwerden oder Funktionseinschränkungen am linken Knie. Wie sich aber aus dem Bericht der Pathologin Dr. E. vom 20. Juli 2016 ergibt, bot sich ihr als morphologisches Bild ein mehrzeitiges, über wenige Wochen laufendes Rupturgeschehen (vgl. zur mehrzeitigen Ruptur auch Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Auflage 2017, S. 414). Trotz der spärlich vitalen Sehnenfäden konnte sie eine Texturstörung der Patellasehne im Sinne einer Degeneration feststellen. So sprechen dann sowohl Dr. G. als auch Dr. F. nachvollziehbar von einer „vorgeschädigten“ Sehne. Für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen ist, ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so leicht ansprechbar war, dass die „Auslösung“ akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte (Ziegler in: Becker/Franke/Molkentin, Sozialgesetzbuch VII, 5. Auflage 2018, § 8, Rn. 13). Texturstörungen der Sehnen – wie sie beim Kläger festgestellt wurden – gehen mit einer entsprechenden Minderung der mechanischen Belastbarkeit bzw. Reißfestigkeit der betroffenen Struktur einher. Das tatsächliche Ausmaß unterliegt einer individuellen, konstitutionsbedingten Variationsbreite. Ab dem 40. Lebensjahr werden sie mit zunehmender Häufigkeit festgestellt (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Auflage 2017, S. 415). Wenn auch der Unfallhergang nicht im Einzelnen feststeht, so zeigen doch die Tatsachen, die feststehen - der Kläger betritt mit Tasche und Rucksack das Hotel und kommt ohne besondere Umstände außer ggf. einer leichten Unebenheit des Bodens oder das Hängenbleiben an einem Teppich oder einem Wegrutschen des Fußes auf ebener Erde zu Fall, ohne sich hierbei das linke Knie anzuschlagen - dass es sich bei dem Ereignis um einen „leichten“ Unfall gehandelt hat. Zum Zeitpunkt des Unfalls war der Kläger 39 Jahre alt. Bereits 2010 rupturierte bei einem leichten Ereignis die rechte Patellasehne. Auch hier - der Kläger war erst 33 Jahre alt - zeigten sich bei einer pathologischen Untersuchung schon erste degenerative Veränderungen. Vor diesem Hintergrund führt Dr. G. in seinem Gutachten für den Senat schlüssig aus, dass die Sehne ohne bereits bestehende Schädigung nicht gerissen wäre und jede alltägliche Situation ausgereicht hätte, die bereits bestehende Teilruptur aufgrund der beim Kläger bestehenden inneren Disposition und Schadensanlagen zu vollenden. Dies wird von Dr. F., der u.a. in seinen Stellungnahmen vom 31. August 2016 und vom 15. Januar 2019 ebenfalls von einer erheblichen Reißfestigkeit der Sehne, einer „Gelegenheitsursache“, d.h. von einer extrem leicht ansprechbaren Schadensanlage und einer genetischen Disposition spricht, bestätigt. Dr. H. geht in seinem Gutachten hingegen auf die bestehende Schadensanlage am linken Knie und die Ruptur der rechten Patellasehne gar nicht ein und legt, wie bereits ausgeführt, sowohl im Gutachten als auch in der ergänzenden Stellungnahme einen nicht bewiesenen Unfallmechanismus und nicht bewiesene Gesundheitsschäden zugrunde. 

Der versicherte Sturz ist aufgrund der Schadensanlage nicht als rechtlich wesentliche Ursache zu bewerten (2. Stufe der Kausalitätsprüfung). 

Soweit auf der ersten Stufe die objektive Mitverursachung bejaht wird, indiziert dies nicht die rechtliche Wesentlichkeit (BSG, Urteil vom 24. Juli 2012 – B 2 U 9/11 R – juris). Die auf der 2. Prüfungsstufe der Kausalität zu prüfende Wesentlichkeit einer Bedingung ist eine reine Rechtsfrage (vgl. zur Theorie der wesentlichen Bedingung BSG, Urteil vom 30. März 2017 - B 2 U 6/15 R - juris Rdnr. 23 ff. m.w.N. aus der Rechtsprechung und Literatur). Welche Ursache im Einzelfall rechtlich wesentlich ist und welche nicht, muss nach der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs vom Rechtsanwender (Juristen) wertend entschieden werden und beantwortet sich nach dem Schutzzweck der jeweiligen Norm (grundlegend P. Becker, MedSach 2007, 92; Spellbrink, MedSach 2017, 51, 55). In die Bewertung fließt ein, ob die auf der ersten Stufe abschließend festgestellte faktische Mitverursachung des Gesundheitsschadens durch die versicherte Verrichtung/versicherte Einwirkung überhaupt ein versichertes Risiko der gesetzlichen Unfallversicherung verwirklicht hat. Ggf. hängt die Rechtserheblichkeit davon ab, ob unversicherte Mitursachen und ihr Mitwirkungsanteil nach Maßgabe des Schutzzwecks der jeweiligen Versicherung in einer Gesamtabwägung der Umstände des Einzelfalls die Schadensverursachung derart prägen, dass dieser nicht mehr dem Schutzbereich der Versicherung, sondern dem allgemeinen Lebensrisiko unterfällt (BSG, Urteil vom 24. Juli 2012 – B 2 U 9/11 R – juris). Wesentlich ist dabei nicht gleichzusetzen mit „gleichwertig“ oder „annährend gleichwertig“. Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die andere Ursache keine überragende Bedeutung hat.

Zwar fällt auch ein „Fehltritt“ auf einer Dienstreise, der einen Gesundheitsschaden kausal mitverursacht, grundsätzlich in den Schutzbereich der Unfallversicherung. Vorliegend hat sich jedoch kein Risiko verwirklicht, das dem Schutzzweck des Arbeitsunfalls zuzuordnen ist. Zweck der Unfallversicherung - wie auch aller anderen Versicherungen - ist es, ein bestimmtes versichertes Risiko (aus der Sicht des Versicherten) beziehungsweise Wagnis (aus der Sicht des Trägers der Versicherung) abzudecken (Wagner in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, 2. Aufl., § 8 SGB VII, Rn. 22). Die Unfallversicherung bezweckt u.a. die Ablösung der Haftung des Unternehmers gegenüber dem Arbeitnehmer. Ihr kommt eine friedensstiftende Wirkung innerhalb des Betriebes zu (Keller in: Hauck/Noftz, SGB, 06/18, § 8 SGB VII, Rn. 3). Darüber hinaus ist sie Ausprägung des in der Sozialversicherung allgemein herrschenden sozialen Schutzprinzips. Hier handelte es sich um ein leichtes Unfallereignis. Zusätzlich war die Schadensanlage so leicht ansprechbar, dass auch ein alltägliches Ereignis ausgereicht hätte, die Patellasehne komplett zerreißen zu lassen, so dass der Schadensanlage eine überragende Bedeutung zukam. Der „Fehltritt“ mit der Ruptur auf der Dienstreise war deshalb selbst dann nicht rechtlich dem Risikobereich der Unfallversicherung zuzuordnen, wenn man berücksichtigt, dass der Unfallversicherte grundsätzlich in dem Zustand geschützt wird, in dem er sich im Zeitpunkt des Unfallereignisses befindet (vgl. BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 – B 2 U 1/05 R – juris). Für ein Ereignis, das – wie hier – durch eine alltägliche Situation ausgetauscht werden kann, d.h. im Ergebnis rein zufällig im Zusammenhang mit einer versicherten Tätigkeit steht, bedarf es des besonderen Schutzes der Unfallversicherung als den Unternehmer aus der Haftung ablösende Versicherung nicht. Der soziale Schutz ist vielmehr durch die Krankenversicherung abzudecken. 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG, die Entscheidung über die Nichtzulassung der Revision auf § 160 Abs. 2 SGG.

Rechtskraft
Aus
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