L 3 U 41/18

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 8 U 160/13
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 41/18
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

1. Die Tätigkeit als Berater in der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit eines Unternehmens sowie die Übernahme von Aufgaben des Marketings kann sowohl in der Form einer abhängigen Beschäftigung als auch im Rahmen einer freien Mitarbeit übernommen werden.

2. Für die Bewertung der Tätigkeit kommt daher den vertraglichen Vereinbarungen und dem dort dokumentierten Willen der Vertragsparteien eine gewichtige Rolle zu.

3. Die Abstimmung eines PR-Managers mit dem Auftraggeber oder einem Produktentwickler des Unternehmens bezüglich der herauszugebenden Texte bzw. Produktinformationen spricht nicht zwingend für ein umfassendes Weisungsverhältnis und eine abhängige Beschäftigung. Vielmehr ist eine solche Abstimmung zur Absicherung der Richtigkeit der Texte und Produktinformationen sinnvoll, bei der Tätikgeit eines Presseberaters üblich und unabhängig von dessen versicherungsrechtlichen Status. 

I.    Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 18. Januar 2018 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

II.    Die Beteiligten haben einander in beiden Instanzen keine Kosten zu erstatten.

III.    Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist im Überprüfungsverfahren gemäß § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Verwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) streitig, ob der 1976 geb. Kläger zum Zeitpunkt seines Unfalls am 8. Dezember 2006 in der gesetzlichen Unfallversicherung versichert war und das betreffende Ereignis als Arbeitsunfall nach § 8 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch – Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII) anzuerkennen ist.

Am 1. Dezember 2004 hatte der Kläger einen Dienstleistungsvertrag mit dem Unternehmen C. GmbH, einem Unternehmen für Computerhardware, D-Straße in A Stadt als freier Mitarbeiter abgeschlossen, in dem er sich verpflichtete, das Unternehmen strategisch und konzeptionell in seiner Presse- und Öffentlichkeitsarbeit zu beraten. In dem Vertrag heißt es u.a.:

㤠2 Honorar
Im Zeitraum 1.12.2004 bis 30.11.2007 erhält der Auftragnehmer für seine Leistungen ein Gesamthonorar von Euro 4300,00 zzgl. 16 % Mehrwertsteuer monatlich. Ab 1.12.2007 erhält er Euro 4730,00 zzgl. 16 % Mehrwertsteuer monatlich. Mit dem vereinbarten Honorar sind alle Kosten des Auftragnehmers (Steuern, Beiträge zur Berufsgenossenschaft, An- und Abfahrt, einschließlich aller Risiken wie Unfall, Krankheit, Tod) abgegolten. Von Seiten des Auftraggebers werden keinerlei Steuern, Sozialabgaben oder sonstige Versicherungen abgeführt. Die pünktliche Abführung der auf das Honorar zu entrichtenden Steuern (insbesondere Einkommenssteuer) obliegt dem Auftragnehmer.

§ 3 Auftragsabwicklung
Der Auftragnehmer führt die Leistung in eigener Verantwortung aus.
Arbeitszeit und Arbeitsort werden, soweit nicht durch die Eigenart des Auftrags vorgegeben, vom Auftragnehmer selbständig bestimmt.
Der Auftraggeber ist berechtigt, die Werksleistung durch Einzelangaben zu konkretisieren. Weisungen werden dem Auftragnehmer nicht erteilt.
Der Auftragnehmer organisiert den Arbeitsablauf und den Einsatz von Erfüllungsgehilfen selbständig.

§ 4 Arbeitsmittel
Das Arbeitsgerät/die Arbeitsmittel wird/werden vom Auftragnehmer gestellt. 

§ 9 Schlußbestimmungen
Jede Änderung dieses Vertrages bedarf der Schriftform. Mündliche Nebenabreden sind unwirksam."

Am 8. Dezember 2006 wurde der Kläger sodann auf dem Weg von der Arbeit bei C. nach Hause als Fußgänger an einer Lichtzeichenanlage von einem Lastkraftwagen angefahren und schwer verletzt (Schädelhirntrauma Grad I, Fraktur des Jochbeins und des Oberkiefers, Anpassungsstörung). In der Folge machte der Kläger gegenüber dem Haftpflichtversicherer des Unfallgegners (damals F., heute G. Versicherung) Schadensersatzansprüche geltend. Dabei gab er über seinen Prozessbevollmächtigten stets an, freiberuflich/selbständig tätig gewesen zu sein (s. auch Schreiben des RA E. an die F. vom 12. November 2007). Er legte dem Versicherungsunternehmen auf Anforderung u.a. Einkommenssteuerbescheide für die Jahre 2004 bis 2006 vor, in welchen er jeweils ausschließlich Einnahmen aus Gewerbebetrieb und selbstständiger Tätigkeit angegeben und versteuert hatte.

Der Vertrag mit der C. GmbH wurde seitens des Auftraggebers sodann fristgerecht zum 31. Mai 2008 gekündigt. Daraufhin wandte sich der Kläger per E-Mail vom 16. Juli 2008 an die Beklagte. Er teilte mit, dass er am 8. Dezember 2006 einen schweren Unfall erlitten habe. Er wies darauf hin, dass er durch die Kündigung der C. seinen einzigen Auftraggeber verloren habe. Da er den Beruf des Journalisten als Quereinsteiger ohne Berufsausbildung oder Studium ergriffen habe, stehe er nun ohne qualifizierte Berufsausbildung und gesundheitlich angeschlagen am Rande des Abgrunds da.

Auf fernmündliche Nachfrage der Beklagten teilte er mit, er sei freiberuflicher Pressesprecher der Firma C. aus A-Stadt gewesen und habe in der Firma ein Büro gehabt. Auf der Fahrt von diesem Büro zu seiner Wohnung sei er verunglückt.

In einer E-Mail vom 12. August 2008 teilte der Kläger weiter mit, dass er stets und immer in den ordentlichen Arbeitsablauf und die Hierarchie des Unternehmens C. eingebunden gewesen sei. Weiter heißt es dort:

1.    „Feste Arbeitszeiten Montag bis Freitag von 9 bis 18/19 Uhr, nicht selten auch 20 Uhr - nur mit phasenweisen Ausnahmen bei der ich einmal Wöchentlich von Zuhause aus gearbeitet habe (Heimarbeit), gelegentlich auch zwei Mal.
2.    Fester Arbeitsplatz mit fest zugewiesener Durchwahl (bei Heimarbeit automatische, telefonische Umleitung), fester Firmen-Mobilfunknummer und eMail-Adresse 
3.    Obwohl ich mich oft widersetzt habe, unterlag ich der Weisung des Abteilungsleiters und der Geschäftsleitung
4.    Einbindung und Teilnahme auf Anweisung bei Messen und Firmenveranstaltungen
5.    Zugangs- und Weisungsbefugnis für Firmenräume und Gebäude und unterstellten Arbeitskräften im Rahmen meiner Tätigkeit
6.    Weisung zur Geschäftsreisen mit Firmenwagen oder vom Unternehmen angemieteten Fahrzeugen
7.    Kostenerstattung bei Geschäftsreisen wie bei einem Angestellten
8.    Urlaubs- und Krankheitszeiten wurden mit aufgrund einer mündlichen Vereinbarung mit dem GF nicht abgezogen bzw. musste ich nicht gut schreiben".

Durch E-Mail vom 13. August 2008 teilte er mit, dass er „einige Dinge korrigieren/nachträglich klarstellen oder gar komplett zurück nehmen" müsse. Weiter heißt es:

„So ist weitestgehend folgendes korrekt:
Arbeitszeiten: Insgesamt von mir selbständig festgelegte, jedoch den Bedürfnissen und Anforderungen meines Kunden (die Firma C.), angepasste Arbeitszeit (Montag bis Freitag von 9 bis 19 Uhr - mit 30 Minütiger bis einstündiger Pause). In der Regel war ich jedoch erst zwischen 10 und 11 Uhr bei C. und bin, je nach eigenem Ermessen, zwischen 18 Uhr und 20 Uhr gegangen. Die Arbeitszeiten wurde dabei weder manuell noch maschinell erfasst, da ich als externer Dienstleister laut Vertrag ein pauschaliertes Honorar erhalten habe.

Mindestens 1-2 Woche habe ich von meinem Heimbüro aus gearbeitet. Die Arbeitszeiten hier habe ich nach eigenem Ermessen eingeteilt (i.d.R. 6 Std./Tag. - den Rest der Zeit habe ich Verwaltungsaufgaben (z.B. Buchhaltung, Steuer, Akquise weiterer Kunden...) gewidmet.
Arbeitsplatz: Mittelpunkt meiner freiberuflichen Tätigkeit war und ist mein voll eingerichtetes Heimbüro. Bei C. war mir ein fest zugewiesener Arbeitsplatz mit fester Durchwahl (bei Heimarbeit automatische, telefonische Umleitung), fester Firmen-Mobilfunknummer und eMail-Adresse (diese konnte ich auch von meinem Heimcomputer abrufen) zur verbesserten Kommunikation mit der Presse, die ich als meine Hauptaufgabe zu betreuen hatte, eingerichtet. Mein Hauptarbeitsgerät war ein von mir selbst angeschaffter, mobiler PC (Notebook) der Firma C., den ich selbst eingerichtet und gewartet habe.
Freiberufliche, journalistische Tätigkeit: obwohl zeitlich stark durch meine Tätigkeit für C. in Anspruch genommen, habe ich mich stets um Kontaktpflege zu potentiellen Kunden zwecks weiterer, mögliche Aufträge, die ich jedoch aufgrund mangelnder Kapazitäten ablehnen musste. In diesem Zusammenhang hatte ich lange den Aufbau einen redaktionellen und Presse-Büros geplant, was mir jedoch aus Zeitmangel/fehlenden Ressourcen und den Ereignissen vom 8.12. nicht gelang.
Zugangsbefugnis für Firmenräume und dazugehörige Gebäude wurde mir als unabdinglich im Rahmen meiner Tätigkeit gewährt.
Weisungsbefugnis gegenüber anderen Mitarbeiter der Firma C. GmbH war nur insofern bedingt geduldet solange dies im Interesse und Zwecke der Erfüllung meiner beauftragten Leistung geschah. Eine direkt und uneingeschränkte Weisungsbefugnis gegenüber den Mitarbeitern der Firma C. hatte ich nie.

Nicht richtig ist:
Tätigkeit nach Weisungen: nie und zu keinem Zeitpunkt habe ich mich der Weisung eines Abteilungsleiters oder der Geschäftsleitung von C. unterworfen. Dies habe ich meinem Auftraggeber (C.) auch immer wieder klar und deutlich gemacht. Grundsätzlich habe ich im Rahmen unserer vertraglich festgelegten Geschäftsbeziehung lediglich den Anforderungen und Interessen meines Kunden gedient. Richtig ist in diesem Zusammenhang, dass es des Öfteren deswegen zu Auseinandersetzung und Meinungsverschiedenheiten zwischen mir und den Mitarbeitern, ins besondere der Geschäftsleitung, der Firma C. gekommen ist. Messen/Veranstaltung: ebenfalls unrichtig ist, dass ich bei Messen und Firmenveranstaltungen zur Teilnahme angewiesen wurde. Vielmehr war es selbstverständlich, dass ich im Rahmen meiner Aufgaben, zu denen auch die Öffentlichkeits- und Pressearbeit für die C. GmbH auf Veranstaltungen zählt(e), auch an solchen Events teilgenommen habe. Vor Allem dann, wenn ich diese selbst und speziell auf die Presse im Namen von C. ausgerichtet habe. An- und Abreise, Unterbringung sowie Verpflegung habe ich, sofern von C. nicht gestellt, selbständig organisiert und gemäß den gesetzlichen Bestimmungen weiterbelastet.
Weisung zur Geschäftsreisen: dies muss ich auch korrigieren. Alle Geschäftsreisen, ob Messe, Veranstaltung oder Kundenbesuch (Presse) habe ich selbständig organisiert. Die Kosten hierfür habe ich freilich mit C. abgerechnet.
Kostenerstattung bei Geschäftsreisen fanden NICHT wie bei einem Angestellten statt. Ich habe mich an die gesetzlichen Vorschriften gehalten und die Kosten auf Rechnung inkl. Umsatzsteuer erstatten lassen und entsprechend versteuert. 
Alle anderen von mir im vorherigen Schreiben getroffenen Aussagen sind nichtig/ungültig. Ich möchte Sie bitten das vorangegangene Schreibe als gegenstandslos zu werten."

Ferner teilte der Kläger durch E-Mail vom 14. August 2008 mit, dass er Mitte 2005 in Verhandlung mit der Firma H.-IT in H-Stadt in Verhandlung gestanden habe, um auch deren Pressearbeit zu übernehmen - zusätzlich zu seinem Kunden C. Aufgrund von Unvereinbarkeiten bei der Honorarfrage sei es nicht zu dem Auftrag gekommen. Er denke, das sei ein sehr wichtiger Punkt, um weiter zu untermauern, dass er in seiner Eigenschaft als freier Journalist auch bei seiner Tätigkeit für die Firma C. definitiv nicht dort beschäftigt gewesen sei.

Mit Bescheid vom 28. August 2008 lehnte die Beklagte einen Leistungsanspruch des Klägers aus der gesetzlichen Unfallversicherung ab. Wie der Kläger angegeben habe, sei er für das Mitgliedsunternehmen, die Firma C. GmbH, A-Stadt, freiberuflich tätig gewesen. Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung würden jedoch nur Beschäftigte dieses Unternehmens genießen. Da der Kläger kein Beschäftigter gewesen sei, bestehe auch kein Leistungsanspruch aus der gesetzlichen Unfallversicherung. Der Bescheid wurde bestandskräftig.

Gegenüber dem Haftpflichtversicherer des Unfallgegners, F., unterschrieb der Kläger nach mehreren Teilzahlungen am 1. November 2010 eine Abfindungserklärung und akzeptierte die Zahlung einer Abfindungssumme von 125.000,00 € im Hinblick auf alle bisherigen und zukünftigen Ansprüche aus dem Schadensereignis vom 8. Dezember 2006. Der Kläger erklärte dabei im Rahmen der Abfindungserklärung, dass er aus Anlass des Unfallereignisses von dritter Seite, z.B. Trägern der Sozialversicherungen, Zahlungen weder erhalten noch zu erwarten habe. 

Mit E-Mail vom 27. September 2012 und Schreiben vom 8. Oktober 2012 beantragte der Kläger bei der Beklagten eine Überprüfung des Bescheides vom 28. August 2008. Mit formlosem Schreiben vom 8. Oktober 2012 teilte die Beklagte ihm mit, dass es bei der Entscheidung vom 28. August 2008 verbleibe, da ihr keine neuen anderweitigen Erkenntnisse vorliegen würden und vom Kläger auch nicht vorgebracht würden. 

Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein und machte geltend, er sei als Beschäftigter des Unternehmens C. GmbH anzusehen. Er sei in den firmeninternen Arbeitsprozess samt festem Arbeitsplatz, Durchwahl und Arbeitswerkzeug, das von der Firma gestellt worden sei, eingebunden gewesen. Insbesondere sei er weisungsgebunden gewesen. Dies sowohl im Hinblick auf Zeit und Ort der Arbeitsleistung als auch im Hinblick auf Art und Ausführung der von ihm zu verrichtenden Arbeiten. Ferner legte er ein Zeugnis vom 25. Mai 2008 von dem Geschäftsführer J. der Firma C. über seine Tätigkeit als „freiberuflicher Journalist im Bereich Presse- und Öffentlichkeitsarbeit“ vor und führte aus, hieraus werde deutlich, dass er nicht lediglich als Pressesprecher eingesetzt worden sei, sondern in einem hohen Maße auch Aufgaben des Marketings wahrzunehmen gehabt habe. Aufgaben im Bereich des Marketings, aber auch die eines Pressesprechers, unterlägen, aufgrund der besonderen Interessenlage des Auftraggebers in einem hohen Maße der Weisungsgebundenheit durch den Unternehmer. Auch habe er keinerlei unternehmerisches Risiko als Kennzeichen einer selbständigen Tätigkeit getragen. Soweit die getroffenen Vereinbarungen von dem Dienstleistungsvertrag vom 1. Dezember 2004 abweichen würden, komme es auf die tatsächliche Ausgestaltung an, also wie der Vertrag „gelebt" worden sei.

Durch Bescheid vom 26. April 2013 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Überprüfung des Bescheides vom 28. August 2008 ab. Unter Auseinandersetzung mit der Widerspruchsbegründung und den vorgelegten Unterlagen kam die Beklagte zu dem Ergebnis, dass die Entscheidung vom 28. August 2008 nicht anders ausgefallen wäre, wenn die jetzt nachgereichten Unterlagen und Ausführungen im damaligen Feststellungsverfahren bereits bekannt gewesen wären. Es würden keine neuen Erkenntnisse oder Tatsachen im Sinne von § 44 SGB X vorliegen, die für eine Entscheidung wesentlich seien. Die Bindungswirkung des Bescheides vom 28. August 2008 bleibe bestehen, weil die Voraussetzungen für seine Überprüfung nicht vorliegen würden.

Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 3. Juli 2013 zurück.

Gegen den am 8. August 2013 zugegangenen Widerspruchsbescheid hat der Kläger am 2. September 2013 Klage beim Sozialgericht Frankfurt am Main (Sozialgericht) erhoben. Er trägt vor, die ursprünglichen Angaben zur tatsächlichen Ausgestaltung seines Beschäftigungsverhältnisses bei der Firma C. habe er im Jahr 2008 lediglich deshalb korrigiert, weil sein Arbeitgeber ihn dazu angehalten habe, die Antragstellung bei der Beklagten zurückzunehmen, wohl, weil er weitere Konsequenzen für das Unternehmen befürchtet habe. Er selbst sei zum damaligen Zeitpunkt nicht in der Lage gewesen, die Situation richtig einzuordnen und habe befürchtet, bei Festhalten an der Antragstellung von seinem ehemaligen Arbeitgeber einen schlechten Leumund zu erhalten und somit keine neue Anstellung zu finden. Inhaltlich habe er nicht nur als Pressesprecher für die Firma C. gearbeitet, sondern auch in hohem Maße Aufgaben des Marketings wahrgenommen. Er sei an Weisungen durch den Unternehmer gebunden gewesen, wobei dies nicht nur die zu verrichtende Tätigkeit, sondern auch den etwa für Projekte zu beachtenden zeitlichen Rahmen betroffen habe. Er habe eine monatliche Festvergütung erhalten und keinerlei unternehmerisches Risiko getragen. Der Annahme einer Beschäftigung bei der Firma C. stehe auch nicht die Schriftformklausel bei Vertragsänderungen nach § 9 des Dienstleistungsvertrages entgegen. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung sei maßgeblich auf die tatsächlichen Verhältnisse abzustellen, wenn diese von der schriftlichen Vereinbarung abwichen. Auch bei Vereinbarung einer Schriftformklausel könnten mündliche Absprachen gleichwohl bindend sein. Für seine Arbeitnehmerstellung spreche zudem, dass die Firma C. auch in der Zeit der Arbeitsunfähigkeit das Honorar weiterbezahlt habe bis zum Ende der Beschäftigung am 31. Mai 2008. Auch in Zeiten, in denen er urlaubsbedingt abwesend gewesen sei, habe er sein Gehalt ohne Abzüge erhalten. Zudem habe die Rechtsvorgängerin der Beklagten, die K. bei einem von ihm im April 2006 erlittenen Unfall, der in Zusammenhang mit einer Tätigkeit für die Firma C. gestanden habe, die Arztrechnung sowie Transportkosten übernommen, ihn demzufolge als Arbeitnehmer angesehen. Hierbei müsse es nun auch für den hier streitigen Unfall bleiben. Der Kläger hat dazu eine Gesamtauskunft seiner Zeiten der Arbeitsunfähigkeit von seiner Krankenkasse für den Zeitraum November 2005 bis Juni 2010, E-Mail-Korrespondenz mit Mitarbeitern und Geschäftsführern der Firma C. sowie Kontoauszüge zum Nachweis der Auszahlung seines Honorars auch während eines Urlaubs vorgelegt. 

Das Sozialgericht hat die Verwaltungsakte des Haftpflichtversicherers des Unfallgegners und die Verwaltungsakte des Klägers bei der Deutschen Rentenversicherung Bund zum Verfahren beigezogen sowie Unterlagen und Auskünfte der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft (VBG) und der Künstlersozialkasse (KSV). Demnach bestand bei dem Kläger in der Zeit vom 29. März 2001 bis zum 31. Juli 2013 Versicherungspflicht auf Grund selbständiger Tätigkeitsausübung nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG) in der gesetzlichen Rentenversicherung (Schreiben der KSV an das Sozialgericht vom 11. Juli 2017; Schreiben der KSV an die Prozessbevollmächtigte des Klägers vom 15. Mai 2014). Bei der VBG war er als „freier Journalist“ freiwillig unfallversichert vom 24. Oktober 2008 bis zum 23. September 2012 (Auskunft der VBG vom 24. Oktober 2017). Von der DRV Bund erhielt der Kläger seit dem 1. April 2014 Rente wegen Erwerbsminderung (Einschränkung des Leistungsvermögens durch eine depressive Anpassungsstörung, Angst und depressive Störung gemischt und ein chronisches Schmerzsyndrom - Oberkiefer, linke Schulter) auf Grund der Meldung von Beitragszeiten durch die KSV.

In einem Termin vom 12. Juni 2017 hat das Sozialgericht den Kläger persönlich angehört und den damaligen Abteilungsleiter Marketing der Firma C. GmbH L. als Zeugen vernommen. Im Termin zu mündlichen Verhandlung am 18. Januar 2018 hat das Sozialgericht den damaligen Geschäftsführer der Firma C. GmbH J. als Zeugen vernommen und mit Urteil vom gleichen Tag die Beklagte verurteilt, das Ereignis vom 8. Dezember 2006 als Arbeitsunfall anzuerkennen. Die Voraussetzungen für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls nach § 8 SGB VII lägen vor. Insbesondere habe der Kläger zum Unfallzeitpunkt auch unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung gestanden. Denn die Tätigkeit des Klägers für die Firma C. habe Versicherungsschutz als Beschäftigter nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII begründet, so dass der damit in sachlichem Zusammenhang stehende Nachhauseweg ebenfalls versichert gewesen sei. Nach § 7 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung – SGB IV sei der Kläger während seiner Tätigkeit für das Unternehmen C. GmbH abhängig beschäftigt und nicht selbständig tätig gewesen. In dem am 1. Dezember 2004 geschlossenen Dienstleistungsvertrag sei zwar ein „freies Mitarbeiterverhältnis“ gegen Honorar, ohne Entgeltfortzahlung und ohne Urlaubsregelung vereinbart worden und es habe hinsichtlich Arbeitszeit, -dauer, -ort und Art der Ausführung kein umfassendes Weisungsrecht des Unternehmers bestanden. Die tatsächliche Ausgestaltung der Tätigkeit des Klägers falle zur Überzeugung des Sozialgerichts indes anders aus; diese sei für die Beurteilung aber maßgeblich. Für eine abhängige Beschäftigung des Klägers spreche, dass er auch im Falle von Urlaub und Krankheit ohne Gegenleistung Vergütung erhalten habe, im Firmengebäude der C. GmbH über ein eigenes Büro verfügt habe, eine eigene E-Mail-Adresse gehabt habe und damit Dritten gegenüber als Beschäftigter der Firma aufgetreten sei. Letzteres sei nach den Aussagen des Zeugen J. der Firma auch besonders wichtig gewesen. Gegen eine selbständige Tätigkeit spreche zudem, dass der Kläger nach den übereinstimmenden Zeugenerklärungen der Zeugen L. und J. von ihm geschriebene Texte dem Zeugen L. zur Korrektur habe vorlegen müssen und dieser letztlich die Freigabe verfügt habe. Der Kläger sei - so die Zeugen - wie jeder Angestellte der Firma behandelt worden und habe sich auch wie jeder Mitarbeiter in den Urlaubsplan eintragen müssen. Zu dem Dienstleistungsvertrag sei es auf Wunsch des Klägers gekommen. Nach Auffassung des Gerichts sei der Kläger daher nur „auf dem Papier“ als Selbständiger für die Firma C. GmbH tätig geworden, nach den maßgeblichen tatsächlichen Verhältnissen indes als Beschäftigter.

Gegen das ihr am 25. Januar 2018 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 22. Februar 2018 Berufung beim Hessischen Landessozialgericht in Darmstadt eingelegt. 

Sie trägt vor, sie sehe in dem Urteil zwar keine fehlerhafte Bewertung der beiden Zeugenaussagen. Der Vollbeweis eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses könne indes allein durch die beiden Zeugenaussagen nicht erbracht werden. Vielmehr seien bei der notwendigen Gesamtschau auch die bindenden Verwaltungsakte der KSV, der VBG, der F. AG und der Schwenninger BKK zu berücksichtigen. Auch stehe der Annahme einer Weisungsfreiheit des Klägers nicht entgegen, dass er in den Betriebsräumen der Firma C. GmbH tätig gewesen sei. Denn z.B. auch Dienstleistungen zur Unternehmensberatung durch einen selbstständigen Berater würden naturgemäß zumindest teilweise auch in den Betriebsräumen des Auftragsgebers erbracht. Dabei sei der Kläger bei der Firma C. nicht nur als Pressesprecher tätig gewesen, sondern habe in hohem Maße auch Aufgaben des Marketings wahrgenommen nach der Klageschrift an das Sozialgericht vom 4. September 2013. Nach dem ausgestellten Zeugnis der Firma C. hätten dazu auch eigene Recherchemaßnahmen wie z.B. Medienbeobachtung und Reporting über Firmen und Produkterwähnungen in deutschsprachigen Medien und Beobachtung und Berichterstattung über die PR- und Öffentlichkeitsarbeit von Konkurrenzunternehmen gehört. Im Übrigen treffe die Aussage des Klägers vor dem Sozialgericht, er habe für Zeiten des Urlaubs oder Erkrankungen weiterhin Arbeitsentgelt erhalten, ohne das Abzüge erfolgt wären, gerade nicht zu. Sowohl nach dem Schreiben der Firma C. vom 19. Juli 2007 als auch nach dem Schreiben des Klägers vom 27. Juli 2007 sei seitens des Klägers eine Gutschrift wegen Leistungswegfall für insgesamt über 3 Monate erfolgt. Dies bestätige eindeutig, dass gerade keine Lohnfortzahlung während der Arbeitsunfähigkeit des Klägers erfolgt sei. Für einen abhängig beschäftigten Mitarbeiter sei dies absolut unüblich. Gegen eine abhängige Beschäftigung des Klägers spreche auch, dass der Kläger annähernd die Hälfte seiner Arbeitszeit im Home-Office erbracht habe, welches seinerzeit (im Jahr 2006) für abhängig Beschäftigte nicht üblich war. Aus der Kostenübernahme für den früheren Unfall von April 2006 könnten keine inhaltlichen Schlüsse auf den unfallversicherungsrechtlichen Status des Klägers gezogen werden. Denn dieser sei von der Beklagten im Rahmen der Massenverwaltung nicht explizit geprüft worden. Selbst wenn man aber davon ausgehen würde, dass die Beklagte 2006 den Kläger als Arbeitnehmer angesehen habe, könne hieraus kein Rechtsanspruch für den vorliegenden Fall hergeleitet werden.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 18. Januar 2018 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.

Wegen weiterer Einzelheiten zum Sach- und Streitstand im Übrigen wird verwiesen auf die Gerichtsakte (Band I und II) sowie auf die Verwaltungsakte der Beklagten (Band I – III). 

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Beklagten ist erfolgreich. 

Die Beklagte hat im Überprüfungsverfahren mit Bescheid vom 26. April 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Juli 2013 zu Recht die Rücknahme ihres bestandskräftigen Bescheides vom 28. August 2008 sowie die Anerkennung des Ereignisses vom 8. Dezember 2006 als Arbeitsunfall abgelehnt. Das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main (Sozialgericht) war aufzuheben.

Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, wenn sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsakts das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Die Beklagte hat bei Erlass ihres Bescheides vom 28. August 2006 weder das Recht unrichtig angewandt noch ist sie von einem Sachverhalt ausgegangen, der sich als unrichtig erweist. Die Voraussetzungen für die Feststellung eines Arbeitsunfalles nach § 8 SGB VII liegen nicht vor. Nach dieser Vorschrift sind Arbeitsunfälle nur Unfälle infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Eine versicherte Tätigkeit lag im Unfallzeitpunkt nicht vor.

Bindende Feststellungen der Beklagten zum unfallversicherungsrechtlichen Status des Klägers während seiner Tätigkeit für die C. sind nicht getroffen worden. Insbesondere liegt eine ausdrückliche Entscheidung bzw. ein Verwaltungsakt mit der Anerkennung eines Arbeitsunfalls im Verhältnis des Klägers zur C. und der dafür notwendigen Voraussetzung des Versicherungsschutzes nicht vor. Eine solche Bindung folgt entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht aus der Tatsache, dass die Rechtsvorgängerin der Beklagten (die K.) anlässlich eines früheren Unfallereignisses vom 19. April 2006, bei dem der Kläger einen von der C. angemieteten Mietwagen in eine Garageneinfahrt gefahren hatte, einmalig eine Arztrechnung und Transportkosten (2 Rechnungen, insgesamt ca. 800,00 €) übernommen hat. Die Beklagte selbst hat dazu nachvollziehbar vorgetragen, solche Bagatellunfälle würden im Rahmen der Massenverwaltung nicht explizit geprüft, wenn der Verletzte Arbeitnehmer eines Mitgliedes gewesen sei, zumal sie bis zur Ablehnung eines Arbeitsunfalls leistungspflichtig sei. Es gebe zudem keine Belege, wonach beide Unfälle im gleichen rechtlichen Rahmen erfolgt seien. Demnach lag dem Realakt durch die Übernahme des einmaligen Betrages von Seiten der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin kein Regelungswille und Rechtsbindungswille im Hinblick auf den unfallversicherungsrechtlichen Status des Klägers im Verhältnis zur C. zu Grunde. Eine solche Feststellung konnte der Kläger nach dem Maßstab des „Empfängerhorizontes“ eines verständigen Beteiligten (Nomoskommentar: Diering/Timme/Stähler, Sozialgesetzbuch X, 5. Auflage 2019, § 31 Rn. 29 f.) nach den bezüglich dieses Ereignisses noch vorhandenen Unterlagen auch nicht annehmen; der Kläger ist von der Beklagten am 17. Juli 2006 nur im Hinblick auf die Prüfung etwaiger Rückgriffsansprüche gegen Dritte angeschrieben worden. 

Der Kläger war zum Zeitpunkt des Ereignisses am 8. Dezember 2006 nicht als Beschäftigter nach § 2 Abs.1 Satz 1 SGB VII unfallversichert.

Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer von dem Kläger hier geltend gemachten Beschäftigung sind die Legaldefinition in § 7 Abs. 1 SGB IV und die von dem Bundessozialgericht (BSG) entwickelten Leitlinien zur Abgrenzung der (abhängigen) Beschäftigung von der selbstständigen Tätigkeit.

Beschäftigung im Sinne von § 7 Abs. 1 SGB IV ist die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Voraussetzung ist, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem hinsichtlich Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (BSG, Urteile vom 31. März 2017 - B 12 R 7/15 R, vom 18. November 2015 - B 12 KR 16/13 R, vom 11. November 2015 - B 12 KR 10/14 R - jeweils juris; zur Verfassungsmäßigkeit dieser Abgrenzung: BVerfG, Beschluss v. 20. Mai 1996 - 1 BvR 21/96 - juris).

Die Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung bzw. der selbstständigen Tätigkeit setzt voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, d.h. den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei, gegeneinander abgewogen werden (BSG, Urteile vom 18. November 2015, a.a.O., vom 29. Juli 2015 - B 12 KR 23/13 R, vom 14. März 2018 - B 12 R 3/17 R - jeweils juris).

Zur Abgrenzung von Beschäftigung und Selbstständigkeit ist regelmäßig vom - wahren und wirksamen - Inhalt der zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen auszugehen. Auf dieser Grundlage ist eine wertende Zuordnung des Rechtsverhältnisses zum Typus der abhängigen Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit vorzunehmen und in einem weiteren Schritt zu prüfen, ob besondere Umstände vorliegen, die eine hiervon abweichende Beurteilung notwendig machen (BSG, Urteile vom 24. März 2016 - B 12 KR 20/14 R- juris, vom 18. November 2015, a.a.O. und vom 29. Juli 2015, a.a.O.).

Fehlen zwingende gesetzliche Rahmenvorgaben und kann eine Tätigkeit sowohl in der Form einer Beschäftigung als auch in der einer selbstständigen Tätigkeit erbracht werden, so kommt den vertraglichen Vereinbarungen eine gewichtige Rolle zu. Zwar haben die Vertragsparteien es nicht in der Hand, die kraft öffentlichen Rechts angeordnete Sozialversicherungspflicht durch bloße übereinstimmende Willenserklärung auszuschließen. Dem Willen der Vertragsparteien, keine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung begründen zu wollen, kommt nach der Rechtsprechung des BSG aber indizielle Bedeutung zu, wenn dieser Wille den festgestellten sonstigen tatsächlichen Verhältnissen nicht offensichtlich widerspricht und er durch weitere Aspekte gestützt wird bzw. die übrigen Umstände gleichermaßen für Selbständigkeit wie für eine abhängige Beschäftigung sprechen (BSG, Urteile vom 18. November 2015 und vom 14. März 2018 jeweils a.a.O.).

Die Gewichtung und Abwägung der im vorliegenden Fall in Betracht kommenden Indizien ergibt nach Auffassung des Senats, dass von einer selbstständigen Tätigkeit des Klägers im Verhältnis zur C. auszugehen ist, für die der Kläger zum Unfallzeitpunkt tätig gewesen ist. 

Dem Vertrag, den der Kläger mit der C. am 1. Dezember 2004 geschlossen hat, kommt dabei gewichtige Bedeutung zu. Die Tätigkeiten, die der Kläger für die C. von 2004 bis 2008 übernommen hatte, waren die strategische und konzeptionelle Beratung in der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Unternehmens sowie die Übernahme von Aufgaben des Marketings (Konzeption, Ausarbeitung, Ausführung) für das Unternehmen. Ein derartiges Aufgabenfeld kann sowohl in der Form einer Beschäftigung als auch in der einer selbständigen Tätigkeit erbracht werden. Mit ihrem am 1. Dezember 2004 geschlossenen Dienstleistungsvertrag haben die Vertragsparteien den Willen dokumentiert, dass der Kläger das betreffende Aufgabenfeld als freier Mitarbeiter verrichten sollte. Mit dem vereinbarten monatlichen Honorar sollten nach § 2 des Vertrages Steuern und Beiträge zur Sozialversicherung abgegolten sein. Die Auftragsabwicklung sollte durch den Kläger in eigener Verantwortung erfolgen, ebenso die Bestimmung von Arbeitszeit und Ort. Diesem übereinstimmenden Willen der Vertragsparteien steht auf Seiten des Klägers auch nicht ein erhebliches Ungleichgewicht bzw. das Ausnutzen besonderer Umstände durch das Unternehmen entgegen. Nach seinen eigenen Angaben sowie den Angaben des Zeugen J. bei dessen Vernehmung durch das Sozialgericht wollte der Kläger für die C. als freier Mitarbeiter arbeiten. Eine selbstständige Tätigkeit entsprach auch dem gesamten bisherigen Berufsleben des Klägers und wird von ihm auch in den zu den Bewerbungen verfassten Lebensläufen so dargestellt. Nach eigenen Angaben (E-Mail vom 14. August 2008 an die Beklagte) hat sich der Kläger auch während seiner Tätigkeit bei der C. um weitere Auftragnehmer neben der C. bemüht.

Es lässt sich nicht feststellen, dass das praktizierte Vertragsverhältnis diesem Willen der Vertragsparteien, keine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung begründen zu wollen, offensichtlich widerspricht. Vielmehr wird der Wille durch eine Vielzahl von Aspekten gestützt.

Für eine selbständige Tätigkeit spricht zum einen die Art und Abwicklung der Vergütung. So stellte der Kläger das vereinbarte Honorar (anders als ein abhängig Beschäftigter) der C. monatlich in Rechnung. Die Tatsache, dass dieses Honorar vertragsgemäß immer gleich hoch war, steht der Annahme einer freien Mitarbeit nicht entgegen. Denn auf Grund der Eigenheiten der zu erbringenden Leistungen war ein erfolgsabhängiges Entgelt auch nicht zu erwarten (s. dazu LSG Essen, Urteil vom 20. Juni 2018 – L 8 R 934/16 – juris). Zudem ließ das monatliche Honorar nach seiner Höhe auch eine Eigenvorsorge zu. Auch dies ist ein gewichtiges Indiz für eine selbständige Tätigkeit (vgl. BSG, Urteil vom 31. März 2017 – B 12 R 7/15 R – juris). Die Leistung von Bonuszahlungen als Indiz für eine abhängige Beschäftigung, die der Kläger bei seiner Anhörung vor dem Sozialgericht behauptet hat, ist nicht erwiesen, die Zeugen konnten dazu jedenfalls keine Angaben machen.

In Einklang mit der vertraglich vereinbarten freien Mitarbeit hat der Kläger während seiner Tätigkeit für die C. auch für seine soziale Absicherung selbst Sorge getragen. Er war als Selbständiger bei der KSV kranken- und rentenversichert von März 2001 bis Juli 2013; über die von dort an die DRV Bund gemeldete Pflichtbeitragszeiten erhält er seit 2014 auch seine Erwerbsminderungsrente. Auch seine Steuern hat er auf Grund selbständiger Tätigkeit abgeführt (s. Schreiben des Rechtsanwalts E. an die F. vom 12. November 2007).

Auch Arbeitszeit und Arbeitsort des Klägers während seiner Tätigkeit für die C. sprechen jedenfalls nicht gegen die Annahme der vertraglich vereinbarten freien Mitarbeit. Der Kläger hatte zwar nach seinen eigenen Angaben und den Angaben der Zeugen L. und J. in dem Unternehmen ein eigenes Büro und eine eigene E-Mail-Adresse; auf der anderen Seite arbeitete er aber - unstreitig - an mindestens 1 - 2 Tagen wöchentlich im Homeoffice. Zum Zeitpunkt seiner Tätigkeit für die C., das heißt vor mehr als 15 Jahren, war das Homeoffice für abhängig Beschäftigte indes noch völlig unüblich.

In den Gründen des erstinstanzlichen Urteils wird als gewichtiges Argument für eine abhängige Beschäftigung der Umstand angeführt, dass der Kläger auch im Falle von Urlaub und Krankheit eine Vergütung ohne Gegenleistung erhalten habe. Dieser Umstand ist indes nicht erwiesen. Zwar hat der Kläger im Gerichtsverfahren Unterlagen vorgelegt, denen man entnehmen kann, dass er während eines Aufenthalts in Thailand im Mai/Juni 2006 seine monatlichen Rechnungen eingereicht hat, die nach den Kontoauszügen für diese Monate von der C. auch beglichen worden sind. Daraus allein lässt sich aber nicht folgern, dass der Kläger im Falle des Urlaubs eine Fortzahlung der Vergütung bekommen hat; möglich wäre auch, dass er diese zu einem späteren Zeitpunkt dem Unternehmen gutgeschrieben hat. Der Zeuge L. konnte zu einer etwaigen Lohnfortzahlung im Falle von Urlaub und Krankheit bei seiner Vernehmung durch das Sozialgericht keine Angaben machen, selbst der Zeuge J., Geschäftsführer des Unternehmens konnte dies nicht beantworten. Gegen eine Lohnfortzahlung bei Leistungswegfall spricht aber insbesondere der von dem Kläger im Verwaltungsverfahren eingereichte Schriftwechsel mit der C. aus Juli 2007. Danach hat das Unternehmen nach dem Unfall des Klägers im Dezember 2006 und der dadurch bedingten Erkrankung im Wege eines unbürokratischen Kredits zwar zunächst die Rechnungen für Dezember 2006 und die Monate Januar und Februar 2007 beglichen, wegen des Leistungswegfalls für diese Monate aber sodann eine Gutschrift verlangt und von dem Kläger auch bekommen. Dies spricht eindeutig gegen eine Lohnfortzahlung bei Leistungswegfall und für eine praktizierte selbstständige Tätigkeit des Klägers für die C. 

Auch die tatsächliche Ausgestaltung des Vertragsverhältnisses im Hinblick auf Weisungen spricht nach Auffassung des Senats und entgegen der Schlussfolgerungen des Sozialgerichts nicht zwingend für eine abhängige Beschäftigung und gegen eine freie Mitarbeit. Der Kläger selbst hat dazu im gesamten Verfahren widersprüchliche Angaben gemacht. Der Zeuge L. hat vor dem Sozialgericht ausgesagt, dass die Texte des Klägers, die bestimmte Produkte betrafen, von demjenigen Mitarbeiter gegengelesen worden seien, der für das Produkt zuständig war. Eine solche Abstimmung mit dem Produktentwickler ist indes zur Absicherung der Richtigkeit der Texte und Produktinformationen sinnvoll und bei der Tätigkeit des Klägers üblich und vollkommen unabhängig von dem versicherungsrechtlichen Status des Klägers. Der Zeuge L. hat weiter angegeben, er habe dem Kläger auch „Anweisungen“ erteilt, wenn bestimmte Texte geschrieben werden mussten. Auch dies lässt sich nicht zwingend als Argument für eine abhängige Beschäftigung anführen. Für Beratungsleistungen, wie sie der Kläger für die C. erbracht hat, ist es kennzeichnend, dass einzelne „Eckpunkte“ der Leistungen im Rahmen persönlicher Gespräche mit dem Auftraggeber abgestimmt und evaluiert werden müssen (s. dazu LSG Essen, Urteil vom 20. Juli 2018 – L 8 R 934/16 – juris). Im Einklang dazu steht die Darstellung der Tätigkeit eines „freiberuflichen PR Managers“ im Lebenslauf des Klägers (Stand 2009), in der die „Absprache“ mit der Geschäftsleitung, dem Produktmanagement und dem Marketing ausdrücklich aufgeführt ist.

Schließlich lassen sich auch die Indizien, die das Sozialgericht für die Annahme einer Eingliederung des Klägers in die Arbeitsorganisation der C. angeführt hat, relativieren. Die Verpflichtung zur Unterrichtung des Unternehmens von Krankheit und Urlaubsabwesenheit, wie sie der Zeuge L. beschrieben hat (Eintragung in den Urlaubsplan), kann zwar ein Kriterium für eine abhängige Beschäftigung sein, andererseits ist ein solches Verhalten aus organisatorischen Gründen auch von einem freien Mitarbeiter zu erwarten. 

Abgesehen davon, dass sich somit hinsichtlich der tatsächlichen Ausgestaltung des Vertragsverhältnisses Kriterien für eine abhängige Beschäftigung nicht bzw. nur in geringem Maße feststellen lassen, spricht schließlich das Fehlen eines Unternehmensrisikos durch vorgreifliche Investitionen nicht gegen die Annahme einer selbständigen Tätigkeit des Klägers. Reine Dienstleistungen, die hier geschuldet wurden, sind typischerweise nicht mit größeren Investitionen in Werkzeuge, Arbeitsgeräte und Arbeitsmaterialien verbunden (vgl. LSG Essen, Urteil vom 20. Juni 2018, a.a.O.).

Auch über eine freiwillige Versicherung nach § 6 SGB VII ist hier eine versicherte Tätigkeit zum Unfallzeitpunkt nicht begründet. Nach den Unterlagen der VBG war der Kläger erst ab dem 25. Oktober 2008 bei dieser BG als freier Journalist freiwillig unfallversichert.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG, die Entscheidung über die Nichtzulassung der Revision auf § 160 Abs. 2 SGG.

Rechtskraft
Aus
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