Die Klage wird abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
T a t b e s t a n d
Streitig ist die Höhe von Arbeitslosengeld (Alg) nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch SGB III -.
Die Klägerin, die eine Ausbildung zur Krankenschwester absolviert hat, war von 1995 bis 31.12.2013 als Personalleiterin bei Firma C. Schuhhandels GmbH beschäftigt. Das Beschäftigungsverhältnis endete durch Aufhebungsvereinbarung vom 07.06.2013 bzw. 26.06.2013 zum 31.12.2013.
In Ziffer 1 der Aufhebungsvereinbarung heißt es wörtlich:
“Die Parteien sind sich darüber einig, dass das zwischen der C. und der Mitarbeiterin bestehende Arbeitsverhältnis auf Veranlassung der C. wegen dringender betrieblicher Gründe und unter Einhaltung der vertraglichen Kündigungsfrist zum Ablauf des 31.12.2013 (nachfolgend Beendigungsdatum) einvernehmlich aufgehoben wird“.
Die Klägerin erhielt ausweislich Ziffer 2 der Aufhebungsvereinbarung eine Abfindung i. H. v. 132.126 €.
Die Klägerin meldete sich bei der Beklagten zum 01.01.2014 arbeitslos und beantragte die Bewilligung von Alg, das ihr durch Bescheid vom 29.01.2014 ab 18.01.2014 in Höhe eines täglichen Leistungsbetrags von 58,67 € bewilligt wurde; im Zeitraum vom 01.01. 2014 bis 17.01.2014 ruhte der Anspruch wegen eines gezahlten Anspruchs auf r Urlaubsabgeltung.
Durch Bescheid vom 25.03.2014 hob die Beklagte die Entscheidung über die Bewilligung von Alg ab 01.04.2014 auf, weil die Klägerin eine Beschäftigung aufnahm.
Ab 01.04.2014 war die Klägerin im Schuhhaus D. GmbH & Co KG als Personalleiterin beschäftigt. Das Beschäftigungsverhältnis endete durch Aufhebungsvereinbarung vom 30.07.2014 zum 31.08.2014, wobei die Klägerin ab 16.08.2014 bis zum 31.08.2014 unwiderruflich - ohne Lohnfortzahlung - von der Arbeit freigestellt war.
Die Klägerin meldete sich bei der Beklagten am 29.08.2014 erneut arbeitslos und beantragte die Bewilligung von Alg ab dem Zeitpunkt der unwiderruflichen Freistellung.
Die Beklagte bewilligte ihr durch Bescheid vom 29.08.2014 - zunächst vorläufig - ab 10.11.2014 Alg für eine Restanspruchsdauer im Umfang von 286 Tagen und in Höhe eines täglichen Leistungsbetrags von 58,67 €. Im Bescheid war ausgeführt, über den Auszahlungsanspruch für die Zeit vom 18.08.2014 bis 09.11.2014 würde sie noch ein gesondertes Schreiben erhalten. Gleichzeitig nahm die Beklagte im Bescheid vom 29.08.2014 für den Zeitraum vom 18.08.2014 bis 09.11.2014 eine vorläufige Anspruchsminderung (um 84 Tage) vor.
Durch Änderungsbescheid vom 16.09.2014 bewilligte die Beklagte der Klägerin sodann Alg – nunmehr endgültig abschließend – und zwar ab 18.08.2014 (also ohne die Feststellung einer Sperrzeit).
Ab dem 25.09.2014 nahm die Klägerin an einer Maßnahme zur beruflichen Weiterbildung teil, wobei ihr dafür durch Änderungsbescheid vom 10.11.2014 Alg weiterbewilligt worden war.
Ab 16.02.2015 nahm die Klägerin eine selbständige Tätigkeit auf, weshalb die Beklagte die Entscheidung über die Bewilligung von Alg durch Bescheid vom 16.02.2015 ab diesem Tag aufhob.
Die Beklagte bewilligte der Klägerin zugleich einen Gründungszuschuss für die Zeit vom 16.02.2015 bis 15.08.2015.
Im Rahmen ihrer selbständigen Tätigkeit arbeitete die Klägerin u. a. als Dozentin für die IHK sowie als Trainerin und als Businesscoach.
Die Klägerin meldete sich bei der Beklagten am 05.05.2017 erneut arbeitslos und beantragte die Bewilligung von Alg.
Mit Schreiben vom 26.06.2017 teilte die Beklagte der Klägerin mit, sie habe in den letzten zwei Jahren vor dem 05.05.2017 nur weniger als 150 Tage Anspruch auf Arbeitsentgelt zurückgelegt, welches bei der Bemessung ihres Alg berücksichtigt werden könne. Der Bemessung ihres Alg werde daher ein fiktives Arbeitsentgelt zugrunde gelegt (§ 152 Abs. 1 S. 1 SGB III). Das fiktive Arbeitsentgelt richte sich nach der Beschäftigung als „Leiterin Personal“, da sich die Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit für sie in erster Linie auf eine solche Tätigkeit erstrecken würden. Für die Tätigkeit sei eine abgeschlossene Ausbildung erforderlich, weshalb eine Zuordnung zur Qualifikationsgruppe 3 erfolgen müsse (§ 152 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 SGB III).
Durch Bescheid vom 28.06.2017 bewilligte die Beklagte der Klägerin sodann Alg ab 05.05.2017 für eine Anspruchsdauer von 360 Kalendertagen in Höhe eines täglichen Leistungsbetrags von 26,21 €.
Die Klägern erhob dagegen Widerspruch, zunächst per E-Mail und sodann auf den Hinweis der Beklagten vom 03.07.2017 auch schriftlich (Schreiben vom 04.07.2017), der durch Widerspruchsbescheid vom 06.07.2017 u. a. mit der Begründung zurückgewiesen wurde, die Höhe des bewilligten Alg sei nicht zu beanstanden.
Nach § 149 SGB III betrage das Alg 60 % des pauschalierten Nettoentgelts (Leistungsentgelt). Das Leistungsentgelt sei gemäß § 153 Abs. 1 SGB III das um pauschalierte Abzüge verminderte Bemessungsentgelt. Der Bemessungszeitraum umfasse gemäß § 150 SGB III die beim Ausscheiden des Arbeitslosen aus dem jeweiligen Beschäftigungsverhältnis abgerechneten Entgeltabrechnungszeiträume der versicherungspflichtigen Beschäftigungen im Bemessungsrahmen. Die Bemessungsrahmen umfasse ein Jahr; er ende mit dem letzten Tag des letzten Versicherungspflichtverhältnisses vor der Entstehung des Anspruchs. Der einjährige Bemessungsrahmen umfasse vorliegend die Zeit vom 05.05.2016 bis 04.05.2017. Der Bemessungsrahmen werde gemäß § 150 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 SGB III dann auf zwei Jahre erweitert, wenn der Bemessungszeitraum aus dem einjährigen Bemessungsrahmen weniger als 150 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt enthalte. Dies sei bei der Klägerin der Fall, weshalb der Bemessungsrahmen auf die Zeit vom 05.05.2015 bis 04.05.2017 zu erweitern sei. Bemessungsentgelt sei gemäß § 151 Absatz 1 SGB III das durchschnittlich auf den Tag entfallende beitragspflichtige Arbeitsentgelt, das die Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt habe. Im Falle der Klägerin seien auch im zweijährigen Bemessungszeitraum keine 150 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt enthalten. Im Bescheid heißt es weiter, zu Gunsten der Klägerin greife auch nicht § 151 Abs. 4 SGB III, wonach dann, wenn die Arbeitslose innerhalb der letzten zwei Jahre vor der Entstehung des Anspruchs Alg bezogen habe, das Bemessungsentgelt mindestens das Entgelt sei, nach dem das Alg zuletzt bemessen wurde. Die Klägerin habe Alg nur bis 05.02.2015 Alg bezogen, weshalb der letzte Tag dieses Bezugs nicht innerhalb der Zweijahresfrist vom 05.05.2015 bis 04.05.2017 liege und daher nicht das höhere Bemessungsentgelt für den Vorbezug (bis 15.02.2015) von Alg habe herangezogen werden können.
Könne ein Bemessungszeitraum mit Anspruch auf Arbeitsentgelt von mindestens 150 Tagen innerhalb des auf zwei Jahre erweiterten Bemessungsrahmens ebenfalls nicht festgestellt werden, sei gemäß § 152 SGB III als Bemessungsentgelt ein fiktives Arbeitsentgelt zugrunde zu legen. Für die Festsetzung des fiktiven Arbeitsentgelts sei die Arbeitslose der Qualifikationsgruppe zuzuordnen, die der beruflichen Qualifikation entspreche, die für die Beschäftigung erforderlich sei, auf die die Agentur für Arbeit die Vermittlungsbemühungen für die Arbeitslose in erster Linie zu erstrecken habe. Dabei sei zugrunde zu legen für Beschäftigungen, die
1. eine Hochschul- oder Fachhochschulausbildung erfordern (Qualifikationsgruppe
1), ein Arbeitsentgelt in Höhe von einem 3/100 der Bezugsgröße,
2. einen Fachschulabschluss, den Nachweis über eine abgeschlossene Qualifikation als Meisterin oder Meister oder einen Abschluss in einer vergleichbaren Einrichtung erfordern (Qualifikationsgruppe 2), ein Arbeitsentgelt in Höhe von 1/360 der Bezugsgröße,
3. eine abgeschlossene Ausbildung in einem Ausbildungsberuf erfordern (Qualifikationsgruppe 3), ein Arbeitsentgelt in Höhe von einem 1/450. der Bezugsgröße,
4. keine Ausbildung erfordern (Qualifikationsgruppe 4), ein Arbeitsentgelt in Höhe von einem 6/100 der Bezugsgröße.
Da im Falle der Klägerin auch im erweiterten Bemessungsrahmen keine 150 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt festzustellen seien, sei der Bemessung ein fiktives Arbeitsentgelt – hier der Qualifikationsgruppe 3 - zugrunde zu legen. Die Einstufung erfolge dabei als Fachkraft mit Ausbildung nach der Qualifikationsgruppe 3, weil die Klägerin weder ein abgeschlossenes Studium noch eine Qualifikation als Fachwirt oder Meister vorweisen könne. Sei für die Bemessung des Alg ein fiktives Arbeitsentgelt zugrunde zu legen, so komme es für die Zuordnung zur jeweiligen Qualifikationsgruppe in erster Linie darauf an, ob die Arbeitslose über den für die angestrebte Beschäftigung - hier als Leiterin Personal - erforderlichen Berufsabschluss verfüge. Nach der Rechtsprechung werde die Zuordnung der Beschäftigung zu den Qualifikationsgruppen im Rahmen des § 152 Abs. 2 S. 2 SGB III ausdrücklich davon abhängig gemacht, dass entsprechende formelle Berufsabschlüsse vorliegen würden (Bundessozialgericht (BSG) Urteil vom 04.07.2012 - B 11 AL 21/11 R -). Demgemäß komme es nach für die Zuordnung zu den jeweiligen Qualifikationsgruppe grundsätzlich nur darauf an, ob der oder die Arbeitslose tatsächlich über den für die angestrebte Beschäftigung erforderlichen förmlichen Berufsabschluss verfüge. Die Qualifikationsgruppen seien ihrer Grundstruktur nach so angelegt, dass jeweils einem bestimmten Ausbildungsniveau eines Betroffenen ein bestimmtes Entgelt zuzuordnen sei. Die Bezugsgröße nach § 18 des Vierten Buchs Sozialgesetzbuch - SGB IV - betrage jährlich 35.700 €. Für die Qualifikationsgruppe 3 ergebe sich danach ein tägliches Bemessungsentgelt i. H. v. 79,33 € (35.700 € : 1/450.). Das gegenüber dem Jahr 2014 geringere Alg sei zudem der Tatsache geschuldet, dass nunmehr im Jahr 2017 kein Kind mehr steuerlich zu berücksichtigen gewesen sei. Maßgeblich sei die Lohnsteuerklasse V, woraus sich unter Berücksichtigung der gesetzlichen Abzüge ein Leistungsentgelt i. H. v. 43,68 € und damit (nur noch 60 v.H.) ein täglicher Leistungsbetrag i. H. v 26,21 € errechne.
Dagegen hat die Klägerin am 07.08.2019 Klage bei dem Sozialgericht in Darmstadt erhoben. Mit ihr begehrt sie höheres Alg und zwar unter Berücksichtigung des Bemessungsentgelts aus dem Vorbezug, hilfsweise unter Berücksichtigung der Qualifikationsgruppe 1 nach Maßgabe des § 152 SGB III.
Die Beklagte hat durch Änderungsbescheid vom 13.09.2017, der gemäß § 96 Sozialgerichtsgesetz - SGG – Gegenstand des Klageverfahrens geworden ist, die Klägerin der Qualifikationsgruppe 2 (statt bisher drei) zugeordnet und demzufolge den täglichen Leistungsantrag auf 31,30 € angehoben.
Der vom Bevollmächtigten gegen den Änderungsbescheid vom 13.09.2017 erhobene Widerspruch war durch Widerspruchsbescheid vom 03.11.2017 als unzulässig verworfen worden unter Hinweis darauf, dass der Bescheid von 13.09.2017 gemäß § 96 SGG Gegenstand des beim Sozialgericht Darmstadt anhängigen Verfahrens geworden sei und die Durchführung eines gesonderten Widerspruchsverfahrens aus diesem Grunde nicht zulässig sei.
Zur Begründung ihrer Klage hat die Klägerin vorgetragen, auch die Höhe des durch Änderungsbescheid vom 13.09.2017 bewilligten Alg sei nicht zutreffend.
Zu Ihren Gunsten sei § 151 Abs. 4 SGB III anzuwenden, wonach dann, wenn der Arbeitslose innerhalb der letzten zwei Jahre vor der Entstehung des Anspruchs Alg bezogen habe, Bemessungsgrundlage mindestens das Entgelt sein müsse, nach dem das Alg zuletzt bemessen worden sei. Zwischen ihrem letzten Leistungsbezug und dem erneuten Antrag auf Gewährung von Alg, liege ein Zeitraum von weniger als zwei Jahren. Zwar sei die Zahlung des Alg ab 16.02.2015 eingestellt worden; zu berücksichtigen sei aber, dass der Klägerin ab 16.02.2015 ein Gründungszuschuss bewilligt worden sei und zwar in der Höhe des zuvor bewilligten Alg. Der Bezug von Alg und der Bezug eines Gründungszuschusses müsse bei der Anwendung des § 151 Abs. 4 SGB III gleichgesetzt werden. Der Umstand, dass die Klägerin ihren Alg-Anspruch seinerzeit nicht ausgeschöpft, sondern sich für eine selbständige Tätigkeit entschieden habe, dürfe ihr nicht zum Nachteil gereichen. Jede andere Auslegung würde die Klägerin dafür bestrafen, dass sie ihre selbständige Tätigkeit bereits vor Ablauf des Bewilligungszeitraums aufgenommen habe. Hätte sie damit nämlich bis zum Ablauf des Bewilligungszeitraums zugewartet, würde der Anwendung des § 151 Abs. 4 SGB III nichts entgegenstehen. Für diese Auslegung spreche auch die Rechtsprechung des BSG im Urteil vom 13.09.2006 - B 11 AL 21/11 R, wonach der Bezug von Alg und Unterhaltsgeld im Rahmen des § 151 SGB III gleichgesetzt worden sei. Diese Rechtsprechung müsse auch in der vorliegenden Fallkonstellation Anwendung finden.
Hilfsweise macht die Klägerin geltend, im Falle einer fiktiven Bemessung müsse sie der Qualifikationsgruppe 1 zugeordnet werden. Nach dem klaren Wortlaut des Gesetztes sei die Arbeitslose für die Festsetzung des fiktiven Arbeitsentgelts derjenigen Qualifikationsgruppe zuzuordnen, die der beruflichen Qualifikation entspreche, die für die Beschäftigung erforderlich sei, auf die die Agentur für Arbeit die Vermittlungsbemühungen für den betroffenen Arbeitslosen zu erstrecken habe. Maßstab für die Einordnung sei demnach nicht vorrangig die formale Berufsausbildung, sondern die Qualifikation, derer es für die zu vermittelnde Tätigkeit bedürfe. Im Falle der Klägerin sei der Maßstab für die Einordnung ihre Tätigkeit als Personalleiterin. Auf diese Tätigkeit hätten sich auch die Vermittlungsbemühungen der Beklagten bezogen. Dies sei auch allein realistisch, da die Klägerin in ihrem erlernten Beruf als Krankenschwester nur kurzzeitig tätig gewesen sei. Überwiegend - nämlich von 1996 bis 2014 - also fast 20 Jahre, habe sie in verantwortlicher Position im Personalwesen gearbeitet und dabei zuletzt viele Jahre in der qualifizierten Stellung einer Personalleiterin. Für den Beruf, für den die Klägerin formal ausgebildet sei, könne angesichts ihres beruflichen Werdegangs mit einer Vermittlung ernsthaft nicht mehr gerechnet werden. Für die ausgeschriebene Tätigkeit einer Personalleiterin sei jedoch allein die Heranziehung der Qualifikationsstufe 1 sachgerecht und geboten. Es handelte sich dabei um eine Tätigkeit in einer Leitungsfunktion, die regelmäßig von formal höher gebildeten Kräften, nämlich Absolventen einer Hoch- oder Fachhochschule ausgeübt werde. Dies hätten auch die zuletzt unternommenen Bemühungen um eine neue Arbeitsstelle ganz deutlich gezeigt. Sämtliche Stellenausschreibungen seien an Personen gerichtet gewesen, die über eine Hochschul- oder Fachhochschulausbildung verfügten. Auch die Arbeitsstellen, welche die Beklagte der Klägerin zwischenzeitlich selbst vorgeschlagen habe, würden sämtliche als Qualifikationserfordernis eine Hochschulausbildung vorsehen. Dass die Klägerin formal nicht über die in dieser Qualifikationsstufe vorausgesetzte Ausbildung verfüge, sei insoweit ohne Belang. Die Klägerin erfülle die erforderlichen Merkmale der Qualifikationsstufe 1 ohne weiteres aufgrund der umfangreichen Fachkenntnisse, die sie während ihrer jahrelangen Berufserfahrung als Personalleiterin erworben habe. Auch habe sie vielfältige Weiterbildungsmaßnahmen absolviert, weshalb sie der Qualifikationsgruppe 1 zuzuordnen sei. Schließlich entspreche es dem das Recht der Arbeitsförderung prägende Entgeltausfallprinzip, wonach durch das Alg das Arbeitsentgelt ersetzt werden solle, das der Arbeitslose wegen der Arbeitslosigkeit aktuell, also in der potentiell neuen Beschäftigung nicht erzielen könne. Das fiktive Arbeitsentgelt sei somit an den Verdienstmöglichkeiten zu orientieren, die bei erfolgreicher Vermittlung erzielbar seien.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 28.06.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.07.2017 und des Änderungsbescheides vom 13.09.2017 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin ein höheres Arbeitslosengeld auf der Grundlage des Bemessungsentgeltes aus dem Vorbezug von Arbeitslosengeld zu zahlen,
hilfsweise die Bescheide entsprechend zu ändern und die Beklagte zu verpflichten, der Bemessung des Arbeitslosengeldes ein fiktives Arbeitsentgelt gemäß der Qualifikationsgruppe 1 gemäß § 152 SGB III zugrunde zu legen und entsprechend höheres Arbeitslosengeld zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält die verwaltungsseits getroffene Entscheidung für rechtmäßig und bezieht sich dazu insbesondere auf die Begründungen des Bescheides, des Widerspruchsbescheides und des Änderungsbescheides. Ergänzend hat sie mit Schriftsatz vom 08.05.2018 vorgetragen, zu Gunsten der Klägerin greife nicht die Bestandsschutzregelung des § 151 Abs. 4 SGB III. Maßgeblich für dessen Anwendung sei der letzte Bezug von Alg, der vorliegend am 15.02.2015 wegen der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit geendet habe (Aufhebungsbescheid vom 16.02.2015). Der Bezug des Gründungzuschusses bei Ermittlung des Zwei Jahres Zeitraums nach § 151 Abs. 4 SGB III, könne bereits nach dem Gesetzeswortlaut dem Alg Bezug nicht gleichgesetzt werden. Das vom Bevollmächtigten zitierte Urteil des BSG sei im Falle der Klägerin nicht einschlägig. Das Unterhaltsgeld sei eine das Alg ersetzende Leistung gewesen, was man schon daran ersehen könne, dass diese Leistung jetzt „Alg bei Weiterbildung“ heiße und (abgekürzt) als sog. Alg-W gezahlt werde, während der Gründungszuschuss auf einer anderen Rechtsgrundlage und insbesondere auf anderen Voraussetzungen beruhe. Der GZ setzt lediglich einen Alg-Anspruch voraus, stelle aber kein aliud dar. Auch der Einwand der Klägerin, sie hätte besser gestanden, wenn sie den Alg-Anspruch bis 01.06.2015 voll ausgeschöpft und sich erst dann selbständig gemacht hätte, gehe fehl. In diesem Fall hätten ihr die für die Bewilligung des Gründungzuschusses erforderlichen restlichen 150 Tage mit Anspruch auf Alg gefehlt mit der Folge, dass sie keinen Gründungszuschuss hätte beziehen können. Die Höhe des Alg sei daher gemäß § 152 SGB III fiktiv zu bemessen. Nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 04.07.2012 - B 11 AL 21/11 R –) sei für die Frage der Zuordnung in die jeweilige Qualifikationsgruppe in erster Linie der formale Berufsabschluss zu berücksichtigen. Daneben müsse berücksichtigt werden, auf welche Tätigkeit sich die Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit in erster Linie erstrecken würden. Im Falle der Klägerin sei dies eine Tätigkeit als Personalleiterin gewesen. Wie die der Klägerin unterbreiteten Stellenangebote zeigten, erfordere eine solche Tätigkeit aber nicht zwingend eine Hochschul- oder Fachhochschulausbildung. Die Zuordnung zu der Qualifikationsgruppe 2 sei daher sachgerecht.
Ab dem 04.10.2018 steht die Klägerin wieder in einem Beschäftiugnsverhältnis.
Zum weiteren Vorbringen der Beteiligten wird verwiesen auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der über die Klägerin bei der Beklagten geführten Verwaltungsakte, die dem Gericht vorgelegen haben und auszugsweise zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Beratung gemacht worden sind.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Die Klage ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht bei dem örtlich zuständigen Sozialgericht erhoben worden, §§ 57 Abs. 1, 78, 87 Abs. 2, 90 SGG.
Die Klage ist indes nicht begründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 28.06.2017 – nunmehr in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.07.2017 und insbesondere des Änderungsbescheides vom 13.09.2017 – (der gemäß § 96 SGG Gegenstand des anhängigen Klageverfahrens geworden ist), ist von Rechts wegen nicht zu beanstanden. Die Beklagte hat darin zu Recht eine fiktive Bemessung vorgenommen und die Klägerin dabei der Qualifikationsgruppe 2 zugeordnet.
Für die Berechnung der Höhe des Alg sind maßgebend die Vorschriften der §§ 149 ff SGB III.
Nach § 149 SGB III beträgt das Alg 60 v. H. bzw. 67 v. H. des pauschalierten Nettoentgelts (Leistungsentgelt), das sich aus dem Bruttoentgelt ergibt, das die Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat (Bemessungsentgelt).
Gemäß § 153 Abs. 1 SGB III ist das Leistungsentgelt das um pauschalierte Abzüge (das sind die Beiträge zur Sozialversicherung und die Steuern) verminderte Bemessungsentgelt.
Bemessungsentgelt ist gemäß § 151 Absatz 1 SGB III das durchschnittlich auf den Tag entfallende beitragspflichtige Arbeitsentgelt, das die Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat.
Gemäß § 150 Abs. 1 SGB III umfasst der Bemessungszeitraum die beim Ausscheiden des Arbeitslosen aus dem jeweiligen Beschäftigungsverhältnis abgerechneten Entgeltabrechnungszeiträume der versicherungspflichtigen Beschäftigungen im Bemessungsrahmen. Die Bemessungsrahmen umfasst ein Jahr und endet mit dem letzten Tag des letzten Versicherungspflichtverhältnisses vor der Entstehung des Anspruchs.
Der einjährige Bemessungsrahmen umfasst im Falle der Klägerin die Zeit vom 05.05.2016 bis 04.05.2017. In diesem Zeitraum war die Klägerin selbständig tätig, weshalb kein Arbeitsentgelt aus einer versicherungspflichtigen Beschäftigung erzielt wurde.
Der Bemessungsrahmen wird gemäß § 150 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 SGB III in den Fällen, in denen – wie hier - der Bemessungszeitraum aus dem einjährigen Bemessungsrahmen weniger als 150 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt enthält, auf zwei Jahre erweitert.
Kann auch innerhalb des auf zwei Jahre erweiterten Bemessungsrahmens ein Bemessungszeitraum von mindestens 150 Tagen mit Anspruch auf Arbeitsentgelt nicht festgestellt werden, ist nach Maßgabe des § 152 SGB III ein fiktives Arbeitsentgelt zugrunde zu legen.
Zur Überzeugung des erkennenden Gerichts ist die Beklagte zu Recht davon ausgegangen, dass als Bemessungsentgelt ein fiktives Arbeitsentgelt zugrunde zu legen war, weil zu Gunsten der Klägerin die Voraussetzungen des § 151 Abs. 4 SGB III nicht erfüllt sind.
Nach § 151 Abs. 4 SGB III gilt als Bemessungsentgelt dann, wenn Arbeitslose innerhalb der letzten zwei Jahre vor der Entstehung des Anspruchs Alg bezogen haben, mindestens das Entgelt, nach dem das Alg zuletzt bemessen worden ist.
Die Regelung in § 151 Abs. 4 SGB III stellt eine Privilegierung derjenigen Arbeitslosen dar, die eine vorhergehende Arbeitslosigkeit mit Bezug von Alg dadurch beendet haben, dass sie eine Beschäftigung aufgenommen haben, in der sie ein geringeres Entgelt erzielt haben als das nach dem Alg zuletzt berechnet worden ist und die danach erneut arbeitslos werden.
In diesem Fall würde sich - ohne die Besitzstandsregelung des § 151 Abs. 4 SGB III – die Höhe des neuen Anspruchs auf Alg nach dem geringeren Entgelt der zwischen den beiden Zeiten der Arbeitslosigkeit liegenden Beschäftigung berechnet. Um Arbeitslose vor diesen Nachteilen bei Aufnahme einer geringer entlohnten (Zwischen-)Beschäftigung zu schützen und ihre Bereitschaft zu erhöhen, Arbeitslosigkeit auch durch Aufnahme einer geringer entlohnten Beschäftigung zu beenden, schreibt § 151 Abs. 4 SGB III vor, dass bei erneuter Arbeitslosigkeit dem Alg nicht das Entgelt der zwischenzeitlich aufgenommenen - geringer entlohnten - Beschäftigung zugrunde zu legen ist, sondern das höhere Entgelt, das dem früheren Alg zugrunde gelegen hat (vgl. Brand in: Brand, SGB III, 8. Aufl., § 151 Rdnr. 22).
Die Klägerin hat nur bis zum 15.02.2015 Alg bezogen. Ab 16.02.2015 war die Entscheidung über die Bewilligung von Alg aufgehoben worden im Hinblick auf die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit. Damit hat der letzte Tag des Alg-Bezugs nicht innerhalb der Zweijahresfrist vom 05.05.15 bis 04.05.2017 gelegen, weshalb das Bemessungsentgelt aus dem Vorbezug nicht herangezogen werden kann.
Der Bezug des Gründungszuschusses (GZ) nach § 93 SGG III kann zur Überzeugung des erkennenden Gerichts dem Bezug von Arbeitslosengeld im Sinne des §§ 151 Abs. 4 SGB III nicht gleichgestellt werden. Insoweit ist auch die vom Bevollmächtigten der Klägerin zitierte Rechtsprechung des BSG zum Unterhaltsgeld (BSG, Urteil vom 13.09.2006 - B 11 a AL 33/5 R) nicht einschlägig. In dieser Entscheidung hatte das BSG den Bezug von Alg dem Bezug von Unterhaltsgeld im Rahmen des § 131 Abs. 4 SGB III <der Vorgängervorschrift zu § 151 Abs. 4 SGB III> gleichgestellt.
Diese Gleichstellung kann zur Überzeugung des Gerichts in Bezug auf einen GZ aber nicht erfolgen. Der Bezug des GZ ist dem Bezug von Alg (im Unterschied zum Bezug von Unterhaltsgeld) nämlich nicht vergleichbar. Während sowohl der Bezug von Unterhaltsgeld als auch der von Alg nach der Intention des Gesetzgebers als Lohn- bzw. Entgeltersatzleistungen ausgestaltet sind, zielt der GZ darauf, demjenigen, der sich für ein selbständige Tätigkeit entschließt, also durch die Aufnahme der selbständigen Tätigkeit Arbeitslosigkeit beendet, für die ersten Monate des selbständigen Tätigkeit einen Zuschuss zu den Lebenshaltungskosten zu gewähren. Eine Leistungsvoraussetzung dafür ist nur, dass zuletzt noch ein (Rest-)Anspruch auf Alg besteht, der bei Aufnahme der selbständigen Tätigkeit noch mindestens 150 Tage betragen muss. Der GZ zielt damit auf eine andere Interessenslage als der Bezug von Alg bei Fortbestehen von Arbeitslosigkeit.
Wer sich selbständig macht, entfernt sich aus dem auf abhängige Arbeit hin konzipierten System kurzfristiger Entgeltersatzleistungen (ergänzt ggf. nur um die Option der „freiwilligen“ Pflichtversicherung nach dem SGB III).
Der Bezug des GZ ist dem Bezug von Alg daher nicht vergleichbar (s. hierzu auch Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 17.11.2010 - L 12 AL 153/10 -), wesahlb eine bemessung des Alg nach dem bei vorherigen bezug von Alg maßgeblichen BME nicht möglich ist.
Auch der Hilfsantrag der Klägerin ist nicht begründet.
Zur Überzeugung des erkennenden Gerichts kommt eine Zuordnung der Klägerin in die Qualifikationsgruppe 1 nicht in Betracht.
Nach gefestigter Rechtsbrechung des BSG (Urteil vom 03.12.2009 - B 11 AL 42/08 R -, Urteil vom 18.05.2010 – B 7 AL 49/08 R -, Urteil vom 04.07.2012 - B 11 AL 21/11 R -) kommt es im Rahmen des § 152 SGB III für die Zuordnung zur jeweiligen Qualifikationsgruppe, in erster Linie darauf an, ob der Arbeitslose tatsächlich über den für die angestrebte Beschäftigung erforderlichen Berufsabschluss verfügt.
Das BSG hat in diesen Entscheidungen - zu der inhaltsgleichen Vorgängervorschrift des § 132 Abs. 2 S. 2 SGB III - ausgeführt, die Qualifikationsgruppen seien ihrer Grundstruktur nach so angelegt, dass einem bestimmten Ausbildungsniveau des Betroffenen ein bestimmtes Entgelt zugeordnet sei. Zwar müsse eine der Vergangenheit erworbene berufliche Qualifikation nicht immer allein maßgeblich dafür sein, auf welche künftigen Beschäftigungen die Agentur für Arbeit ihrer Vermittlungsbemühungen zu erstrecken habe. Dennoch werde in der Regel die Festlegung der in Betracht kommenden Beschäftigung in hohem Maße von einem förmlichen Berufsabschluss bestimmt. Das BSG hat es in der Entscheidung vom 04.07.2012 (a. a. O.) offengelassen, ob bei der Zuordnung außer dem ursprünglichen Berufsabschluss - einschließlich erfolgreich absolvierter Weiterbildungsmaßnahmen - eine tatsächlich ausgeübte höherwertige Tätigkeit dann entscheidend sein kann, wenn eine Vermittlung in eine entsprechende Beschäftigung aufgrund der bisherigen Tätigkeit - realistisch erscheine.
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze, der das erkennende Gericht sich aus eigener Prüfung und Überzeugung anschließt, ist vorliegend die nunmehr von der Beklagten vorgenommene Einordnung der Klägerin in die Qualifikationsgruppe 2 sachgerecht.
Die Klägerin verfügt über einen viele Jahre zurückliegend erworbenen en Berufsabschluss als examinierte Krankenschwester. Diesen Beruf hat sie nur kurzzeitig ausgeübt, sich dann anders orientiert und über viele Jahre im Bereich Personalwesen gearbeitet, wobei sie dort auch in Leitungsfunktionen tätig war.
Diesem Umstand hat die Beklagte insoweit Rechnung getragen und berücksichtigt, dass die Klägerin insbesondere durch entsprechende Weiterbildungsmaßnahmen - zwar nicht durch förmlichen Abschluss – aber doch höherwertige Qualifikationen erworben hatte. Dies rechtfertigt in Verbindung mit der langjährigen qualifizierten Tätigkeit eine Eingruppierung in die Qualifikationsgruppe 2 (die – formal - einen Fachschulabschluss bzw. den Nachweis über eine abgeschlossene Qualifikation als Meister oder den Abschluss in einer vergleichbaren Einrichtung verlangt). Eine Gleichstellung mit einer Person, die über einen Hochschul- oder Fachhochschulabschluss verfügt, kann wegen des fehlenden formalen Abschlusses nicht erfolgen.
Die von der Beklagten vorgenommene Einstufung folgt auch den Prinzipien der Arbeitsmarktsegmentation in Deutschland, wonach den formalen Ausbildungsabschlüssen immer noch ein sehr hoher Stellenwert zukommt.
Entgegen der Auffassung der Klägerin haben die hier im konkreten Fall ihr von der Beklagten unterbreiteten Arbeitsangebote auch nicht ausschließlich auf solche beschränkt, die eine Hochschul- oder Fachhochschulausbildung erfordert hätten. Die der Klägerin unterbreiteten Stellenangebote haben alternativ entweder eine abgeschlossene Berufsausbildung oder einen Studienabschluss vorausgesetzt (z. B.: Studium/Fachausbildung Personalwesen und mehrjährige Führungserfahrung im Personalbereich; Betriebswirt/Allgemeine Betriebswirtschaft/Fachlehrer/Industriekauffrau).
Die Höhe des der Klägerin unter Berücksichtigung der Qualifikationsgruppe 2 zuerkannte Alg ist daher nicht zu beanstanden, weshalb die Klage abzuweisen war.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gemäß §§ 143, 144 SGG ist die Berufung zulässig.