S 9 AS 201/13

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Darmstadt (HES)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 9 AS 201/13
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 AS 433/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 4 AS 32/21 BH
Datum
Kategorie
Urteil

1.    Die Klage wird abgewiesen.
2.    Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beklagte für die Zeit vom 01. Oktober 2005 bis zum 30. September 2006 zu Recht Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) wegen fehlender Mitwirkung versagt hat.

Der 1961 geborene Kläger beantragte am 30. September 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II.

Mit Schreiben vom 16. November 2005 forderte der Beklagte den Kläger zur Bearbeitung seines Fortzahlungsantrages auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II auf, weitere Unterlagen vorzulegen. Dem Kläger wurde hierzu eine Frist bis zum 23. November 2005 gewährt.

Hiergegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 22. November 2005, bei dem Beklagten eingegangen am 23. November 2005, Widerspruch, welcher mit Widerspruchsbescheid vom 29. November 2005 als unzulässig verworfen wurde.

Mit Bescheid vom 25. November 2005 versagte der Beklagte die beantragten Leistungen ab dem 01. Oktober 2005. Die mit Schreiben vom 16. November 2005 angeforderten Unterlagen und Nachweise seien trotz Belehrung über die Rechtsfolgen nicht vorgelegt worden. Der Bescheid wurde dem Kläger per Zustellungsurkunde am 29. November 2005 zugestellt. Er enthielt eine Rechtsbehelfsbelehrung, wonach gegen den Bescheid innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe Widerspruch erhoben werden könne. Der Widerspruch sei schriftlich oder zur Niederschrift bei der oben genannten Stelle einzulegen.

Im Rahmen eines vor dem Sozialgericht Darmstadt unter dem Aktenzeichen S 19 AS 321/05 ER geführten einstweiligen Rechtsschutzverfahrens reichte der Kläger ein auf den 13. Dezember 2005 datiertes Schreiben ein, welches ausweislich des auf dem Schreiben befindlichen Eingangsstempels am 04. Januar 2006 bei Gericht einging. Er führte dort aus, dass nach zwischenzeitlichem Erlass des Versagungsbescheides vom 25. November 2005 „in vorliegender Sache vorsorglich nunmehr rechtsgemäß auch Klage erhoben“ werde.

Der Beklagte erließ daraufhin am 09. Februar 2006 einen Widerspruchsbescheid, mit welchem der so verstandene Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 25. November 2005 als unzulässig verworfen wurde. Die Frist zur Einlegung des Widerspruchs habe am 30. November 2005 begonnen und am 29. Dezember 2005 geendet. Da der Widerspruch erst am 04. Januar 2006 beim Sozialgericht Darmstadt eingegangen sei, sei zu diesem Zeitpunkt die Frist zur Erhebung des Widerspruchs bereits abgelaufen.

Mit der am 10. März 2006 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Ziel fort. Zur Begründung trägt er vor, dass gegen den Versagungsbescheid des Beklagten durch das Schreiben des Klägers vom 13. Dezember 2005 an das Sozialgericht Darmstadt fristgerecht Widerspruch erhoben worden sei. Dieses Schreiben habe er vor den Weihnachtsfeiertagen persönlich beim Sozialgericht in den Fristenbriefkasten eingeworfen. Auch aus dem Verhalten des damaligen vorsitzenden Richters gehe hervor, dass das fragliche Schreiben spätestens am 27. Dezember 2005 vorgelegen habe und somit keinesfalls erst am 04. Januar 2006 bei Gericht eingegangen sei. Ungeachtet dessen sei aufgrund einer fehlerhaften Rechtsbehelfsbelehrung die Monatsfrist nicht wirksam in Gang gesetzt worden. Der Beklagte habe sich für eine förmliche Zustellung des Versagungsbescheids gegen Zustellungsurkunde entschieden. In solchen Fällen sei es erforderlich, in der Rechtsbehelfsbelehrung auf den Zeitpunkt der Zustellung abzustellen und nicht den ungenauen und missverständlichen Begriff der Bekanntgabe, auf welchen der Beklagte vorliegend abgestellt habe, zu wählen. Aus diesem Grund sei die Jahresfrist anzuwenden, welche von ihm in jedem Fall eingehalten worden sei. Schließlich sei der Versagungsbescheid rechtswidrig. 

Der Kläger beantragt schriftlich,
1.    den Bescheid des Beklagten vom 25. November 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09. Februar 2006 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, dem Kläger Leistungen nach dem SGB II in gesetzlichen Höhe für die Zeit ab dem 01. Oktober 2005 bis zum 30. September 2006 zu bewilligen,
2.    das Schreiben vom 16. November 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. November 2005 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Er stützt sich im Wesentlichen auf seine Darlegungen in den vorgelegten Verwaltungsvorgängen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vortrags der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Verwaltungsakten, die jeweils Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

Die Kammer konnte in der mündlichen Verhandlung vom 14. August 2017 auch in Abwesenheit des Klägers und seines Prozessbevollmächtigten über den Rechtsstreit entscheiden, da der Kläger mit Zustellungsurkunde vom 17. Juni 2017 und sein Prozessbevollmächtigter mit Empfangsbekenntnis vom 14. Juni 2017 über den Termin zur mündlichen Verhandlung informiert und in der Ladung darauf hingewiesen worden waren, dass auch im Falle eines Ausbleibens Beweis erhoben, verhandelt und entschieden werden kann.

Auch bei Berücksichtigung des Umstands, dass über den kurz vor der mündlichen Verhandlung gestellten Befangenheitsantrag des Klägers vor der mündlichen Verhandlung noch nicht entschieden war, hat unter dem Gesichtspunkt des verfassungsrechtlich garantierten Grundsatzes des rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Grundgesetz (GG) kein Anlass bestanden, in der mündlichen Verhandlung vom 14. August 2017 wegen des Nichterscheinens des Klägers nicht durch Urteil zu entscheiden, sondern zu vertagen. Der Kläger durfte nicht auf Grund seines Ablehnungsgesuchs mit einer Verlegung des Termins und einer Vorlage des Ablehnungsgesuchs an einen anderen Richter rechnen. Er musste vielmehr die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass die Kammer über dieses noch am Terminstag durch verkündeten und sofort rechtskräftigen Beschluss auf Grund mündlicher Verhandlung entscheiden würde (vgl. hierzu Bundessozialgericht (BSG), Beschluss vom 01. August 2000 – B 9 SB 24/00). Für den Fall der Verwerfung des Gesuchs – wie geschehen – durfte die Kammer sodann in unveränderter Besetzung zur Hauptsache mündlich verhandeln und entscheiden. Darum konnte der Kläger auch nicht damit rechnen, dass eine Terminsverlegung erfolgen würde. Denn das hätte das Vorliegen eines erheblichen Grundes erfordert (vgl. B. Schmidt in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage 2017, § 110 Rn. 4b). Ein solcher erheblicher Grund war aus den oben dargelegten Gründen in dem Ablehnungsgesuch nicht zu sehen. Ein sonstiger Vertagungsgrund war nicht ersichtlich.

Die Kammer war nicht wegen des Ablehnungsgesuchs vom 14. August 2017 daran gehindert, über den Rechtsstreit zu verhandeln und zu entscheiden, da das Ablehnungsgesuch unzulässig ist. 

Gemäß § 60 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 42 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) findet die Ablehnung gegen einen Richter wegen der Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Dabei kommen nur objektive Gründe infrage, die vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtungsweise die Befürchtung erwecken können, der Richter stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber. Entscheidend ist, ob ein am Verfahren Beteiligter bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit des Richters zu zweifeln (Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 16. Februar 1995 – 2 BvR 1852/94). Die Ablehnung kann jedoch nicht auf die Verfahrensweise oder die bloße Rechtsauffassung eines Richters gestützt werden, denn in dem Ablehnungsverfahren geht es allein um die Parteilichkeit des Richters und nicht um die Richtigkeit seiner Handlungen und Entscheidungen, deren Überprüfung allein den Rechtsmittelgerichten vorbehalten ist. Die Prüfung von Rechts- bzw. Verfahrensverstößen kann allenfalls dann die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen, wenn Gründe dargetan werden, die dafür sprechen, dass das mögliche Fehlverhalten auf einer unsachlichen Einstellung des Richters gegenüber dem ablehnenden Beteiligten oder auf Willkür beruht. Die Fehlerhaftigkeit muss ohne weiteres feststellbar und gravierend sein sowie auf unsachliche Erwägungen schließen lassen. Dies ist nur dann anzunehmen, wenn der abgelehnte Richter die in seiner richterlichen Tätigkeit gesetzten Schranken missachtet und Grundrechte verletzt hat oder wenn in einer Weise gegen Verfahrensregeln verstoßen wurde, dass sich bei dem Beteiligten der Eindruck der Voreingenommenheit aufdrängen konnte (Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 25. Juli 2011 – L 11 SF 157/11 AB m.w.N.).

Die Kammer konnte in der vorstehenden Besetzung über das Ablehnungsgesuch vom 14. August 2017 entscheiden. Zwar entscheidet grundsätzlich gemäß § 45 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 60 SGG über einen Ablehnungsantrag das Gericht, dem der abgelehnte Richter angehört, jedoch durch einen anderen Richter (§ 45 Abs. 2 ZPO). Abweichend von der Regelung des § 45 Abs. 2 ZPO darf der abgelehnte Richter aber selbst über ein rechtsmissbräuchliches oder sonst offensichtlich unzulässiges Ablehnungsgesuch mitentscheiden (h.M.; vergleiche nur Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage 2017, § 60 Rn. 10d m.w.N.). Voraussetzung hierfür ist, dass das Ablehnungsgesuch völlig ungeeignet ist und es sich bloß um eine formale Entscheidung handelt. Hierunter fallen etwa die Fälle, dass das Befangenheitsgesuch allein in Verschleppungsabsicht gestellt wurde, d. h. wenn der Antragsteller ausschließlich eine Verzögerung des Verfahrens bezweckt oder wenn der Antragsteller sonst allein verfahrensfremde Zwecke verfolgt, z. B. um Richter, die eine missliebige Rechtsansicht vertreten, auszuschalten oder einen Termin zur mündlichen Verhandlung zu verhindern. Völlig ungeeignet ist ein Ablehnungsgesuch z. B. dann, wenn in der Begründung keinerlei substantiierte Tatsachen vorgetragen werden oder nur Tatsachen, die Befangenheit unter keinem denkbaren Gesichtspunkt begründen lassen (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage 2017, § 60 Rn. 10b, 10c und 10d m.w.N.).

Diese Voraussetzungen liegen bezüglich des Ablehnungsgesuchs vom 14. August 2017 gegen die Vorsitzende der 9. Kammer, Richterin C., vor. Das Ablehnungsgesuch des Klägers diente zur Überzeugung der Kammer ausschließlich der Verhinderung der mündlichen Verhandlung. Der Termin zur mündlichen Verhandlung war dem Kläger ausweislich der Zustellungsurkunde vom 17. Juni 2017 bereits knapp zwei Monate vor dem vorgesehenen Verhandlungstermin bekannt. Erst am Morgen der mündlichen Verhandlung übermittelte der Kläger das Ablehnungsgesuch um 05:57:09 Uhr per Fax. Das Ablehnungsgesuch des Klägers diente insoweit lediglich dazu, eine Entscheidung durch die Vorsitzende der 9. Kammer zu verhindern. Dies wird insbesondere dadurch deutlich, dass sämtliche Ausführungen des Klägers keinerlei Bezug zu dem vorliegenden Verfahren aufweisen, denn die Vorsitzende hat in dem vorliegenden Verfahren lediglich die Anberaumung der mündlichen Verhandlung vorgenommen. Weitere Äußerungen oder Handlungen durch die Vorsitzende liegen nicht vor. Es steht daher zur Überzeugung der Kammer fest, dass das Befangenheitsgesuch von dem Kläger angebracht wurde, um die Erledigung des Hauptsacheverfahrens zu verzögern.

Die auf Aufhebung des Versagungsbescheids vom 25. November 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09. Februar 2006 gerichtete Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG) ist zulässig, aber unbegründet.

Die von dem Kläger am 10. März 2006 erhobene Klage ist zulässig.

Das Begehren des Klägers kann statthaft nur mit der reinen Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 SGG) geltend gemacht werden. Gegen die Versagung einer Sozialleistung wegen fehlender Mitwirkung ist grundsätzlich nur die isolierte Anfechtungsklage gegeben, weil es an einer behördlichen Sachentscheidung über den Leistungsanspruch noch fehlt und über die Aufhebung des Versagensbescheids hinaus regelmäßig kein schützenswertes Interesse an einer gerichtlichen Entscheidung besteht (BSG, Urteil vom 17. Februar 2004 – B 1 KR 4/02 R; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 31. Januar 2008 – L 21 R 187/05). Streitgegenstand eines solchen Rechtsstreits ist nicht der materielle Anspruch, sondern die Auseinandersetzung über Rechte und Pflichten der Beteiligten im Verwaltungsverfahren. Die Verpflichtung der Behörde zur nochmaligen Entscheidung über den ursprünglichen Antrag ergibt sich bei der Aufhebung des Versagensbescheids von selbst. Ziel der gegen einen Versagungsbescheid wegen fehlender Mitwirkung gerichteten Klage ist insoweit das Begehren, das Verwaltungsverfahren nach dessen Aufhebung fortzusetzen (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 31. Januar 2008 – L 21 R 187/05). Aus diesem Grund ist gegen die Versagung einer Sozialleistung grundsätzlich nur die reine Anfechtungsklage statthaft. Dies gilt auch, wenn die Gewährung existenzsichernder Leistungen nach dem SGB II im Streit steht (BSG, Urteil vom 01. Juli 2009 – B 4 AS 78/08 R). 

Die Klage ist jedoch unbegründet.

Der Bescheid des Beklagten vom 25. November 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09. Februar 2006 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

Der Bescheid des Beklagten vom 25. November 2005 ist gemäß § 77 SGG in der Sache bindend geworden, da der Kläger gegen den Bescheid vom 25. November 2005 nicht fristgerecht Widerspruch erhoben hat.

Nach § 84 Abs. 1 Satz 1 SGG ist der Widerspruch binnen eines Monats, nachdem der Verwaltungsakt dem Beschwerten bekanntgegeben worden ist, schriftlich oder zur Niederschrift bei der Stelle einzureichen, die den Verwaltungsakt erlassen hat.

Die Bekanntgabe eines Verwaltungsaktes (vgl. § 37 SGB X) ist die zielgerichtete Mitteilung des Inhalts des Verwaltungsakts durch die Behörde an den Bekanntgabe-Empfänger; auf dessen tatsächliche Kenntnisnahme kommt es nicht an, es genügt, dass er nach dem normalen Verlauf der Umstände die Möglichkeit hatte, Kenntnis zu nehmen (vgl. BSG, Urteil vom 04. September 2013 – B 10 EG 7/12 R). Eine bestimmte Form der Bekanntgabe eines Bescheides ist nicht vorgeschrieben (vgl. § 37 SGB X).

Diese Voraussetzungen für eine Bekanntgabe werden durch die Zustellung des Bescheides vom 25. November 2005 an den Kläger mittels Zustellungsurkunde am 29. November 2005 erfüllt. Die einmonatige Widerspruchsfrist lief danach bis zum 29. Dezember 2005. 

Diese einmonatige Widerspruchsfrist hat der Kläger versäumt. Ausdrücklich hat der Kläger zu keinem Zeitpunkt Widerspruch gegen den Bescheid vom 25. November 2005 erhoben. Zu Gunsten des Klägers wurde ein Schreiben in dem Verfahren S 19 AS 321/05 ER, mit welchem der Kläger wörtlich „in vorliegender Sache vorsorglich nunmehr rechtsgemäß auch Klage“ erhob, als Widerspruch gegen den Versagungsbescheid vom 25. November 2005 gewertet. Dieses Schreiben des Klägers vom 13. Dezember 2005 ist bei Gericht jedoch erst am 04. Januar 2006, und damit nach Ablauf der Monatsfrist des § 84 Abs. 1 Satz 1 SGG, eingegangen. Der Eingang des Schreibens am 04. Januar 2006 wird durch den darauf befindlichen Eingangsstempel bestätigt. Anhaltspunkte dafür, dass das Schreiben bereits zu einem früheren Zeitpunkt (ungestempelt) zu den Akten gelangt und erst danach mit einem Eingangsstempel versehen worden wäre, sind nicht ersichtlich. 

Die Monatsfrist des § 84 Abs. 1 Satz 1 SGG ist im vorliegenden Fall auch maßgebend, da entgegen der Rechtsauffassung des Klägers die dem Bescheid vom 25. November 2005 beigefügte Rechtsbehelfsbelehrung keine Unrichtigkeit im Sinne des § 66 Abs. 2 Satz 1 SGG aufwies. Mithin kann er sich auch nicht darauf berufen, dass ihm in Anwendung dieser Vorschrift eine Frist von einem Jahr zur Widerspruchseinlegung zur Verfügung gestanden habe.

Nach § 66 Abs. 1 SGG beginnt die Frist für ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf nur dann zu laufen, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf, die Verwaltungsstelle oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich oder elektronisch belehrt worden ist.

Die Voraussetzungen für eine richtige, die Monatsfrist in Lauf setzende Rechtsbehelfsbelehrung sind nach dieser Vorschrift – neben der Form schriftlich oder zur Niederschrift – als inhaltliche Anforderungen die Bezeichnung des statthaften Rechtsbehelfs, hier ein Widerspruch, der zuständigen Stelle, an welche er zu richten ist, und die einzuhaltende Widerspruchsfrist. Nach dem Sinn und Zweck der Vorschriften, den Beteiligten ohne Gesetzeslektüre die ersten Schritte zur Wahrung ihrer Rechte zu ermöglichen, muss die Rechtsbehelfsbelehrung auch eine Belehrung über den wesentlichen Inhalt der bei der Einlegung des Rechtsbehelfs zu beachtenden Formvorschriften beinhalten („Wegweiserfunktion“). Andererseits darf die Rechtsbehelfsbelehrung nicht mit weiteren Informationen überfrachtet sein; diese sind jedoch unschädlich, wenn sie richtig und vollständig sind, dürfen aber nicht Verwirrung stiften oder den Eindruck erwecken, die Rechtsverfolgung sei schwieriger als sie in Wirklichkeit ist (st. Rspr., vgl. BSG, Beschluss vom 07. Juli 1999 – B 3 P 4/99 R; BSG, Urteil vom 14. März 2013 – B 13 R 19/12 R; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl. 2017, § 66 Rn. 5, 10).

Ob die unrichtige Rechtsbehelfsbelehrung für die Fristversäumnis des Betroffenen ursächlich war, ist grundsätzlich unerheblich (BSG, Beschluss vom 21. Mai 2003   B 6 KA 20/03 B; BSG, Urteil vom 09. April 2014 − B 14 AS 46/13; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl. 2017, § 66 Rn. 12). Nur bei an sich in der Rechtsbehelfsbelehrung nicht notwendigen, aber fehlerhaften Angaben müssen diese zumindest abstrakt Einfluss auf die verspätete Einlegung des Rechtsbehelfs gehabt haben, um zu einer Unrichtigkeit der Rechtsbehelfsbelehrung zu führen (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl. 2017, § 66 Rn. 12).

Die von einer Rechtsbehelfsbelehrung zu wahrenden (Mindest-)Voraussetzungen werden von der des Bescheids vom 25. November 2005 erfüllt. Hinsichtlich der schriftlichen Form und der inhaltlichen Anforderungen an die Bezeichnung des statthaften Rechtsbehelfs, hier eines Widerspruchs, und der zuständigen Behörde, an die er zu richten ist, ist dies zwischen den Beteiligten nicht umstritten. Entgegen dem Vorbringen des Klägers wird mit diesem Satz auch in zutreffender Weise über den Beginn der Widerspruchsfrist mit der Bekanntgabe des Bescheids als weitere Voraussetzung für eine richtige Rechtsbehelfsbelehrung belehrt, obgleich der Bescheid dem Kläger mittels Zustellungsurkunde zugestellt wurde.

Dies folgt schon aus dem Wortlaut des § 84 SGG, nach dessen Abs. 1 Satz 1 der Widerspruch binnen eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts zu erheben ist. Die Bekanntgabe umfasst dabei auch eine Zustellung. Dies entspricht auch der Definition des Begriffs Zustellung in der heutigen Fassung des § 2 Abs. 1 VwZG. Zustellung ist danach die Bekanntgabe eines schriftlichen oder elektronischen Dokuments in der in diesem Gesetz bestimmten Form. Ähnlich lautet auch § 166 Abs. 1 ZPO. Darüber hinaus bleiben nach der in § 37 Abs. 5 SGB X enthaltene Regelung die „Vorschriften über die Bekanntgabe eines Verwaltungsakts mittels Zustellung unberührt“. Eine Zustellung ohne Bekanntgabe ist insoweit auch nach früherem Recht nicht vorstellbar. 

Der Begriff der Bekanntgabe ist entgegen älteren Urteilen des BSG (vgl. nur BSG, Urteil vom 27. September 1983 – 12 RK 75/82) nicht mehr ungenau und missverständlich, wie seine obige Beschreibung belegt. Vielmehr ist eine Rechtsbehelfsbelehrung, die für den Beginn der Widerspruchsfrist den im Gesetz verwandten Begriff der Bekanntgabe gebraucht, weder irreführend noch unrichtig, auch wenn der angefochtene Bescheid in der besonderen Form der Zustellung – vorliegend mittels Zustellungsurkunde – bekanntgegeben wird. Die Bekanntgabe, die den Fristlauf auslöst, besteht dann in der Zustellung. Eine genauere Bezeichnung des die Widerspruchsfrist in Lauf setzenden Ereignisses bedarf es in einem solchen Falle nicht. Die Belehrung, die Widerspruchsfrist beginne mit der Bekanntgabe des Bescheids zu laufen, kann keinen Irrtum des Adressaten über den Beginn der Rechtsbehelfsfrist hervorrufen und dadurch die rechtzeitige Widerspruchseinlegung erschweren, wenn der Bescheid dem Adressaten im Wege der Zustellung mittels Zustellungsurkunde bekannt gegeben worden ist. Denn bei dieser Zustellungsart ist die Zustellung auch aus Sicht des Empfängers stets zugleich die Bekanntgabe. Daran kann ein Zustellungsempfänger bei vernünftiger Überlegung nicht zweifeln (vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Beschluss vom 31. Mai 2006   6 B 65/05).

Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aus dem von dem Kläger zitierten Urteil des BSG vom 09. Dezember 2008 (B 8/9 b SO 13/07 R). In jenem Verfahren war dem Kläger der angefochtene Widerspruchsbescheid per Einschreiben zugestellt worden. Die Rechtsbehelfsbelehrung, wonach die Klage einen Monat „nach Zustellung“ (nicht nach Bekanntgabe) zu erheben war, wurde als richtig angesehen, weil es nicht nur folgerichtig, sondern sogar erforderlich sei, dass in der Rechtsbehelfsbelehrung auf den Zeitpunkt der Zustellung und nicht der Bekanntgabe abgestellt werde, wenn der Versicherungsträger sich für den Weg der förmlichen Zustellung entscheide. Daraus kann jedoch für die Entscheidung des vorliegenden Verfahrens nichts Zwingendes hergeleitet werden. Auch wenn in solchen Fallkonstellationen, in denen in der Rechtsbehelfsbelehrung auf die tatsächliche Art der Bekanntgabe durch Zustellung Bezug genommen wird, die Rechtsbehelfsbelehrung nicht unrichtig ist, bedeutet dies nicht in einer Art Umkehrschluss, dass eine Rechtsbehelfsbelehrung, die auf die gesetzlich vorgesehene Bekanntgabe verweist, unrichtig ist, wenn nicht nur eine formlose Bekanntgabe, sondern eine Zustellung erfolgt. Denn aus der tragenden Aussage des Urteils vom 09. Dezember 2008, dass eine Rechtsbehelfsbelehrung nicht unrichtig ist, die nicht auf den im Gesetz verwendeten Begriff Bekanntgabe verweist, sondern auf die tatsächlich vorgenommene Zustellung, folgt nicht zwingend, dass immer, wenn seitens der Behörde eine Zustellung erfolgt, in der Rechtsbehelfsbelehrung begrifflich nur auf die Zustellung und nicht auf die in der Zustellung liegende Bekanntgabe für den Fristbeginn Bezug genommen werden darf (BSG, Urteil vom 09. April 2014 − B 14 AS 46/13).

Darüber hinaus sind keine Gesichtspunkte zu erkennen, aus denen sich eine Unrichtigkeit der Rechtsbehelfsbelehrung des angefochtenen Bescheids nach § 66 Abs. 1 SGG ergibt.

Wiedereinsetzung bei verspätetem Widerspruch nach § 67 SGG ist dem Kläger nicht zu gewähren, weil er eine solche nicht beantragt hat und darüber hinaus auch kein Grund zu erkennen ist, wieso er ohne Verschulden verhindert war, die Widerspruchsfrist einzuhalten.

Die auf Gewährung von Leistungen vom 01. Oktober 2005 bis zum 30. September 2006 gerichtete Leistungsklage ist unzulässig. 

Bei einem reinen Versagungsbescheid, wie er vorliegend gegeben ist, ist eine Leistungsklage grundsätzlich unzulässig. § 54 Abs. 4 SGG findet hierbei grundsätzlich keine Anwendung, da eine Leistungsklage allgemein voraussetzt, dass die Verwaltung gerade über die begehrte Leistung entschieden hat (BSG, Urteil vom 25. Oktober 1988 – RAr 70/87), also über die materiellen Voraussetzungen des Anspruchs auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes. Davon kann indes keine Rede sein, wenn die Verwaltung gemäß § 66 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) bis zur Nachholung der Mitwirkung eine Leistung versagt, weil der Antragsteller seiner Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen ist. Eine solche Entscheidung setzt nämlich nicht voraus, dass die Anspruchsvoraussetzungen der geltend gemachten Sozialleistung nicht erfüllt sind. Der § 66 Abs. 1 SGB I erlaubt es dem Leistungsträger gerade ohne weitere Ermittlungen, also ohne abschließende Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen bis zur Nachholung der Mitwirkung, die Leistung zu versagen. Maßgeblich ist allein, ob die in § 66 SGB I geregelten Voraussetzungen bei dem Erlass des Versagungsbescheides gegeben waren. Dies hat zur Folge, dass die Anfechtung einer Versagung grundsätzlich nicht mit einer Leistungsklage verbunden werden kann, die Versagung vielmehr allein mit der Anfechtungsklage anzugreifen ist, so dass sich die gerichtliche Überprüfung eines auf § 66 SGB I gestützten Bescheides auf die in dieser Vorschrift bestimmten Voraussetzungen für die Versagung der Leistung zu beschränken pflegt (BSG, Urteil vom 25. Oktober 1988 – RAr 70/87).

Eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage ist im Falle eines Versagungsbescheides nur ausnahmsweise dann zulässig, wenn die anderweitige Klärung der Leistungsvoraussetzungen behauptet wird oder zwischen den Beteiligten unstreitig ist (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 22. September 2016 – L 7 AS 3613/15) und sich bei einer Aufhebung der Entscheidung über die Versagung wegen fehlender Mitwirkung das bisherige Verwaltungsverfahren lediglich wiederholen würde (BSG, Beschluss vom 25. Februar 2013 – B 14 AS 133/12 B). Dieser Rechtsprechung liegt der Gedanke zugrunde, es wäre „aus prozessökonomischen Gründen nicht sinnvoll und aus Rechtsschutzgründen nicht vertretbar“, lediglich die Versagung wegen mangelnder Mitwirkung aufzuheben und den Versicherten auf ein neu in Gang zu setzendes Verfahren zu verweisen, wenn bereits alle Leistungsvoraussetzungen nachgewiesen seien. Eine solche Konstellation ist vorliegend aber nicht gegeben, da der Kläger bereits die Entscheidungserheblichkeit der vom Beklagten geforderten Informationen (weiterhin) bestreitet und der Beklagte seinerseits die anderweitige Klärung der Leistungsvoraussetzungen bestreitet. Die Kammer hat im vorliegenden Verfahren daher nicht zu prüfen, ob der Kläger für den streitigen Zeitraum mit Erfolg Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts beanspruchen kann.

Soweit der Kläger sich darüber hinaus mit der vorliegenden Klage gegen den Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 29. November 2005 wendet, ist die Klage unzulässig. Die erhobene Anfechtungsklage ist nicht statthaft.

Die Aufforderung zur Mitwirkung stellt materiell keinen Verwaltungsakt dar. Die Anfechtungsklage setzt gemäß § 54 Abs. 1 SGG voraus, dass diese sich gegen einen Verwaltungsakt richtet (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage 2017, § 54 Rn. 8). Gemäß § 31 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) ist Verwaltungsakt jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Ein Verwaltungsakt ist somit auf eine unmittelbare, für die Betroffenen verbindliche Regelung von Rechten und Pflichten oder eines Rechtsstatus gerichtet, d. h. darauf, mit dem Anspruch unmittelbarer Verbindlichkeit und mit der Bestandskraft fähiger Wirkung unmittelbar subjektive Rechte der Betroffenen zu begründen, aufzuheben, abzuändern oder verbindlich festzustellen, oder aber darauf, die Begründung, Aufhebung, Abänderung oder Feststellung unmittelbar verbindlich abzulehnen. Ein Verwaltungsakt liegt somit nicht vor, wenn eine auf eine gesetzliche Grundlage gestützte Entscheidung noch keinen verbindlichen Charakter haben soll, diese Wirkung vielmehr erst einem anderen, späteren Akt zukommen soll. Sinn und Zweck der in diesem Sinne geforderten verbindlichen – also endgültigen – Regelung ist unter anderem auch, die darin ausgesprochene Regelung zu vollstrecken.

Das Verlangen nach § 60 Abs. 1 SGB I kann nicht vollstreckt werden und begründet keine unmittelbaren Rechte oder Pflichten. Nach § 60 Abs. 1 SGB I hat derjenige, der Sozialleistungen beantragt oder erhält, 1. alle Tatsachen anzugeben, die für die Leistung erheblich sind, und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers der Erteilung der erforderlichen Auskünfte durch Dritte zuzustimmen, 2. Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind oder über die im Zusammenhang mit der Leistung Erklärungen abgegeben worden sind, unverzüglich mitzuteilen und 3. Beweismittel zu bezeichnen und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers Beweisurkunden vorzulegen oder ihrer Vorlage zuzustimmen.

Kommt derjenige, der eine Sozialleistung beantragt oder erhält, seinen Mitwirkungspflichten nach den §§ 60 bis 62, 65 nicht nach und wird hierdurch die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert, kann der Leistungsträger ohne weitere Ermittlungen die Leistung bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz oder teilweise versagen oder entziehen, soweit die Voraussetzungen der Leistung nicht nachgewiesen sind. Dies gilt entsprechend, wenn der Antragsteller oder Leistungsberechtigte in anderer Weise absichtlich die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert. Trotz der Formulierung „hat alle Tatsachen anzugeben“ folgt aus der Vorschrift des § 60 SGB I, dass der Leistungsträger die Angabe von Tatsachen nur verlangen kann. Eine Pflicht, dem Verlangen nachzukommen, besteht für den Leistungsempfänger nicht. Der Betroffene hat es vielmehr in der Hand, dem geforderten Verlangen nachzukommen oder sich zu weigern. Daher kann das Verlangen nicht vollstreckt werden. Die Weigerung, dem vom Leistungsträger Verlangten nachzukommen, ist aber kraft Gesetzes nicht folgenlos. Der Leistungsträger kann ohne weitere Ermittlungen die Leistung bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz oder teilweise versagen oder entziehen, soweit die Voraussetzungen des § 66 SGB I vorliegen. Somit enthält erst diese weitere auf § 66 SGB I gestützte, im Ermessen der Behörde stehende Entscheidung eine verbindliche Regelung. Hält der Betroffene das Verlangen für rechtswidrig, kann er die Rechtmäßigkeit des Verlangens nur inzident mit dem Rechtsbehelf gegen die nach § 66 SGB I mögliche Versagung bzw. Entziehung einer Leistung angreifen. Daher handelt es sich bei dem Verlangen nach § 60 Abs. 1 SSGB I nur um eine der eigentlichen Entscheidung vorausgehende und diese vorbereitende Maßnahme, die nicht selbstständig, sondern nur mit der das Verfahren abschließenden Entscheidung überprüft werden kann. Da demnach die Aufforderung zur Mitwirkung nicht vollstreckt werden kann und nur vorbereitenden Charakter hat, stellt sie materiell keinen Verwaltungsakt dar.

Die von der Beklagten tatsächlich veranlasste Aufforderung zur Mitwirkung stellt auch formell keinen Verwaltungsakt dar. Wird in der äußeren Form eines Verwaltungsaktes gehandelt, so ist die Maßnahme unabhängig davon, ob sie als Verwaltungsakt hätte erlassen werden dürfen, als Verwaltungsakt zu behandeln. Maßgeblich für die Beurteilung, ob ein behördlicher Akt ein Verwaltungsakt ist, ist nicht das, was die Behörde gewollt oder gedacht hat, sondern der objektive Sinngehalt, das heißt, wie der Bürger unter Berücksichtigung der äußeren Form, Abfassung, Begründung, Beifügung einer Rechtsbehelfsbelehrung und aller sonstigen ihm bekannten oder erkennbaren Umstände nach Treu und Glauben bei objektiver Auslegung analog §§ 157, 133 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) die Erklärung oder das Verhalten der Behörde verstehen durfte oder musste (Mutschler in: Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, 94. EL Mai 2017, § 31 SGB X Rn. 21; Heße in: BeckOK Sozialrecht, 45. Ed. 1.6.2017, SGB X, § 31 Rn. 19).

Danach liegt auch formell kein Verwaltungsakt vor. Dagegen spricht bereits, dass der Beklagte seinem Schreiben vom 16. November 2005 keine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt hat. Auch aus dem Inhalt des Schreibens geht nicht die Qualität eines Verwaltungsaktes hervor. Der Beklagte hat den Kläger zur Vorlage weiterer Unterlagen hinsichtlich des von ihm gestellten Antrags auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II aufgefordert. Die gesetzlichen Regelungen der Mitwirkung werden aufgezeigt sowie die Folgen der fehlenden Mitwirkung. Das Schreiben des Beklagten vom 16. November 2005 ist somit deutlich geprägt von der reinen Aufforderung zur Mitwirkung und ist nicht in der äußeren Form eines Verwaltungsaktes gekleidet. Der Kläger konnte das Schreiben vom 16. November 2005 somit nicht als Verwaltungsakt auffassen. 

Da demnach weder materiell noch formell ein Verwaltungsakt vorliegt, ist gegen das Schreiben der Beklagten vom 16. November 2005 eine Anfechtungsklage nicht statthaft.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Verfahrens.

Rechtskraft
Aus
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