S 8 KR 388/17

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Darmstadt (HES)
Sachgebiet
Krankenversicherung
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 8 KR 388/17
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 1 KR 364/19
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Beklagte wird verurteilen, an die Klägerin einen Betrag i. H. v. 2.199,96 € zu zahlen.

Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Vergütung eines vollstationären Krankenhausaufenthalts.

Die Klägerin ist Trägerin des GPR Klinikums in A-Stadt. Die bei der Beklagten versicherte Frau E. (im Weiteren die Patientin) befand sich im Zeitraum vom 19.10.2016 bis 03.11.2016 in der gastroenterologische Abteilung des Krankenhauses der Klägerin in Behandlung

Die 1930 geborene Patientin wurde am 19.10.2016 stationär aufgenommen, weil sich ihr Bauchumfang seit dem Vortag deutlich vermehrt hatte. Als Aufnahmediagnose gab die Klägerin in ihrem Befundbericht vom 20.10.2016 eine dekompensierte Herzinsuffizienz mit Ascites und eine Hypoalbuminämie sowie weitere Diagnosen an. Die Klägerin untersuchte die Patientin klinisch. Im Anschluss führte sie eine Ruhe-EKG, ein Röntgen-Thorax, zwei Ultraschall-Abdomen, eine Farbdoppler-Echokardiographie, zwei Urologische Konsil sowie ein Langzeit-RR durch. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin eine Aszitespunktion oder eine Aszitesdrainage durchgeführt hat. Laborchemisch zeigten sich bei bekanntem Myelom eine normochrome, normozytäre Anämie sowie die bekannte Thrombozytopenie. Die chronische Niereninsuffizienz mit einem Kreatin-Wert von 1,26 mg/dl zeigte sich leicht verschlechtert. Abdomensonographisch sei reichlich Aszites nachgewiesen worden, ebenso Zeichen der Rechtsherzinsuffizienz. 

Mit Rechnung vom 16.11.2016 stellte die Klägerin der Beklagten einen Betrag i. H. v. 6.259,94 € in Rechnung. Die Abrechnung erfolgte unter Zugrundelegung der Fallpauschalen DRG F21C (Andere OR-Prozeduren bei Kreislauferkrankungen, ohne hochkomplexen Eingriff, ohne komplexen Eingriff mit bestimmtem Eingriff). Als Hauptdiagnose wurde dabei I50.01 (Sekundäre Rechtsherzinsuffizienz) verschlüsselt. Als Operationen legte die Klägerin u. a. zweifach die OPS 8-148.0 (Therapeutische Drainage von andere Organen und Geweben: Peritonealraum) für den 21.10.2016 und 26.10.2016 zu Grunde.

Die Beklagte teilte der Klägerin mit Schreiben vom 15.12.2016 mit, der Klägerin im Rahmen einer Sammelüberweisung auch den Rechnungsbetrag aus diesem Behandlungsfall überwiesen zu haben. Die Beklagte schaltete im Anschluss den MDK ein. Dieser erhielt am 04.04.2017 Einsicht in die Patientenakte und besprach den Fall mit dem Krankenhausverantwortlichen. Der Arzt des MDK vertrat die Auffassung, dass zweimal eine therapeutische perkutane Punktion der Bauchhöhle erfolgt sei, sodass die OPS 8-153 zweifach zu kodieren sei.

Die Beklagte teilte mit Schreiben vom 09.05.2017 mit, dass der MDK zu dem Ergebnis gekommen sei, dass die Abrechnung nicht korrekt gewesen sei. Die OPS 8-148.0 sei in die OPS 8-153 geändert worden, sodass sich im Ergebnis die DRG auf F62B änderte. Daraus resultiere ein Erstattungsanspruch i. H. v. 2.199,96 €, welcher sie gemäß § 9 PrüfvV aufgerechnete. Sie rechnete mit Schreiben vom gleichen Tag diesen Anspruch mit unstreitigen Ansprüchen aus anderen Behandlungsfällen auf. Mit Schreiben vom 19.06.2017 widersprach die Klägerin dieser Aufrechnung. Es sei eine wiederholte Drainage und keine Punktion erfolgt. Die Beklagte erklärte mit Schreiben vom 22.06.2017 das Prüfverfahren für erledigt.

Die Klägerin hat mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 07.08.2017 Klage gegen die Beklagte erhoben. Die Beklagte hat mit Schreiben vom 09.11.2018 Widerklagen gegen die Klägerin erhoben. 

Die Klägerin ist der Ansicht, dass die Beklagte keinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch geltend machen könne, da sie mit Rechtsgrund an die Klägerin gezahlt habe. Die seitens der Klägerin kodierte OPS 8-148.0 sei zutreffend kodiert worden. Nach den Deutschen Kodierrichtlinien liege die Auflistung der Diagnosen und Prozeduren in der Verantwortung des behandelnden Arztes. Alle signifikanten Prozeduren, die vom Zeitpunkt der Aufnahme bis zum Zeitpunkt der Entlassung vorgenommen wurden und im OPS abbildbar sind, seien zu kodieren. Dies schließe diagnostische, therapeutische und pflegerische Prozeduren ein. Die Definition einer signifikanten Prozedur sei, dass sie entweder chirurgischer Natur sei, ein Eingriffs- oder Anästhesierisiko berge oder Spezialeinrichtungen, Geräte oder spezielle Ausbildung erfordere. Sie behauptet unter Vorlage der Befunddokumentationen vom 21.10.2016 und 26.10.2016, dass an diesen Tagen eine Aszitespunktion mit Einlage einer Drainage erfolgt sei. Am 21.10.2016 sei die Drainage um 09:52 Uhr angelegt und um 12:00 Uhr entfernt worden. Insgesamt sei 3 Liter Aszites abgeflossen. Am 26.10.2016 sei die Drainage um 14:44 Uhr angelegt und um 16:30 Uhr entfernt worden. Es floss 5 Liter Aszites ab. Sie ist der Ansicht, dass damit entgegen der Ansicht des MDK eine therapeutische Drainage durchgeführt worden ist und nicht lediglich eine therapeutische Punktion. Das streitige Behandlungsgeschehen sei zutreffend kodiert worden.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass eine zeitliche Abgrenzung von Punktion und Drainage nicht möglich sei und auch vom Wortlaut des Schlüssels nicht vorgesehen sei. Punktionen seien vielmehr von temporären oder permanenten Drainagen zu unterscheiden. Sie ist der Ansicht, dass eine Punktion vorliege, sofern das technische System während des Arzt-Patienten-Kontaktes, in dem das System in den Körper eingebracht wurde, wieder entfernt wurde. Andernfalls handele es sich um eine Drainage. Eine therapeutische Drainage sei eine therapeutische Ableitung einer pathologischen Ansammlung von Flüssigkeit oder Gas. 

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 2.199,96 € zuzüglich Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 11.05.2017 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen

Sie ist der Ansicht, dass der von der Klägerin verfolgte Zahlungsanspruch durch Erfüllung erloschen sei und auch nicht dadurch auflebe, dass die Beklagte später eine Aufrechnung mit einem anderen Vergütungsanspruch der Klägerin vorgenommen habe. Die vorgenommene Aufrechnung sei im Gleichordnungsverhältnis zwischen Klägerin und Beklagte zulässig und begründet gewesen, da eine Aufrechnungslage nach §§ 387 ff. BGB analog bestand. Die Abrechnung sei nach den Feststellungen des MDKs fehlerhaft erfolgt, sodass der Beklagten gegen die Klägerin ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch zustehe. Sie bestreitet, dass eine therapeutische Drainage im Wortsinne verwendet worden sei. Es sei genau abzugrenzen, ob lediglich Flüssigkeit abgelassen wurde oder tatsächlich eine Drainage im therapeutischen Sinne stattgefunden habe. Bereits die kurzen Verwendungszeiten von maximal zwei Stunden würden gegen eine therapeutische Drainage und für ein bloßes Ablassen im Sinne einer Punktion sprechen. Es sei zu klären, ob tatsächlich ein Drainagesystem mit der Wirkweise einer Drainage zwischen dem Ort der Ansammlung und dem Auffangort erfolgte. Sie ist der Ansicht, dass die Klägerin in der Patientenakte selbst von der Durchführung einer Aszitespunktion und nicht einer –drainage ausging. Sofern die Klägerin in ihrer Patientenakte das Wort „Drainage“ verwende, so sei entweder das Wort „Punktion“ nachträglich in „Drainage“ geändert worden oder es ergäbe sich aus einer einmaligen Verwendung des Wortes nicht, ob tatsächlich eine Drainage eingelegt wurde. Sie verwies zudem auf die Darstellung der Aszitespunktion in der S3-Leitlinie. Danach seien auch größere Flüssigkeitsmengen möglich. Die Beklagte ist der Auffassung, dass es sich bei § 7 Abs. 2 Sätze 3 – 4 PrüfvV um eine Ausschlussfrist handelt.

Das Gericht hat während des Klageverfahrens der Beklagten Einsicht in die Patientenakte gewährt.


Entscheidungsgründe

A. Streitgegenstand des Verfahrens ist die Höhe der Vergütung für einen vollstationären Aufenthalt einer bei der Beklagten versicherten Person im Krankenhaus der Klägerin.

B. Die Klage ist zulässig. Die Klägerin macht zu Recht ihren Anspruch auf Vergütung der Krankenhausbehandlung gegenüber der Beklagte mit der (echten) Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG geltend. Die Klage eines Krankenhausträgers auf Zahlung von Behandlungskosten gegen eine Krankenkasse ist ein Beteiligtenstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt, kein Vorverfahren durchzuführen und keine Klagefrist zu beachten ist (vgl. Urteil des Bundessozialgerichts vom 16.12.2008, Az. B 1 KN 1/07 KR R m.w.N.). Die Klägerin hat den Zahlungsanspruch auch konkret beziffert.

C. Die zulässige Klage ist begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Zahlung der streitgegenständlichen 2.199,96 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 11.05.2017.

I. Rechtsgrundlage des geltend gemachten Vergütungsanspruchs ist § 109 Abs. 4 S. 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V), in der hier anzuwendenden Fassung vom 26.03.2007, i. V. m. § 7 S. 1 Nr. 1 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG - in der hier anzuwendenden Fassung des Gesetzes vom 15.07.2013), § 17b Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG - in der hier anzuwendenden Fassung des Gesetzes vom 15.07.2013), dem maßgeblichen Fallpauschalen-Katalog und den Abrechnungsbestimmungen gemäß § 9 KHEntgG sowie dem zwischen der Hessischen Krankenhausgesellschaft und den entsprechenden Krankenkassen bzw. deren Verbänden geschlossenen Vertrag über die allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlung nach § 112 SGB V für das Land Hessen. 

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts entsteht die Zahlungsverpflichtung der Krankenkassen unabhängig von einer Kostenzusage unmittelbar mit Inanspruchnahme der Leistung durch den bei ihr versicherten Patienten, wenn die Versorgung in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird und im Sinne von § 39 Abs. 1 S. 2 SGB V erforderlich ist (st. Rspr., vgl. BSG, Urteil vom 25.11.2010, Az. B 3 KR 4/10 R – juris – Rn. 10). Der Behandlungspflicht der zugelassenen Krankenhäuser i. S. des § 109 Abs. 4 Satz 2 SGB V steht ein Vergütungsanspruch gegenüber, der nach Maßgabe des KHG, des KHEntgG und der Bundespflegesatzverordnung (BPflV) in der zwischen den Krankenkassen und dem Krankenhausträger abzuschließenden Pflegesatzvereinbarung festgelegt wird.

Der mit der erhobenen Leistungsklage verfolgten Vergütungsanspruche der Klägerin aus einer späteren Krankenhausbehandlung eines Versicherten der Beklagten ist demgegenüber unstreitig.

II. Die zwischen den Beteiligten zunächst unstreitig entstandene Zahlungsanspruch der Klägerin i. H. v. 2.199,96 € ist auch nicht nachträglich durch die seitens der Beklagten am 10.05.2017 erklärte Aufrechnung untergegangen.

Der im öffentlichen Recht auch ohne ausdrückliche Normierung anerkannte öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch ist aus allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsrechts, insbesondere der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, herzuleiten. Er tritt bei öffentlich-rechtlich geprägten Rechtsbeziehungen an die Stelle des zivilrechtlichen Bereicherungsanspruchs nach § 812 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Für einen solchen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch ist Voraussetzung, dass im Rahmen eines öffentlichen Rechtsverhältnisses Leistungen ohne rechtlichen Grund erbracht oder sonstige rechts-grundlose Vermögensverschiebungen vorgenommen worden sind (vgl. dazu BSG, Urteil vom 8.11.2011, Az. B 1 KR 8/11 R). Die Rechtsbeziehung zwischen dem klagenden Krankenhausträger und der beklagten Krankenkasse sind im vorliegenden Fall öffentlich-rechtlicher Natur (dazu unter 1.). Jedoch hat die Beklagte auf die Rechnung der Klägerin vom 17.02.2014 für die Behandlung der Versicherten E. nicht ohne Rechtsgrund geleistet (dazu unter 2.).

1. Die öffentlich-rechtliche Natur der Rechtsbeziehungen zwischen Krankenkassen und Krankenhäuser ergibt sich aus § 69 Abs. 1 Satz 2 SGB V. Danach sind die Rechtsbeziehungen der Krankenkassen und ihrer Verbände zu den Krankenhäusern und ihren Verbänden abschließend im Vierten Kapitel des SGB V, in den §§ 63, 64 SGB V und in dem Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG), dem Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) sowie den hiernach erlassenen Rechtsverordnungen geregelt. Es handelt sich um Vorschriften des öffentlichen Rechts, sodass die darauf beruhenden Rechtsbeziehungen zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern nur öffentlich-rechtlicher Natur sein können (vgl. BSG, Urteil vom 08.11.2011, Az.: B 1 KR 8/11 R).

2. Die Beklagte hat jedoch nach Überzeugung der Kammer auf die Rechnung der Klägerin vom 16.11.2016 nicht ohne Rechtsgrund geleistet. Entgegen der Auffassung der Beklagten hat die Klägerin im Ergebnis die DRG-Fallpauschale F21C (Andere OR-Prozeduren bei Kreislauferkrankungen, ohne hochkomplexen Eingriff mit bestimmtem Eingriff) mit der OPS 8-148.0 zu Recht abgerechnet.

a) Die abzurechnenden Fallpauschalen ergeben sich daraus, dass die nach den bereits aufgezeigten gesetzlichen Regelungen hierzu berufenen Vertragspartner eine Fallpauschalenvereinbarung (FPV) mit einem Fallpauschalen-Katalog als Teil derselben und die Kodierrichtlinien für die Verschlüsselung von Krankheiten und Prozeduren (DKR) vereinbart haben. Die DKR und die FPV bilden den konkreten vertragsrechtlichen Rahmen, aus dem die für eine Behandlung maßgebliche DRG-Position folgt. Diese Vergütungsregelungen sind eng nach ihrem Wortlaut und allenfalls ergänzend nach ihrem systematischen Zusammenhang auszulegen (vgl. hierzu ausführlich: BSG, Urteil vom 8.11.2011, Az. B 1 KR 8/11 R). Da das DRG-basierte Vergütungssystem vom Gesetzgeber als jährlich weiter zu entwickelndes und damit "lernendes" System angelegt ist, sind bei zutage tretenden Unrichtigkeiten oder Fehlsteuerungen in erster Linie die Vertragsparteien berufen, diese mit Wirkung für die Zukunft zu beseitigen (vgl. Hessischen Landessozialgerichts, Urteil vom 21.8.2014, Az. L 8 KR 128/13). Nach den aufgezeigten gesetzlichen Vorgaben und der FPV greifen das in der § 1 Abs. 6 FPV in Bezug genommene DRG-Ermittlungsprogramm (Grouper), der Fallpauschalen-Katalog und die Kodierrichtlinien als vereinbarte Abrechnungsbestimmungen ineinander. Die FPV und die DKR bilden dabei nämlich nicht ein System von Pauschalen im Sinne einer Gebührenordnung mit Geldwerten oder Punktwerten. Vielmehr umschreibt der vereinbarte Fallpauschalen-Katalog lediglich mit Buchstaben und Ziffern gekennzeichnete DRG-Positionen, deren zugehörige Bewertungsrelationen und weitere Angaben wie zum Beispiel zur Verweildauer, die für die Abrechnung von stationären Leistungen notwendig sind. Die textliche Bezeichnung beschreibt lediglich die verschlüsselte Position, umreißt aber keinen einer Auslegung als Basis und Ausgangspunkt zugrunde zu legenden subsumtionsfähigen Vergütungstatbestand. Welche DRG-Position abzurechnen ist, ergibt sich aus der Eingabe von im Einzelnen von einem Programm vorgegebenen, abzufragenden Daten in ein automatisches Datenverarbeitungssystem und dessen Anwendung (vgl. hierzu ausführlich: BSG, Urteil vom 8.11.2011, Az. B 1 KR 8/11 R). Für die Art und Weise der Dateneingabe sehen die FPV und die DKR konkrete Vorgaben vor. 

So enthält die FPV 2016 Abrechnungsbestimmungen für DRG-Fallpauschalen. Die DKR 2016 regeln Kodieranweisungen. Der Grouper greift dabei auf Dateien zurück, die entweder als integrale Bestandteile des Programms mit vereinbart sind oder an anderer Stelle vereinbarte Regelungen wiedergeben. Zu letzteren gehören die Fallpauschalen selbst, aber auch die Internationale Klassifikation der Krankheiten (ICD 10) in der jeweiligen vom Deutschen Institut für medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) herausgegebenen deutschen Fassung sowie die Klassifikation des vom DIMDI im Auftrag des BMG herausgegebenen Operationen- und Prozedurenschlüssel als solche (OPS) (vgl. hierzu ausführlich: BSG, Urteil vom 8.11.2011, Az. B 1 KR 8/11 R). 

b) Vor diesem Hintergrund durfte die Klägerin nach Auffassung der Kammer die erfolgte stationäre Behandlung der Versicherten E. nach der DRG - Fallpauschale F21C abrechnen, da sie zu Recht die OPS 8-148.0 abgerechnet hat. Die entsprechende OPS lautet:

8-148:     „Therapeutische Drainage von anderen Organen und Geweben“ 
8-148.0    Peritonealraum

Die Beklagte ist dagegen der Auffassung, dass die OPS 8-153 abzurechnen ist, die wie folgt lautet:

8-153:        „Therapeutische perkutane Punktion der Bauchhöhle“
                    Exkl.:    Spülung des Bauchraumes (8-176)
                    Diagnostische Aszitespunktion (1-853.2)
                    Hinw.: Dieser Kode ist nur einmal pro stationären Aufenthalt anzugeben.

Vergütungsregelungen sind dabei nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung stets eng nach ihrem Wortlaut und allenfalls ergänzend nach ihrem systematischen Zusammenhang auszulegen; Bewertungen und Bewertungsrelationen bleiben außer Betracht (vgl. zuletzt: BSG, Urteil vom 30. Juli 2019, Az.: B 1 KR 11/19 R – juris – Rn. 12).

Ausgehend von dem Wortlaut der hier gegenüber stehenden Prozeduren kommt es für die Abgrenzung von Drainage und Punktion nicht auf die Dauer der Verwendung an. Eine solche Abgrenzung beider Prozeduren lässt sich ihrem Wortlaut nicht entnehmen. Vielmehr ist das erkennende Gericht der Auffassung, dass hinsichtlich des Vorliegens einer Punktion oder einer Drainage es entscheidend darauf ankommt, ob das technische System während des Arzt-Patienten-Kontakts oder erst nach dessen Abschluss entfernt wird. 

Vorliegend ist ausweislich der mit der Klageschrift vorgelegten Befunddokumentation vom 21.10.2016 und 26.10.2016 erkennbar, dass bei beiden Behandlungen die Versicherte zunächst punktiert wurde, im Anschluss eine Drainage gelegt wurde und diese dann durch eine Pflegekraft entfernt wurde. Insofern handelt es sich bei dem technischen System um eine Drainage und nicht um eine Punktion.

c) Sofern dieser Abgrenzung entgegen gehalten werden könnte, dass diese sich ebenfalls nicht aus dem Wortlaut der streitgegenständlichen Prozeduren ergibt, ist ergänzend auf die Bedeutung der Wörter „Drainage“ und „Punktion“ einzugehen. Eine Drainage stellt eine therapeutische Ableitung einer pathologischen Flüssigkeitsansammlung dar. Dabei wird ein Drain als geschlossenes, halbgeschlossenes oder offenes System mit und ohne Sog angelegt (vgl. Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 260. Auflage, Seite 420). Eine Punktion bezeichnet dagegen einen Einstich einer Hohlnadel oder eines Trokars in (Blut-)Gefäße, physiologische oder pathologische Körperhohlräume, Hohlorgane, parenchymatöse Organe oder Tumoren zur Entnahme von Flüssigkeiten bzw. Geweben oder zur Einbringung von Diagnostika oder Therapeutika (vgl. Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 260. Auflage, S. 1514). 

Es kommt somit nach der Bedeutung beider Wörter ergänzend darauf an, wie die Flüssigkeit entnommen wird, nämlich durch ein weiteres technisches System oder durch eine Hohlnadel. Ausweislich der vorgelegten Befunddokumentation wurde bei beiden Behandlungen eine Drainage gelegt, sodass die Flüssigkeit nicht über die Hohlnadel, sondern durch ein weiteres technisches System – nämlich den sogenannten Drain – entnommen wurde. Auch vor diesem Hintergrund liegt eine Drainage und keine Punktion vor, sodass die Kodierung seitens der Klägerin zu Recht erfolgt ist.

Sowohl nach der Abgrenzung danach, wer das technische System entfernt, als auch nach der Bedeutung der Wörter ergibt sich offensichtlich, dass bei beiden Behandlungen seitens der Klägerin eine Drainage gelegt wurde. Vor diesem Hintergrund bestand kein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch der Beklagten, sodass die Aufrechnung zu Unrecht erfolgte.

D. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG und trägt dem Ausgang der jeweiligen Verfahren Rechnung. Die Berufung ist nach §§ 143, 144 SGG zulässig, da die Beklage zu einer Zahlung eines Betrages i. H. v. 2.199,96 € verurteilt wurde, sodass der maßgebliche Wert des Beschwerdegegenstandes von 750,-€ überschritten ist.

Rechtskraft
Aus
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