S 8 KR 233/17

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Darmstadt (HES)
Sachgebiet
Krankenversicherung
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 8 KR 233/17
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
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Aktenzeichen
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Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

1.    Der Antrag auf Gewährung eines Zuschusses auf Zahnersatz ist umfassend zu verstehen und nicht auf die Geltendmachung des Eigenanteils begrenzt.
2.    Bei nicht fristgemäßer Entscheidung bei einem Antrag auf Zahnersatz und Gutgläubigkeit des Versicherten hat die Krankenkasse einen weiteren Zuschuss bis zum Doppelten des Zuschusses zur Regelversorgung zu zahlen. Hintergrund dieser Regelung ist, dass die Krankenkasse durch die Einführung des § 13 Abs. 3a SGB V zu einer schnellen Entscheidung angehalten werden sollte. Sofern sie dieser Verpflichtung nicht nachkommt, kommt der ebenfalls in dieser Vorschrift enthaltene Sanktionsgedanke zum Tragen.
 

Die Beklagte wird unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 24.11.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.04.2017 verurteilt, den Bescheid vom 24.05.2016 teilweise in Höhe von 975,82 € aufzuheben.

Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Kosten für Zahnersatz gemäß dem Heil- und Kostenplan vom 26.01.2016 in Höhe von 975,82 € zu erstatten.

Im Übrigen werden die Klagen abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Ablehnung der Übernahme von Kosten für eine zahnärztliche Behandlung.

Der Zahnarzt des Klägers erstellte am 26.01.2016 einen Heil-und Kostenplan. Es war beabsichtigt, bei zwei Zähnen eine Vollkrone nach einer Tangentialpräparation zu versorgen und 22 Zähne durch eine Teilkrone oder Veneer zu versorgen. Insgesamt berechnete die Zahnarztklinik einen Betrag von 11.232,53 € für die zahnärztlichen Leistungen, ein zahnärztliches Honorar von 81,75 € und Material- und Laborkosten von 19.000,-€ (Gesamtbetrag: 30.314,28 €) Nach Abzug des Festzuschusses der Krankenversicherung von 927,99 € sollte der Eigenanteil des Klägers 29.386,29 € betragen. Der Zahnarzt informierte zudem über die Kosten der Regelversorgung. Die Kosten für eine dem Befund entsprechende Regelversorgung würde voraussichtlich in Höhe des doppelten Festzuschusses liegen und würde 1.855,98 € betragen; der Eigenanteil des Klägers im Rahmen der Regelversorgung betrug dabei 927,99 €. 

Nach dem Behandlungsvertrag vom 26.01.2016 wies der behandelnde Zahnarzt darauf hin, dass seitens der Krankenkasse ein Zuschuss zur Versorgung mit Zahnersatz oder Zahnkronen festgelegt werde. Der Zuschuss der Krankenkasse werde nur für die Regelversorgung gewährt. Sofern eine Versorgungsform außerhalb der Kassenrichtlinien gewährt werde, bleibe die Höhe des Zuschusses unverändert. Die Kosten, die über die Regelversorgung hinausgehen, seien von dem Patienten zu tragen. Sofern der Patient eine Leistung außerhalb der Regelversorgung wähle, erhalte er neben dem Kostenplan ein Beiblatt, welches die Mehrkosten entnommen werden können. Der Kläger bezahlte für die im Zeitraum vom 24.05.2016 bis 23.06.2016 durchgeführte Behandlung Beträge i. H. v. 27.294,31 €.

Der Kläger reichte diesen Heil- und Kostenplan am 31.03.2016 bei der Beklagten ein. Diese beauftragte einen Zahnarzt zur Begutachtung des Heil- und Kostenplanes; eine Information des Klägers erfolgte nicht. Der begutachtende Zahnarzt kam zu dem Ergebnis, dass der vorliegende Heil- und Kostenplan zahnmedizinischen Grundsätzen entsprechen würde und nicht zu beanstanden sei, insbesondere seien die angefragten ZE-Richtlinien beachtet worden.

Die Beklagte gewährte dem Kläger mit Bescheid vom 24.05.2016 einen Festzuschuss von 880,16 €. Er hätte sich für eine sogenannte andersartige Versorgung entschieden. Der Festzuschuss würde sich an dem festgestellten Befund orientieren und die zahnärztlichen und zahntechnischen Behandlungsumfang der jeweiligen Regelversorgung berücksichtigen. Die dadurch entstandenen Mehrkosten seien von dem Kläger zu tragen. Der Kläger führte die Behandlungen aus dem Heil- und Kostenplan im Zeitraum vom 24.05.2016 bis 23.06.2016 durch.

Der Kläger legte mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 07.11.2016 Widerspruch und stellte hilfsweise einen Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X. Mit Schreiben vom 24.11.2016 – überschrieben mit „Anhörung“ – erläuterte die Beklagte ihre Sicht der Sach- und Rechtslage. Sie sei der beantragten Prüfung nach § 44 Abs. 1 SGB X nachgekommen und müsse mitteilen, dass eine weitere Kostenübernahme nicht möglich sei. Seit dem 01.01.2005 würden sich die gesetzlichen Krankenversicherungen an der Versorgung mit Zahnersatz ihrer Versicherten mit befundbezogenen Festzuschüssen beteiligen; jedem Befund werde eine bestimmte Regelversorgung zugeordnet. Die Mehrkosten für eine darüberhinausgehende Versorgung seien von den Versicherten zu tragen. Bei dem Kläger löse der angegebene Befund einen Festzuschuss für die Regelversorgung im Oberkiefer mit einer festsitzenden Brücke von Zahn 24-27 aus. Für zwei dieser Zähne könnten zusätzlich die Kosten für die vestibuläre Verblendung übernommen werden. Im Unterkiefer könnten sie sich zusätzlich an den Kosten für die Teilkronen der erkrankten Zähne 47, 46 und 36 beteiligten. Der Kläger habe sich jedoch für zusätzliche private Maßnahmen in Form von festsitzendem Zahnersatz entschieden (Oberkiefer Region 17-23 und Unterkiefer 45-43 und 33-35). Eine Kostenübernahme dieser Zähne sei nicht möglich, da diese nicht befundet seien und daher keinen Festzuschuss auslösen. Diese Kosten müsse der Kläger selber tragen. Deshalb halte sie ihre Entscheidung aufrecht. Dieses Schreiben gelte gleichzeitig als Anhörung. Es enthielt keine Rechtsbehelfsbelehrung.

Die Prozessbevollmächtigte des Klägers bat mit Schreiben vom 21.12.2016 um Verlängerung der Frist zur Begründung des Widerspruchs, den sie mit Schriftsatz vom 08.03.2017 begründete. Es würde sich um eine Ausnahmebehandlung handeln würde. Die Leistung sei als unterstützender Teil einer medizinischen Gesamtbehandlung zu sehen. Er habe an erheblichen Kopf- und Nackenschmerzen gelitten, welche mit Schmerzmitteln medikamentös behandelt werde mussten. Nach einer multimodalen Zusammenarbeit zwischen Orthopäden und Zahnarzt hätte sich ergeben, dass die erheblichen und schmerzhaften jahrelangen Beschwerden ihre Ursache in der Kiefer- und Zahnstellung hätten. Die zahnärztliche Behandlung mit den in dem Heil- und Kostenplan aufgeführten Positionen sei notwendig, um die durch eine Krankheit der Zähne des Mundes oder des Kiefers nach wissenschaftlich anerkanntem Stand der medizinischen Erkenntnisse zu heilen bzw. durch die Krankheit verursachten Beschwerden zu lindern. Diese Maßnahmen würden nicht der Eigenverantwortung des Klägers obliegen und könne ihm auch nicht zugerechnet werden.

Es sei unbeachtlich, dass der Gemeinsame Bundesausschuss keine Ausnahmeindikation für die von dem Kläger bestehende Krankheit festgelegt hätte, da es sich um einen sogenannten Seltenheitsfall handeln würde. Die Behandlungsrichtlinie stamme zudem aus dem Jahre 2006, sodass davon auszugehen sei, dass sich die Regeln der zahnärztlichen und medizinischen Kunst und auch die Erfahrungen in Bezug auf Erkrankungen fortentwickelt habe. Der Kläger habe eine regelrechte Odyssee hinter sich um Schmerzfreiheit bzw. wenigstens Schmerzlinderung zu erreichen. Sein schmerzhafter Zustand sei für ihn nicht mehr hinnehmbar gewesen, seine Erwerbstätigkeit bereits erheblich gefährdet gewesen. Die durchgeführte zahnärztliche Behandlung habe zu vollständiger Schmerzfreiheit geführt.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 20.04.2017 zurück. Der Kläger habe nur einen Anspruch auf befundbezogene Festzuschüsse in Höhe von 50 % der festgesetzten Beträge für die jeweilige Regelversorgung bei einer medizinisch notwendigen Versorgung mit Zahnersatz, soweit eine zahnprothetische Versorgung notwendig sei und einer nach § 135 SGB V anerkannten Methode entspreche. Soweit der Versicherte einen über die Regelversorgung hinausgehenden gleichartigen oder andersartigen Zahnersatz wähle, habe er die Mehrkosten gegenüber den in § 56 Abs. 2 Satz 10 SGB V aufgelisteten Leistungen zu tragen. Die Krankenkasse habe zudem durch die Gewährung eines Festbetrags nach § 12 Abs. 2 SGB V ihre Leistungspflicht erfüllt. Zudem sei ein höherer Zuschuss gesetzlich nicht vorgesehen wäre, sofern eine Versorgung mit Zahnersatz aus anderen als zahnmedizinischen Gründen erfolge. Denn § 55 Abs. 1 Satz 1 SGB V knüpfe die Beschränkung der Kassenleistung an den Gegenstand (Zahnersatz) und nicht an die Ursache des Behandlungsbedarfs an. Die Gesetzessystematik gehe von ärztlichen und zahnärztlichen Behandlungen einerseits und der Versorgung mit Zahnersatz andererseits als jeweils selbstständige Leistung aus. Wegen der Häufigkeit des Zusammenhangs mit anderen ärztlichen oder zahnärztlich zu behandelnden Erkrankungen hätte ansonsten die Beschränkung auf den Kostenzuschuss keine praktische Bedeutung. 

Der Kläger hat mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 26.05.2017 dagegen Klage erhoben. Das Gericht hat mit Einverständnis der Beteiligten mit Beschluss vom 21.05.2019 das Ruhen des Verfahrens angeordnet.

Der Kläger ist der Ansicht, dass sich die Beklagte nicht damit auseinandergesetzt habe, ob ggf. hier eine Ausnahmegenehmigung vorliegen würde, welche die Kostenübernahme ebenfalls rechtfertigen würde. Er behauptet, dass er an einer selten auftretenden Erkrankung leiden würde. Bei dem Zahnersatz nach dem streitigen Heil- und Kostenplan würde es sich um eine neue Methode handeln, welche gerade nicht ausgeschlossen sei, weil der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen dafür keine Empfehlung abgegeben hätte. Die medizinische Vorgehensweise würde keine Behandlungsmethode nach § 135 SGB V darstellen. Der voraussichtliche Nutzen der Maßnahme würde die möglichen Risiken überwiegen. Es habe sich um eine auf Dauer nachhaltig beeinträchtigende Erkrankung gehandelt, für die er Mediziner verschiedene Fachrichtungen aufgesucht habe. 

Im Klageverfahren legte der Kläger den Behandlungsvertrag vom 26.01.2016 vor. Der Kläger beantragt die Einholung eines Sachverständigengutachtens auf zahnmedizinischem und orthopädischem Gebiet an.

Der Kläger beantragt (sinngemäß),

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 24.05.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.04.2017 zu verurteilen, den Bescheid vom 24.05.2016 aufzuheben.

die Beklagte zu verurteilen, ihm einen Betrag i. H. v. 26.414,15 € zu zahlen. 

Die Beklagte beantragt,

die Klagen abzuweisen.

Sie bezweifelt, ob es sich bei dem eingereichten Heil- und Kostenplan um einen hinreichend bestimmten Antrag auf Kostenübernahme des Eigenanteils handele. Eine ausdrückliche Antragstellung sei erst mit Schreiben vom 07.11.2016 erfolgt. Zudem sei keine Genehmigungsfiktion eingetreten, da der Kläger nicht davon ausgehen konnte, dass es sich bei dem Eigenanteil um eine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung handele. Bei Zahnersatzanträgen könne nur ein Anspruch im Rahmen des gesetzlich zustehenden Festzuschusses realisiert werden könne. Der Gesetzgeber habe gesetzlich sichergestellt, dass die Krankenkasse bei einer notwendigen Versorgung mit Zahnersatz nicht den vom Versicherten zu tragenden Eigenanteil übernommen habe. Sie ist der Ansicht, dass eine Genehmigungsfiktion nicht eingetreten sei. Zudem habe das Bundessozialgericht bestätigt, dass Leistungen bei Zahnersatz, die offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs liegen, nicht Gegenstand einer Genehmigungsfiktion sein können. Es sei insoweit nämlich rechtsmissbräuchlich, Leistungen zu beanspruchen, die objektiv offensichtliche Leistungsgrenzen des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenkasse überwinden, die jedem Versicherten klar sein müssten. Der höchstrichterlichen Rechtsprechung sei jedoch nicht zu entnehmen, dass generell die Gewährung des doppelten Festzuschusses bei unterstelltem Eintritt einer Genehmigungsfiktion in Betracht komme. Es sei von dem Kläger keine unzumutbare Härte nach § 55 Abs. 2 SGB V geltend gemacht worden. Er habe nicht subjektiv von der Gewährung eines doppelten Festzuschusses ausgehen dürfen. Es mangele insoweit an einer gesetzlichen Anspruchsgrundlage.

Das Gericht hat am 31.08.2020 eine mündliche Verhandlung durchgeführt; auf den Inhalt des Protokolls wird Bezug genommen.

Das Gericht hat einen Befundbericht bei Dr. C. eingeholt; auf dessen Inhalt wird Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

A. Die Kammer kann durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil sich die Beteiligten mit Schriftsätzen vom 11.03.2021 und 12.03.2021 hiermit einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs. 2 SGG).

B. Streitgegenstand dieses Verfahrens ist der seitens des Klägers verfolgte Anspruch auf Übernahme der kompletten Behandlungskosten für den Zahnersatz. Nach § 123 SGG entscheidet das Gericht über die vom Kläger erhobenen Ansprüche, ohne dabei jedoch an die Fassung der Anträge gebunden zu sein. Soweit der Antrag nicht deutlich ist, hat das Gericht auf sachdienliche und klare Anträge hinzuwirken. Erforderlichenfalls muss der Antrag ausgelegt werden, wobei von dem auszugehen ist, was der Kläger mit der Klage erreichen möchte (Keller in Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz, Kommentar, 11. Auflage, § 123 Rn. 3). Dabei ist nicht der Wortlaut der Erklärung maßgebend, sondern der wirkliche Wille (Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Auflage 2016, VII. Kapitel, Rn. 63). Das mit der Klage verfolgte Ziel muss aus dem gesamten Vorbringen des Klägers ermitteln werden (Krasney/Udsching, aaO); dabei wird der Kläger im Zweifel den Antrag stellen wollen, der ihm am Besten zum Ziel verhilft (Meistbegünstigungsprinzip).

Der anwaltlich vertretene Kläger hat sowohl bei Klageerhebung als auch im Rahmen seiner Klagebegründung keinen spezifizierten Antrag gestellt. Aus seinem gesamten Vorbringen lässt sich aber erkennen, dass er die Übernahme der kompletten Behandlungskosten durch die Beklagte begehrt. 

C. Die Klage ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht bei dem örtlich zuständigen Gericht gemäß §§ 57 Abs. 1, 78, 87 Abs. 2, 90 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erhoben worden. Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage sowie kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage statthaft. 

a) Der Kostenerstattungsanspruch kann im Wege der allgemeinen Leistungsklage verfolgt werden (BSG, Urteil vom 11.07.2017, Az.: B 1 KR 1/17 R – juris – Rn. 9). Dafür genügt es, dass ein bindender Verwaltungsakt vorliegt, der Leistungsträger aber gleichwohl nicht leistet (BSG, aaO). Eine Genehmigungsfiktion steht einem Leistungsbescheid gleich. Eine spätere Ablehnungsentscheidung sowie dagegen erhobene Rechtsbehelfe eröffnen ein eigenständiges Verfahren, sodass § 86 SGG keine Anwendung findet (BSG, Urteil vom 11.07.2017, Az.: B 1 KR 1/17 R – juris – Rn. 10). Der Verfügungssatz, einen Naturalleistungsanspruch auf eine bestimmte Krankenbehandlung (§ 27 SGB V) zu gewähren, verschafft dem Adressaten eine Rechtsgrundlage dafür, mittels Leistungsklage einen Vollstreckungstitel auf das Zuerkannte zu erhalten. Die Vollstreckung erfolgt nach den Regelungen über vertretbare Handlungen (vgl. § 199 Abs. 1 Nr. 1, § 198 Abs. 1 SGG, § 887 ZPO). Es genügt hierfür, dass das Behandlungsziel klar ist. Dass hinsichtlich der Mittel zur Erfüllung der Leistungspflicht verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung stehen, beeinträchtigt den Charakter einer Leistung als vertretbare Handlung nicht. Diese allgemeinen Grundsätze gelten ebenso, wenn Patienten zur Konkretisierung der Behandlungsleistung auf die Beratung des behandelnden Arztes angewiesen sind (BSG, Urteil vom 26. September 2017, Az.: B 1 KR 8/17 R – juris – Rn. 17). 

Auch wenn das Bundessozialgericht die bisherige Rechtsprechung aufgegeben hat, kann sich der Kläger insoweit auf die bisherige Rechtsprechung berufen. Insofern hat das Bundessozialgericht entschieden, dass es die verfassungsrechtliche Garantie effektiven Rechtsschutzes nicht zulasse, eine im Zeitpunkt ihrer Erhebung zulässige Leistungsklage im Revisionsurteil als unzulässig anzusehen, wenn das Revisionsgericht im Revisionsurteil seine im Zeitpunkt der Revisionseinlegung noch maßgebliche Rechtsprechung insoweit aufgibt (BSG, Urteil vom 26. Mai 2020, Az.: B 1 KR 9/18 R – juris – Rn. 8). Übertragen auf den Fall des Klägers ist festzustellen, dass es die verfassungsrechtliche Garantie effektiven Rechtsschutzes es nicht zulasse, eine im Zeitpunkt ihrer Erhebung zulässige Leistungsklage im Zeitpunkt der Entscheidung der 1. Instanz als unzulässig anzusehen, wenn das Gericht der 1. Instanz zu dem Zeitpunkt der Urteilsverkündung sich der insoweit maßgebenden und damit geänderten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts anschließt.

b) Der Antrag auf Aufhebung der ursprünglichen Entscheidung ist nach § 44 SGB X im Rahmen einer kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage statthaft. Eine ausschließliche Statthaftigkeit einer Anfechtungsklage wäre im Hinblick auf das von dem Kläger verfolgte Klageziel nicht rechtsschutzintensiv. 

Dabei ist zu berücksichtigen, dass es sich bei dem Schreiben vom 24.11.2016 ebenfalls um einen Bescheid handelt, da die Beklagte in diesem Schreiben ausdrücklich aufgeführt hat, dass sie der beantragten Prüfung nach § 44 Abs. 1 SGB X nachgekommen ist und mitteilen muss, dass eine weitere Kostenübernahme nicht möglich ist bzw. sie ihre Entscheidung aufrecht halte. Da dieser Bescheid ohne Rechtsbehelfsbelehrung versehen war, war es dem Kläger möglich nach § 66 Abs. 2 SGG innerhalb eines Jahres Widerspruch dagegen einzulegen. Er hat auch durch den Fristverlängerungsantrag seiner Prozessbevollmächtigten im Schreiben vom 21.12.2016 sowie der Einreichung einer Widerspruchsbegründung ausreichend deutlich gemacht, dass er mit der Entscheidung nicht einverstanden ist und diese anfechten möchte.

D. Gegenstand des Rechtsstreits sind drei in einer Klage im Wege der objektiven Klagehäufung (§ 56 SGG) zusammen verfolgte zulässige Klagebegehren: Die allgemeine Leistungsklage auf Kostenerstattung und die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage gegen die Ablehnungsentscheidung (BSG, Urteil vom 11. September 2018, Az.: B 1 KR 1/18 R – juris – Rn. 8). Die Voraussetzungen einer objektiven Klagehäufung liegen somit vor.

E. Die Klage ist zu großen Teilen unbegründet. Die Beklagte hat zu Recht mit den angefochtenen Bescheiden die Gewährung eines Betrages, welcher über einen Betrag von 1.855,98 € hinausgeht, abgelehnt, sodass der Kläger dadurch nicht in seinen Rechten verletzt wird. Zu Unrecht hat sie aber die Gewährung eines weiteren Betrages von 975,82 € abgelehnt, sodass der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt wird. Ihm steht insoweit ein diesbezüglicher Kostenerstattungsanspruch zu (dazu insgesamt unter I. – IV.).

I. Dem Kläger steht kein Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) zu, da der Kläger keine Kostenerstattung gewählt hat. Ihm steht auch kein Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 4 SGB V zu, da er die streitgegenständliche Leistung nicht im Ausland als Sachleistung erhalten hat.

II. Dem Kläger steht auch kein Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 Satz 1 2. Alt. SGB V zu. Danach hat die Krankenkasse der versicherten Person die Kosten für eine selbstbeschaffte Leistung zu erstatten, sofern […] sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und der Versicherten für die Selbstbeschaffung der Leistung durch die Leistungsablehnung Kosten entstanden sind sowie die Leistung notwendig ist. 

Dem Kläger steht kein Sachleistungsanspruch zu (dazu unter 1. und 2.), sodass die Beklagte die Ablehnung einer darüberhinausgehenden Erstattung zu Recht abgelehnt hat.

1. Dem Kläger steht kein Anspruch nach §§ 27 Abs. 1, 28 Abs. 2 SGB V zu, da insoweit §§ 55 ff. SGB V die spezielleren Regelungen darstellen. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung knüpft § 55 SGB V insoweit an den Gegenstand der Behandlung und nicht an deren Ursache an (BSG, Urteil vom 06. Oktober 1999, Az.: B 1 KR 9/99 R – juris – Rn. 13). Ein Rückgriff auf die allgemeinen Regelungen des §§ 27 Abs. 1, 28 Abs. 2 SGB V verbietet sich, da die Regelungen der §§ 55 ff. SGB V als spezielle Anspruchsnorm die Ansprüche bei Versorgung mit Zahnersatz abschließend regelt und damit die Anwendung der allgemeinen Regelungen über die Verschaffung ärztlicher bzw. zahnärztlicher Behandlung (als Sach- und Dienstleistung i. S. von §§ 27, 28 SGB V) ausschließt (BSG, aaO).

Unabhängig davon, aus welchen medizinischen Gründen die Versorgung mit Zahnersatz notwendig ist, hat der Versicherte nur einen Anspruch auf teilweise Kostenerstattung/Kostenübernahme. Das gilt auch dann, wenn die Versorgung mit Zahnersatz zur Beseitigung einer nicht dem zahnmedizinischen Bereich zuzuordnenden Erkrankung erforderlich ist (vgl. BSG, Urteil vom 29. Juni 1994, Az.: 1 RK 40/93).

2. Dem Kläger steht auch kein Anspruch nach § 55 SGB V zu. Nach § 55 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Gewährung von befundbezogene Festzuschüsse bei einer medizinisch notwendigen Versorgung mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen (zahnärztliche und zahntechnische Leistungen) in den Fällen, in denen eine zahnprothetische Versorgung notwendig ist und die geplante Versorgung einer Methode entspricht, die gemäß § 135 Abs. 1 anerkannt ist. Nach § 55 Abs. 1 Satz 2 SGB V haben die Versicherten einen Anspruch auf einen Festzuschuss von 50 von Hundert der nach § 57 Abs. 1 Satz 6 SGB V und Absatz 2 Satz 5 und 6 SGB V. Dazu können nach § 55 Abs. 1 Sätze 3 – 5 SGB V Erhöhungsbeträge kommen, welche allerdings nicht in den Fällen des § 55 Abs. 2 SGB V den Festzuschuss erhöhen. Nach § 55 Abs. 2 Satz 1 SGB V besteht ein zusätzlicher Anspruch auf einen Betrag in gleicher Höhe wie der Festzuschuss nach § 55 Abs. 1 Satz 2 SGB V, höchstens jedoch in Höhe der tatsächlich entstandenen Kosten, wenn der Versicherte ansonsten unzumutbar belastet würden. Sofern die Versicherten einen über die Regelversorgung hinausgehenden gleich- oder andersartigen Zahnersatz wählen, leisten die Krankenkassen nur den doppelten Festzuschuss (§ 55 Abs. 2 Satz 1 2. HS SGB V). 

Das Gericht muss nicht entscheiden, ob die Beklagte zu Recht angenommen hat, dass sich der Kläger für eine andersartige Versorgung entschieden hat. Vielmehr ist ein weitergehender Leistungsanspruch nach § 87 Abs. 1a Satz 4 SGB V ausgeschlossen. Es ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte, dem Sinn und Zweck sowie dem systematischen Zusammenhang der §§ 55, 87 Abs. 1a SGB V, dass die Bewilligung des Festzuschusses vor der Behandlung zu erfolgen hat. Nach dem Regelungszusammenhang des § 87 Abs. 1a S 2 bis 7 SGB V unterscheidet der Gesetzgeber zwischen Maßnahmen, die vor und die nach der Behandlung erfolgen müssen. Nach Satz 4 der Bestimmung erfolgt die Prüfung des Heil- und Kostenplan (im Weiteren HKP) vor der Behandlung, während nach Satz 7 die Abrechnung der Festzuschüsse nach der Behandlung zu geschehen hat. Systematisch stellt sich die Bewilligung des Festzuschusses als Endpunkt und damit als Teil der Prüfung des HKP dar. Sie hat daher in Anknüpfung an § 87 Abs. 1a Satz 4 SGB V vor der Behandlung zu erfolgen. Dies allein sichert den mit der Genehmigung des HKP verfolgten Zweck - die Einhaltung der Grundsätze der Notwendigkeit, Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit. Der Krankenkasse soll - anders als bei der ärztlichen Behandlung im Übrigen - Gelegenheit gegeben werden, die vorgesehene Versorgung mit Zahnersatz vorab zu überprüfen und gegebenenfalls begutachten zu lassen, um auf diesem Wege die Inanspruchnahme der in aller Regel mit hohen Kosten verbundenen Zahnersatzleistungen - auch im Interesse des Versicherten - steuern zu können.

Auch Nr. 4 und 5 Anlage 3 zum Bundesmanteltarifvertrag-Zahnärzte (in der Fassung vom 01.04.2016, gültig bis zum 01.04.2017) regeln die Umsetzung dieser aus dem Wirtschaftlichkeitsgebot abzuleitenden Anforderungen: Danach ist der HKP der Krankenkasse vorzulegen. Sie hat den HKP vor Beginn der Behandlung insgesamt zu prüfen und kann den Befund, die Versorgungsnotwendigkeit und die geplante Versorgung begutachten lassen (Nr. 4). Bei bestehender Versorgungsnotwendigkeit bewilligt sie die Festzuschüsse. Nach der Genehmigung sind Änderungen des Befundes oder der tatsächlich geplanten Versorgung der KK zur Neufestsetzung der Festzuschüsse mitzuteilen. Die Festzuschüsse werden gezahlt, wenn der Zahnersatz in der bewilligten Form innerhalb von sechs Monaten eingegliedert wird. Die Gesamtvertragspartner können Regelungen zur Vereinfachung des Bewilligungsverfahrens für Wiederherstellungen/Erweiterungen vereinbaren (Nr. 5).

Diese im 4. Kapitel des SGB V angesiedelten Vorschriften nebst den ergänzenden Regelungen im BMV-Z zum Erfordernis der HKP-Genehmigung und ihrer Befristung regeln nicht nur die Beziehungen zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern, sondern gestalten auch das Leistungsrecht. Dies folgt zunächst aus der Entstehungsgeschichte der Normen. Mit der Einführung der befundbezogenen Festzuschüsse in § 55 SGB V (durch Art 1 Nr 36 GMG mWv 1.1.2005) wurden die Regelungen zum HKP nicht mehr - wie zuvor in § 30 SGB V - in die Vorschrift über den Leistungsanspruch, sondern in den neu geschaffenen Abs 1a des § 87 SGB V aufgenommen. Der Gesetzgeber wollte aber im Wesentlichen das geltende Recht übernehmen. Auch der dargestellte Sinn und Zweck der Regelungen sprechen für ihre Auswirkung auf das Leistungsrecht. Diese Zwecke würden unterlaufen, wenn nicht auch der Leistungsanspruch des Versicherten von der Genehmigung der abhängig wäre (BSG, Urteil vom 07. Mai 2013, Az.: B 1 KR 5/12 R – juris – Rn. 11 - 14).

Vorliegend hat der Kläger mit der Behandlung am 24.05.2016 angefangen. Die Genehmigung der Behandlung durch die Beklagte ist aber erst durch den angefochtenen Bescheid, ebenfalls vom 24.05.2016, erfolgt. Damit ist die Genehmigung nicht vor dem Beginn der Behandlung erfolgt, sodass ein weitergehender Leistungsanspruch nach der Maßgabe der Regelung des § 55 SGB V ausgeschlossen ist.

3. Vor diesem Hintergrund hat die Beklagte den Anspruch des Klägers nicht zu Unrecht abgelehnt, sodass dem Kläger kein Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 Satz 1 2. Alt. SGB V zusteht.

III. Eine Kostenerstattung nach § 13 Abs. 3 Satz 1 1. HS SGB V scheidet ebenfalls aus. Danach hat die Krankenkasse der versicherten Person die Kosten für eine selbstbeschaffte Leistung zu erstatten, sofern sie eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte […] und der Versicherten für die Selbstbeschaffung der Leistung durch die Leistungsablehnung Kosten entstanden sind sowie die Leistung notwendig ist. Ob die Leistung unaufschiebbar war, kann offenbleiben, da jedenfalls kein entsprechender Primäranspruch bestand.

Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung reicht auch der Anspruch aus § 13 Abs. 3 Satz 1 1. Alt. SGB V nicht weiter als ein entsprechender Naturalleistungsanspruch des Versicherten gegen seine Krankenkasse. Er setzt daher voraus, dass die selbst beschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (vgl. BSG, Urteil vom 03. Juli 2012, Az.: B 1 KR 6/11 R – juris – Rn. 15). Grundvoraussetzung ist mithin, dass die Klägerin gegen die zuständige Krankenkasse einen Naturalleistungsanspruch hat, den diese nicht, nicht rechtzeitig oder nicht vollständig erfüllt hat (vgl. BSG, Urteil vom 29. Juni 1994, Az.: 1 RK 40/93 – juris – Rn. 17). Aus den Ausführungen unter II. 1. – 2. ergibt sich, dass kein Primäranspruch besteht. Insoweit kann auch kein Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 Satz 1 1.HS SGB V bestehen.

IV. Dem Kläger steht jedoch ein Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3a Satz 7 SGB V zu. Nach § 13 Abs. 3a Satz 1 SGB V hat die Krankenkasse über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des Medizinischen Dienstes, eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Nach § 13 Abs. 3a Satz 2 SGB V hat die Krankenkasse bei der Erforderlichkeit der Einholung einer gutachtlichen Stellungnahme den Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten. Sofern ein im Bundesmantelvertrag für Zahnärzte vorgesehene Gutachterverfahren gemäß § 87 Abs. 1c SGB V durchgeführt, hat die Krankenkasse nach § 13 Abs. 3a Satz 4 SGB V ab Antragseingang innerhalb von sechs Wochen zu entscheiden; der Gutachter nimmt innerhalb von vier Wochen Stellung. Nach § 13 Abs. 3a Satz 5 SGB V hat die Krankenkasse den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe schriftlich oder elektronisch mitzuteilen, dass sie Fristen nach Satz 1 oder Satz 4 nicht einhalten kann. Sofern keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes erfolgt, gilt die Leistung gemäß § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V nach Ablauf der Frist als genehmigt. Nach § 13 Abs. 3a Satz 7 SGB V ist die Krankenkasse zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet, sofern sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist nach § 13 Abs. 3a Sätze 1, 4 SGB V eine erforderliche Leistung selbst (dazu unter 1. – 4.).

1. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass das Bundessozialgericht seine bisherige höchstrichterliche Rechtsprechung durch seine Entscheidungen vom 26.05.2020 aufgegeben hat. Danach stellt eine fingierte Genehmigung nach § 13 Abs. 3a SGB V nunmehr kein eigenständiges Naturalleistungsrecht mehr dar, sondern vermittelt dem Versicherten nur noch ein Recht sui generis. Dieses Recht sui generis erlaubt ihm bei Gutgläubigkeit, sich die Leistung selbst zu verschaffen und verbietet der Krankenkasse nach erfolgter Selbstbeschaffung, eine beantragte Kostenerstattung mit der Begründung abzulehnen, nach dem Recht der gesetzlichen Krankenversicherung bestehe kein Rechtsanspruch auf die Leistung (vgl. BSG, Urteil vom 26. Mai 2020, Az.: B 1 KR 9/18 R – juris – Rn. 10). Dieses durch die eingetretene Genehmigungsfiktion eingetretenes Recht zur Selbstbeschaffung auf Kosten der Krankenkasse besteht auch bei materieller Rechtswidrigkeit der selbstbeschafften Leistung, sofern die Versicherte im Zeitpunkt der Selbstbeschaffung keine Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis vom Nichtbestehen des materiellen Leistungsanspruchs hat (BSG, Urteil vom 26. Mai 2020, Az.: B 1 KR 9/18 R – juris – Rn. 22). Die mit § 13 Abs. 3a SGB V verfolgten Zwecke - Verfahrensbeschleunigung und Sanktionierung der Krankenkassen bei Nichteinhaltung der sich aus dieser Vorschrift ergebenden Fristen - finden ihre Grenze beim Rechtsmissbrauch. Diesen Rechtsgedanken hat der Gesetzgeber in § 18 Abs. 5 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) aufgegriffen und näher konkretisiert. Im Vergleich zur bisherigen Rechtsprechung des Senats ist der Maßstab des § 18 Abs. 5 SGB IX jedoch konkreter gefasst, indem er den in § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X geregelten Verschuldensmaßstab aufgreift. Im Hinblick auf die Parallelität der Regelungen sieht sich der erkennende Senat daher berechtigt und verpflichtet, das in § 18 Abs. 5 SGB IX gesetzlich geregelte Wertungsmodell wegen seiner Sachgerechtigkeit auch bei der vergleichbaren Vorschrift des § 13 Abs. 3a SGB V zur Anwendung zu bringen (BSG, Urteil vom 26. Mai 2020, Az.: B 1 KR 9/18 R – juris – Rn. 23). Folglich liegt Gutgläubigkeit nur vor, wenn der Versicherte keine Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis von der materiellen Rechtswidrigkeit der selbstbeschafften Leistung hatten. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn die Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat. Maßgebend dafür ist die persönliche Einsichtsfähigkeit der Begünstigten (Schütze in von Wulffen / Schütze, Sozialgesetzbuch X, Kommentar, 8. Auflage, § 45 Rn. 52). Die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt danach, wer schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht anstellt und daher nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss.

2. Die grundsätzlichen Voraussetzungen dieses Recht sui generis sind erfüllt. § 13 Abs. 3a SGB V findet auf den vorliegenden Sachverhalt sowohl zeitlich als auch sachlich Anwendung. Zeitlich hat der Kläger seinen Antrag nach dem 26.02.2013 gestellt, sodass § 13 Abs. 3a SGB V auf ihn Anwendung findet. Er verlangt zudem unmittelbar weder eine Geldleistung noch Erstattung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, sondern Erstattung für selbstbeschaffte Krankenbehandlung. Die Beklagte hat auch nicht innerhalb der maßgeblichen Fristen entschieden. Der Antrag des Klägers ging am 31.03.2016 im Beratungscenter der Beklagten in Rodgau ein. Erst mit Schreiben vom 18.04.2016 leitete die Beklagte das Begutachtungsverfahren ein, über das sie den Kläger nach Aktenlage nicht informierte. Die Einladung des Klägers seitens des Gutachters zur persönlichen Begutachtung am 02.05.2016 ersetzt insofern nicht die Unterrichtung des Klägers durch die beklagte Krankenkasse über die Einholung einer gutachterlichen Stellungnahme nach § 13 Abs. 3a Satz 2 SGB V. Die Entscheidung der Beklagten hätte bis zum 12.05.2016 (Ablauf der 6-Wochen-Frist) ergehen sowie dem Kläger bekannt gegeben müssen. Nach Aktenlage hat die Beklagte den Kläger nicht darüber informiert, dass sich ihre Entscheidung und aus welchen Gründen sie sich verzögert. Sie erging erst am 24.05.2016 und damit außerhalb der maßgeblichen Entscheidungsfrist des § 13 Abs. 3a Satz 4 SGB V. Vor diesem Hintergrund ist eine Genehmigungsfiktion als Recht sui generis nach § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V eingetreten.

3. Nach der nun aufgegebenen Rechtsprechung hat das Bundessozialgericht vertreten, dass es sich bei der Genehmigungsfiktion um einen Verwaltungsakt handelt (s. dazu die Ausführungen unter 1.). Mit dieser Rechtsprechung war die Maßgabe verbunden gewesen, dass es sich um einen bestimmten Antrag handeln muss. Begründung dafür war, dass, da der Verwaltungsakt nicht erlassen, sondern fingiert wird, sich der Inhalt der fingierten Genehmigung aus dem Antrag in Verbindung mit den einschlägigen Genehmigungsvorschriften hinreichend bestimmen lassen muss. Die Fiktion kann nur dann greifen, wenn der Antrag so bestimmt gestellt ist, dass die auf Grundlage des Antrags fingierte Genehmigung ihrerseits im Sinne von § 33 Abs. 1 SGB X hinreichend bestimmt ist (so ausdrücklich BSG, Urteil vom 08. März 2016, Az.: B 1 KR 25/15 R – juris – Rn. 23). Ein Verwaltungsakt ist aber nur hinreichend bestimmt, wenn sein Adressat objektiv in der Lage ist, den Regelungsgehalt des Verfügungssatzes zu erkennen und der Verfügungssatz ggf. eine geeignete Grundlage für seine zwangsweise Durchsetzung bildet (BSG, Urteil vom 11.07.2017, Az.: B 1 KR 1/17 R – juris – Rn. 18).

Nach neuerer Rechtsprechung handelt es sich bei der Genehmigungsfiktion nicht mehr um einen Verwaltungsakt, sondern um einen Akt sui generis (vgl. dazu unter 1.). Insofern muss die Genehmigungsfiktion nicht mehr so bestimmt sein, dass die auf Grundlage des Antrags fingierte Genehmigung ihrerseits im Sinne von § 33 Abs. 1 SGB X hinreichend bestimmt ist. Mangels Verwaltungsaktqualität ist es für den Adressaten nicht mehr notwendig, den Regelungsgehalt des Verfügungssatzes zu erkennen, damit dieser ggf. eine geeignete Grundlage für seine zwangsweise Durchsetzung darstellen kann. Nach Auffassung des Gerichts reicht der eingereichte Heil- und Kostenplan aus, um einen umfassenden Anspruch auf Zahnersatz nach allen möglichen Rechtsgrundlagen geltend zu machen. Im Weiteren musste für die Einräumung eines Rechts sui generis auch nicht die Bedürftigkeit des Klägers bereits im Antrag geltend gemacht werden. Insofern ist nämlich zu berücksichtigen, dass selbst in einem späteren Verfahrensstadium – d. h. im Widerspruchs- oder Klageverfahren – ein nachgewiesener Vorsorge-Bonus oder Härtefall seitens der Beklagten als gesetzliche Krankenkasse zu berücksichtigen ist und zu einer für den oder die Versicherte günstigere Entscheidung führen muss. 

Zwar hat das Bundessozialgericht entschieden, dass zur Reichweite des auf die Genehmigungsfiktion gestützten Kostenerstattungsanspruches nach § 13 Abs. 3a Satz 7 SGB V aber in vergleichbarer Weise wie bei der Ermittlung des Verfügungssatzes eines fingierten Verwaltungsaktes erforderlich sein muss, dass der Antrag die begehrte und später selbstbeschaffte Leistung hinreichend bestimmt (BSG, Urteil vom 25. März 2021, Az.: B 1 KR 22/20 R – juris – Rn. 16). Nach Auffassung des erkennenden Gerichts ist der Antrag des Klägers konkret auf die Gewährung eines Zuschusses zu Zahnersatz gerichtet und insoweit bestimmt genug. Dafür spricht zusätzlich zudem der mit der Einführung des § 13 Abs. 3a SGB V verbundene Beschleunigungs- und Sanktionsgedanke. Andernfalls würde der maßgebliche Sinn und Zweck der Regelung des § 13 Abs. 3a SGB V im Rahmen eines Antrags auf Zahnersatz ins Leere laufen. Diese Folge wäre jedoch auch mit dem Grundgedanken des § 13 Abs. 3a SGB V nicht zu vereinbaren (vgl. dazu ausführlich unter 5.).

4. Nach bisheriger Rechtsprechung musste der Antrag des Berechtigten eine Leistung betreffen, die er für erforderlich halten darf und die nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung liegt. Die Begrenzung auf erforderliche Leistungen bewirkte eine Beschränkung auf subjektiv für den Betroffenen erforderliche Leistung, die nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung liegen. Die Regelung soll es dem Berechtigten erleichtern, sich die ihm zustehende Leistung zu verschaffen. Andererseits soll sie nicht zum Rechtsmissbrauch einladen, indem sie Leistungsgrenzen des gesetzlichen Leistungskatalogs überwindet, die jedem Versicherten klar sein müssen. Diese Rechtsprechung hat das Bundessozialgericht dahingehend weiterentwickelt, dass das durch die Genehmigungsfiktion begründete Recht zur Selbstbeschaffung auf Kosten der Krankenkasse auch bei materieller Rechtswidrigkeit der selbstbeschafften Leistung besteht, sofern der Versicherte im Zeitpunkt der Selbstverschaffung keine Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis vom Nichtbestehen des materiellen Leistungsanspruches hat (BSG, Urteil vom 26. Mai 2020, Az.: B 1 KR 9/18 R – juris – Rn. 22).

Eine nähere Kenntnis des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung darf den Versicherten nicht abverlangt werden. Das Tatbestandsmerkmal der groben Fahrlässigkeit soll nur eine Kostenerstattung offensichtlich rechtswidriger Leistungen ausschließen. Je offensichtlicher die beantragte Leistung außerhalb des GKV-Leistungskatalogs liegt, desto eher ist von einer zumindest grob fahrlässigen Unkenntnis (Bösgläubigkeit) der Versicherten im Zeitpunkt der Selbstbeschaffung auszugehen (BSG, Urteil vom 26. Mai 2020, Az.: B 1 KR 9/18 R – juris – Rn. 24).

a) Bereits nach der bisherigen Rechtsprechung war es rechtsmissbräuchlich, Leistungen zu beanspruchen, die objektiv offensichtlich die Leistungsgrenzen des gesetzlichen Leistungskatalogs überwinden, die jedem Versicherten klar sein müssen. Dafür genügte es, dass das Gesetz formale oder jedem deutliche Anspruchsvoraussetzungen wie etwa Altersgrenzen regelt, die bei Antragstellung nicht erfüllt sind oder später entfallen oder Anspruchsgrenzen betroffen sind, die jedem klar sein müssen.

Nach § 55 Abs. 1 SGB V i. V. m. § 55 Abs. 2 SGB V oder i. V. m. § 55 Abs. 3 SGB V ist der Anspruch auf Zahnersatz maximal auf die Höhe der Doppelte der Regelleistungen begrenzt. Es muss jedem Versicherten auch klar sein, dass im Hinblick auf Zahnersatz gesetzliche Anspruchsgrenzen existieren. Hintergrund ist, dass die klare Begrenzung der Leistungen auf höchstens die doppelten Kosten der Regelversorgung darauf beruhen, dass die Versicherten mit der Regelversorgung das erhalten, was geeignet, ausreichend und erforderlich ist. Eine über die Regelversorgung hinausgehende Versorgung können sich Versicherte nur auf eigene Kosten verschaffen. Diese Leistungen liegen offensichtlich außerhalb der Leistungsgrenzen der gesetzlichen Krankenversicherung, sodass darauf kein Anspruch im Rahmen einer Genehmigungsfiktion als Recht sui generis besteht (vgl. dazu BSG, Urteil vom 27.08.2019, Az.: B 1 KR 9/19 R – juris – Rn. 27 – 30). Insofern ist der Anspruch im Rahmen der Genehmigungsfiktion als Recht sui generis maximal auf das Doppelte der Regelversorgung begrenzt. Ein weitergehender Anspruch über den hier ausgeurteilten Betrag steht dem Kläger aus diesem Grund nicht zu.

b) Dem Kläger war es weder bewusst noch hätte es ihm bewusst sein müssen, dass er keinen Anspruch auf die doppelte Regelversorgung gemäß dem Recht der gesetzlichen Krankenversicherung geltend machen kann. Nach seinem gesamten Vorbringen handelt es sich bei ihm um eine Ausnahmebehandlung. Er hat an erheblichen Kopf- und Nackenschmerzen gelitten, welche er mit Schmerzmitteln medikamentös behandeln musste. Die Ursache dafür habe sich bei einer multimodalen Zusammenarbeit zwischen Orthopäden und Zahnarzt in der Kiefer- und Zahnstellung herausgestellt. 

Insofern durfte er die zahnärztliche Versorgung zur Behandlung seiner erheblichen Kopf- und Nackenschmerzen für erforderlich halten. Soweit ein Versicherter aber eine ärztliche Behandlung subjektiv für erforderlich halten darf, ist er gleichzeitig gutgläubig im Hinblick auf den materiellen Leistungsanspruch, auch wenn er ihm nicht zusteht. Dem Kläger kann nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, dem sich das erkennende Gericht ausdrücklich anschließt, auch eine Kenntnis des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung nicht abverlangt werden. Vielmehr geht es nur darum, eine Kostenerstattung offensichtlich rechtswidriger Leistungen auszuschließen.

Dafür spricht, dass ausweislich des Heil- und Kostenplans die Geltendmachung eines Härtefalles möglich ist. Einem Versicherten muss dabei nicht bewusst sein, dass es sich nicht um einen medizinischen Härtefall handelt, sondern ein höherer Zuschuss nur bei Vorliegen einer gesetzlich definierten Bedürftigkeit besteht (vgl. § 55 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 – 3 SGB V). Diese Kenntnis bzw. das Kennenmüssen ist dem Kläger auch nicht dadurch vermittelt worden, dass ausweislich der Anlage zum Heil- und Kostenplan vom 19.01.2016 der Eigenanteil voraussichtlich 927,99 € im Hinblick auf die Kosten für eine dem Befund entsprechende Regelversorgung betragen würde. Dies gilt im Weiteren auch für den Hinweis des Zahnarztes in seinem Schreiben vom 26.01.2016, wonach die Krankenkassen ab dem 01.01.2005 nur noch einen Zuschuss zur Versorgung mit Zahnersatz leisten und dieser Zuschuss für eine Regelversorgung gewährt wird. Dies spricht nicht dafür, dass der Kläger Kenntnis von dem fehlenden materiellen Recht zur Leistungsgewährung hatte. Diesbezüglich ist darauf hinzuweisen, dass alleine der Umstand, dass ein Arzt Versicherten verdeutlicht, Krankenkassen sähen die Rechtslage zuungunsten der Versicherten anders, noch keine grob fahrlässige Unkenntnis oder gar Kenntnis von der Rechtswidrigkeit der beantragten Leistung begründet wird (BSG, Urteil vom 26. Mai 2020, Az.: B 1 KR 9/18 R – juris – Rn. 25).

Es handelt sich vor diesem Hintergrund nicht um eine offensichtlich außerhalb des gesetzlichen Leistungskatalogs liegende Annahme, sodass der Kläger hinsichtlich der Annahme eines Härtefalles und damit eines weitergehenden Anspruches auf die doppelte Regelversorgung – ausschließlich im Rahmen des Rechtsregimes der Genehmigungsfiktion – gutgläubig war.

c) Zudem hat sich der Kläger den Zahnersatz vor der Entscheidung der Beklagten verschafft, sodass auch nicht durch deren Bescheid Bösgläubigkeit eintreten konnte. Vorliegend wurde der Zahnersatz am 24.05.2016 eingegliedert. Am gleichen Tag hat die Beklagte den hier streitigen Bescheid versandt. Eine Bekanntgabe dieses Bescheides ist aber – auch im Hinblick auf die Bekanntgabefiktion nach § 37 Abs. 2 Satz 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) – erst nach der Eingliederung des Zahnersatzes erfolgt, sodass der Kläger zu dem Zeitpunkt der Eingliederung auch noch gutgläubig war und auch nicht durch die Entscheidung der Beklagte bösgläubig geworden sein konnte.

5. Rechtsfolge dieses Kostenerstattungsanspruches ist die Erstattung der Kosten für die selbstverschaffte Leistung in der Höhe der doppelten Regelleistung. Hintergrund für die Ausgestaltung des Anspruches in dieser Höhe ist nach Ansicht des Gerichts der mit dem Eintritt einer Genehmigungsfiktion verbundene Sanktionsgedanke. Zweck der Einführung der Genehmigungsfiktion war, dass der Versicherte Naturalleistungen schnell erhält. Zweck der Vorschrift ist es jedoch nicht, einem Versicherten Leistungen zu verschaffen, auf die er nach dem Recht der gesetzlichen Krankenversicherung keinen Anspruch hat. Sofern die Krankenkasse nicht in der Lage oder Willens sei, schnell zu entscheiden, soll der Versicherte sich die Leistung selbst verschaffen dürfen. Die Möglichkeit der Selbstbeschaffung war schon im ursprünglichen Entwurf – als Ausnahme vom Sachleistungsprinzip – als eine Sanktionsmöglichkeit gegen die Krankenkasse konzipiert, die nicht in einem angemessenen Zeitraum entscheidet (BT-Drucks 17/10488 S. 32). Die in der Ursprungsfassung mitgedachte Sanktionswirkung konnte nur darin bestehen, dass für eine im Übrigen rechtmäßige Leistungsbeschaffung die (unvermeidbaren) Beschaffungskosten höher sein können als die einer Naturalleistungsgewährung, dass der KK zudem ein zusätzlicher Aufwand durch das aufwändigere Kostenerstattungsverfahren entsteht und dass Wirtschaftlichkeitsprüfungsverfahren gegen Leistungserbringer nicht greifen. Die mit § 13 Abs 3a Satz 6 SGB V zusätzlich angestrebte "Erleichterung" zeitnaher Beschaffung (BT-Drucks 17/11710 S 30) kann daher nur bezwecken, dass beim Kostenerstattungsanspruch des Versicherten nicht geprüft wird, ob der Versicherte auch ohne die Genehmigungsfiktion Anspruch auf die Leistung als Naturalleistung gehabt hätte. Käme es dagegen für Existenz und Reichweite des Kostenerstattungsanspruchs weiterhin auf das sonstige Recht der gesetzlichen Krankenversicherung an, wäre die Regelung ohne eigenen Regelungsgehalt (BSG, Urteil vom 26. Mai 2020, Az.: B 1 KR 9/18 R – juris – Rn. 17 - 18).

Für den vorliegenden Fall bedeuten diese Ausführungen, dass der Kläger Anspruch auf einen weiteren Zuschuss i. H. v. 975,82 € hat. Dieser Betrag setzt sich zunächst aus der Differenz aus dem ursprünglich seitens des behandelnden Zahnarztes zugrunde gelegten Betrag i. H. v. 927,99 € und den seitens der Beklagten gewährten Betrages i. H. v. 880,16 € zusammen (47,83 €) sowie dem weiteren Betrag i. H. v. 927,99 € zusammen. Dieses Ergebnis wird zudem durch folgendes Gedankenspiel bestätigt: Sofern die Beklagte dem Kläger einen Betrag i. H. v. 927,99 € gewährt hätte, dabei aber – wie hier – nicht fristgemäß entschieden hätte, wäre unter Berücksichtigung der Argumentation der Beklagten gar keine Sanktion eingetreten. Dieses Ergebnis ist jedoch mit dem Sinn und Zweck des § 13 Abs. 3a SGB V nicht vereinbar.

Vor diesem Hintergrund dieser Ausführungen war die Beklagte zu einer weiteren Zahlung i. H. v. 975,82 € zu verurteilen.

E. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und trägt dem Ausgang des Verfahrens Rechnung. Dabei ist im Hinblick des geringfügigen Obsiegens (3,69 %) des Klägers zu berücksichtigen, dass nach der Regelung des § 92 Abs. 2 Nr. 1 Zivilprozessordnung (ZPO), welcher nach § 202 SGG anwendbar ist, eine Kostenerstattung nicht in Betracht kommt. Die Berufung ist für beide Beteiligte nach §§ 143, 144 SGG zulässig, da der Wert des Beschwerdegegenstands von 750,-€ überschritten wird. Der Kläger ist insoweit mit einem Betrag i. H. v. 25.438,33 € unterlegen, während die Beklagte neben den bereits bewilligten (und hoffentlich auch schon bezahlten) Zuschuss von 880,16 € zu der Zahlung eines weiteren Zuschusses i. H. v. 975,82 € an den Kläger verurteilt wurde.
 

Rechtskraft
Aus
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