L 5 R 115/20

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
S 9 R 162/19
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 5 R 115/20
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

I.    Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Kassel vom 29. März 2020 wird zurückgewiesen.

II.    Die Beteiligten haben einander auch für das Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten.

III.    Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger begehrt im Wege des Überprüfungsverfahrens die Feststellung einer höheren Altersrente für langjährig Versicherte unter Berücksichtigung von Kindererziehungs- und Berücksichtigungszeiten. 

Der 1953 geborene Kläger und die 1963 geborene Beigeladene sind die Eltern des am 1990 geborenen D. C. und der 1995 geborenen Zwillinge E. C. und F. C. Der Kläger und die Beigeladene heirateten im Jahr 2002. Das auf Antrag der Beigeladenen vor dem Amtsgericht Kassel - Familiengericht - eingeleitete Scheidungsverfahren ist inzwischen rechtskräftig beendet und im Zuge dessen auch der Versorgungsausgleich zwischen dem Kläger und der Beigeladenen durchgeführt (Az.: 524 F 3001/18 VA). 

Der Kläger bezieht von der Beklagten seit dem 1. Juli 2017 Altersrente für langjährig Versicherte, anfänglich auf der Grundlage von 44,0678 persönlichen Entgeltpunkten (pEP), wobei keine Kindererziehungs- und Berücksichtigungszeiten in Ansatz gebracht wurden (Rentenbescheid vom 23. Mai 2017).

Mit Schreiben vom 14. Januar 2019 beantragte der Kläger bei der Beklagten, ihm die Erziehungszeiten für seine beiden Kinder E. und F. zuzuordnen. Durch die Kindererziehung habe er Renteneinbußen hinnehmen müssen. 

Mit Bescheid vom 25. Januar 2019 lehnte die Beklagte die Rücknahme ihres Bescheides vom 23. Mai 2017 ab. Eine Prüfung habe ergeben, dass bei Erlass dieses Bescheides weder das Recht unrichtig angewandt noch von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen worden sei. Die Rente des Klägers sei in zutreffender Höhe festgestellt worden. Es sei davon auszugehen, dass die Beigeladene die Kinder überwiegend erzogen habe. Eine gemeinsame Erklärung über die Zuordnung der Erziehungszeiten hätten der Kläger und die Beigeladene nicht abgegeben. 

Hiergegen erhob der Kläger am 4. Februar 2019 Widerspruch, zu dessen Begründung er geltend machte, seine Arbeitszeit nach der Geburt seines Sohnes D. ab dem xx. xxx 1991 für 8 1/2 Jahre halbiert und anschließend auf 30 Stunden/Woche reduziert zu haben, um die Kinder gleichberechtigt mit der Beigeladenen zu betreuen und ihr Gelegenheit zu geben, berufstätig zu sein. Die Beigeladene sei freiberuflich tätig gewesen und habe als solche nicht der Rentenversicherungspflicht unterlegen. Durch die Zuordnung der Erziehungszeiten allein an sie werde sein Anteil an der Kindererziehung ignoriert. Dies sei unverhältnismäßig und diskriminierend. 

Durch Widerspruchsbescheid vom 25. April 2019 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Eine überwiegende Erziehung der Kinder durch einen Elternteil sei nicht feststellbar. Daher seien die Kindererziehungszeiten zu Recht der Kindsmutter zugeordnet worden. Der Rentenversicherungsträger prüfe nicht, ob ein Gesetz verfassungswidrig sei. 

Zur Begründung seiner am 22. Mai 2019 vor dem Sozialgericht Kassel erhobenen Klage nahm der Kläger Bezug auf sein bisheriges Vorbringen und trug weiter vor, dass ein Automatismus, wonach von vornherein einem Elternteil die Kindererziehungszeiten zugeordnet würden, dem Gleichheitssatz und außerdem dem Gebot widerspreche, dass niemand wegen seines Geschlechts benachteiligt oder bevorzugt werden dürfe. Er habe seinerzeit seine Arbeitszeit deutlich herabgesetzt und sich mit der Beigeladenen in der Kinderbetreuung und Erwerbstätigkeit abgewechselt. Zumindest die Zwillinge E. und F. habe er in gleichem Umfang betreut wie die Beigeladene und habe bei Krankheit der Kinder meist allein für sie gesorgt. Er werde ungleich behandelt. 

Die mit Beschluss vom 1. Oktober 2019 zum Verfahren beigeladene Kindsmutter C. C. hat sich nicht zur Sache geäußert.

Durch Gerichtsbescheid vom 29. März 2020 wies das Sozialgericht die Klage ab. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Änderung des Bescheides vom 23. Mai 2017 und Berücksichtigung von Kindererziehungs- und Berücksichtigungszeiten. Die Beigeladene und er hätten nicht fristgerecht eine Erklärung über die Zuordnung der Kindererziehungszeiten zum Kläger abgegeben. Demnach bleibe es bei dem Grundsatz, dass die Kindererziehungszeiten demjenigen zuzuordnen seien, der das Kind - nach objektiven Gesichtspunkten - überwiegend erzogen habe. Eine alleinige oder überwiegende Erziehung nehme aber selbst der Kläger nicht für sich in Anspruch. Soweit die gemeinsam erziehenden Eltern Personen unterschiedlichen Geschlechts seien, die in derselben familienrechtlichen Beziehung zu den Kindern stünden, sie die Erziehungszeit nicht ganz oder teilweise durch übereinstimmende Erklärung einem Elternteil zugeordnet hätten und eine überwiegende Erziehung durch einen Elternteil nicht vorliege, werde die Erziehungszeit der Mutter zugeordnet. Bedenken gegen die Vereinbarkeit jener Zuordnungsregel mit dem grundgesetzlichen Gleichberechtigungsgebot bestünden zwar seit (mindestens) der 1990er Jahre, ohne dass sich dies allerdings zu durchgreifenden Zweifeln verdichtet hätte. Stattdessen sei die Zuordnungsregelung auf eine widerlegliche Vermutung zu reduzieren. 

Gegen den ihm am 30. März 2020 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 27. April 2020 Berufung beim Hessischen Landessozialgericht eingelegt.

Zur Begründung nimmt er auf sein bisheriges Vorbringen Bezug und trägt ergänzend vor, dass das Sozialgericht die Halbierung seiner Arbeitszeit nicht gewürdigt habe. Da seine Kinder vor der Eheschließung geboren seien, nehme er auch nicht anteilig über den Versorgungsausgleich an der Kindererziehung teil. Dies sei unbillig, stelle zumindest einen Verstoß gegen Art. 3 Grundgesetz (GG) dar und diskriminiere ihn wegen seines Geschlechts. Durch die Reduzierung der Arbeitszeit habe er die Kinder zur Hälfte betreut, aber dennoch mehr als die Hälfte des gemeinsamen Einkommens erzielt. Auch mit diesem Umstand habe sich das Sozialgericht nicht auseinandergesetzt. Seinem Verständnis nach sei es gesellschaftliches Ziel, die Rolle der Väter in der Kindererziehung zu stärken und zu unterstützen. Väter würden jedoch diskriminiert und aufgrund ihres Geschlechts benachteiligt, wenn keine übereinstimmende Erklärung vorliege. Sein Fall weiche von der klassischen Rollenverteilung ab, von welcher der Gesetzgeber bei Schaffung der hier streitigen Zuordnungsregel ausgegangen sei. Bei erst nach der Eheschließung geborenen Kindern würde sich das Problem nicht stellen, weil die Kindererziehung im Falle einer Scheidung dann im Wege des Versorgungsausgleichs bei beiden Elternteilen entsprechend berücksichtigt würde. Hiermit hätte sich das Sozialgericht ebenfalls befassen müssen.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Kassel vom 29. März 2020 und den Bescheid vom 25. Januar 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. April 2019 aufzuheben sowie die Beklagte zu verpflichten, den Rentenbescheid vom 23. Mai 2017 teilweise zurückzunehmen, und zu verurteilen, ihm eine höhere Altersrente für langjährig Versicherte unter Berücksichtigung von Kindererziehungs- und Berücksichtigungszeiten für den 1990 geborenen D., für die 1995 geborene E. und für den 1995 geborenen F., 
hilfsweise unter Berücksichtigung von Kindererziehungs- und Berücksichtigungszeiten für die 1995 geborene E. und für den 1995 geborenen F., 
weiter hilfsweise unter Berücksichtigung von Kindererziehungs- und Berücksichtigungszeiten für den am 7. Oktober 1995 geborenen F. 
zu gewähren,

äußerst hilfsweise das Verfahren auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorzulegen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung.

Die Beigeladene hat sich nicht zur Sache geäußert. 

Nach Anhörung der Beteiligten und trotz ausdrücklich erklärter Ablehnung des Klägers hat der Senat durch Beschluss vom 9. November 2020 die Berufung gemäß § 153 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) dem Berichterstatter des 5. Senats zur Entscheidung übertragen. 

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten sowie zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze sowie auf den Inhalt der den Kläger betreffenden Rentenakte der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.

Entscheidungsgründe

Der Senat konnte aufgrund des Übertragungsbeschlusses vom 9. November 2020 gemäß § 153 Abs. 5 SGG über die Berufung des Klägers in der Besetzung mit dem Berichterstatter und zwei ehrenamtlichen Richtern eine Entscheidung treffen. Dass der Kläger der Übertragung seiner Berufung im Rahmen der ihm im Vorfeld eingeräumten Möglichkeit zur Stellungnahme (§ 62 SGG) widersprochen hat, ist rechtlich unbeachtlich. An einer Entscheidung war der Senat trotz Ausbleibens der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung nicht gehindert, weil die Beteiligten rechtzeitig und ordnungsgemäß geladen und dabei nach Maßgabe des § 153 Abs. 1 i. V. m. § 110 Abs. 1 Satz 2 SGG darauf hingewiesen worden waren, dass auch im Falle ihrer Abwesenheit verhandelt und entschieden werden kann.

Die statthafte Berufung (§ 143, § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG) des Klägers ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 151 Abs. 1 SGG). Sie bleibt aber in der Sache ohne Erfolg.

Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Kassel vom 29. März 2020 ist nicht zu beanstanden. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen, weil der Kläger keinen Anspruch auf teilweise Rücknahme des ursprünglichen Rentenbescheides vom 23. Mai 2017 sowie auf Neufeststellung und Gewährung einer höheren Altersrente für langjährig Versicherte unter Berücksichtigung von Kindererziehungs- und Berücksichtigungszeiten für keines seiner drei Kinder D., E. oder F. hat. Der dies ablehnende Bescheid der Beklagten vom 25. Januar 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. April 2019 (§ 95 SGG) ist rechtmäßig ergangen und beschwert den Kläger nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 SGG.

Sein Überprüfungsbegehren macht der Kläger im Wege der kombinierten Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage geltend (vgl. BSG, Urteil vom 6. September 2017, B 13 R 33/16 R, juris Rdnr. 17 m.w.N.). 

Unter welchen gesetzlichen Voraussetzungen ein nach Maßgabe von § 77 SGG in der Sache bindend gewordener Verwaltungsakt aufgehoben werden kann, ist in §§ 44 ff. Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch (SGB X) geregelt.

Das Überprüfungsbegehren des Klägers stützt sich auf § 44 SGB X.

Gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch soweit er bestandskräftig geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat (§ 44 Abs. 1 Satz 2 SGB X). Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches gemäß § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird (§ 44 Abs. 4 Satz 2 SGB X). Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraums, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag (§ 44 Abs. 4 Satz 3 SGB X).

Daran gemessen steht dem Kläger kein Anspruch auf Rücknahme des ursprünglichen Rentenbescheides vom 23. Mai 2017, Rentenneufeststellung und Zahlung einer höheren Altersrente seit Rentenbeginn am 1. Juli 2017 zu. Denn bei Erlass jenes Rentenbescheides hatte die Beklagte in Bezug auf die hier allein streitigen Kindererziehungs- und Berücksichtigungszeiten weder das Recht unrichtig angewandt, noch war sie von einem Sachverhalt ausgegangen, der sich als unrichtig erweist. Sie hatte die Altersrente des Klägers nicht in rechtswidrig zu geringer Höhe festgestellt. Die Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X für eine Rücknahme des Rentenbescheides sind nicht erfüllt.

Zunächst ist festzuhalten, dass sich die Rechtswidrigkeit des ursprünglichen Verwaltungsaktes im Rahmen des § 44 Abs. 1 SGB X nach der zum Zeitpunkt seines Erlasses bestehenden Sach- und Rechtslage aus heutiger Sicht beurteilt (vgl. BSG, Urteil vom 14. November 2002, B 13 RJ 47/01 R = BeckRS 2003, 40434). Rechtswidrig in diesem Sinne ist dabei auch ein Verwaltungsakt, dessen Ermächtigungsgrundlage nicht mit dem Grundgesetz vereinbar ist (vgl. BSG, Beschluss vom 10. Oktober 2018, B 13 R 63/18 B = BeckRS 2018, 27612 Rdnr. 14 m.w.N.). Auch im Überprüfungsverfahren kann daher die Verfassungswidrigkeit einer Vorschrift geltend gemacht werden.

Gemäß § 64 Sozialgesetzbuch, Sechstes Buch (SGB VI) sind für den Monatsbetrag der Rente neben dem Rentenartfaktor und dem aktuellen Rentenwert die unter Berücksichtigung des Zugangsfaktors ermittelten persönlichen Entgeltpunkte des Versicherten maßgeblich. Der Ermittlung jener Entgeltpunkte liegen nach § 66 Abs. 1 i. V. m. § 70 Abs. 1 SGB VI unter anderem die vom Versicherten zurückgelegten Beitragszeiten (§ 54 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 55 SGB VI) zugrunde. Bei Kindererziehungszeiten handelt es sich um Beitragszeiten (§ 55 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. § 3 Satz 1 Nr. 1, § 56 bzw. § 249 SGB VI), für die der Versicherte nach § 70 Abs. 2 SGB VI für jeden Kalendermonat 0,0833 Entgeltpunkte (Entgeltpunkte für Kindererziehungszeiten) erhält. Für Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung (§ 57 SGB VI) werden nach Maßgabe des § 70 Abs. 3a SGB VI Entgeltpunkte zusätzlich ermittelt und gutgeschrieben. 

Wie sich aus § 3 Satz 1 Nr. 1 SGB VI und § 57 Satz 1 SGB VI ergibt, setzt der Tatbestand einer Kindererziehungszeit bzw. einer Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung jedenfalls voraus, dass Kindererziehungszeiten anzurechnen sind bzw. dass die Voraussetzungen für die Anrechnung einer Kindererziehungszeit vorliegen. Maßgeblich hierfür sind somit die rechtlichen Vorgaben, wie sie in § 56 SGB VI - in der hier einschlägigen und seit 1. Juli 2014 geltenden Fassung des Gesetzes über Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Leistungsverbesserungsgesetz) vom 23. Juni 2014 (BGBl. I, S. 787) - geregelt sind.

Nach § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VI sind Kindererziehungszeiten Zeiten der Erziehung eines Kindes in dessen ersten drei Lebensjahren, wobei für vor dem 1. Januar 1992 geborene Kinder die Kindererziehungszeit bereits 24 Kalendermonate nach Ablauf des Monats der Geburt endet (§ 249 Abs. 1 SGB VI in der Fassung von Art. 1 Nr. 10 Buchst. a) RV-Leistungsverbesserungsgesetz vom 23. Juni 2014). Für einen Elternteil (§ 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Abs. 3 Nr. 2 und 3 Erstes Buch) wird eine Kindererziehungszeit gemäß § 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VI angerechnet, wenn 

1.    die Erziehungszeit diesem Elternteil zuzuordnen ist, 
2.    die Erziehung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erfolgt ist oder einer solchen gleichsteht und 
3.    der Elternteil nicht von der Anrechnung ausgeschlossen ist. 

Vorliegend scheidet eine Zuordnung der Erziehungszeiten beim Kläger aus (§ 56 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB VI).

Gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VI ist eine Erziehungszeit dem Elternteil zuzuordnen, der sein Kind erzogen hat. Haben mehrere Elternteile das Kind gemeinsam erzogen, wird die Erziehungszeit einem Elternteil zugeordnet (§ 56 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Haben die Eltern ihr Kind gemeinsam erzogen, können sie durch eine übereinstimmende Erklärung bestimmen, welchem Elternteil sie zuzuordnen ist (§ 56 Abs. 2 Satz 3 SGB VI). Dabei kann die Zuordnung auf einen Teil der Erziehungszeit beschränkt werden (§ 56 Abs. 2 Satz 4 SGB VI). § 56 Abs. 2 Satz 5 SGB VI bestimmt in diesem Zusammenhang weiter, dass die übereinstimmende Erklärung der Eltern mit Wirkung für künftige Kalendermonate abzugeben ist. Die Zuordnung kann rückwirkend für bis zu zwei Kalendermonate vor Abgabe der Erklärung erfolgen, es sei denn, für einen Elternteil ist unter Berücksichtigung dieser Zeiten eine Leistung bindend festgestellt, ein Versorgungsausgleich oder ein Rentensplitting durchgeführt (§ 56 Abs. 2 Satz 6 SGB VI). Nach § 56 Abs. 2 Satz 7 SGB VI gilt für die Abgabe der Erklärung § 16 des Ersten Buches über die Antragstellung entsprechend. Haben die Eltern eine übereinstimmende Erklärung nicht abgegeben, ist die Erziehungszeit der Mutter zuzuordnen (§ 56 Abs. 2 Satz 8 SGB VI). Haben mehrere Elternteile das Kinder erzogen, ist die Erziehungszeit demjenigen zuzuordnen, der das Kind überwiegend erzogen hat, soweit sich aus Satz 3 nicht etwas anderes ergibt (§ 56 Abs. 2 Satz 9 SGB VI). 

Ausgehend von diesem Regelungssystem scheidet eine Zuordnung der Erziehungszeiten zum Kläger aus. Da die Beigeladene und er keine gemeinsame Erklärung über eine entsprechende Zuordnung der Erziehungszeiten gegenüber der Beklagten abgegeben haben (§ 56 Abs. 2 Satz 3 SGB VI), würde eine Zuordnung der Erziehungszeiten zum Kläger letztlich nur dann in Betracht kommen, wenn sich feststellen ließe, dass er die Kinder überwiegend erzogen hat (§ 56 Abs. 2 Satz 9 SGB VI). Das aber behauptet selbst der Kläger nicht. Seinen eigenen Angaben zufolge will er mit der Beigeladenen die Kinder „gleichberechtigt“ erzogen (Widerspruchsbegründung), sich mit ihr in der Kinderbetreuung und Berufstätigkeit „abgewechselt“ und er die Kinder „in gleichem Umfang“ (Klagebegründung) bzw. „zur Hälfte“ betreut haben (Berufungsbegründung). Schon aufgrund seiner eigenen Einlassungen lässt sich somit keine überwiegende Erziehung der Kinder durch den Kläger feststellen. Sein Hinweis, bei Krankheit der Kinder meist allein für sie gesorgt zu haben, rechtfertigt dabei nicht, die grundsätzliche Annahme in Frage zu stellen, dass sich erwerbstätige Elternteile - wie der Kläger und die Beigeladenen - in etwa auch zu gleichen Teilen der Kindererziehung gewidmet haben. Das hat vorliegend zur Folge, dass die Kindererziehungs- und Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung gemäß § 56 Abs. 2 Satz 8 SGB VI (i. V. m. § 57 SGB VI) der Beigeladenen zuzuordnen sind. 

Dass die Erziehungszeit trotz gemeinsamer Erziehung des Kindes gemäß § 56 Abs. 2 Satz 8 SGB VI der Kindsmutter zugeordnet wird, stellt nach Auffassung des Senats keinen Verstoß gegen Verfassungsrecht dar. 

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. BSG, Urteil vom 17. April 2008, B 13 R 131/07 R = SozR 4-2600 § 56 Nr. 5) verstößt die - im Zweifel die Kindsmutter bevorzugende - Regelung des § 56 Abs. 2 Sätze 8 und 9 SGB VI nicht gegen Verfassungsrecht. Als Gründe für die Anerkennung von Kindererziehungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung nennt die Begründung zum Entwurf des Hinterbliebenenrenten- und Erziehungszeiten-Gesetzes unter anderem, dass damit in der Rentenversicherung ein „entscheidender Beitrag zu einer Verbesserung der eigenständigen sozialen Sicherung der Frau“ geleistet werde (vgl. BT-Drucks. 10/2677, S. 28). Der Gesetzgeber hat damit dem Umstand Rechnung getragen, dass in Familien mit kleinen Kindern vielfach ein Ehegatte (ein Elternteil) - in den weitaus häufigsten Fällen die (Ehe-) Frau - während der Kindererziehung gar nicht oder nur eingeschränkt in der Lage ist, eigene Rentenansprüche aufzubauen. Dieser Zielsetzung würde das vom Kläger verfolgte Begehren zuwiderlaufen, die kinderbezogenen Zeiten allein ihm zukommen zu lassen. Dem Gesetzgeber war es insoweit nicht verwehrt, die Zuordnung der Kindererziehungszeiten und Berücksichtigungszeiten nach dem Überwiegen der Erziehungstätigkeit typisierend und unter Berücksichtigung der Verwaltungspraktikabilität zu regeln. Ausgehend von der gemeinsamen Elternverantwortung geht das Gesetz davon aus, dass sich die einverständlich zusammenwirkenden Eltern auch darüber einig werden, ob sie das Kind gemeinschaftlich erziehen und wer von ihnen dann versichert sein soll. Nur für den Fall des Fehlens einer solchen Vereinbarung und der Nichtfeststellbarkeit einer überwiegenden Erziehung durch den Vater trifft das Gesetz in § 56 Abs. 2 Satz 8 SGB VI eine Auffangregelung, die der eigenständigen sozialen Sicherung der Frau Rechnung trägt. Das Bundesverfassungsgericht hat keinen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz in Art. 3 Abs. 1 GG oder gegen das Verbot einer Benachteiligung wegen des Geschlechts in Art. 3 Abs. 3 GG darin gesehen, dass Väter der Geburtsjahrgänge vor 1921 von vornherein keinen Anspruch auf Leistungen nach dem Kindererziehungsleistungsgesetz (KLG) haben, weil sie nach dem für die damalige Zeit typischen Rollenbild der Familie keine Nachteile in der Altersversorgung infolge Kindererziehung hätten hinnehmen müssen (vgl. BVerfG, Urteil vom 7. Juli 1992, 1 BvL 51/86, 1 BvL 50/87, 1 BvR 873/90, 1 BvR 761/91 = BVerfGE 87, 1). Dann aber kann auch die dargestellte Lösung des Gesetzgebers für später geborene Väter - wie den Kläger - und für die hier streitigen Zeiträume keinen durchgreifenden Bedenken unterliegen. Denn ihre differenzierende Ausgestaltung gibt in weiten Bereichen Raum dafür, die kinderbezogenen Zeiten auch zugunsten des Vaters anzurechnen. Eine zusätzliche Legitimation für die sich zugunsten der Mütter auswirkenden Regelungen leitet sich des Weiteren aus dem Gleichberechtigungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 2 GG) ab. Auch schon für die Zeit vor Ergänzung dieser Vorschrift durch ihren Satz 2 mit Wirkung ab dem 15. November 1994 durch das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 27. Oktober 1994 (BGBl. I, S. 3146) galt, dass der Gesetzgeber berechtigt ist, faktische Nachteile, die typischerweise Frauen treffen, durch begünstigende Regelungen auszugleichen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. Januar 1995, 1 BvL 18/93, 1 BvL 5/94, 1 BvL 6/94, 1 BvL 7/94, 1 BvR 403/94, 1 BvR 569/94 = BVerfGE 92, 91; BVerfG, Urteil vom 28. Januar 1992, 1 BvR 1025/82, 1 BvL 16/83, 1 BvL 10/91 = BVerfGE 85, 191). Ebenso wenig liegt ein Verstoß gegen Art. 6 GG und Art. 14 GG vor. Dem Schutz von Ehe und Familie (Art. 6 GG) trägt die Möglichkeit der Erziehenden, sich hinsichtlich der Kindererziehungszeiten zu vereinbaren, hinreichend Rechnung. Ein Verstoß gegen den Eigentumsschutz aus Art. 14 GG scheitert demgegenüber daran, dass keine zu schützenden Rentenanwartschaften erworben worden sind. Rentenrechtliche Positionen, die der Gesetzgeber nie eingeräumt hat, können nicht Gegenstand des grundrechtlichen Eigentumsschutzes sein (vgl. hierzu: BSG, Urteil vom 12. Dezember 2006, B 13 RJ 22/05 R = SozR 4-2600 § 70 Nr. 2).

Bei dieser Sach- und Rechtslage kommt es für die Zuordnung der Kindererziehungszeiten weder einfach-gesetzlich noch zwingend aus verfassungsrechtlichen Gründen auf die vom Kläger erhobenen Einwände - Halbierung seiner Arbeitszeit zwecks Kindererziehung, Geburt der Kinder vor der Eheschließung und Verhältnis der Einkommen beider Elternteile - an. Seine Rüge, das Sozialgericht habe sich hiermit nicht (ausreichend) befasst, geht somit ins Leere.

In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen sieht sich der Senat auch nicht dazu veranlasst, das Verfahren gemäß Art. 100 Abs. 1 GG auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen. 

Nach alledem musste die Berufung des Klägers ohne Erfolg bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Eine Kostenerstattung zugunsten der Beigeladenen kam nicht in Betracht, weil sie sich mangels eigener Antragstellung im Berufungsverfahren keines Kostenrisikos ausgesetzt hat (vgl. hierzu: BeckOGK/Gutzler 1. Januar 2021, SGG, § 193 Rdnr. 62 m.w.N.).

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.

Rechtskraft
Aus
Saved