1. Familienangehörige eines Versicherten sind als Dolmetscher während der Begutachtung grundsätzlich ungeeignet. Das gilt ausnahmsweise dann nicht, wenn es lediglich um den bloßen Austausch solcher Informationen geht, bei denen ihrer Natur nach eine Verfälschung von vornherein ausscheidet (hier verneint).
2. Ein psychiatrisches Sachverständigengutachten, bei dessen Exploration und Anamneseerhebung Dritte anwesend und beteiligt waren, ist nicht von vornherein unverwertbar. Von einer Unverwertbarkeit ist nur auszugehen, wenn Anhaltspunkte ersichtlich sind, dass durch die Anwesenheit des Dritten das Untersuchungsergebnis verfälscht worden ist (hier bejaht).
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 25. Mai 2020 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander auch für das Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Weitergewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.
Der 1962 geborene Kläger, italienischer Staatsangehöriger, hält sich seit dem 22. Mai 1997 in der Bundesrepublik Deutschland auf. Seinen ursprünglichen Angaben zufolge hat er in seinem Herkunftsland keine Ausbildung absolviert. In Deutschland war der Kläger zuletzt langjährig als Pflasterer und Gartenarbeiter im Straßen- und Landschaftsbau tätig.
Am 14. Januar 2014 erlitt der Kläger eine Subarachnoidalblutung rechts mit nahezu vollständig blutgefüllter Cisterna ambiens mit Ventrikeleinbruch bei CT-angiografisch nachgewiesenem großem, längsovalem Arteria communicas anterior Aneurysma. Er befand sich vom 14. Januar 2014 bis 3. Februar 2014 in der Neurochirurgischen Abteilung der Dr. Horst Schmidt Kliniken (HSK) Wiesbaden, vom 3. Februar 2014 bis 22. April 2014 in stationärer Behandlung zur neurologischen Rehabilitation der Phase B sowie anschließend bis zum 15. Mai 2014 in der Phase C der Median Klinik NRZ Wiesbaden, in der er sodann aufgrund seines Antrags vom 13. Mai 2014 in der Zeit vom 27. Mai 2014 bis 11. Juli 2014 ganztägig ambulant rehabilitiert wurde. Laut Entlassungsbericht vom 15. Juli 2014 wurde der Kläger aus dieser Rehabilitationsmaßnahme ausgehend von den Diagnosen
Subarachnoidalblutung, von sonstigen intrakraniellen Arterien ausgehend
Hemiparese und Hemiplegie, nicht näher bezeichnet
Neurologischer Neglect
Leichte kognitive Störung
Thrombose, Phlebitis und Thrombophlebitis sonstiger tiefer Gefäße der unteren Extremitäten
mit einem Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von sechs Stunden und mehr für leichte körperliche Arbeiten mit Einschränkungen an die geistige/psychische Belastbarkeit sowie den Bewegungs- und Haltungsapparat betreffend entlassen. Als Pflasterer und Gartenarbeiter sei der Kläger nur noch unter drei Stunden arbeitstäglich erwerbsfähig. Unter den durchgeführten ambulanten Therapien sei mit einer weiteren Zustandsverbesserung zu rechnen, weshalb eine Nachbeurteilung der beruflichen Leistungsfähigkeit in drei bis vier Monaten empfohlen werde.
Nachdem anlässlich einer Kontrolluntersuchung sechs Monate nach der Intervention eine Coilkompaktierung festgestellt worden war, musste sich der Kläger am 19. November 2014 einer erneuten Intervention unterziehen, die komplikationslos verlief. Im Anschluss an eine körperliche Untersuchung am 10. Februar 2015 hielt der Arzt für Psychiatrie C. in seinem sozialmedizinischen Gutachten für den MDK in Hessen fest, dass der Kläger weiterhin arbeitsunfähig sei. Im Vordergrund der Störmuster stehe nunmehr die hirnorganische Wesensveränderung im Sinne einer organischen Persönlichkeitsstörung.
Am 27. April 2016 stellte der Kläger Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung, den er mit Funktionsstörungen wegen Hirnblutung und einem postthrombotischen Syndrom links begründete. Zur Stütze seines Rentenbegehrens legte er außerdem noch diverse medizinische/ärztliche Unterlagen vor.
Daraufhin wurde der Kläger auf Veranlassung der Beklagten über die Ärztliche Untersuchungsstelle der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Hessen von dem Arzt für Neurologie und Psychiatrie D. am 27. Juni 2016 ambulant untersucht, der in seinem Gutachten vom 30. Juli 2016 ausgehend von den Diagnosen
Subarachnoidalblutung 1/14
Hemisymptomatik links
Hirnorganisches Psychosyndrom im Sinne einer Hirnleistungsschwäche
zu der Einschätzung gelangte, dass sich der neurologische Befund in den vergangenen zwei Jahren eindrucksvoll gebessert habe. Dennoch sei der Kläger noch nicht wieder in der Lage, einer regelmäßigen Berufstätigkeit nachzugehen. Seine Leistungsfähigkeit sei so stark beeinträchtigt, dass drei- oder mehrstündige Tätigkeiten noch nicht erreichbar seien. Eine weitere Besserung erscheine möglich, weshalb der Gesundheitszustand nach einem Jahr überprüft werden sollte.
Nachdem ihr sozialmedizinischer Dienst am 22. August 2016 zu der Einschätzung gelangt war, dass der Kläger ab Januar 2014 auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auch leichte körperliche Arbeiten nur noch unter drei Stunden arbeitstäglich bis zum 31. Juli 2017 verrichten könne, deutete die Beklagte den Reha-Antrag des Klägers vom 13. Mai 2014 in einen Rentenantrag um und gewährte ihm mit Bescheid vom 25. Oktober 2016 für die Zeit vom 1. August 2014 bis 31. Juli 2017 Rente wegen voller Erwerbsminderung.
Zur Begründung seines am 29. Mai 2017 gestellten Antrags auf Weitergewährung seiner Rente legte der Kläger abermals diverse medizinische Unterlagen vor, darunter die Berichte der HSK Wiesbaden vom 21. März 2017 und 28. April 2017. Diese Unterlagen ließ die Beklagte durch ihren sozialmedizinischen Dienst auswerten, der am 9. Juni 2017 zu der Einschätzung gelangte, dass der Kläger ab dem Ende der Zeitrente wieder in der Lage sei, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte körperliche Arbeiten sechs Stunden und mehr zu verrichten.
Daraufhin lehnte die Beklagte den Weitergewährungsantrag des Klägers mit Bescheid vom 23. Juni 2017 ab.
Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch, zu dessen Begründung er ein ärztliches Attest seines Hausarztes MuDr. E. - Facharzt für Allgemeinmedizin - vom 23. Juli 2017 vorlegte.
Durch Widerspruchsbescheid vom 19. Oktober 2017 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Am 25. Oktober 2017 erhob der Kläger vor dem Sozialgericht Augsburg Klage (Az.: S 2 R 1151/17), das sich mit Beschluss vom 16. November 2017 für örtlich unzuständig erklärte und den Rechtsstreit an das Sozialgericht Wiesbaden verwies.
Zur Klagebegründung trug der Kläger vor, dass die weiterhin bestehenden Folgen der Hemiparese zu einer erheblich eingeschränkten allgemeinen Belastbarkeit führten. Hinzu kämen die schmerzhaft eingeschränkte Beweglichkeit im Bereich der linken Schulter mit Feinmotorikstörung links und eine anhaltende kognitive Störung. Körperliche Arbeiten, die im Umfang von wenigstens sechs Arbeitsstunden täglich regelmäßig zu verrichten seien, seien ihm auch über den 31. Juli 2017 hinaus nicht möglich. Er sei weiterhin voll erwerbsgemindert. Sämtliche Versuche, ins Erwerbsleben zurückzukehren, seien gescheitert. Zur Stütze seines Rentenbegehrens reichte der Kläger noch weitere medizinische/ärztliche Unterlagen zur Akte.
Zur weiteren Aufklärung des medizinischen Sachverhalts zog das Sozialgericht zunächst Befundberichte des Allgemeinmediziners MuDr. E. vom 19. Februar 2018 nebst ärztlichen Unterlagen, des Dr. med. F. - Leitender Oberarzt der Klinik für Neurochirurgie der HSK Wiesbaden - vom 26. November 2018 und des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. med. H. vom 4. Februar 2019 bei.
Sodann erhob das Sozialgericht von Amts wegen Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens von Dr. med. G. - Facharzt für Neurologie - vom 20. Oktober 2019, der im Anschluss an eine ambulante Untersuchung des Klägers am 29. August 2019 ausgehend von den Krankheiten/Behinderungen auf neurologischem Fachgebiet
Z.n. Subarachnoidalblutung Hunt & Hess Grad III bei rupturiertem A. communicans anterior-Aneurysma mit Z.n. Coil-Okklusion am 14.01.2014
Z.n. Re-Coil-Embolisation des A. communicans anterior-Aneurysmas bei Coil-Kompaktierung 11/2014
Z.n. mikrochirurgischem Aneurysma-Clipping am 15.03.2017 bei Nachweis eines De novo-Aneurysmas der A. cerebri media links
zu der Einschätzung gelangte, dass der Kläger körperlich leichten bis mittelschweren Anforderungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mit Einschränkungen (schnelle Erschöpfbarkeit bei hohen Temperaturen, keine Arbeiten in gebückter, vornübergebeugter Körperhaltung, ohne schnelle Lagewechsel, ohne Heben und Tragen von schweren Lasten <10 bis 20 kg>) noch in einem zeitlichen Umfang von mindestens sechs Stunden gewachsen sei. Zeitfaktoreinschränkend könnte jedoch der auffällige psychopathologische Befund sein. Bezüglich der Wegefähigkeit und Arbeitspausen ergäben sich keine besonderen Einschränkungen. Die Frage nach der Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit könne aus neurologischer Sicht nicht klar beantwortet werden. Hierfür wäre unter anderem eine neuropsychologische Testung im Rahmen eines psychiatrischen Gutachtens erforderlich, dessen Einholung daher empfohlen werde. Das so festgestellte Leistungsvermögen bestehe aller Wahrscheinlichkeit nach seit dem 1. August 2017.
Durch Urteil vom 25. Mai 2020 wies das Sozialgericht die Klage ab. Der Kläger sei weder teilweise noch voll erwerbsgemindert, weil seine Leistungsfähigkeit nicht in dem für eine Rentengewährung erforderlichen Umfang herabgesunken sei. Die Erwerbsfähigkeit des Klägers sei zwar durch seine Gesundheitseinschränkungen beeinträchtigt. Trotz dieser Beeinträchtigungen sei er jedoch noch in der Lage, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Hinsichtlich der Folgen der Subarachnoidalblutung sehe es die Kammer aufgrund des Sachverständigengutachtens des Dr. med. G. und des positiven Untersuchungsbefunds der HSK Wiesbaden vom 28. April 2017 als erwiesen an, dass diese den Kläger nicht so stark in seiner Leistungsfähigkeit einschränkten, dass seine quantitative Erwerbsfähigkeit relevant herabgesetzt sei. Auch ohne Einholung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens habe das Leistungsvermögen des Klägers abschließend bewertet werden können. Ein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit komme mit Blick auf das Geburtsdatum des Klägers offenkundig nicht in Betracht.
Gegen das ihm am 28. Mai 2020 zugestellte Urteil hat der Kläger am 3. Juni 2020 Berufung beim Hessischen Landessozialgericht eingelegt.
Er rügt, dass das Sozialgericht entgegen der Empfehlung des Sachverständigen Dr. med. G. keine psychiatrische Begutachtung veranlasst habe.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 25. Mai 2020 und den Bescheid vom 23. Juni 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Oktober 2017 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm über den 31. Juli 2017 hinaus Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung. Die Einholung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens habe sich dem Sozialgericht nicht aufdrängen müssen.
Der Senat hat von Amts wegen Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens von Dr. med. J. - Neurologe und Psychiater, Psychotherapie - vom 29. September 2020, der im Anschluss an eine ambulante Untersuchung am 21. September 2020 unter Hinzuziehung einer Dolmetscherin für die italienische Sprache ausgehend von den Diagnosen
Subarachnoidalblutung (SAB) nach Hunt und Hess Grad III bei ruptiertem A. communicans anterior-Aneurysma
Aneurysma-Coiling 14.01.2014
Ventrikeldrainage frontal rechts 14.01.2014
De nova-Aneurysma A. cerebri media-Bifurkation links mikrochirurgisches Aneurysma-Clipping links subaorbitaler Zugang (15.03.2017)
Residualsymptomatik nach SAB
Blande Halbseitenstörung links motorisch mit leichter Gangunsicherheit und leichter kognitiver Störung
Zustand nach tiefer Beinvenenthrombose
Tagesmüdigkeit, Verdacht Schlafapnoesyndrom weiter abklärungsbedürftig durch Schlafdiagnostik im Schlaflabor
zu der Einschätzung gelangt ist, dass der Kläger noch sechs Stunden und mehr arbeitstäglich leichte Arbeiten mit Einschränkungen (überwiegend sitzend, teilweise stehend, zeitweise gehend, in Tagesschicht, geistig-psychische Belastbarkeit leicht beeinträchtigt, leicht eingeschränkte Gebrauchsfähigkeit des linken Armes und des linken Beines, ohne Ersteigen von Treppen, Leitern und Gerüsten, ohne Heben, Tragen und Bewegen von schweren Lasten, beeinträchtigte Gang- und Standsicherheit, ohne Zwangshaltungen, ohne häufig wechselnde Arbeitszeiten) verrichten könne. Betriebsunübliche Einschränkungen ließen sich nicht eruieren und die Wegefähigkeit des Klägers sei nicht eingeschränkt. Dieses Leistungsvermögen gelte bereits seit dem 1. August 2017 und könne nicht mehr wesentlich gebessert werden. Die Begutachtung des Klägers auf einem anderen medizinischen Fachgebiet werde nicht für erforderlich gehalten. Die Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit des Klägers sei altersentsprechend limitiert.
Hierzu teilt die Beklagte mit, dass der Kläger noch in der Lage sei, Tätigkeiten als Warenaufmacher/Versandfertigmacher, Warensortierer, Mitarbeiter in der Poststelle eines Betriebes oder einer Behörde bzw. als Büro- oder Verwaltungshilfskraft zu verrichten. Überwachende Tätigkeiten und die Qualitätskontrolle von Produktionsvorgängen seien je nach spezifischem Anforderungsprofil unter Berücksichtigung des positiven wie negativen Leistungsbildes möglich, sollten jedoch gegebenenfalls durch eine Belastungserprobung geprüft werden (Stellungnahme von Prof. Dr. med. K. - Facharzt für Innere Medizin und Arbeitsmedizin - vom 12. November 2020).
Sodann hat der Senat auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein Sachverständigengutachten bei Dr. med. Dipl. Psych. L. - Arzt für Neurologie und Psychiatrie, Psychotherapie - vom 14. März 2021 eingeholt, der im Anschluss an eine ambulante Untersuchung des Klägers, bei der dessen Ehefrau anwesend gewesen ist und auch als Dolmetscherin fungiert hat, ausgehend von den Krankheiten bzw. Behinderungen
Folgen einer traumatischen Hirnschädigung (Zustand nach SAB) mit asthenem Syndrom und kognitiven Einschränkungen (eingeschränkte Funktion des Kurzzeitgedächtnisses und des Durchhaltevermögens)
gesondert behandeltes Schlafapnoesyndrom
zu der Einschätzung gelangt ist, dass der Kläger nur noch unter drei Stunden arbeitstäglich erwerbsfähig sei und keine wirtschaftlichen Tätigkeiten mehr erbringen könne. Sogenannte funktionelle bzw. intentionale Leistungseinschränkungen seien nicht erkennbar. Eine uneingeschränkte Wegefähigkeit sei nicht gegeben (eingeschränkte Gehstrecke, eingeschränkte Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel, eingeschränkte Fahrtauglichkeit) und eine maßgebliche Besserung erscheine nach dem bisherigen Verlauf in absehbarer Zeit nicht möglich bzw. sei unwahrscheinlich. Dieses Leistungsvermögen gelte bereits seit dem 1. August 2017. Die Begutachtung des Klägers auf einem anderen medizinischen Fachgebiet sei nicht erforderlich. Zweifel an der Fähigkeit des Klägers, sich an die Erfordernisse im Erwerbsleben anzupassen bzw. sich umzustellen, hätten sich im Rahmen der Begutachtung nicht ergeben. Maßgeblich für die abweichende Leistungsbeurteilung seien die letztlich fehlenden und für das Leistungsvermögen relevanten Verbesserungen, die in den Vorgutachten noch für möglich erachtet worden seien.
Während sich der Kläger durch diese Ausführungen in seinem Rentenbegehren bestätigt sieht, ist die Beklagte dem entgegengetreten mit dem Hinweis darauf, dass der Sachverständige Dr. med. Dipl. Psych. L. bewusst auf die Einschaltung eines professionellen Dolmetschers verzichtet habe, was vorliegend jedoch essentiell gewesen wäre. Es sei ein entscheidendes Manko seines Gutachtens, dass die Ehefrau des Klägers als Dolmetscherin fungiert habe, sie während der gesamten Untersuchung zugegen gewesen sei und auch selbst wesentliche Informationen mitgeteilt habe. Abgesehen davon sei auch keine Beschwerdevalidierung erfolgt. Sprachfreie Aggravations- und Simulationstests seien nicht angewandt worden. Objektiv organneurologisch bestehe nur eine sehr geringe Restsymptomatik nach einer SAB (Stellungnahme von Dr. med. M. - Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, Sozialmedizin - vom 10. Mai 2021).
Auf richterliche Nachfrage, ob die Einwände der Beklagten dem Sachverständigen Dr. med. Dipl. Psych. L. im Rahmen von § 109 SGG zur ergänzenden Stellungnahme vorgelegt werden sollen, hat der Kläger geantwortet, dass dessen Gutachten vom 14. März 2021 eindeutig sei. Es stehe mit hinreichender Gewissheit fest, dass ihm über den 31. Juli 2017 hinaus Rente wegen voller Erwerbsminderung, zumindest auf Zeit, zu bewilligen sei. Es solle Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt werden.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten sowie zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze sowie auf den Inhalt der den Kläger betreffenden Rentenakte der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe
Die statthafte Berufung (§ 143, § 144 Abs. 1 SGG) des Klägers ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 151 Abs. 1 SGG). Sie bleibt aber in der Sache ohne Erfolg.
Das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 25. Mai 2020 ist nicht zu beanstanden. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen, weil dem Kläger über den 31. Juli 2017 hinaus kein Anspruch auf Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung zusteht. Der dies ablehnende Bescheid der Beklagten vom 23. Juni 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Oktober 2017 (§ 95 SGG) ist rechtmäßig und beschwert den Kläger nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 SGG.
Gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 bzw. Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch, Sechstes Buch (SGB VI) haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung, wenn sie
1. teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind,
2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Teilweise erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voll erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI demgegenüber Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 3 SGB VI auch
1. Versicherte nach § 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können, und
2. Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren, in der Zeit einer nicht erfolgreichen Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt.
Erwerbsgemindert ist der Vorschrift des § 43 Abs. 3 SGB VI zufolge nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Der Kläger hat für die Zeit ab 1. August 2017 keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung, weil er weder teilweise noch voll erwerbsgemindert im Sinne dieser gesetzlichen Bestimmungen ist. Er kann jedenfalls ab diesem Zeitpunkt wieder unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes noch mindestens sechs Stunden täglich einer geregelten Erwerbstätigkeit nachgehen.
Die Fähigkeit des Klägers, durch erlaubte Erwerbstätigkeit ein Arbeitsentgelt in nicht ganz unerheblichem Umfang zu erzielen (Erwerbsfähigkeit), ist zwar gesundheitsbedingt beeinträchtigt. Zur Überzeugung des Senats steht aber fest, dass der Kläger zumindest noch leichte körperliche Tätigkeiten mit Einschränkungen (überwiegend sitzend, teilweise stehend, zeitweise gehend, in Tagesschicht, geistig-psychische Belastbarkeit leicht beeinträchtigt, leicht eingeschränkte Gebrauchsfähigkeit des linken Armes und des linken Beines, ohne Ersteigen von Treppen, Leitern und Gerüsten, ohne Heben, Tragen und Bewegen von schweren Lasten, beeinträchtigte Gang- und Standsicherheit, ohne Zwangshaltungen, ohne häufig wechselnde Arbeitszeiten) für die Dauer von arbeitstäglich sechs Stunden und mehr verrichten kann. Diese Beurteilung des Leistungsvermögens ergibt sich unter Berücksichtigung aller Einzelumstände des hiesigen Falles aus einer Gesamtschau der über den Gesundheitszustand des Klägers vorliegenden ärztlichen Stellungnahmen und medizinischen Gutachten.
Das Leistungsvermögen des heute 58-jährigen Klägers ist nach dem Ergebnis der erst- und zweitinstanzlichen Beweisaufnahme insbesondere durch die nicht gänzlich ausgeheilten Folgen der am 14. Januar 2014 erlittenen Subarachnoidalblutung (SAB) nach Hunt und Hess Grad III bei ruptiertem A. communicans anterior-Aneurysma nebst anschließend durchgeführter Operationen, einem Zustand nach tiefer Beinvenenthrombose und einer Tagesmüdigkeit beeinträchtigt. Der Kläger leidet auch weiterhin an einer blanden Halbseitenstörung links motorisch mit leichter Gangunsicherheit und leichter kognitiver Störung. Diese Gesundheitsstörungen sind allerdings auch in ihrer Gesamtheit nicht derart gravierend, dass hiermit ein auch in zeitlicher Hinsicht gemindertes oder gar aufgehobenes Leistungsvermögen objektiv begründbar ist. Das Leistungsvermögen des Klägers ist nur qualitativ eingeschränkt.
Anlässlich seiner klinisch-neurologischen Untersuchung am 29. August 2019 konnte der erstinstanzlich beauftragte Sachverständige Dr. med. G. zusammenfassend keine Anhaltspunkte für eine relevante Behinderung des Klägers feststellen. Der Kläger präsentierte seinerzeit eine linkskorporale Minderinnervation, deren Genese am ehesten funktionell zu werten ist, weil vor allem keine Pronation bei gleichzeitigem Absinken im Arm-Vorhalte-Versuch nachzuweisen war. Zudem zeigte sich in der Kraftgradprüfung eine teils deutlich fluktuierende Kraftgradausprägung, weshalb der Sachverständige Dr. med. G. die vom Kläger demonstrierte Kraftgradminderung der linken Körperhälfte nicht als manifeste oder latente linksseitige Hemiparese deutete. In der Gangprüfung war der Seiltänzergang aufgrund der Fallneigung deutlich eingeschränkt und im Romberg-Stehversuch bot der Kläger eine ungerichtete Fallneigung bei geschlossenen Augen, ohne dass jedoch Anhaltspunkte für das Vorliegen einer posturalen Instabilität ersichtlich waren. Mit Ausnahme einer lokal begrenzten Hypästhesie im Narbenbereich supraorbital ergaben sich keine Hinweise auf eine Oberflächen- oder Tiefensensibilitätsstörung. Auch ansonsten zeigten sich keine weiteren neurologischen Auffälligkeiten.
In Anbetracht dessen ist es somit durchaus nachvollziehbar, dass dem Sachverständigen Dr. med. G. zufolge den Leiden des Klägers auf neurologischem Fachgebiet kein relevanter objektivierbarer erwerbsmindernder Dauereinfluss zukommt. Die angegebenen subjektiv erwerbsmindernden körperlichen Funktionsausfälle (Einschränkungen beim Arbeiten in gebückter, vornüber gebeugter Körperhaltung, Einschränkungen aufgrund von Gleichgewichtsproblematik oder die Unfähigkeit, schwere Lasten zu tragen) ließen sich in der neurologischen Untersuchung nicht eindeutig feststellen, ebenso wie die präsentierten körperlichen Funktionsausfälle (insbesondere die linkskorporale Halbseitenschwäche) in den wiederholten Prüfungen in nicht konstanter Ausprägung nachvollziehbar waren. Daher ist es nur konsequent, wenn der Sachverständige Dr. med. G. die Leistungsfähigkeit des Klägers mit einem zeitlichen Umfang von mindestens sechs Stunden arbeitstäglich einschätzt, weil dessen neurologischen Erkrankungen letztlich kein erwerbsmindernder Dauereinfluss zukommt. Seiner Ansicht nach ergeben sich die krankheitsbedingten Einschränkungen stattdessen insbesondere im Hinblick auf die geistige/psychische Belastbarkeit des Klägers.
Diesen Ansatz hat der Senat aufgegriffen, indem er im Berufungsverfahren sodann von Dr. med. J. das neurologisch-psychiatrische Sachverständigengutachten vom 29. September 2020 hat erstellen lassen. Gegenüber dem Sachverständigen Dr. med. J. hat der Kläger anlässlich seiner Untersuchung am 21. September 2020 über eine vermehrte Erschöpfbarkeit und Ermüdbarkeit, Rückenschmerzen, eine weiterhin bestehende Funktionsbeeinträchtigung der linken Körperhälfte, eine Kraftminderung links im Vergleich zu rechts sowie über Krämpfe im Bereich der linken Wade geklagt. Ferner hat sich der Kläger beeinträchtigt gesehen durch ein schlechtes Kurzzeitgedächtnis und eine ambivalente Schlafqualität, die dazu führen würde, dass er morgens nicht immer erholt aufwache. Andererseits hat der Kläger aber auch zu berichten gewusst, dass seine Stimmung und Gemütsverfassung ausgeglichen seien und er sich selber als optimistischer Mensch ohne spezielle Ängste sehe.
Diese Selbsteinschätzung des Klägers hat sich im psychopathologischen Befund eindrucksvoll bestätigt. Der Kläger hat sich gut auf die Untersuchungssituation einlassen können, sämtliche Fragen des Sachverständigen prompt aufgefasst, sie rasch, spontan und zügig beantwortet und hat außerdem eine lebhafte Gestik und Mimik gezeigt. Die nonverbale Kommunikation ist ebenso wenig beeinträchtigt gewesen wie sich - in italienischer Sprache - Kommunikationsprobleme aufgetan haben. Eine Diskrepanz zwischen verbaler und nonverbaler Kommunikation hat der Sachverständige Dr. med. J. nicht feststellen können. Der Kläger hat gut mitgearbeitet, kein aggravierendes oder theatralisches Verhalten gezeigt, hat lebhaft und freundlich kommuniziert, hierbei gelegentlich auch gescherzt, ist guter Stimmung gewesen und hat in Ausstrahlung und Präsentation derart authentisch gewirkt, dass sich keine Hinweise für Aggravation, Simulation oder für eine Begehrenshaltung ergeben haben. Seine Orientierung ist intakt und seine Bewusstseinslage klar, wach und attent bei altersgemäß mnestisch-kognitiven Leistungen und adäquaten intellektuellen Funktionen ohne Abbau oder Demenz. Unter formalen Gesichtspunkten ist das Denkvermögen des Klägers logisch aufgebaut, in sich zusammenhängend und nachvollziehbar, ohne Gedankenabreißen, ohne Neigung zum Haften und ohne Perseverationstendenz bei konstantem Denktempo. Inhaltlich weist sein Denken keine Anhaltspunkte für überwertige Ideen, Zwangs- oder Wahngedanken auf, ebenso wenig wie sich Hinweise für eine psychotische Erlebnisqualität ergeben. Der Kläger leidet auch nicht an produktiven Wahrnehmungsstörungen (Halluzinationen, Ich-Störungen, Fremdbeeinflussungserlebnisse). Im affektiven Bereich hat sich eine euthyme Stimmungslage, eine gute Schwingungsfähigkeit und eine physiologische Modulation gezeigt. In der Untersuchungssituation ist dabei nicht nur ein guter Rapport herstellbar gewesen, sondern hat auch eine durchgängige Verschiebung der Affektlage in eine deprimierende oder ängstliche Grundstimmung nicht festgestellt werden können, ohne Reizbarkeit und ohne Störung der sozialen Interaktionen. Auch eine Antriebshemmung, steigerung oder -reduktion ist nicht zu Tage getreten. Elan und Dynamik sind im Falle des Klägers nicht beeinträchtigt, der im Übrigen auch keine psychopathologischen Wesenszüge gezeigt hat.
In jeder Hinsicht schlüssig interpretiert der Sachverständige Dr. med. J. die leichten kognitiven Einschränkungen des Klägers daher am ehesten im Zusammenhang mit der am 14. Januar 2014 erlittenen Subarachnoidalblutung und einem daraus resultierenden leichten hirnorganischen Psychosyndrom. Darüberhinausgehend liegen jedoch keine neurologisch-psychiatrischen Störungen vor. Das gilt vor allem für die vom Kläger berichtete Tagesmüdigkeit, die differenzialdiagnostisch als Ausdruck eines - seinerzeit noch abzuklärenden, aber auf jeden Fall gut behandelbaren - Schlaf-Apnoe-Syndroms anzusehen war. Auch der Umstand, dass sich der Kläger ausschließlich in hausärztlicher Behandlung befindet und er sich nur alle ein bis zwei Jahre einer neurochirurgischen Kontrolluntersuchung unterzieht, spricht nicht unbedingt für einen großen Leidensdruck, insbesondere nicht das neurologisch-psychiatrische Fachgebiet betreffend. Der Kläger ist bis September 2020 nie neurologisch-psychiatrisch oder psychotherapeutisch behandelt worden.
Ausgehend hiervon ist es ohne Weiteres einleuchtend, dass der Kläger aus neurologisch-psychiatrischer Sicht nicht (mehr) gravierend erkrankt und daher sein Leistungsvermögen nur qualitativ, nicht jedoch auch quantitativ eingeschränkt ist. Es versteht sich von selbst, dass er krankheitsbedingt nur noch leichte körperliche Tätigkeiten, überwiegend sitzend, teilweise stehend und zeitweise gehend in Tagesschicht verrichten kann. Wegen der leichten kognitiven Störung infolge eines hirnorganischen Psychosyndroms (HOPS) ist seine geistig-psychische Belastbarkeit lediglich leicht beeinträchtigt, ebenso wie die Gebrauchsfähigkeit des linken Armes und des linken Beines leicht eingeschränkt ist. Das Treppensteigen, das Ersteigen von Leitern und Gerüsten, das Heben, Tragen und Bewegen von schweren Lasten sowie Tätigkeiten in Zwangshaltungen sind dem Kläger damit nicht mehr möglich. Auch die Gang- und Standsicherheit des Klägers ist beeinträchtigt, der zudem häufig wechselnde Arbeitszeiten nicht wird tolerieren können. Weitergehend ist das Leistungsvermögen indessen nicht eingeschränkt. Mit dem vorstehend beschriebenen positiven wie negativen Leistungsbild ist der Kläger daher sechs Stunden und mehr arbeitstäglich erwerbsfähig.
Das auf Antrag des Klägers gemäß § 109 SGG bei Dr. med. Dipl. Psych. L. eingeholte Sachverständigengutachten vom 14. März 2021 ist dagegen nicht geeignet, ein rentenrelevant eingeschränktes Leistungsvermögen des Klägers plausibel aufzuzeigen. Zu Recht hat die Beklagte darauf hingewiesen, dass jenes Gutachten mängelbehaftet ist. Es kann daher nicht zur Überzeugungsbildung beitragen.
Die Begutachtung durch den Sachverständigen Dr. med. Dipl. Psych. L. leidet an einem schwerwiegenden Mangel, weil die Ehefrau des Klägers während der gesamten Untersuchung anwesend gewesen ist, sie hierbei die italienisch getätigten Aussagen des Klägers mitgeteilt und übersetzt hat, wenn er mit deutschsprachigen Formulierungen immer wieder Schwierigkeiten hatte, und sie darüber hinaus auch anamnestisch wichtige Informationen berichtet oder ergänzt hat. Die so gewonnenen Erkenntnisse und die darauf beruhende Einschätzung eines auch in zeitlicher Hinsicht eingeschränkten Leistungsvermögens von unter drei Stunden arbeitstäglich ist unbrauchbar.
Nach Auffassung des Senats sind Familienangehörige als inoffizielle „Dolmetscher“ grundsätzlich ungeeignet. Das beruht vor allem darauf, dass Familienangehörige in keiner Weise die Gewähr für eine neutrale, vollständige und wahrheitsgemäße Übersetzung der Äußerungen des zu Begutachtenden bieten, wie dies bei einem vereidigten Dolmetscher der Fall ist (vgl. Toparkus, Typische Fehler in der Begutachtung - aus sozialrichterlicher Sicht, MEDSach 2012, S. 230 <234>). Es besteht die naheliegende Gefahr, dass der dolmetschende Familienangehörige versuchen wird, durch eine selektive oder verfälschte Übersetzung der Angaben des Probanden Einfluss auf das Gutachten zu nehmen (vgl. Mushoff in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl. 2017, Stand: 22. Juni 2021, § 103 Rdnr. 121 m.w.N.). Auf anwesende Familienangehörige als „Dolmetscher“ zurückzugreifen könnte allenfalls dann als unproblematisch angesehen werden, wenn es hierbei um den bloßen Austausch solcher Informationen geht, bei denen ihrer Natur nach eine Verfälschung von vornherein ausscheidet. Demgegenüber ist insbesondere bei psychiatrischen Gutachten die Heranziehung eines vereidigten Dolmetschers unabdingbar, wenn nur so eine hinreichende Verständigung möglich ist (vgl. Roller, Die rechtliche Bewertung medizinischer Gutachten im Sozialrecht, WzS 2013, S. 332 <335>; siehe hierzu auch: BSG, Urteil vom 17. Juli 1996, 5 RJ 70/95 - juris Rdnr. 14; Hausotter, Begutachtung bei Migrationshintergrund: Besondere Aspekte der Begutachtung von Personen mit Migrationshintergrund, MEDSach 2010, S. 110 <113>).
Ausgehend von diesen Grundsätzen kann vorliegend zumindest nicht mit hinreichender Sicherheit davon ausgegangen werden, dass das nervenärztliche Sachverständigengutachten von Dr. med. Dipl. Psych. L. gänzlich unbeeinflusst von der Ehefrau des Klägers erstellt worden ist. Es lässt sich nicht feststellen, dass die Ehefrau die von ihr übersetzten Angaben des Klägers ohne jede eigene Wertung wiedergegeben hat und dass die Untersuchung ohne jede Wechselwirkung zwischen ihr und dem Kläger - beispielsweise nicht übersetzte Dialoge, Hinweise an den Kläger, verkürzte bzw. ergänzte Wiedergabe seiner Angaben - durchgeführt worden ist. Ihre Dolmetschertätigkeit war vor allem nicht nur auf solche Informationen beschränkt, die keinen Verfälschungen unterliegen, sondern hat sich auf sämtliche Angaben bezogen, die der Kläger während der neurologisch-psychiatrischen Exploration nicht in deutscher Sprache zu formulieren vermochte. Selbst wenn der Kläger auch eigene Erklärungen in deutscher Sprache gemacht haben sollte, ist jedenfalls eine neutrale und wahrheitsgemäße Übertragung seiner in italienischer Sprache getätigten Aussagen nicht gewährleistet gewesen. Das führt dazu, dass nicht nur einzelne Passagen des nervenärztlichen Sachverständigengutachtens unbrauchbar sind, sondern das Gutachten in Gänze unverwertbar ist. Das gilt umso mehr, als es der Sachverständige Dr. med. Dipl. Psych. L. unterlassen hat, die vom Kläger in deutscher Sprache gemachten Äußerungen zu kennzeichnen. Stattdessen vermittelt sein Gutachten eher den Eindruck, dass sämtliche Angaben von der dolmetschenden Ehefrau des Klägers herrühren. Eine eindeutige Abgrenzung von anamnestischen und fremdanamnestischen Angaben ist somit nicht möglich.
Unabhängig von der Heranziehung der Ehefrau als Dolmetscherin erachtet der Senat die Untersuchung des Klägers in ihrer Gegenwart aber auch deshalb als problematisch, weil in Betracht zu ziehen ist, dass die Anwesenheit einer dritten Person - gerade bei der psychiatrischen Begutachtung - grundsätzlich ungünstig für ein objektives, unbeeinflusstes Begutachtungsergebnis ist. Abgesehen davon, dass durch die Anwesenheit Dritter das erforderliche Mindestmaß an Vertrauen und die notwendige Beziehung zum Gutachter empfindlich gestört werden kann (vgl. Hausotter in: Bieresborn, Einführung in die medizinische Sachverständigentätigkeit vor Sozialgerichten, 2015, S. 375), ist es bei der psychiatrischen Begutachtung von besonderer Bedeutung, dass sich der Sachverständige einen unmittelbaren und ungestörten Eindruck macht. Zugleich ist bei Anwesenheit zumindest naher Angehöriger zu befürchten, dass sich die zu begutachtende Person im Rahmen der Befragung gezwungen sieht, gegenüber dem Sachverständigen unwahre Angaben zu machen, um das Verhältnis zum anwesenden Angehörigen nicht zu belasten (vgl. Hausotter, „Beistände bei Begutachtungen“ - aus Sicht des medizinischen Sachverständigen, MEDSach 2007, S. 27 ff.). Vor allem die psychiatrische Anamnese betrifft nämlich hauptsächlich auch das persönliche Umfeld des zu Begutachtenden, weshalb es für die Erstellung wesentlicher Teile des psychiatrischen Gutachtens wie Anamnese, der psychopathologischen Exploration oder bei der Durchführung testpsychologischer Verfahren erforderlich sein kann, dass der Sachverständige allein mit dem Probanden das Gespräch führt und die Untersuchung durchführt (vgl. Bayerisches LSG, Beschluss vom 20. November 2013, L 2 SF 155/12 B = BeckRS 2013, 74966), um den Sachverhalt ausreichend und vor allem auch unverfälscht aufklären zu können.
Diesen Anforderungen entspricht das vom Sachverständigen Dr. med. Dipl. Psych. L. erstellte nervenärztliche Gutachten nicht, was zu dessen Unverwertbarkeit führt. Zwar ist fraglich, ob ein psychiatrisches Gutachten grundsätzlich nicht verwertbar ist, wenn bei der Exploration und Anamneseerhebung Dritte anwesend und beteiligt waren (so aber LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 22. September 2016, L 7 R 2329/15 - juris <Leitsatz>). Denn die Annahme einer generellen Unverwertbarkeit ist jedenfalls dann nicht geboten, sofern trotz Exploration in Anwesenheit eines Angehörigen keine Anhaltspunkte ersichtlich sind, dass das Untersuchungsergebnis verfälscht wurde, sich mithin die - vorstehend bereits beschriebene - latente Gefahr, die von der Anwesenheit eines Dritten bei der Begutachtung ausgeht, gerade nicht verwirklicht hat. Es gibt dann keinen Grund, das Gutachten als unverwertbar abzulehnen, weil andernfalls der Grundsatz missachtet würde, wonach die fachliche Durchführung einer Untersuchung allein Sache des Sachverständigen ist, der hinsichtlich der Informationsbeschaffung und der Methodenwahl weitgehend freie Hand hat (vgl. Keller, jurisPR-SozR 24/2016 Anm. 6).
Vorliegend gibt es jedoch gewichtige Anhaltspunkte dafür, dass die Anwesenheit der Ehefrau des Klägers während der Begutachtung das Ergebnis der vom Sachverständigen Dr. med. Dipl. Psych. L. durchgeführten Untersuchung - sogar erheblich - verfälscht hat. Wie bereits ausgeführt, ist schon nicht ersichtlich geworden, welche Angaben originär vom Kläger herrühren und welche seiner Angaben durch seine Ehefrau bewertet oder ergänzt worden sind. Das fällt insbesondere deshalb ins Gewicht, weil sich die im Sachverständigengutachten von Dr. med. Dipl. Psych. L. beschriebene, gravierend eingeschränkte Leistungsfähigkeit des Klägers letztlich in keinem der Vorgutachten wiederfindet und sich vor allem auch nicht aus dem sonstigen medizinischen Berichtswesen - namentlich aus den hausärztlichen Unterlagen - ableiten lässt. Seine Vorgehensweise kann der Sachverständige Dr. med. Dipl. Psych. L. dabei auch nicht damit verteidigen, dass - abweichend vom üblichen Schema - die Ehefrau des Klägers insbesondere bei der Befragung bewusst immer wieder mit in das Untersuchungsgespräch und auch in die anderen Untersuchungen mit einbezogen wurde, wodurch oftmals situativ bzw. assoziativ kurz nachgefragt und dabei auch besonders das Ausdrucksverhalten des Klägers und seine thematisch bezogene Variation bei den Aussagen der Ehefrau mitbeurteilt werden konnte, um auf diesem Wege die Authentizität der inhaltsbezogenen Reaktionen überprüfen zu können. Es mag zwar durchaus sein, dass dieses - vom Sachverständigen Dr. med. Dipl. Psych. L. selbst so betitelte - „assoziativ gelenkte interaktive Interview des Probanden unter Einbeziehung seiner Bezugsperson“ bei Gruppenverhören im polizeilichen Bereich oder auch in der systemischen Familientherapie durchgeführt wird und die Gewinnung von relevanten und reliablen nonverbal vermittelten Informationen ermöglicht. Abgesehen davon, dass der Sachverständige Dr. med. Dipl. Psych. L. nicht dargelegt hat, welche zusätzlichen Informationen er durch seine Art der Befragung im Vergleich zu den Vorgutachtern hat gewinnen können - seine abweichende Leistungsbeurteilung hat er hauptsächlich mit den letztlich fehlenden und für das Leistungsvermögen relevanten Verbesserungen begründet -, bleibt jedenfalls festzuhalten, dass eine psychiatrische Begutachtung eines Rentenbewerbers nicht ohne Weiteres mit einem polizeilichen Gruppenverhör zur Aufklärung einer Straftat oder mit der Lösung interfamiliärer Probleme im Rahmen einer Familientherapie gleichgesetzt werden darf. Die psychiatrische Rentenbegutachtung zielt darauf ab, die Leistungsfähigkeit des Probanden festzustellen. Hierbei kann zwar auch seine Beziehung zu oder sein Verhalten gegenüber Dritten eine Rolle spielen, was aber regelmäßig nur einen Teilaspekt der Begutachtung darstellen wird, dem im Übrigen durch eine gesonderte Befragung von Familienangehörigen (Fremdanamnese) Rechnung getragen werden kann. Über eine solche Fremdanamnese ist vorliegend die Mitwirkung der Ehefrau des Klägers bei dessen Untersuchung allerdings weit hinausgegangen. Hinzu kommt, dass der Sachverständige Dr. med. Dipl. Psych. L. nicht dargelegt hat, dass seine Untersuchung in Gegenwart der Ehefrau des Klägers zu einem unverfälschten Ergebnis geführt hat. Derartige Überlegungen hat er erkennbar nicht angestellt.
In Anbetracht dieser Erwägungen ergeben sich für den Senat durchgreifende Zweifel an der Richtigkeit der vom Sachverständigen Dr. med. Dipl. Psych. L. zum Leistungsvermögen des Klägers abgegebenen Beurteilung. Vor diesem Hintergrund erübrigen sich weitere Erörterungen zur Nachvollziehbarkeit und Schlüssigkeit seines Gutachtens vom 14. März 2021.
Demgegenüber überzeugt das Sachverständigengutachten von Dr. med. J. in jeder Hinsicht. Seine Äußerungen sind in sich schlüssig, plausibel und widerspruchsfrei. Die von ihm abgegebene Leistungseinschätzung ist nach eingehender Befunderhebung mit nachvollziehbarer und für den Senat einleuchtender Begründung aus den gestellten Diagnosen abgeleitet. Sein Sachverständigengutachten steht überdies auch im Einklang mit dem übrigen medizinischen Berichtswesen. Das gilt namentlich für das im Widerspruchsverfahren zur Akte gereichte Attest des Allgemeinmediziners MuDr. E. vom 23. Juli 2017, dem sich ebenso wenig Hinweise auf ein erheblich eingeschränktes Leistungsvermögen entnehmen lassen wie seinem vom Sozialgericht beigezogenen Befundbericht vom 19. Februar 2018, dem beigefügten Arztbrief des Facharztes für Neurochirurgie Dr. med. N. vom 28. April 2017, dem Arztbrief des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. med. H. vom 17. August 2018 und dessen Befundbericht vom 4. Februar 2019. Ebenso wenig ist schließlich erkennbar geworden, dass das Gutachten des Sachverständigen Dr. med. J. schwere Mängel aufweist, von unzulässigen Voraussetzungen ausgeht oder Zweifel an seiner Sachkunde oder Sachdienlichkeit erweckt.
Weitergehende Einschränkungen der Leistungsfähigkeit als vorstehend beschrieben sind auch sonst nicht ersichtlich. Zur Überzeugung des Senats steht deshalb fest, dass das Leistungsvermögen des Klägers zwar eingeschränkt ist, aber eben nicht in rentenberechtigendem Ausmaß. Anhaltspunkte für das Vorliegen weiterer, bislang unberücksichtigt gebliebener Gesundheitsbeeinträchtigungen mit schwerwiegendem erwerbsminderndem Dauereinfluss sind vom Kläger nicht aufgezeigt worden und ergeben sich auch im Übrigen nicht. Der Senat hält deshalb das Leistungsvermögen des Klägers mit den von medizinischer Seite insgesamt getroffenen Feststellungen für ausreichend aufgeklärt und weitere Begutachtungen von Amts wegen für nicht mehr geboten. Das gilt umso mehr, als auch der Sachverständige Dr. med. J. eine Begutachtung des Klägers auf einem anderen medizinischen Fachgebiet nicht für notwendig erachtet hat.
Unter Berücksichtigung seines nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme noch vorhandenen Leistungsvermögens ist der Kläger nicht erwerbsgemindert im Sinne der gesetzlichen Bestimmungen. Denn er kann trotz seiner in qualitativer Hinsicht geminderten Erwerbsfähigkeit noch einer Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit nachgehen und hierdurch mehr als nur geringfügige Einkünfte erzielen. Der Kläger kann noch mindestens sechs Stunden täglich unter den in Betrieben üblichen Arbeitsbedingungen erwerbstätig sein und muss sich zur Verwertung seines Restleistungsvermögens auf sämtliche - ihm in gesundheitlicher Hinsicht objektiv zumutbaren - Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes der Bundesrepublik Deutschland verweisen lassen. Auf die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit kommt es daher vorliegend nicht an, sodass nicht zu prüfen war, ob der Kläger die von der Beklagten benannten Tätigkeiten als Warenaufmacher/Versandfertigmacher, Warensortierer, Mitarbeiter in der Poststelle eines Betriebes oder einer Behörde bzw. als Büro- oder Verwaltungshilfskraft tatsächlich noch in der Lage ist zu verrichten oder seine Eignung für bestimmte andere Verweisungstätigkeiten zunächst anhand einer Belastungserprobung getestet werden muss. Denn nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit bei Verweisung auf den allgemeinen Arbeitsmarkt grundsätzlich nicht geboten (vgl. BSG, Urteil vom 24. Februar 1999, B 5 RJ 30/98 R = SozR 3-2600 § 44 Nr. 12). Das beruht auf der Erwägung, dass es auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine Vielzahl von ungelernten Tätigkeiten gibt, die nur mit leichten körperlichen Anforderungen verbunden sind. Dies ist offenkundig und muss grundsätzlich nicht in jedem Einzelfall erneut belegt werden. Es kann vielmehr davon ausgegangen werden, dass es in der Regel auch für Versicherte, deren Leistungsfähigkeit beeinträchtigt ist, noch Einsatzmöglichkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in nennenswertem Umfang gibt (vgl. BSG, Großer Senat, Beschluss vom 19. Dezember 1996, GS 2/95 = BSGE 80, 241 = SozR 3-2600 § 44 Nr. 8). Hiervon abzurücken besteht weiterhin kein Anlass (vgl. hierzu: BSG, Urteil vom 11. Dezember 2019, B 13 R 7/18 R = BeckRS 2019, 38398).
Bei dem Kläger liegen nachweislich auch keine besonderen Umstände vor, welche die Ausübung einer leichten Erwerbstätigkeit in ungewöhnlicher Weise erschweren. Im Rahmen der - bezüglich des hier streitigen Anspruchs auf Rente wegen Erwerbsminderung allein maßgeblichen - Frage nach dem Bestehen realer Erwerbsmöglichkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsfeld bedarf es zwar einer besonders eingehenden Prüfung, wenn eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine spezifische Leistungsbehinderung festgestellt ist (vgl. BSG, Urteil vom 1. März 1984, 4 RJ 43/83 = SozR 2200 § 1246 Nr. 117 mit Hinweis auf BSG, Urteil vom 30. November 1982, 4 RJ 1/82 = SozR 2200 § 1246 Nr. 104) oder wenn der Rentenbewerber wegen eines besonders gearteten Berufslebens deutlich aus dem Kreis vergleichbarer Versicherter herausfällt (vgl. BSG, Urteil vom 18. Februar 1981, 1 RJ 124/79 = SozR 2200 § 1246 Nr. 75; BSG, Urteil vom 27. April 1982, 1 RJ 132/80 = SozR 2200 § 1246 Nr. 90). Derartige Besonderheiten lassen sich vorliegend aber nicht bejahen. Das gilt namentlich für die Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit als schwere spezifische Leistungsstörung. Zwar hat der Sachverständige Dr. med. J. ausgeführt, dass die Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit des Klägers altersentsprechend limitiert ist und er eines längeren Prozesses mit einer verlängerten Einarbeitungszeit bedarf, um sich auf eine neue Tätigkeit mit leichten körperlichen Anforderungen und damit zwangsläufig einhergehenden intellektuellen Anforderungen anzupassen. Als problematisch erachtet es der Sachverständige Dr. med. J. vor allem, dass der Kläger schon einmal berentet war und es dann erfahrungsgemäß schwierig ist, sich wieder auf eine andere Situation umzustellen. Gleichwohl rechtfertigt es diese so beschriebene Einschränkung nicht, von einer rentenbegründenden schweren spezifischen Leistungsstörung auszugehen. Entscheidend hierbei ist, dass die Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit des Klägers offenkundig weder krankheits- noch behinderungsbedingt im Sinne von § 43 Abs. 1 Satz 2 bzw. Abs. 2 Satz 2 SGB VI eingeschränkt, sondern auf sein fortgeschrittenes Alter zurückzuführen ist und außerdem von seinem - durchaus verständlichen - Wunsch nach einer fortbestehenden Versorgung getragen wird. Eine rentenbegründende Leistungseinschränkung ist damit nicht nachgewiesen.
Ob die betreffenden Arbeitsplätze frei sind oder besetzt, ist für die Entscheidung des vorliegenden Falles unerheblich, denn die Erwerbsfähigkeit eines Versicherten, der wie der Kläger noch vollschichtig einsatzfähig ist, hängt nicht davon ab, ob das Vorhandensein von für ihn offenen Arbeitsplätzen für die in Betracht kommenden Erwerbstätigkeiten konkret festgestellt werden kann oder nicht. Der im Sinne der sog. konkreten Betrachtungsweise auf die tatsächliche Verwertbarkeit der Resterwerbsfähigkeit abstellende Beschluss des Großen Senats des Bundessozialgerichts vom 10. Dezember 1976 (GS 2/75, GS 3/75, GS 4/75, GS 3/76 = SozR 2200 § 1246 Nr. 13) kann bei noch vollschichtig einsatzfähigen Versicherten grundsätzlich nicht herangezogen werden. Ausnahmen sind allenfalls dann in Betracht zu ziehen, wenn ein Versicherter nach seinem Gesundheitszustand vor allem nicht mehr dazu in der Lage ist, die an sich zumutbaren Arbeiten unter den in der Regel in Betrieben üblichen Bedingungen zu verrichten, oder wenn er außerstande ist, Arbeitsplätze dieser Art von seiner Wohnung aus aufzusuchen (vgl. BSG, Urteil vom 27. Februar 1980, 1 RJ 32/79 - juris Rdnr. 23). Ein solcher Ausnahmefall ist vorliegend nicht gegeben. Der Sachverständige Dr. med. J. hat unmissverständlich ausgeführt, dass der Kläger leichte Tätigkeiten ohne betriebsunübliche Einschränkungen verrichten kann und auch seine Wegefähigkeit im rentenversicherungsrechtlichen Sinne nicht eingeschränkt ist. Das sah auch der erstinstanzlich gehörte Sachverständige Dr. med. G. so. Die gegenteilige Auffassung des Sachverständigen Dr. med. Dipl. Psych. L. vermag schon wegen der vorstehend aufgezeigten Mängel seiner Begutachtung nicht zu überzeugen.
Dass in der Person des Klägers einer der weiteren, von der höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannten Seltenheitsfälle (vgl. hierzu: BSG, Urteil vom 25. Juni 1986, 4a RJ 55/84 - juris Rdnr. 16 m.w.N.) gegeben sein könnte, ist im Übrigen nicht ersichtlich geworden. Wenn also der Kläger gleichwohl keinen Arbeitsplatz findet, den er nach seinem Leistungsvermögen noch ausfüllen kann, so ergibt sich daraus allenfalls ein Anspruch auf Leistungen der Arbeitsförderung bzw. der Grundsicherung für Arbeitsuchende, nicht aber ein Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit gegen die Beklagte als Trägerin der gesetzlichen Rentenversicherung.
In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen ist der Kläger über den 31. Juli 2017 hinaus nicht erwerbsgemindert im Sinne von § 43 SGB VI.
Der Kläger hat im Übrigen auch keinen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit. Einen solchen Rentenanspruch haben nämlich bei Erfüllung weiterer Voraussetzungen gemäß § 240 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI nur diejenigen Versicherten, die vor dem 2. Januar 1961 geboren sind. Der 1962 geborene Kläger gehört damit ganz offenkundig nicht zu dem Personenkreis, der aus dieser Vorschrift einen Rentenanspruch herleiten kann.
Nach alledem musste die Berufung des Klägers ohne Erfolg bleiben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.