L 5 R 206/18

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
S 6 R 108/16
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 5 R 206/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 5 R 174/21 B
Datum
Kategorie
Urteil

I.    Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 6. Juni 2018 wird zurückgewiesen.

II.    Die Beteiligten haben einander auch für das Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten.

III.    Die Revision wird nicht zugelassen. 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente. 

Der 1957 geborene Kläger absolvierte in der Zeit von 1. September 1975 bis 31. Januar 1979 eine abgeschlossene Ausbildung zum Orthopädieschuhmacher in einem Rehabilitationszentrum für körperbehinderte Menschen. Im Anschluss hieran war er in diesem Beruf in verschiedenen Beschäftigungsverhältnissen sowie als Arbeiter in einer Metallfabrik, bei der Firma D. und bei einem Schuh- und Schlüsseldienst mit Unterbrechungen bis Oktober 1983 beschäftigt. Hiernach war der Kläger arbeitslos. 1988 arbeitete der Kläger erneut fünf Monate als Schuhmacher. 1991 gab er an, seit drei Jahren mit einer Reisegewerbekarte selbständig Bestecke zu schleifen. Vom 1. Februar 1994 bis 15. April 1994 war er erneut als orthopädischer Schuhmacher und von 1994 bis 1997 als fahrender Messerschleifer tätig. Seit 1997 war er erneut arbeitslos. Zeitweise bezog er Sozialhilfeleistungen. Ab dem 18. September 1975 war bezüglich des Klägers ein Grad der Behinderung (GdB) von 60 sowie das Merkzeichen G und ab dem 20. Oktober 1992 ein GdB von 90 sowie das Merkzeichen G festgestellt worden. Zwischenzeitlich ist ein GdB von 100 sowie die Merkzeichen aG, H, RF festgestellt. 

Auf seinen Antrag vom 15. Januar 1984 gewährte die Landesversicherungsanstalt (LVA) Hessen dem Kläger mit Bescheid vom 29. September 1984 ab 1. Februar 1984 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Dauer. Sie ging von einem Leistungsfall zum Zeitpunkt der Antragstellung aus. Dieser Einschätzung lag ein Gutachten des Dr. med. E., Nervenarzt und Diplom-Psychologe, vom 20. Juni 1984 und ein Gutachten der sozialärztlichen Dienststelle der LVA durch Dr. med. F., Ärztin für Innere Medizin, vom 9. Juli 1984 zugrunde. Dr. med. F. hielt den Kläger bei einer wenig belastbaren Persönlichkeit mit Neigung zu depressiven Verstimmungszuständen, einem episodischen Alkoholabusus und einem Zustand nach Kinderlähmung mit Teillähmung des linken Beines bei Sprunggelenksversteifung und Beinverkürzung links für leichte Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes und in seinem bisher ausgeübten Beruf als orthopädischer Schuhmacher dauerhaft zweistündig bis unter halbschichtig leistungsfähig. Im Vordergrund stünden die psychiatrischen Gesundheitsstörungen, die im Zusatzgutachten des Dr. med. E., Leitender Arzt am Psychiatrischen Krankenhaus Marburg, in dem sich der Kläger bereits mehrfach in stationärer Behandlung befunden habe, ausführlich beurteilt worden seien. Ebenso habe das nervenärztliche Zusatzgutachten die Behinderung durch die linksseitige Beinlähmung und Beinverkürzung berücksichtigt.

Nachuntersuchungen des Klägers zur Überprüfung seiner Leistungsfähigkeit ergaben in den Jahren 1986 und 1988 keine Veränderung des Gesundheitszustandes und Leistungsvermögens des Klägers. Während Dr. med. G. - Arzt für Neurologie und Psychiatrie - in seinem Gutachten vom 17. Oktober 1986 ausführte, dass nach einer eingetretenen gewissen Stabilisierung eine Wiedereingliederung versucht werden könne und eine halbtätige Erwerbstätigkeit dem Kläger zumutbar sei, stellte Dr. med. H., Medizinaloberrat der sozialärztlichen Dienststelle der LVA, in seinem Gutachten vom 9. November 1988 eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Klägers insbesondere wegen Alkoholkonsums und Kniegelenkbeeinträchtigungen fest. Dr. med. H. führte aus, dass der Kläger vom 15. Juni 1988 bis 3. Oktober 1988 im Rahmen einer berufsfördernden Maßnahme zur Rehabilitation als Schumacher und Textilreiniger gearbeitet, die geförderte Einarbeitungsmaßnahme aber aufgrund der bestehenden Beschwerden abgebrochen habe. Unter Berücksichtigung der Leiden und aufgrund des bisherigen Krankheitsverlaufes sei die Leistungsfähigkeit des Klägers weiterhin so eingeschränkt, dass ihm Tätigkeiten in gewisser Regelmäßigkeit unter den üblichen Bedingungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht zumutbar seien. 

Im Jahre 1991 veranlasste die LVA eine erneute Nachuntersuchung des Klägers. Nach Beiziehung von medizinischen Unterlagen veranlasste sie die Begutachtung des Klägers durch Dr. med. J., Arzt für Neurologie und Psychiatrie. In seinem Gutachten vom 20. Juni 1991 gelangte er nach ambulanter Untersuchung des Klägers am 19. Juni 1991 unter Zugrundelegung der Diagnosen

-    Zustand nach infektiöser Kinderlähmung mit ausgeprägter Lähmung und Muskelschwund am linken Unterschenkel wesentlich deutlicher noch als am linken Oberschenkel sowie Beinlängenverkürzung links, Zungenlähmung rechts,
-    Zustand nach psychischen Dekompensationen Anfang der achtziger Jahre mit Suizidversuchen, inzwischen trat eine psychische Stabilisierung ein,
-    Willensschwache, dissoziale Persönlichkeitsstruktur,
-    Zustand nach Alkohol- und Medikamentenabusus,
-    Zustand nach Schädigung des Nervus cutaneus femoris lateralis rechts, 
-    Zudem: Nierensteinleiden, Angabe von witterungs- und belastungsabhängiger Luftnot und Gichtanfällen

zu dem Ergebnis, dass der Kläger wieder in der Lage sei, leichte bis mittelschwere Arbeiten überwiegend im Sitzen mit Einschränkungen (ohne längere Anmarschwege, ohne Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel, ohne häufiges Heben und Tragen) vollschichtig zu verrichten. Dem Zustand nach infektiöser Kinderlähmung komme erwerbsmindernder Dauereinfluss zu. Die psychischen Auffälligkeiten hätten dagegen keinen erwerbsmindernden Dauereinfluss mehr. Der Kläger könne auch die Tätigkeit eines orthopädischen Schuhmachers oder eines Schuhmachers vollschichtig zumutbar ausüben. Das festgestellte Leistungsvermögen bestehe seit Anfang 1990. Insbesondere im Hinblick auf die Wegefähigkeit des Klägers empfahl Dr. med. J. die orthopädische Begutachtung des Klägers. Dem Kläger stehe ein für seine Bedürfnisse ausgerüstetes Auto zur Verfügung.

In seinem fachorthopädischen Gutachten vom 15. August 1991 gelangte Dr. med. K., Facharzt für Orthopädie, nach ambulanter Untersuchung des Klägers unter Zugrundelegung der Diagnosen

1.    Zustand nach Hirnhautentzündung im Kleinkindesalter, Lähmung und Muskelschwund im Bereich der rechten Zungenhälfte,
2.    Zustand nach Kinderlähmung im 3. Lebensjahr mit hochgradigen Beinparesen, Muskelatrophie und Verkürzung des linken Beines trotz
a.    1970 erfolgter Verlängerungsosteotomie am Unterschenkel mit Sekundärheilung und Osteomyelitis, heute resultierender Beinverkürzung von gut 2 cm
b.    Versteifung der Rückfußgelenke 1978, Kontraktur und Hohl-, Spitzfußstellung links bei Fersensprengung von weiteren 5 cm
c.    relative Hüftinstabilität und Knieinstabilität links, Versorgung mit Beinschienenapparat und Apparatschuhen, Belastungsinsuffizienz
3.    rezidivierendes belastungsabhängiges statisch-muskuläres Wirbelsäulensyndrom mit migräneartigen Kopfschmerzen, Schultergürtelbeschwerden, Lumbalgien

zudem: Gicht, Nieren- bzw. Harnleitersteinleiden, Magen-, Darmstörungen

zu der Einschätzung, dass der Kläger orthopädischerseits leichte Arbeiten als auch seinen erlernten Beruf überwiegend im Sitzen mit Einschränkungen (ohne Wechselschicht, ohne Nachtschicht, ohne besonderen Zeitdruck, ohne längere Anmarschwege [zumutbar 200 m], ohne häufiges Heben und Tragen [zumutbar 5 kg], ebenerdig, in geschlossenen Räumen) vollschichtig verrichten könne. Den Poliomyelitisfolgen des linken Beins käme erwerbsmindernder Dauereinfluss zu. Er sah das Erfordernis betriebsunüblicher Pausen mit einer Dauer von 10 Minuten stündlich. Eine beträchtliche Gehbehinderung liege vor, längere Wegstrecken als 200 - 300 m sollten nicht zurückgelegt werden, da es zu muskulären Beschwerden und lokalen Druckschmerzen kommen könne. Der Kläger sei auf einen Automatik-Pkw angewiesen. Das Leistungsvermögen bestehe ab dem Zeitpunkt der Untersuchung am 14. August 1991. 

Ebenso gelangte der Arzt der ärztlichen Untersuchungsstelle der LVA Dr. med. L. nach ambulanter Untersuchung des Klägers am 13. September 1991 in seinem Gutachten vom 22. Oktober 1991 zu der Einschätzung, dass der Kläger leichte Arbeiten im Sitzen mit Unterbrechung und mit Einschränkungen (ohne besonderen Zeitdruck, ohne häufiges Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten, ohne überwiegend einseitige Körperhaltung, ohne häufiges Klettern oder Steigen, ohne Absturzgefahr, ohne besondere Anforderungen an die nervliche Belastung) vollschichtig verrichten könne. Er führte u.a. aus, dass im Vergleich zu den früher bei verschiedenen Untersuchungen erhobenen Befunden jetzt eine deutliche Besserung und Stabilisierung stattgefunden habe. Der Kläger habe die Gehstrecke vom Bahnhof bis zur Untersuchungsstelle (etwa 1,5 - 2 km) zu Fuß zurückgelegt. Der Kläger habe angegeben, dass er sich selbst für in der Lage halte, einer vollschichtigen Tätigkeit nachgehen zu können, auch in seinem erlernten Beruf als Orthopädieschuhmacher, wobei er zum Spannen der Schuhe eine Hilfe benötige. Dieser Selbsteinschätzung stehe das bei den Untersuchungen gefundene Leistungsvermögen nicht entgegen.

Nach Anhörung des Klägers hob die LVA den Bescheid vom 29. September 1984 über die Zuerkennung der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit mit Ablauf des Monats Januar 1992 mit Bescheid vom 13. Dezember 1991 auf. Der Gesundheitszustand des Klägers habe sich gebessert. Er sei wieder in der Lage, leichte Arbeiten sowie den Beruf des Orthopädieschuhmachers vollschichtig verrichten zu können. 

Im sich anschließenden Widerspruchsverfahren machte der Kläger unter Vorlage eines Attestes seines behandelnden Nervenarztes M. vom 29. Januar 1992 geltend, dass eine Besserung seines Gesundheitszustandes nicht eingetreten sei. Nach einer Stellungnahme nach Aktenlage des Dr. med. L. vom 27. April 1992 wies die LVA den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 1. Juli 1992 im Wesentlichen mit der Begründung des Ausgangsbescheides als unbegründet zurück. Die Entscheidung erwuchs in Bestandskraft. 

Ausweislich des Reha-Entlassungsberichtes vom 22. Oktober 1992 hatte der Kläger im Zeitraum vom 25. August 1992 bis 5. Oktober 1992 eine Rehabilitationsmaßnahme in der Klinik Sonnenblick in Marburg durchgeführt. Unter Berücksichtigung der Hauptleiden eines LWS-Syndroms, einem Zustand nach Poliomyelitis sowie schlaffer Parese des linken Beines und Beinverkürzung von 5 cm, einer Versteifung des linken Sprunggelenkes und eines Zervikalsyndroms sowie der Nebenleiden eines Nierensteindiabetes, einer Hyperurikämie, einer depressiven Stimmungslage bei neurotischer Persönlichkeitsstörung und eines Zustandes nach Alkohol- und Medikamentenabusus hielt man den Kläger für in der Lage, eine leichte Arbeit überwiegend im Sitzen, aber auch kurze Zeit im Stehen mit Unterbrechungen, vollschichtig auszuüben.

Einen erneuten Antrag des Klägers auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit vom 4. November 1997 lehnte die LVA mit Bescheid vom 18. November 1997 unter Verweis auf die fehlenden versicherungsrechtlichen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Antragstellung ab. 

Mit seinem am 20. September 1999 bei der LVA eingegangenen Antrag begehrte der Kläger erneut die Gewährung von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Begründend gab er an, sich seit dem Jahre 1992 für erwerbsgemindert zu halten. In seiner Stellungnahme nach Aktenlage vom 20. März 2000 gelangte der Beratungsarzt Dr. med. N. nach Auswertung der vorgelegten medizinischen Unterlagen, insbesondere des Entlassungsberichts der Neurologischen Uniklinik Göttingen vom 16. Dezember 1999, des Entlassungsberichts der Klinik Hoher Meißner vom 27. Januar 2000 sowie des Befundberichts des Arztes für Neurologie/Psychiatrie O. vom 7. März 2000 zu der Einschätzung, dass der Kläger aufgrund 

-    verminderter körperlicher Belastbarkeit nach Kinderlähmung (Post-Polio-Syndrom), 
-    Funktionseinschränkungen des linken Unterschenkels nach Sprunggelenkversteifung sowie Osteotomie und Verlängerung des linken Unterschenkels,
-    wiederkehrender depressiver Verstimmung 

seit Antragstellung keine Arbeiten von wirtschaftlichem Wert mehr verrichten könne. Nach den vorgelegten Unterlagen wurde im Entlassungsbericht über einen stationären Aufenthalt vom 8. Juli 1999 bis 2. August 1999 in der Klinik für Neurologie Göttingen durch Prof. Dr. Dr. P. am 18. August 1999 der Verdacht auf ein Post-Polio-Syndrom geäußert. 

Mit Bescheid vom 28. April 2000 lehnte die LVA den Antrag des Klägers ab, da die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit bei dem Kläger nicht vorlägen, denn der Versicherungsverlauf des Klägers weise in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung im Zeitraum vom 20. September 1994 bis 19. September 1999 lediglich zehn Kalendermonate mit Pflichtbeiträgen auf. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit sei auch nicht aufgrund eines Tatbestandes eingetreten, durch den die allgemeine Wartezeit vorzeitig erfüllt sei. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die LVA mit Widerspruchsbescheid vom 29. Januar 2001 im Wesentlichen mit der Begründung des Ausgangsbescheides zurück. 

Hiergegen richtete sich die am 28. Februar 2001 bei dem Sozialgericht Kassel erhobene Klage S 7/8 RJ 332/01. Während des Klageverfahrens beantragte der Kläger die Überprüfung des Bescheides vom 13. Dezember 1991 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Juli 1992, mit dem die LVA die Erwerbsunfähigkeitsrente des Klägers mit Ablauf des Monats Januar 1992 aufgehoben hatte. Diesen Antrag lehnte die LVA mit Bescheid vom 30. Oktober 2001 ab. Sie ging davon aus, dass der Bescheid Gegenstand des Klageverfahrens geworden sei. Mit der Klage wandte sich der Kläger sodann sowohl gegen die Ablehnung seines 1999 gestellten Rentenantrags als auch gegen die abgelehnte Überprüfung der Aufhebungsentscheidung ab 1. Februar 1992. 

Das Gericht holte von Amts wegen ein nervenärztliches Gutachten bei dem Facharzt für Neurologie Prof. Dr. med. Q., Ärztlicher Direktor/Chefarzt der Hardtwaldklinik I in Bad Zwesten, ein. Nach ambulanter Untersuchung des Klägers am 14. Oktober 2002 gelangte der Sachverständige in seinem Gutachten vom 12. Februar 2003 unter Berücksichtigung der Diagnosen 

1.    Post-Polio-Syndrom 
2.    Depressives Syndrom mit Z.n. mehrfachen Suizidversuchen 
3.    Schwere Konversionsneurose
4.    Bekanntes chronisches Schlafapnoesyndrom
5.    Adipositas

zu dem Ergebnis, dass ein im rentenrechtlichen Sinne aufgehobenes Leistungsvermögen seit September 1999 bestünde. Es scheine zwar bereits Jahre zuvor eine Leistungsminderung vorgelegen zu haben, wobei dem Kläger bis 1999 die Pflege seiner schwerkranken Ehefrau noch möglich gewesen sei, so dass die Aufhebung des Leistungsvermögens erst seit September 1999 bestünde. Auch in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 9. Juli 2003 verblieb Prof. Dr. med. Q. nach erneuter Auswertung medizinischer Unterlagen bei der Einschätzung, dass sich keinerlei Hinweis darauf ergebe, dass bei der Begutachtung 1991/1992, die zur Rentenentziehung geführt habe, von einem falschen medizinischen Sachverhalt ausgegangen worden sei. Der Aktenlage nach sei ein Post-Polio-Syndrom erst 1999 aufgetreten, was nach der von ihm durchgeführten Untersuchung auch wahrscheinlich erscheine. Es bestünden auch keine Hinweise auf einen jahrelangen Alkoholabusus. Unter Berücksichtigung der Pflege seiner Ehefrau ließe sich zumindest bis zum Zeitpunkt September 1999 keine völlig aufgehobene Erwerbsfähigkeit rechtfertigen. Bei dieser Einschätzung verblieb er auch in seiner weiteren ergänzenden Stellungnahme vom 26. November 2003. 

Das Gericht holte auf Antrag des Klägers ein weiteres neurologisches Sachverständigengutachten bei Prof. Dr. med. R., Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, ein. Nach ambulanter Untersuchung des Klägers am 21. Oktober 2004 gelangte der Sachverständige in seinem Gutachten vom 17. November 2004 unter Berücksichtigung der Diagnosen 

1.    Postpoliosyndrom (Z.n. Kinderlähmung mit fortschreitender Muskelschwäche) mit ausgeprägter Beinschwäche links sowie leichter Beinschwäche rechts und mäßiger Schwäche beider Arme und Hände. 
2.    Depressives Syndrom mit Somatisierungstendenz 
3.    Ventilatorische Insuffizienz und Schlafapnoe-Syndrom bei Postpoliosyndrom (Schwäche der Atemmuskulatur und Verschluss des Rachenraumes im Schlaf durch Zurückfallen des Zungengrundes)
4.    Adipositas 
5.    Versteifung des linken Sprunggelenkes

zu der Einschätzung, dass der Kläger leichte Arbeiten auch unter zwei Stunden täglich nicht mehr verrichten und in seinem Beruf als Schuhmacher nicht mehr tätig sein könne. Die Erwerbsunfähigkeit habe mit der ersten stationären Behandlung im August 1999 bestanden. Die seelische Erkrankung des Klägers habe 1986 (wohl: 1984) zur Gewährung der Erwerbsunfähigkeitsrente geführt. Nach einer psychischen Stabilisierung des Klägers im Jahre 1991 seien im August 1999 erstmalig umfangreiche Untersuchungen dokumentiert. In den Folgejahren habe sich der Gesundheitszustand des Klägers weiter verschlechtert. Zwischen den Jahren 1991 und 1999 ließen die zugänglichen Unterlagen keinen sicheren Rückschluss auf den körperlichen und psychischen Zustand des Klägers zu. Es seien nur indirekte Zeichen auswertbar. Nach eigenen Angaben des Klägers habe dieser noch bis 1997 eine Tätigkeit zumindest in Teilzeit ausüben können. Die starke Verschlechterung der allgemeinen Kraft habe bei dem Kläger insbesondere nach seinen eigenen Angaben etwa ein halbes Jahr vor der ersten neurologischen stationären Untersuchung im Universitätsklinikum Göttingen im August 1999, somit rechnerisch im Januar 1999, vorgelegen. In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 18. Februar 2005 ging Prof. Dr. med. R. 1992 von einer vollschichtigen und von 1993 bis Ende 1995 von einer halbschichtigen Leistungsfähigkeit aus. Dies beruhe auf dem vom Kläger vorgetragenen Bericht über den fehlgeschlagenen Arbeitsversuch als orthopädischer Schuhmacher Anfang 1994. Ab 1996 habe ein Leistungsvermögen von lediglich zwei Stunden täglich bestanden, ab 1997 sei er nach seinen Angaben arbeitsunfähig gewesen. In der ergänzenden Stellungnahme vom 4. November 2005 verweist der Sachverständige u.a. darauf, dass die Einschätzung der Erwerbsfähigkeit des Klägers in den Zeiten zwischen 1992 und 1999 wohl überlegt und nach bester Kenntnis der Krankengeschichte erfolgt sei. Dass eine objektive Einschätzung nicht möglich sei, sei aber bereits aus dem Gutachten vom 17. November 2004 ersichtlich. 

Mit Urteil vom 28. Februar 2006 wies das Sozialgericht Kassel die Klage S 7/8 RJ 332/01 ab, da der Kläger weder einen Anspruch gegen die LVA auf Zurücknahme des Bescheids vom 13. Dezember 1991 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1. Juli 1992 noch einen Anspruch auf Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit aufgrund seines Antrags vom 20. September 1999 habe. Ein Beweis, dass die im Jahr 1984 zuerkannte Rente wegen Erwerbsunfähigkeit im Jahre 1991 zu Unrecht aufgehoben worden sei, sei nicht erbracht. Mit den beiden Sachverständigengutachten sowie den vorliegenden Befundunterlagen sei die rentenmaßgebliche Erwerbsminderung zur Überzeugung des Sozialgerichtes erst 1999 nachgewiesenermaßen eingetreten. Zu diesem Zeitpunkt hätten jedoch die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht vorgelegen. Aus den vorhandenen Arztberichten ließe sich lediglich ableiten, dass der Kläger im Jahr 1999 gesichert an einem Post-Polio-Syndrom erheblichen Ausmaßes erkrankt sei. Die Berufung gegen das Urteil, die beim Hessischen Landessozialgericht unter dem Aktenzeichen L 5 R 138/06 geführt wurde, nahm der Kläger am 31. Mai 2006 zurück. 

Am 18. November 2015 beantragte der Kläger erneut unter Angabe, dass er sich seit Januar 1992 für erwerbsgemindert halte, die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung bei der Beklagten. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 30. November 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. März 2016 mit der bereits im Bescheid vom 28. April 2000 ausgeführten Begründung ab, dass ausgehend von einem Leistungsfall am 20. September 1999 die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht vorlägen. Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen lägen nur dann vor, wenn eine Erwerbsminderung bis zum 31. Mai 1994 eingetreten wäre. 

Zur Begründung der am 21. April 2016 bei dem Sozialgericht Kassel erhobenen Klage trug der Kläger im Wesentlichen vor, dass die Erwerbsminderung bereits vor dem 31. Mai 1994 eingetreten sei. Die medizinischen Voraussetzungen für eine Rente wegen Erwerbsminderung lägen nicht erst seit dem 20. September 1999 vor, sondern bereits weit im Vorhinein. Es sei davon auszugehen, dass das Urteil des Sozialgerichts Kassel aus dem Jahr 2006 (S 7/8 RJ 332/01) auf unrichtigen Tatsachen beruhe, da bei den Ermittlungen nicht berücksichtigt worden sei, dass er im Jahr 1992 durch Heirat seinen Nachnamen von „X.“ in „A." geändert habe. Dr. med. S. habe in seinem Gutachten vom 14. Februar 2009 in dem Verfahren vor dem Sozialgericht Kassel S 12 KR 65/07 bestätigt, dass er an einem Post-Polio-Syndrom leide. Es sei davon auszugehen, dass die schwersten Erkrankungen, an denen er leide und die zu einer Erwerbsminderung führten, bereits vor 1994 vorgelegen hätten. 

Dem vorgelegten Gutachten des Dr. med. S. lässt sich entnehmen, dass der Kläger an einem chronischen, behandlungsbedürftigen Post-Polio-Syndrom leide, zu dessen Behandlung ambulante wie stationäre Maßnahmen erforderlich seien. 

Das Sozialgericht holte zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts Befundberichte bei den Fachärzten für Allgemeinmedizin T./Dr. med. U. mit Krankenunterlagen vom 26. Juli 2016 (Behandlungsbeginn 2008), der Klinik Hoher Meißner vom 28. Juli 2016 (stationäre Aufenthalte 2009 und 2014), dem Facharzt für HNO Z., eingegangen am 5. August 2016 (Behandlungsbeginn 2015), dem Marienkrankenhaus Kassel vom 28. Juli 2016 (stationäre Aufenthalte 2015 und 2016), der Hausärztin V. vom 10. August 2016 (Behandlungsbeginn 2014) mit Krankenunterlagen ab 2011, des Katholischen Klinikums Koblenz-Montabaur vom 4. August 2016 (erster stationärer Aufenthalt 2010), der Orthopädischen Klinik Hessisch Lichtenau vom 16. August 2016 (Vorstellung einmalig 2015, zuvor 2008 bzw. 2009 in Behandlung bei Prof. W.), dem Arzt für Orthopädie Dr. med. Y. vom 22. August 2016 (Behandlungsbeginn 2016; erstmalig wurde dort eine Überweisung 2008 ausgestellt), der Universitätsmedizin Göttingen, Klinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde vom 31. August 2016 (erstmalige Vorstellung 09/1999 wegen Schluckbeschwerden), des Evangelischen Krankenhauses Göttingen-Weende, Pneumologie, vom 2. September 2016 (erstmalige Vorstellung 2001) und des Evangelischen Krankenhauses Göttingen-Weende, Geriatrisches Zentrum, vom 14. September 2016 (stationäre Behandlung 2016; Behandlung des Klägers durch Prof. Dr. med. Z. seit 2009) ein. Zudem zog das Sozialgericht den Entlassungsbericht der Rehabilitationsklinik Miriquidi (stationärer Aufenthalt 2005) bei. Der Kläger reichte ergänzend das neurologische Zusatzgutachten des Dr. med. BB., Arzt für Neurologie, Physikalische Therapie, Rehabilitationswesen, vom 19. August 2009 sowie das Sachverständigengutachten der Dr. med. CC., Fachärztin für Orthopädie, Fachärztin für Physikalische und Rehabilitative Medizin, vom 30. November 2009 ein, beide eingeholt in dem Verfahren des Sozialgerichts Kassel S 12 KR 30/09 zur Frage der Behandlungsbedürftigkeit sowie zu Art und Umfang der adäquaten Behandlung des Klägers. Auch legte er eine Handreichung des Bundesverbandes Poliomyelitis e.V. „Behandlung von Patienten mit Post-Polio-Syndrom PPS“ sowie diverse medizinische Unterlagen ab 2011 sowie medizinische Unterlagen von 1964 bis 1999 vor. Zudem reichte der Kläger eine ärztliche Stellungnahme zur Evaluierung der Erkrankung des Post-Polio-Syndroms des Klägers nach Aktenlage des Dr. med. DD. vom 27. April 2017 zur Akte, wonach im Ergebnis unter Auswertung der vorliegenden medizinischen Unterlagen feststehe, dass bei dem Kläger bereits spätestens ab 1981 von der klinisch relevanten Ausprägung eines Post-Polio-Syndroms auszugehen sei. 

Mit Urteil vom 6. Juni 2018 wies das Sozialgericht die Klage ab. Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen hätten letztmalig am 31. Mai 1994 vorgelegen. Bis spätestens zu diesem Zeitpunkt habe zur Überzeugung des Gerichts aber weder eine Berufsunfähigkeit noch eine Erwerbsunfähigkeit des Klägers vorgelegen. Es stützte sich auf die Ausführungen des Prof. Dr. med. Q. und des Prof. Dr. med. R. in deren im beigezogenen Verfahren des Sozialgerichts Kassel S 7/8 RJ 332/01 erstatteten Gutachten und ergänzenden Stellungnahmen, wonach ein aufgehobenes Leistungsvermögen ab September 1999 als vorliegend angesehen werden könne. Etwas Anderes ergäbe sich auch nicht aus den Ausführungen des Dr. med. DD. Seine Einschätzungen beruhten auf Vermutungen, er habe den Kläger weder im maßgeblichen Zeitraum Mitte der 1990er Jahre untersucht noch betreut. Selbst wenn es zuträfe, dass sich die „einschleichende Symptomatik" wahrscheinlich seit den achtziger Jahren entwickelt habe, ergebe sich hieraus noch nicht die Einschränkung oder gar Aufhebung des rentenrechtlich relevanten Leistungsvermögens des Klägers. Es werde von der Kammer nicht in Abrede gestellt, dass sich die Post-Polio-Erkrankung progredient entwickelt habe und der Beginn sicherlich bereits in einen Zeitraum vor dem Ende der 90er Jahre und damit auch vor der eigentlichen Diagnosestellung 1999 falle. Allerdings komme es im Rahmen der Leistungsbeurteilung im Rentenverfahren nicht auf die Bezeichnung einer Erkrankung oder eine bestimmte Diagnose an, sondern auf das Ausmaß der Erwerbsminderung. Der sehr vage gehaltenen Aussage des Dr. med. DD. zum Beginn der Erkrankung stünden vorliegend die Befunde der Jahre ab 1986 entgegen. Hier würde dem Kläger überwiegend in den Jahren 1991 und 1992 ein vollschichtiges Leistungsvermögen mit Einschränkungen bescheinigt. Aus sämtlichen Befunden lasse sich wohl eine deutliche, eher sprunghafte Verschlechterung auf das Jahr 1999 datieren. 1991 und 1992 und in der Zeit vor 1997 bis 1999 seien den Befunden jedoch nur leichte Funktionsbeeinträchtigungen der Extremitäten zu entnehmen, nicht hingegen die ab Mitte/Ende 1999 diagnostizierte deutliche Muskelschwäche, Luftnot sowie Schluckbeschwerden. Selbst wenn sich aus den Befunden ergebe, dass sich bereits etwa ab 1997, dem Zeitpunkt, in dem der Kläger seine Tätigkeit als Messer- und Scherenschleifer nicht mehr habe ausüben können, der Beginn einer vollen oder teilweisen Erwerbsminderung ansetzen ließe, wären auch dann die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt. Der klägerische Vortrag, das Urteil des Sozialgerichts Kassel aus dem Jahr 2006 beruhe auf falschen Tatsachen, weil nur Befunde des Klägers mit dem Namen A. erhoben worden seien, sei unzutreffend. Die Befunde in den Jahren 1991 und 1992 (dort noch der Name X.) hätten dem Urteil des Sozialgerichts ausweislich der Darstellungen im Tatbestand und in der Entscheidungsbegründung zugrunde gelegen und hätten auch der erkennenden Kammer vorgelegen.

Gegen das Urteil hat der Kläger am 15. Juni 2018 Berufung bei dem Hessischen Landessozialgericht eingelegt. 

Er trägt im Wesentlichen vor, dass dem erstinstanzlichen Gericht weder darin gefolgt werden könne, dass die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen letztmals im Mai 1994 vorgelegen hätten, noch dass die Berufsunfähigkeit spätestens am 31. Mai 1994 wegen des zuletzt ausgeübten Berufs des Orthopädieschuhmachers nicht vorgelegen habe. Das Gericht verkenne bei der Bezugnahme auf die Gutachten des Prof. Dr. med. Q. und des Prof. Dr. med. R., die sich mit den Gutachten des Dr. med. J. aus dem Jahr 1991, des Dr. med. K. von 1991 und des Dr. med. L. von 1992 auseinandergesetzt hätten, dass zum Zeitpunkt des Berichts des Prof. Dr. med. Q. vom 12. Februar 2003 die hier vorliegende Erkrankung des Post-Polio-Syndroms noch nicht hinreichend erforscht gewesen sei. Maßgeblich sei die Darstellung des Dr. med. DD., der seine ärztliche Einschätzung dargelegt habe. Der Kläger habe 1991 und 1992 nicht vollschichtig gearbeitet. Das erstinstanzliche Gericht habe sich nicht damit auseinandergesetzt, dass Prof. Dr. med. Q. kein ausgewiesener Spezialist für das Post-Polio-Syndrom sei. Es hätten zum damaligen Zeitpunkt aber schon ärztliche Unterlagen vorgelegen, die auf das Vorliegen eines Post-Polio-Syndroms hingewiesen hätten. Richtigerweise komme es nicht darauf an, wie das Syndrom heiße, sondern ob ein vollschichtiges Leistungsvermögen vorgelegen habe, was nicht der Fall gewesen sei. Wie sich aus der Stellungnahme des Dr. med. DD. ergebe, sei der Beginn des vorliegenden Beschwerdebildes unter Einbeziehung der verzeichneten Fehldiagnosen bereits früher anzusetzen als allgemein vermutet. Das Gericht hätte jedenfalls weitere Erhebungen vornehmen müssen, da sich die vorangegangenen Gutachten nicht mit dem Post-Polio-Syndrom befassten. Die Besonderheit bei diesem Syndrom sei, dass es bereits im Vorhinein nach der Kinderlähmung zu erheblichen Ausfällen kommen könne, wie dies bei ihm der Fall gewesen sei. 

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 6. Juni 2018 sowie den Bescheid vom 30. November 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. März 2016 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm eine Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.

Auf Antrag des Klägers hat Prof. Dr. med. EE. nach ambulanter Untersuchung des Klägers am 29. Januar 2019 ein pneumologisch-internistisches Gutachten am 18. Januar 2019 erstattet. Die Frage nach den bei dem Kläger zu stellenden Diagnosen beantwortet der Sachverständige dahingehend, dass im Vordergrund die Folgen der Poliomyelitis und die folgende Wiedererkrankung an einem Post-Polio-Syndrom, die eine vollständige Pflegebedürftigkeit bedingten, stünden. Der Kläger sitze im Rollstuhl und könne nur wenige Schritte mit Hilfe gehen. Er sei beatmungsabhängig, habe Post-Polio-bedingte Schmerzen und eine eingeschränkte Schluckfähigkeit mit Neigung zum Verschlucken, so dass er über eine Magensonde ernährt würde. Es habe Suizidalität mit mehrfachen Suizidversuchen bestanden, des Weiteren ein Alkoholabusus. Darüber hinaus habe der Kläger einen folgenlosen Schlaganfall durchgemacht, habe rezidivierende Nierensteine, eine obstruktive Schlaf-Apnoe, einen Bluthochdruck und einen Diabetes sowie deutliches Übergewicht aufgrund seiner Immobilität. Im Zeitraum vom 1. Februar 1992 bis 31. Mai 1994 hätten Folgen der durchgemachten Poliomyelitis mit Muskelschwäche insbesondere des linken Beines bestanden. Er sei psychisch durch die Funktionseinschränkung belastet gewesen. In der Zeit vom 1. Februar 1992 bis 31. Mai 1994 sei die Erwerbsfähigkeit des Klägers deutlich eingeschränkt gewesen beim Gehen, Stehen und Umhergehen aufgrund der Lähmungsskoliose mit Beckenschiefstand und Beinverkürzung aufgrund der Muskelschwäche und Atrophie und der dadurch bedingten Sturzneigung. Der Kläger sei keineswegs in der Lage gewesen, vollschichtig tätig zu sein, es seien nur leichte Arbeiten ausschließlich im Sitzen mit der Möglichkeit aufzustehen, höchstens halbschichtig mit Einschränkungen zumutbar gewesen. Dem Kläger sei es nicht möglich gewesen viermal 500 m in 20 Minuten und ohne unzumutbare Schmerzen zurückzulegen. Die Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln sei möglich gewesen, jedoch habe der Kläger beim Ein- und Aussteigen deutlich längere Zeit benötigt. Zudem seien betriebsunübliche Pausen notwendig gewesen, wenn der Kläger aufgrund seiner Wirbelsäulenverbiegung nicht mehr sitzen könne und wenn zum Umhergehen Stabilisationsschienen angebracht werden müssten. Eine Verbesserung der Funktionseinschränkung und der körperlichen Beschwerden sei nicht möglich. Es komme regelhaft zu einer Verschlechterung des Befundes und zu einer Verminderung der Belastbarkeit und Leistungsfähigkeit. Im Falle eines Post-Polio-Syndroms kämen neue Funktionseinschränkungen hinzu und die Verschlechterung beschleunige sich, dies sei 1999 zweifelsfrei festgestellt worden, beginne jedoch schleichend in der Regel längere Zeit zuvor. Das Leistungsvermögen habe sich progredient schon vor 1992 verschlechtert und insbesondere danach habe sich mit der Ausbildung eines Post-Polio-Syndroms eine rapide Verschlechterung eingestellt bis zum derzeitigen Gesundheitszustand. Das eingeschränkte Leistungsvermögen habe mit Sicherheit schon 1992 bestanden, dies sei dem neurologisch-psychiatrischen Gutachten des Dr. med. J. vom 5. Juni 1991 zu entnehmen. Der Gutachter habe den Versicherten zwar in Ruhe untersucht, auf seine Belastbarkeitseinschränkung sei er jedoch nicht eingegangen bzw. habe die Schilderung als unglaubhaft dargestellt, ohne selbst entsprechende Untersuchungen durchgeführt zu haben. Er habe die gestellten Diagnosen nur teilweise auf die Poliomyelitis zurückgeführt und sei von einer fehlenden Arbeitstätigkeit aufgrund der unzureichenden Motivation und der Primärpersönlichkeit des Klägers ausgegangen. Unberücksichtigt sei geblieben, dass die Tätigkeit aufgrund der körperlichen Behinderung einen erhöhten Kraft- und Energieeinsatz notwendig mache und gegenüber einem Gesunden erheblich erschwert gewesen sei. Die angegebene Gehstrecke von zweimal 200 m pro Tag sei nicht überprüft, sondern als unglaubhaft abgetan worden. Er habe eine Verschwielung am linken Fußballen durch Fehlbeanspruchung festgestellt, erwähne den Schienenhülsenapparat links und die Beschwielung der Hände, die die Notwendigkeit sich abzustützen belegte, welche eine deutliche Einschränkung darstelle. Die verminderte Kraftentfaltung beim Faustschluss interpretiere er als simulierten Befund. Die deutlich eingeschränkte Gehfähigkeit, die verminderte Kraft zur Stabilisation des linken Beines und die damit erhöhte Sturzgefahr seien weder untersucht noch berücksichtigt worden. Unter Berücksichtigung des aktuellen Befundes müssten die damals erhobenen Befunde und die damaligen Angaben des Klägers als zutreffend angesehen werden, so dass schon 1991 die beschriebene Einschränkung vorhanden gewesen sei. 

Die Beklagte ist dem Gutachten entgegengetreten. Ein Nachweis im Sinne eines Vollbeweises des tatsächlichen Eintritts der Minderung der Erwerbsfähigkeit, für den der Kläger beweispflichtig sei, sei durch das Gutachten des Prof. Dr. med. EE. nicht erbracht. Dem stünden insbesondere die von der LVA eingeholten Gutachten des Dr. med. J. und des Dr. med. K. aus dem Jahre 1991 entgegen. Bis 1999 lägen keine ausreichenden Anknüpfungstatsachen vor. Der Beratungsarzt Dr. med. FF. hat in seiner Stellungnahme vom 1. April 2019 ausgeführt, dass die vorhandenen Befundberichte zwar belegten, dass der Kläger im fraglichen Zeitraum von 1992 bis 1994 zwar schon deutliche Beeinträchtigungen gehabt habe, nicht jedoch derartig, dass ausgeprägte Schluckbeschwerden vorhanden, er rollstuhlpflichtig oder seine Luftnot so stark gewesen sei, dass er sauerstoffpflichtig gewesen sei. Es könne daher für den Zeitraum 1992 bis 1994 aus sozialmedizinischer Sicht nicht als belegt angesehen werden, dass schon damals eine Erwerbsminderung vorgelegen habe. 

Der Kläger ist den Ausführungen der Beklagten sowie des Beratungsarztes Dr. med. FF. mit einer ärztlichen Stellungnahme des Dr. med. DD. vom 14. Mai 2019 entgegengetreten. 

In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 22. August 2019 hat Prof. Dr. med. EE. ausgeführt, dass aufgrund des Krankheitsverlaufes alle beschriebenen Symptome während der akuten Poliomyelitiserkrankung in der Kindheit angelegt gewesen seien. Die einzelnen Symptome hätten sich über die Jahre derart entwickelt, dass weder die Nahrungsaufnahme noch die Atmung noch die eigenständige Fortbewegung mehr möglich seien. Sämtliche Einschränkungen seien schon damals belegt gewesen. Es sei damit, wie im Gutachten ausgeführt, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass schon damals die im Gutachten beschriebenen schwersten Einschränkungen vorhanden gewesen seien. Der Kläger hat sich durch die ergänzende Stellungnahme unter Vorlage einer weiteren Stellungnahme des Dr. med. DD. vom 7. September 2019 bestätigt gesehen. 

Die Beklagte ist auch der ergänzenden Stellungnahme vom 22. August 2019 mit einer Stellungnahme des Beratungsarztes Dr. med. FF. entgegengetreten, der weiterhin davon ausgegangen ist, dass ein aufgehobenes Leistungsvermögen für den Zeitraum 1992 bis 1994 nicht nachgewiesen sei. 

Dem wiederum ist der Kläger erneut mit einer ärztlichen Stellungnahme des Dr. med. DD. vom 22. November 2019 entgegengetreten, während die Beklagte eine beratungsärztliche Stellungnahme des Dr. med. GG. vom 27. Februar 2020 zur Akte gereicht hat, auf die der Kläger seinerseits mit Stellungnahmen des Dr. med. DD. vom 26. März 2020, 4. August 2020, 16. August 2020 und 21. August 2020 geantwortet hat, wobei die Beteiligten ihre jeweiligen Ansichten verteidigt haben. Der Kläger ist auch im Weiteren bei seiner Auffassung verblieben und hat weitere ärztliche Stellungnahmen des Dr. med. DD. vom 29. Oktober 2020 und 2. Dezember 2020 und eine Stellungnahme zur Charakterisierung des Post-Polio-Syndroms desselben eingereicht.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands im Übrigen wird Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze und auf die von der Beklagten vorgelegte Rentenakte betreffend den Kläger sowie die beigezogenen Akten des Sozialgerichts Kassel S 7/8 RJ 332/01 bzw. des Hessischen Landessozialgerichtes L 5 R 138/06, deren Inhalt Gegenstand der Beratung gewesen ist. 

Entscheidungsgründe

Die statthafte Berufung (§§ 143, 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz <SGG>) des Klägers, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte (§ 153 Abs. 1 i. V. m. § 124 Abs. 2 SGG), ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 151 Abs. 1 SGG). Sie bleibt aber in der Sache ohne Erfolg. 

Das angefochtene Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 6. Juni 2018 ist nicht zu beanstanden. Zu Recht hat es die Klage abgewiesen, weil der Kläger keinen Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung hat. Der Bescheid der Beklagten vom 30. November 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. März 2016 (§ 95 SGG) ist rechtmäßig ergangen und beschwert den Kläger nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 SGG

Streitgegenständlich ist vorliegend alleine der geltend gemachte Rentenanspruch aufgrund des Rentenantrags des Klägers vom 18. November 2015, denn nur über diesen hat die Beklagte mit den angefochtenen Bescheiden entschieden und nur gegen diese richtet sich zulässigerweise die bei dem Sozialgericht erhobene Klage S 6 R 108/16. Eine Rentengewährung käme aufgrund des am 18. November 2015 gestellten Antrags   unabhängig vom Zeitpunkt des Eintritts des Leistungsfalls – frühestens ab 1. November 2015 in Betracht (§ 99 Abs. 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch, Sechstes Buch <SGB VI>).

Entgegen den Ausführungen des Sozialgerichts sind vorliegend nicht § 43 SGB VI bzw. §§ 44, 241 SGB VI jeweils in der Fassung des Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung (Rentenreformgesetz 1992 – RRG 1992) vom 18. Dezember 1989, BGBl I 2261, u.a. geändert durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (Zweites SGB VI-Änderungsgesetz – 2. SGB VI-ÄndG) vom 2. Mai 1996, BGBl I 659, maßgeblich, die bis zum 31. Dezember 2000 Gültigkeit besaßen. Vielmehr sind vorliegend die §§ 43, 240 SGB VI in der Fassung des Gesetzes zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit (RRErwerbG) vom 20. Dezember 2000, BGBl I 1827, einschlägig. Auch wenn der Kläger einen Leistungsfall bereits im Jahr 1992 geltend macht, bestimmen sich die gesetzlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung nach dem ab dem 1. Januar 2001 geltenden Recht. Nach der Übergangsvorschrift des § 300 Abs. 1 SGB VI ist neues Recht von dem Zeitpunkt seines Inkrafttretens an auf einen Sachverhalt oder Anspruch auch dann anzuwenden, wenn bereits vor diesem Zeitpunkt der Sachverhalt oder Anspruch bestanden hat. Aufgehobene Vorschriften des SGB VI sind nur dann nach dem Zeitpunkt ihrer Aufhebung noch auf den bis dahin bestehenden Anspruch anzuwenden, wenn der Anspruch bis zum Ablauf von drei Kalendermonaten nach der Aufhebung geltend gemacht wird (§ 300 Abs. 2 SGB VI). Ein Anspruch ist geltend gemacht, wenn der entsprechende Antrag gestellt wurde (vgl. §§ 115, 99 SGB VI, § 16 Sozialgesetzbuch, Erstes Buch <SGB I>). Da der Kläger die hier im Streit stehende Rente erst im Jahr 2015 und damit nicht bis zum Ablauf des Monats März 2001 beantragt hatte, sind die Voraussetzungen des § 300 Abs. 2 SGB VI für eine Anwendung des bisherigen Rechts nicht erfüllt. § 302b Abs. 1 SGB VI ist ebenfalls nicht einschlägig, da nach dem Wortlaut nur die Zahlung einer vor der Rechtsänderung beantragten oder die Fortzahlung einer bereits bewilligten Rente gewährleistet sein soll (vgl. BSG, Urteil vom 29. November 2007, B 13 R 18/07 R, juris, SozR 4-2600 § 300 Nr. 2; Bay. LSG, Urteil vom 18. März 2015, L 19 R 294/13, juris Rdnr. 29). 

Gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser bzw. voller Erwerbsminderung, wenn sie

1.    teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind,
2.    in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
3.    vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.

Teilweise erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voll erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI demgegenüber Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 3 SGB VI auch

1.    Versicherte nach § 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können, und
2.    Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren, in der Zeit einer nicht erfolgreichen Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt.

Erwerbsgemindert ist der Vorschrift des § 43 Abs. 3 SGB VI zufolge nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Der für den Nachweis der sogenannten Vorversicherungszeit im Sinne des § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI maßgebliche Fünfjahreszeitraum verlängert sich gemäß § 43 Abs. 4 SGB VI und § 241 Abs. 1 SGB VI um die im Gesetz im Einzelnen aufgeführten sogenannten Aufschubzeiten (insbesondere Anrechnungszeiten, Ersatzzeiten und Zeiten des Bezugs einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit). Gemäß § 43 Abs. 5 SGB VI ist eine Pflichtbeitragszeit von drei Jahren nicht erforderlich, wenn die Minderung der Erwerbsfähigkeit aufgrund eines Tatbestandes eingetreten ist, durch den die allgemeine Wartezeit der Vorschrift des § 53 SGB VI zufolge vorzeitig erfüllt ist (z.B. wegen eines Arbeitsunfalls). Nach der Sonderregelung des § 241 Abs. 2 Satz 1 SGB VI sind Pflichtbeitragszeiten vor Eintritt der Erwerbsminderung oder Berufsunfähigkeit außerdem nicht erforderlich für Versicherte, die vor dem 1. Januar 1984 die allgemeine Wartezeit erfüllt haben, wenn jeder Kalendermonat vom 1. Januar 1984 bis zum Kalendermonat vor Eintritt der Erwerbsminderung oder Berufsunfähigkeit mit den im Gesetz im Einzelnen aufgeführten sog. Anwartschaftserhaltungszeiten (insbesondere Beitragszeiten, beitragsfreien Zeiten, Berücksichtigungszeiten oder Rentenbezugszeiten) belegt ist oder wenn die Erwerbsminderung oder Berufsunfähigkeit vor dem 1. Januar 1984 eingetreten ist. Für Kalendermonate, für die eine Beitragszahlung noch zulässig ist, bedarf es gemäß § 241 Abs. 2 Satz 2 SGB VI keiner Belegung mit Anwartschaftserhaltungszeiten.

Die für eine Rente wegen Erwerbsminderung erforderliche allgemeine Wartezeit im Sinne des § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB VI ist gemäß § 50 Abs. 1 SGB VI erfüllt, wenn vor Eintritt der Erwerbsminderung eine Versicherungszeit von fünf Jahren zurückgelegt ist. 

Ausgehend von diesen Grundsätzen hat der Kläger keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung. Zwar ist seine Erwerbsfähigkeit mittlerweile in rentenberechtigendem Ausmaß aufgehoben, was zwischen den Beteiligten auch unstreitig ist. Die für einen Rentenanspruch erforderliche Vorversicherungszeit im Sinne des § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI war jedoch letztmals für einen bis 31. Mai 1994 eingetretenen Leistungsfall erfüllt. Zur Überzeugung des Senats ist der Nachweis einer rentenberechtigenden Erwerbsminderung aber erst im Jahr 1999 erbracht. Dass das bisherige Verfahren an der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Rechtslage ausgerichtet war, ist unschädlich, da sich zur Überzeugung des Senats bis zum letztmaligen Vorliegen der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen am 31. Mai 1994 und darüber hinaus keine Anknüpfungspunkte für ein quantitativ eingeschränktes Leistungsvermögen des Klägers ergeben.

Es kann - auch bei einer dem Kläger wohlwollenden Betrachtungsweise - nicht im Sinne eines Vollbeweises als nachgewiesen angesehen werden, dass bereits bis 31. Mai 1994 oder zu einem früheren Zeitpunkt, in welchem die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Erwerbsminderungsrente erfüllt waren, ein aufgehobenes oder herabgesetztes Leistungsvermögen bestanden hat. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Kläger damals ohne unmittelbaren Schaden für seine Gesundheit unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes noch in der Lage war, arbeitstäglich sechs Stunden und mehr leichte Arbeiten mit Einschränkungen (ohne Wechselschicht, ohne Nachtschicht, ohne besonderen Zeitdruck, ohne häufiges Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten, ohne überwiegend einseitige Körperhaltung, ohne häufiges Klettern oder Steigen, ohne Absturzgefahr, ohne besondere Anforderungen an die nervliche Belastung, ohne längere Anmarschwege [zumutbar 200 m]) zu verrichten. Diese Beurteilung des Leistungsvermögens ergibt sich unter Berücksichtigung aller Einzelumstände des vorliegenden Falles aus einer Gesamtschau der über den Gesundheitszustand des Klägers vorliegenden ärztlichen Stellungnahmen und medizinischen Gutachten. 

Das im Berufungsverfahren auf Antrag des Klägers eingeholte Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. med. EE. vom 18. Januar 2019 sowie seine ergänzende Stellungnahme vom 22. August 2019, in welchen dem Kläger bereits seit (mindestens) 1992 ein zeitlich herabgesetztes Leistungsvermögen attestiert wird, können als Nachweis eines vor 1999 eingetretenen Leistungsfalls nicht herangezogen werden. Dem stehen die Gutachten des Dr. med. J. vom 20. Juni 1991, des Dr. med. K. vom 15. August 1991, des Dr. med. L. vom 22. Oktober 1991, die den Kläger allesamt 1991 ambulant untersucht haben, der Reha-Entlassungsbericht der Klink Sonnenblick vom 22. Oktober 1992 sowie die im gerichtlichen Verfahren des Sozialgerichts Kassel S 7/8 RJ 332/01 eingeholten Gutachten des Prof. Dr. med. Q. vom 12. Februar 2003 nebst den ergänzenden Stellungnahmen vom 9. Juli 2003 und 26. November 2003 sowie das Gutachten des Prof. Dr. med. R. vom 17. November 2004 nebst ergänzenden Stellungnahmen vom 18. Februar 2005 und 4. November 2005 entgegen. Dabei kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Sachverständige Prof. Dr. med. EE. den Kläger erst am 29. Januar 2019, das heißt mehr als 25 Jahre nach Eintritt des von ihm angenommenen Leistungsfalles, untersucht hat. Soweit er ein zeitlich eingeschränktes Leistungsvermögen im Wesentlichen mit den Feststellungen des Dr. med. J. in dessen Gutachten vom 5. Juni 1991 begründet und die Schlussfolgerungen des damals den Kläger ambulant untersuchenden Arztes in Frage stellt und gänzlich andere zieht, rechtfertigt dies nicht, den Eintritt des Leistungsfalles auf einen Zeitpunkt bis zum 31. Mai 1994 zu datieren. Das gilt vor allem deshalb, weil der Sachverständige selber einräumt, dass sich das Leistungsvermögen des Klägers verschlechtert habe, was die exakte Bestimmung des Leistungsfalls wesentlich erschwert. Anhand des medizinischen Berichtswesens lässt sich zur Überzeugung des Senats vor 1999 gerade kein exakter Zeitpunkt bestimmen, ab dem das Leistungsvermögen des Klägers nachweislich unumkehrbar und damit im Sinne eines rentenrelevanten Dauereinflusses aufgehoben gewesen ist. Ein solcher Nachweis im Sinne eines Vollbeweises ist nämlich nur dann erbracht, wenn die behauptete Tatsache mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorliegt, also ohne dass vernünftige Zweifel hieran bestehen. Die Zweifel an einem bereits 1992 eingetretenen Leistungsfall vermag das Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. med. EE. nebst seiner ergänzenden Stellungnahme indessen vorliegend nicht im Ansatz auszuräumen. Dies geht nach den allgemeinen Regeln der Beweislast zu Lasten des Klägers.

Für den Eintritt eines Leistungsfalls in der Vergangenheit gilt, dass der Beweiswert einer rückschauenden Leistungsbeurteilung umso größer ist, je genauer seitens des Sachverständigen differenziert wird zwischen den anlässlich der (eigenen) Untersuchung getroffenen aktuellen Feststellungen und der daraus bezogen auf diesen Zeitpunkt abgeleiteten Beurteilung einerseits sowie der hiervon ausgehend - unter Zuhilfenahme von geeigneten Anknüpfungspunkten im medizinischen Berichtswesen - entwickelten Einschätzung hinsichtlich der Vergangenheit andererseits. Je lückenloser die Kette der sogenannten Brückensymptome in die Vergangenheit zurückreicht und je eingehender die Aussagekraft von Untersuchungsberichten aus früherer Zeit im Gutachten erläutert wird, umso nachvollziehbarer, einleuchtender und schließlich auch überzeugender kann eine rückschauende Leistungsbeurteilung sein mit der Folge eines dann nachvollziehbar auch in der Vergangenheit eingetretenen Leistungsfalles. 

Ausgehend hiervon ist durch das Sachverständigengutachten von Prof. Dr. med. EE. ein bis zum 31. Mai 1994 eingetretener Leistungsfall nicht nachgewiesen. Der Sachverständige hat keine hinreichenden Anknüpfungstatsachen herausarbeiten können, die einen Nachweis eines rentenrelevant eingeschränkten Leistungsvermögens bis zum genannten Zeitpunkt begründen könnten. Die von dem Sachverständigen beschriebenen Erkrankungen und Behinderungen des Klägers im Sinne der Folgen einer Poliomyelitis und eines Post-Polio-Syndroms und der heutigen Folge einer vollständigen Pflegebedürftigkeit stehen nicht im Streit. Es steht auch nicht im Streit, dass sich das Leistungsvermögen im zeitlichen Verlauf verschlechtert hat und schließlich bis zur Rollstuhl- und Beatmungspflichtigkeit und zur Ernährung mit einer Magensonde geführt hat. Allerdings ergeben sich aus den in der Akte befindlichen medizinischen Unterlagen entgegen den Ausführungen des Sachverständigen keine belastbaren Anknüpfungspunkte, dass dies bereits vor 1992 mit der Ausbildung eines Post-Polio-Syndroms zu einer derart rapiden Verschlechterung des gesundheitlichen Zustandes und des Leistungsvermögens des Klägers geführt hat, dass bis zum 31. Mai 1994 eine Leistungsminderung in rentenerheblichem Ausmaß vorlag. 

Wie bereits das Sozialgericht Kassel in seinem Urteil vom 28. Februar 2006 S 7/8 RJ 332/01 umfassend unter Würdigung der vorliegenden medizinischen Unterlagen und Gutachten ausgeführt hat, standen Anfang der 1980er Jahre nicht die Folgen der Polio-Erkrankung des Klägers im Vordergrund, sondern der ursprünglichen Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit mit Bescheid vom 29. September 1984 lag ein im Vordergrund stehendes psychisches Leiden des Klägers zu Grunde. Dieses sah insbesondere Dr. med. J. in seinem Gutachten vom 20. Juni 1991 als gebessert an. Er stellte im Wesentlichen fest, dass eine psychiatrische Erkrankung nicht festgestellt werden konnte, der Kläger in der Untersuchungssituation durchaus psychisch ausgeglichen gewirkt habe und eine Suchtproblematik nicht mehr geschildert worden sei. Dies wurde überdies durch die den Kläger 1991 ebenfalls untersuchenden Dr. med. K. und Dr. med. L. bestätigt. Auch Dr. med. K. beschrieb den Kläger in seinem Gutachten im Rahmen seiner Untersuchung neurologisch-psychiatrisch gegenüber früher unauffällig, nicht depressiv, innerlich gefestigt und nicht mehr suizidgefährdet. Er führte dies auf die gefestigte familiäre Bindung zurück, was zur Überzeugung des Senats eine plausible Begründung darstellt, insbesondere auch deswegen, weil der Kläger im Rahmen der Untersuchung bei Dr. med. L. seine seelische Befindlichkeit selber aufgrund eines glücklichen Familienlebens als deutlich gebessert beschrieben hat. Unbestritten bestanden auch im Zeitpunkt der damaligen Untersuchungen erhebliche Einschränkungen des Gehvermögens aufgrund der durchgemachten Polioerkrankung im Kindesalter und Beschwerden des Stütz- und Bewegungsapparates. Auch wenn Dr. med. K. ein wenig belastbareres, muskelschwach gebliebenes Bein mit instabilen Gelenken trotz Sprunggelenksversteifung beschreibt, dass zu einer Limitierung der Wegstrecke auf 200   300 m führe, sind seine Schlussfolgerungen im Sinne einer vollschichtigen Leistungsfähigkeit für körperlich leichte Teiltätigkeiten im ehemals erlernten Beruf mit sitzender Haltung gänzlich nachvollziehbar. Ein solches Leistungsvermögen beschrieb auch Dr. med. L. Nach seinen Feststellungen war eine deutliche Besserung und Stabilisierung gegenüber den bei früheren Untersuchungen erhobenen Befunden eingetreten. Seit der Versorgung des Klägers mit einem neuen Stützapparat am linken Bein im Jahr 1990 sei er wieder in der Lage gewesen, auf ebenem Boden sicher laufen zu können. Dies hat auch der Kläger selber gegenüber Dr. med. L. bestätigt. Er habe zu Fuß die Gehstrecke vom Bahnhof bis zur Untersuchungsstelle (etwa 1,5 – 2 km) bewältigt. Bei unebenem Boden gab er an, eine Unsicherheit zu fühlen, Stürze oder Ähnliches seien in der letzten Zeit nicht vorgekommen. Die Wirbelsäulenbeweglichkeit beschrieb Dr. med. L. als nicht mehr wesentlich eingeschränkt. Somit beschrieben sämtliche damaligen Gutachter allesamt keine gravierenden Funktionseinschränkungen, die eine Minderung des Leistungsvermögens des Klägers in quantitativer Hinsicht rückwirkend begründen könnten. Diese Feststellungen waren im Übrigen Grundlage der Aufhebung der gewährten Erwerbsunfähigkeitsrente mit Bescheid vom 13. Dezember 1991 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Juli 1992, der in Bestandskraft erwachsen und dessen Überprüfung i.S.v. § 44 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch (SGB X) mit Urteil vom 28. Februar 2006, S 7/8 RJ 332/01, rechtskräftig abgelehnt wurde. Ein zeitlich unlimitiertes Leistungsvermögen ergibt sich überdies aus dem Reha-Entlassungsbericht der Klinik Sonnenblick vom 22. Oktober 1992, in der sich der Kläger mehrere Wochen vom 25. August 1992 bis 5. Oktober 1992 aufgehalten hat. Ausweislich der sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung war der Kläger in der Lage, eine leichte Arbeit, überwiegend im Sitzen, aber auch kurze Zeit im Stehen mit Unterbrechung vollschichtig auszuüben.

Diese Feststellungen der den Kläger 1991 bzw. 1992 ambulant untersuchenden Ärzte stehen den Feststellungen des Prof. Dr. med. EE. diametral entgegen. Abgesehen davon, dass sich der Sachverständige im Wesentlichen lediglich auf das Gutachten des Dr. med. J. zur Begründung eines rentenrelevant eingeschränkten Leistungsvermögens bezieht und er die Feststellungen der übrigen Gutachter gänzlich außer Betracht lässt, vermögen seine den damals getroffenen Feststellungen entgegenstehenden Schlussfolgerungen den Senat keinesfalls im Sinne eines Vollbeweises zu überzeugen. Neben dem Zeitablauf zwischen der Untersuchung des Klägers durch Prof. Dr. med. EE. 2019 und den erstatteten Gutachten von 1991 reicht die bloße Formulierung, dass „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass schon damals die im Gutachten beschriebenen schwersten Einschränkungen“ belegt seien, ohne konkrete Datierung und Begründung unter Benennung von dokumentierten Anknüpfungspunkten im medizinischen Berichtswesen und im Ergebnis lediglich gegründet auf die Umdeutung der damaligen Leistungsbeurteilungen gerade nicht für einen Vollbeweis aus. Dabei wird nicht in Abrede gestellt, dass sich bereits zu einem Zeitpunkt vor dem 1. Juni 1994 Symptome eines Post-Polio-Syndroms gezeigt haben könnten. Wie das erstinstanzliche Gericht in seinem Urteil vom 6. Juni 2018 jedoch überaus zutreffend ausgeführt hat, kommt es für die Bewertung des rentenrelevanten Leistungsvermögens nicht darauf an, ob ein Post-Polio-Syndrom ursächlich für die festgestellten Symptome war, sondern welche konkreten funktionellen Einschränkungen objektiv nachweislich bestanden haben und welchen limitierenden Einfluss diese auf das Leistungsvermögen des Klägers bereits damals hatten. Fest steht, dass die Leiden des Klägers und die damit einhergehenden Einschränkungen einen progredienten Verlauf genommen haben, vor 1999 jedoch kein sicherer Anknüpfungspunkt für ein rentenrelevant herabgesetztes Leistungsvermögen gegeben ist. Darüber hinaus sei angemerkt, dass selbst wenn man mit Prof. Dr. EE. die von Dr. med. J. getroffene Einschätzung eines vollschichtigen Leistungsvermögens in Frage stellen wollte, damit ein Nachweis eines zeitlich eingeschränkten Leistungsvermögens des Klägers im Sinne eines Vollbeweises keinesfalls erbracht ist. Die bloße Negierung der Einschätzung der damaligen Sachverständigen führt nämlich nicht automatisch dazu, dass von einem rentenrelevant in zeitlicher Hinsicht eingeschränkten Leistungsvermögen des Klägers auszugehen ist. Positive Feststellungen hierzu fehlen und können auch nachträglich nicht erhoben werden. Sie lassen sich auch nicht den vorliegenden medizinischen Unterlagen entnehmen. Selbst unter Einbeziehung von vereinzelten Berichten, die über eine Sturzneigung und beginnende Schluckbeschwerden ärztlicherseits berichtet haben, die ggf. bereits zu einem Zeitpunkt vor 1991 auf ein Post-Polio-Syndrom hingewiesen haben mögen, ergibt sich aus den Gutachten in Zusammenschau mit den übrigen medizinischen Unterlagen gerade kein Anknüpfungspunkt für ein dauerhaft rentenrelevant eingeschränktes Leistungsvermögen des Klägers. Insoweit überzeugt die Leistungseinschätzung des Prof. Dr. med. EE. im Sinne eines „höchstens halbschichtigen“ Leistungsvermögens nicht.

Auch im weiteren zeitlichen Verlauf lassen sich vor 1999 keine Anknüpfungspunkte im medizinischen Berichtswesen für gravierende Einschränkungen finden, die ein quantitativ eingeschränktes Leistungsvermögen belegten. Während sich die Ausführungen von Prof. Dr. med. EE. in der groben Beschreibung der Entwicklung des zuletzt bis zur Pflegebedürftigkeit ausgeprägten Post-Polio-Syndroms ohne konkrete Angaben von Zeitpunkten des Eintritts fortschreitender Verschlechterungen erschöpfen, wertete der Gerichtssachverständige Prof. Dr. med. Q., bestätigt durch Prof. Dr. med. R., bereits im Jahre 2003 sämtliche vorliegenden zur Akte gelangten medizinischen Unterlagen aus. Unter Auseinandersetzung mit diesen Unterlagen ist er überzeugend - wie das Sozialgericht Kassel bereits 2006 in seinem Urteil zutreffend dargestellt hat - zu der Einschätzung gelangt, dass unter Berücksichtigung der Aktenlage das unstreitig im Jahr 2003 vorliegende gänzlich aufgehobene Leistungsvermögen des Klägers seit September 1999 dokumentiert sei. Da es lediglich auf die objektivierten Leistungseinschränkungen ankommt, ist der Einwand des Klägers gänzlich unerheblich, dass die Post-Polio-Forschung zum Zeitpunkt der Gutachtenerstellung durch Prof. Dr. med. Q. nicht auf heutigem Stand war. Ebenso ist es unter diesem Gesichtspunkt unerheblich, dass der Sachverständige - wie der Kläger meint - kein ausgewiesener Post-Polio-Spezialist war, da es schlichtweg an überzeugenden Anknüpfungspunkten in der Vergangenheit fehlt. 

Etwas Anderes ergibt sich auch nicht aus den von dem Kläger selber zur Gerichtsakte gereichten medizinischen Unterlagen, die von 1964 bis 1999 reichen. Abgesehen von den bereits bekannten Unterlagen aus dem Rentenverfahren überreichte der Kläger für den fraglichen Zeitraum bis 31. Mai 1994 insbesondere einen Arztbrief über einen stationären Aufenthalt im Elisabeth-Krankenhaus Kassel vom 29. Januar 1993 bis 2. Februar 1993 wegen einer kurzen schmerzbedingten Bewusstlosigkeit bei Knieschwäche bei einem Zustand nach Poliomyelitis. Der Kläger habe beim Treppensteigen in seinem durch Poliomyelitis geschwächten Kniegelenk eine Schwäche verspürt, sei zusammen geknickt und mit dem linken Knie auf eine Treppenkante aufgeschlagen, was zu einer kurzen Bewusstlosigkeit geführt habe. Nach dem ärztlichen Bericht wurde der Kläger nach deutlicher Besserung nach vier Tagen in die hausärztliche Betreuung entlassen. Des Weiteren findet sich ein Bericht des Kreiskrankenhauses Eschwege vom 1. Juni 1993 über eine durchgeführte Arthroskopie des linken Kniegelenks. Es wurde von einer praktischen Beschwerdefreiheit und einem Knie ohne Ergussbildung im April 1993 berichtet. Aus dem Bericht des Dr. med. HH., Arzt für Orthopädie, vom 16. Februar 1994, der den Kläger im Hinblick auf die Fragestellung der Versorgung mit einem orthopädischen Sitz und einer Servolenkung sowie einer Neuversorgung der Orthese des linken Beines untersuchte, lassen sich verschiedene Leiden im Bereich der Wirbelsäule und im Bereich des linken Beins, insbesondere ein sogenanntes “Schlotter-Knie“, sowie ein Schulter-Arm-Syndrom entnehmen. Konkrete funktionelle Einschränkungen beschreibt Dr. med. HH. jedoch nicht. Auch lassen sich dem vorliegenden medizinischen Berichtswesen auch nach dem 31. Mai 1994 und vor 1999 - und in keinem Falle durchgängig - Anknüpfungspunkte für ein rentenrelevant herabgesetztes Leistungsvermögen entnehmen. Beispielsweise wird im weiteren Arztbrief des Dr. med. HH. vom 3. April 1997 von rezidivierenden Rückenbeschwerden durch Fehlbelastungen nach Zustand nach Poliomyelitis berichtet und es wurden krankengymnastische Übungen rezeptiert. Auch insoweit werden keine funktionellen Einschränkungen, die Auswirkungen auf das quantitative Leistungsvermögen des Klägers erkennen ließen, benannt. Weitere medizinische Unterlagen liegen sodann im Wesentlichen erst 1999 vor, die von gravierenden Einschränkungen und erstmals von dem Verdacht des Vorliegens eines Post-Polio-Syndroms berichten. Nicht nur, dass die geringe Anzahl von dokumentierten ärztlichen Konsultationen dafürspricht, dass im Zeitraum vor 1999 nur punktuelle und geringfügigere Beschwerden aufgetreten sind. Den medizinischen Unterlagen lässt sich überdies nicht entnehmen, dass dauerhafte bestehende, rentenrelevante Einschränkungen vor 1999 vorgelegen hätten. Auch ist nicht ersichtlich, dass aufgrund der Namensänderung des Klägers von X. in A. nicht sämtliche medizinische Unterlagen vorgelegen hätten. Zum einen befinden sich in den Akten medizinische Unterlagen unter beiden Namen. Zum anderen stützt sich der Senat auch auf die medizinischen Unterlagen, die der Kläger selber zu den Akten gereicht hat. 

Schließlich ergibt sich auch weder aus den im erstinstanzlichen Verfahren beigezogenen Befundberichten, die allesamt keine Erkenntnisse für den Zeitraum bis zum 31. Mai 1994 bzw. vor dem 20. September 1999 erbracht haben, noch aus den Sachverständigengutachten, die der Kläger aus krankenversicherungsrechtlichen Klageverfahren zur Akte gereicht hat, eine andere Beurteilung zum Eintritt des Leistungsfalls. Die Gutachten mögen belegen, dass der Kläger im Jahr 2009 an einem erheblich behandlungsbedürftigen Post-Polio-Syndrom litt. Hieraus ergeben sich aber ebenfalls keine Erkenntnisse für die bezeichneten Zeiträume. 

Gegen ein rentenrelevant eingeschränktes Leistungsvermögen vor dem 1. Juni 1994 spricht überdies die gegenüber Dr. med. L. 1991 geäußerte Selbsteinschätzung des Klägers, dass er sich zum Zeitpunkt der damaligen Begutachtung selber in der Lage gesehen hat, eine Tätigkeit in seinem erlernten Beruf als Orthopädieschuhmacher unter Benutzung einer Spannvorrichtung verrichten zu können. Eine solche Tätigkeit hat er 1994 kurzzeitig erneut tatsächlich ausgeübt. Auch im Zeitraum von 1994 bis 1997 ist er einer Tätigkeit in gewissem Umfang nachgegangen und hat nach seinen eigenen Angaben als mobiler Messerschleifer gearbeitet. Auch wenn er hierzu angegeben hat, dass dies aufgrund einer Kraftminderung in den Händen zunehmend schwieriger geworden sei, ergibt sich hieraus ebenfalls kein Nachweis im Sinne eines Vollbeweises für ein aufgehobenes Leistungsvermögen bezogen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt. Zudem war er von 1998 bis 1999 offensichtlich in der Lage, seine schwerkranke Ehefrau in nicht unerheblichem Umfang zu pflegen, was sich aus dem Versicherungsverlauf des Klägers ergibt, wonach vom 18. Dezember 1998 bis 7. September 1999 Pflichtbeitragszeiten für eine Pflegetätigkeit vermerkt sind.

Nichts Anderes ergibt sich auch aus den Ausführungen des Dr. med. DD. in seinen vielzähligen Stellungnahmen. Soweit er allgemeine Ausführungen zum Post-Polio-Syndrom macht, die sich nicht konkret auf den Kläger beziehen, sind sie ohnehin nicht geeignet, einen Nachweis für konkrete funktionelle Einschränkungen des Klägers zu erbringen. Vielmehr lässt sich den allgemeinen Ausführungen entnehmen, dass sich das Post-Polio-Syndrom mit unterschiedlichsten Symptomen und Ausprägungen zeigen kann, was umso mehr bestätigt, dass eine individuelle Feststellung der funktionellen Einschränkungen im konkreten Einzelfall für eine rentenrechtliche Bewertung unumgänglich ist. Wie bereits aufgezeigt, lässt sich vor 1999 keine derartige funktionelle Einschränkung des Leistungsvermögens des Klägers, die ein quantitativ eingeschränktes Leistungsvermögen begründen könnte, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zur Überzeugung des Senats belegen. Dies gelingt auch mangels belastbarer Anknüpfungspunkte im medizinischen Berichtswesen Dr. med. DD. nicht.

Nach alledem bleibt festzuhalten, dass durch das Sachverständigengutachten von Prof. Dr. med. EE. nachvollziehbar lediglich belegt wird, dass verschiedene Beeinträchtigungen auch vor 1999 bestanden haben, ohne dass sich jedoch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ein konkreter Zeitpunkt bestimmen lässt, zu dem der Leistungsfall der Erwerbsminderung eingetreten war. Stattdessen kann dieser Nachweis erstmals im Nachgang zum stationären Aufenthalt des Klägers in der Klinik für Neurologie des Universitätsklinikums Göttingen im Juli/August 1999 und der Aufgabe der Pflegetätigkeit, mithin mit der damaligen Rentenantragstellung am 20. September 1999, als geführt angesehen werden, so dass der Leistungsfall der Erwerbsminderung nachweislich erst zu diesem Zeitpunkt eingetreten ist. Zwar erscheint es mit Blick auf die Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. med. EE. und auch des Dr. med. DD. durchaus denkbar und auch möglich, dass bei dem Kläger bereits zu einem früheren Zeitpunkt eine Erwerbsminderung in rentenberechtigendem Ausmaß bestanden haben könnte. Darauf kommt es jedoch nicht an. Entscheidend für einen Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit ist nämlich, dass der Nachweis im Sinne eines Vollbeweises für ein rentenrelevant quantitativ eingeschränktes Leistungsvermögen erbracht ist. Die insoweit im Falle des Klägers nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme verbliebenen erheblichen Zweifel an der Richtigkeit eines bereits bis 31. Mai 1994 eingetretenen Leistungsfalles stehen im vorliegenden Fall indes zur Überzeugung des Senats der Annahme eines solchen Vollbeweises entgegen.

Es ergeben sich keine Anhaltspunkte für zielgerichtete weitere Ermittlungen auf medizinischem Fachgebiet. Der Senat hat sich insbesondere nicht gedrängt fühlen müssen, ein weiteres Sachverständigengutachten einzuholen. Denn das Gericht ist in der Würdigung von Sachverständigengutachten grundsätzlich frei und kann auch ohne Einholung eines weiteren Gutachtens von ihnen abweichen (vgl. BSG, Beschluss vom 6. Dezember 1989, 2 BU 146/89, juris Rn. 5 m.w.N.; BSG, Beschluss vom 23. Mai 2006, B 13 RJ 272/05 B, juris Rn. 5 m.w.N.). Es ist dann lediglich gehalten, sich mit den gutachtlichen Ausführungen auseinanderzusetzen, denen es nicht folgt. 

Für die Zeit bis 31. Mai 1994 und durchgängig darüber hinaus ist auch nicht der Nachweis erbracht, dass bei dem Kläger besondere Umstände vorgelegen haben könnten, welche die Ausübung einer leichten Erwerbstätigkeit in ungewöhnlicher Weise erschwerten. Es ist weder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine spezifische Leistungsbehinderung feststellbar (vgl. BSG, Urteil vom 1. März 1984, 4 RJ 43/83 = SozR 2200 § 1246 Nr. 117 unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 30. November 1982, 4 RJ 1/82 = SozR 2200 § 1246 Nr. 104), noch fällt der Kläger wegen eines besonders gearteten Berufslebens deutlich aus dem Kreis vergleichbarer Versicherter heraus (vgl. BSG, Urteil vom 18. Februar 1981, 1 RJ 124/79; BSG, Urteil vom 27. April 1982, 1 RJ 132/80 - beide veröffentlicht in juris). Darüber hinaus war dem Kläger bis 31. Mai 1994 auch der Arbeitsmarkt nicht nachweislich rentenbegründend verschlossen. Dass er bereits damals nicht mehr in der Lage gewesen sein könnte, an sich zumutbare Arbeiten unter den in der Regel in Betrieben üblichen Bedingungen zu verrichten oder Arbeitsplätze dieser Art von seiner Wohnung aus aufzusuchen (vgl. BSG, Urteil vom 27. Februar 1980, 1 RJ 32/79 - juris Rdnr. 23), ist nicht nachgewiesen. Einem solchen Nachweis stehen schon die Ausführungen in den Gutachten des Dr. med. J., des Dr. med. K. und des Dr. med. L. entgegen, wonach dem Kläger ein seinen Leiden angepasstes Kfz zur Verfügung stand, dass er auch nutzte, um seine Tätigkeit als Messerschleifer ausüben zu können. Zudem gehen die Ausführungen über die zumutbare Wegstrecke auseinander: Während Dr. med. K. von 200 - 300 m ausging, gab Dr. med. L. an, dass der Kläger zur Untersuchung eine Strecke von 1,5 - 2 km zu Fuß zurückgelegt habe und der Kläger seine eigene Gehstrecke deutlich höher einschätze, als von Dr. med. K. angegeben. Ein Nachweis einer aufgehobenen Wegefähigkeit ist damit nicht erbracht. Ebenso wenig ist ein Nachweis erbracht, dass der Kläger bis zum 31. Mai 1994 und durchgängig dauerhaft auf die Einhaltung zusätzlicher betriebsunüblicher Arbeitspausen angewiesen gewesen sein könnte. Den Ausführungen des Dr. med. K. in seinem Gutachten vom 15. August 1991 ist lediglich zu entnehmen, dass dem Kläger bei vollschichtiger Ausübung einer leidensgerechten leichten Tätigkeit im ehemals erlernten Beruf in sitzender Haltung zwischenzeitlich Ruhepausen zur Entlastung des Rückens zu gönnen seien, die er mit 10 Minuten stündlich ansetzte. Es ist nicht ersichtlich, dass der Kläger entsprechende Pausen nicht innerhalb der persönlichen Verteilzeit hätte einhalten können, die rund sieben Minuten stündlich - nach in der Rechtsprechung vertretener Ansicht sogar zehn Minuten - beträgt (vgl. U. Freudenberg in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VI, 3. Aufl. 2021, § 43 SGB VI Rdnr. 245 m.w.N.), zumal die weiteren Gutachter 1991 ein betriebsunübliches Pausenerfordernis nicht gesehen haben. Dr. med. L. beschrieb vielmehr eine wesentliche Besserung der Beweglichkeit im Bereich der Lenden- und der Halswirbelsäule. Für die Angabe des Prof. Dr. med. EE., wonach der Kläger betriebsunübliche Pausen benötige, wenn zum Umhergehen zur Entlastung des Rückens Stabilisationsschienen angebracht werden müssten, findet sich in den Gutachten von 1991 nicht ansatzweise ein Anhaltspunkt. Dass vorliegend einer der weiteren, von der höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannten Seltenheitsfälle (vgl. hierzu: BSG, Urteil vom 25. Juni 1986, 4a RJ 55/84 - juris Rdnr. 16 m.w.N.) gegeben sein könnte, ist im Übrigen nicht ersichtlich. Soweit der Kläger gleichwohl nicht dauerhaft einen Arbeitsplatz gefunden hat, den er nach seinem Leistungsvermögen noch ausfüllen konnte, so ergibt sich daraus allenfalls ein Anspruch auf Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung bzw. auf Sozialhilfe, nicht aber ein Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit gegen die Beklagte als Trägerin der gesetzlichen Rentenversicherung.

In Anbetracht der vorstehenden Ausführungen kann eine rentenberechtigende Erwerbsminderung bei dem Kläger für die Zeit bis 31. Mai 1994 nicht als nachgewiesen angesehen werden, sondern erst ab 20. September 1999. Dann aber scheitert sein Rentenbegehren daran, dass die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Denn bei Eintritt des Leistungsfalles ab dem 1. Juni 1994 oder später ist weder die gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI erforderliche Vorversicherungszeit (drei Jahre Pflichtbeitragszeiten in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung) noch einer der gesetzlich zugelassenen Ausnahmetatbestände gegeben.

Der Kläger hat dem Versicherungsverlauf vom 30. November 2015, der Bestandteil des streitgegenständlichen Bescheides ist, zufolge in der gesetzlichen Rentenversicherung unter Berücksichtigung der Pflichtbeitrags- und Zurechnungszeiten letztmals bei Eintritt eines Leistungsfalls am 31. Mai 1994 die erforderlichen 36 Monate Pflichtbeiträge zurückgelegt. Denn sein Versicherungskonto weist ausschließlich Zurechnungszeiten wegen Rentenbezugs von Februar 1984 bis Mai 1988, von November 1988 bis April 1990, im Juli 1990 und von September 1990 bis Januar 1992 sowie Zeiten aufgrund Arbeitsunfähigkeit bzw. Arbeitslosigkeit von März 1982 bis Juli 1982, von Januar 1983 bis April 1983 sowie von November 1983 bis Januar 1984 auf, die den maßgeblichen Fünf-Jahres-Zeitraum gemäß § 43 Abs. 4 Nr. 1, 2. Fall SGB VI bzw. § 43 Abs. 4 Nr. 1, 1. Fall i.V.m. § 58 Abs. 1 Nr. 1 und 3, Abs. 2 Satz 1 SGB VI verlängern. Unter Berücksichtigung der zurückgelegten Pflichtbeitragszeiten von Januar 1981 bis Februar 1982, von August 1982 bis Dezember 1982, von Mai 1983 bis Oktober 1983, von Juni 1988 bis Oktober 1988, von Mai 1990 bis Juni 1990, im August 1990 und von Februar 1994 bis April 1994 ergibt sich im verlängerten Zeitraum ab Januar 1981 letztmals eine Belegung mit 36 Pflichtbeiträgen für einen bis zum 31. Mai 1994 eingetretenen Leistungsfall. Ausgehend von einem erst am 20. September 1999 nachweislich eingetretenen Leistungsfall umfasst der Vorbelegungszeitraum die Zeit vom 21. September 1994 bis 20. September 1999. In diesem Zeitraum sind in dem Versicherungskonto des Klägers lediglich für 10 Monate Pflichtbeiträge aufgrund der vom 18. Dezember 1998 bis 7. September 1999 ausgeübten Pflegetätigkeit gespeichert, so dass die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt sind.

Auf den Nachweis der für einen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung grundsätzlich erforderlichen Vorversicherungszeit nach § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, Abs. 4 SGB VI kann im vorliegenden Fall auch nicht verzichtet werden, weil die Voraussetzungen der einschlägigen Ausnahmebestimmungen nicht erfüllt sind. So ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit bei dem Kläger infolge einer der in § 43 Abs. 5 i. V. m. § 53 SGB VI angesprochenen Fallkonstellation (Arbeitsunfall oder dergleichen) eingetreten sein könnte. Des Weiteren gehört der Kläger nicht zu denjenigen Versicherten, welche die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nach Maßgabe des § 241 Abs. 2 Satz 1 SGB VI erfüllen können. Denn nach dem Versicherungsverlauf vom 30. November 2015 fehlt es jedenfalls an einer durchgängigen Belegung jedes Kalendermonats vor dem Eintritt der Erwerbsminderung im September 1999 ab 1. Januar 1984. Der Versicherungsverlauf weist Lücken zumindest vom 31. Januar 1992 bis 31. Januar 1994 und vom 16. April 1994 bis 17. Dezember 1998 auf. Die Erwerbsminderung des Klägers ist im Übrigen auch nicht vor dem 1. Januar 1984 eingetreten. Ebenso wenig ist schließlich die Ausnahmevorschrift des § 43 Abs. 6 SGB VI erfüllt, da der Kläger nicht bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert war. 

Auch hat der Kläger keinen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit, da auch die dortigen Voraussetzungen zur Überzeugung des Senats nicht zweifelsfrei vorliegen. Zwar ist der Kläger vor dem 2. Januar 1961 geboren (vgl. § 241 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI). Insbesondere Dr. med. J. und Dr. med. L. haben 1991 aber ausdrücklich festgestellt, dass der Kläger in der Lage war, in seinem erlernten Beruf als Orthopädieschuhmacher vollschichtig tätig zu sein. Davon ist im Übrigen auch der Kläger selber ausgegangen, wie es dem Gutachten des Dr. med. L. zu entnehmen ist. Auch hat er bis April 1994 kurzzeitig eine entsprechende Tätigkeit wieder ausgeübt und es ist nicht nachweislich ersichtlich, dass er die Tätigkeit krankheitsbedingt aufgegeben haben könnte. Arbeitsunfähigkeitszeiten weist der Versicherungsverlauf des Klägers nach Aufgabe der Tätigkeit am 15. April 1994 jedenfalls nicht aus. Auch insoweit ist kein Nachweis im Sinne eines Vollbeweises erbracht, dass eine rentenrelevante Leistungsminderung bis zum 31. Mai 1994 eingetreten ist. Insoweit gelten die obigen Ausführungen entsprechend. 

Nach alledem konnte die Berufung des Klägers keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.

Rechtskraft
Aus
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