L 5 R 62/17

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
1. Instanz
SG Wiesbaden (HES)
Aktenzeichen
S 4 R 206/14
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 5 R 62/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 5 R 191/21 B
Datum
Kategorie
Urteil

I.    Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 4. November 2016 abgeändert und die Klage vollumfänglich abgewiesen. 

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 4. November 2016 wird zurückgewiesen.

II.    Die Beteiligten haben einander für beide Instanzen keine Kosten zu erstatten.

III.    Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente.

Die 1972 geborene Klägerin hat keine abgeschlossene Berufsausbildung absolviert. Sie war zuletzt in Teilzeit 1997 als Reinigungskraft tätig. Sie ist Mutter von vier Kindern, die 1994, 1997, 2001 und 2005 geboren wurden. Seit 2005 bezieht sie Arbeitslosengeld II, seit November 2012 bis zuletzt Januar 2019 enthält ihr Versicherungsverlauf Zeiten für eine Pflegetätigkeit für die Pflege ihres 2001 geborenen Sohnes C., dem nach Angaben der Klägerin ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 und die Pflegestufe 2 zuerkannt ist. Mit Bescheid vom 17. Juni 2010 stellte das Hessische Amt für Versorgung und Soziales (HAVS) einen GdB von 30 betreffend die Klägerin fest, mit Bescheid vom 30. November 2016 ab 8. Juni 2016 einen GdB von 60. Die Voraussetzungen für die Merkzeichen aG, B und G lagen nicht vor. Es ist ein Pflegegrad 2 festgestellt.

Ihren am 9. Oktober 2013 gestellten Rentenantrag begründete die Klägerin damit, dass sie seit 2013 aufgrund von Asthma, eingeschränkter Gehfähigkeit durch Übergewicht, Depressionen, Schlafstörungen und fehlender Belastbarkeit erwerbsgemindert sei. Unter Auswertung des Befundberichtes der Fachärztin für Allgemeinmedizin D. vom 18. Oktober 2013 sowie deren ärztlichen Attests vom 20. September 2013, in dem sie von einer ausgeprägten Form von Adipositas bei der Klägerin berichtete (BMI 52) und sich für eine operative Magenverkleinerung aussprach, gelangte die Beratungsärztin E. in ihrer Stellungnahme nach Aktenlage vom 24. Januar 2014 unter Zugrundelegung der Diagnosen

Adipositas per magna
Chronische Schmerzen mit zunehmender Immobilität
Gon- und Fußarthrose
Asthma bronchiale
Depression
Z.n. Nabelhernie mit zweifacher operativer Versorgung

zu der Einschätzung, dass die Klägerin sechs Stunden und mehr arbeitstäglich leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes seit Rentenantragstellung verrichten könne. Eine Besserung sei nach Durchführung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, die sie aufgrund der psychiatrischen Erkrankung sowie des Übergewichts empfahl, nicht unwahrscheinlich.

Mit Bescheid vom 5. Februar 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Mai 2014 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin ab, weil die medizinischen Voraussetzungen für die Gewährung der begehrten Rente nicht erfüllt seien. Die Klägerin sei noch in der Lage, sechs Stunden und mehr täglich leichte Arbeiten mit Einschränkungen auszuüben.

Zur Begründung ihrer am 20. Juni 2014 beim Sozialgericht Wiesbaden erhobenen Klage führte die Klägerin im Wesentlichen aus, dass sie aufgrund der bestehenden Krankheit außerstande sei, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Der medizinische Sachverhalt sei nicht ordnungsgemäß ermittelt worden. Sie leide insbesondere unter einer starken Depression und einem chronischen Schmerzsyndrom, sei ständig müde und antriebslos und verfüge nicht über die für einen neuen Arbeitsplatz erforderliche Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit. Zudem leide sie an vielfältigen körperlichen Einschränkungen, insbesondere unter einer Gonarthrose, einer Fußarthrose und Bewegungseinschränkungen in der Lendenwirbelsäule und in den Knien. Hinzu käme eine erhebliche Adipositas per magna und eine Asthmaerkrankung. Sie sei zudem nicht mehr in der Lage, viermal täglich eine Wegstrecke von jeweils 500 m zu bewältigen. Es läge eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen bei ihr vor, so dass die Beklagte einen Verweisungsberuf zu benennen habe.

Das Sozialgericht zog zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts die Schwerbehindertenakte des HAVS Wiesbaden sowie einen Befundbericht der Fachärztin für Allgemeinmedizin D. vom 13. Januar 2015 mit Krankenunterlagen bei.

Sodann erhob das Sozialgericht von Amts wegen Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens bei Dr. med. F., Facharzt für Allgemeinmedizin und Facharzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin, vom 12. August 2015, der im Anschluss an die ambulante Untersuchung der Klägerin am 3. August 2015 ausgehend von den Diagnosen

1.    Allergisch bedingtes, ausschließlich saisonales Asthma bronchiale
2.    Rezidivierende Bauchwandhernie mit mehrfach durchgeführter operativer Behandlung
3.    Übergewicht von Krankheitswert
4.    Kniegelenk- und Fußbeschwerden beiderseits
5.    Lendenwirbelsäulenbeschwerden
6.    Anamnestisch angegebenes Carpaltunnelsyndrom, Handgelenkbeschwerden beiderseits
7.    Reaktive Dysthymie

zu der Einschätzung gelangte, dass die Klägerin nach operativer Behebung der bestehenden riesigen Bauchwandhernie unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes körperlich leichte und geistig einfache Arbeiten vollschichtig mit Einschränkungen (ohne Arbeiten mit Heben und Tragen von Lasten über 5 kg, keine Arbeiten in gebeugter Haltung oder mit Bücken, ohne Zwangshaltungen, keine Arbeiten mit Besteigen von Leitern und Gerüsten, keine Arbeiten mit Absturzgefahr, keine Arbeiten in hockender Stellung und im Knien, keine Arbeiten im Freien mit Nässe, mit Kälteeinwirkung, unter Zugluft und Temperaturwechseln und keine Arbeiten unter Einwirkung von Staub, Gas, Rauch und Dampf) verrichten könne. Im Zeitpunkt der Begutachtung sei als Folge der riesigen Bauchwandhernie, die sich die Klägerin nach ihren Angaben als Rezidiv bei einem Umzug im März 2015 zugezogen habe, mit der drohenden Gefahr der Inkazeration von einem aufgehobenen Leistungsvermögen auszugehen. Bei entsprechender operativer Behandlung sei davon auszugehen, dass diese Einschränkung des quantitativen Leistungsvermögens innerhalb eines Zeitraumes von sechs Monaten vollständig behoben werden könne. Im Vordergrund stehe bei der Klägerin die exzessive Übergewichtigkeit. Eine drastische Gewichtsreduktion würde das Leistungsvermögen in wesentlichen Bereichen wiederherstellen bzw. deutlich verbessern. Die Klägerin bedürfe keiner betriebsunüblichen Pausen. Ihr sei es zuzumuten, viermal täglich einen Weg von mehr als 500 m innerhalb einer Zeit von jeweils weniger als 20 Minuten, gegebenenfalls unter Einhaltung von Pausen, zurückzulegen. Die Klägerin sei nicht daran gehindert, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Die Klägerin sei zudem in der Lage, sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten und ihrer Ausbildung auf neue Aufgaben und einen neuen Arbeitsplatz einzustellen.

Die Beklagte trat dem Gutachten mit einer Stellungnahme der Beratungsärztin Dr. med. G. vom 28. August 2015 entgegen. Das angeführte aufgehobene Leistungsvermögen aufgrund der im März 2015 erneut aufgetretenen großen Bauchwandhernie sei nicht nachvollziehbar. Im Sinne eines Behandlungsfalls mit einer zeitnahen Operation, wie sie in einigen Wochen geplant sei, erscheine eine weitere leistungsrelevante Besserung möglich. Zudem sei weiterhin eine stationäre medizinische Rehabilitationsmaßnahme erforderlich. Eine solche Maßnahme hielt die Klägerin jedoch nicht für zielführend. Sie war vorrangig an einer Magenverkleinerungsoperation interessiert.

Die Klägerin verblieb dabei, dass sie aufgrund ihrer gesundheitlichen Einschränkungen nicht mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein könne. Eine weitere Operation der Bauchwandhernie könne aus medizinischen Gründen nicht durchgeführt werden. Zudem habe sie einen behinderten und pflegebedürftigen Sohn, der gepflegt werden müsse. 

Ausweislich der ärztlichen Atteste der Fachärztin für Allgemeinmedizin D. vom 10. September 2015 und 9. Oktober 2015 litt die Klägerin an einem inoperablen Narbenbruchrezidiv der Bauchwand. Eine Narbenbruchrezidivoperation solle erst nach vorgenommener Magenverkleinerung und Gewichtsreduktion erfolgen, da das Rezidivrisiko sehr hoch sei. 

Ausweislich eines Gutachtens des Dr. med. H., Chefarzt Chirurgie des Krankenhauses Sachsenhausen, vom 12. Oktober 2015 litt die Klägerin an einer Adipositas Grad III (BMI 57 kg/m²). Am 20. Juli 2015 sei ein monströses Rezidiv der epigastrischen Hernie festgestellt worden. Zweifelsfrei bestehe die dringliche Indikationsversorgung des Bruches, welche jedoch nach einer bariatrischen Operation erfolgen müsse, da ansonsten von einem erneuten Scheitern der Bruchversorgung auszugehen sei. Erst nach Erreichen des Zielgewichtes von ca. 80 kg sei die Versorgung der Rezidivbruchbildung der Bauchdecke erfolgversprechend.

Schließlich empfahl auch die Orthopädin Dr. med. I. mit Attest zur Vorlage bei der Krankenkasse vom 12. Oktober 2015 aufgrund eines bestehenden chronischen Schmerzsyndroms der Wirbelsäule, der Kniegelenke und Füße sowie einer Limitierung der Gehdauer auf maximal fünf Minuten eine Magenverkleinerung, um eine weitere Verschlechterung des Gesundheitszustandes zu verhindern.

Einen gerichtlichen Vergleichsvorschlag vom 1. Dezember 2015, wonach die Beklagte der Klägerin eine befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung ab Oktober 2015 aufgrund eines Leistungsfalls im März 2015 gewähren sollte, nahm die Beklagte nicht an. Nach den Ausführungen der Beratungsärztin Dr. med. G. vom 14. Januar 2016 könne die Klägerin leichte Tätigkeiten überwiegend im Sitzen verrichten. Komplikationen von Seiten der Bauchwandhernie - z.B. Inkarzeration oder drohende Ileus - seien auch zwischenzeitlich nicht eingetreten. Im Sinne eines Behandlungsfalls mit entsprechender zeitnaher Operation sei eine Besserung des Gesundheitszustandes zu erreichen. Die Indikation einer Rehabilitationsmaßnahme bestehe fort.

Am 1. Juni 2016 erfolgte eine laparoskopische Schlauchmagen-Operation bei morbider Adipositas, wobei sich der postoperative Verlauf komplikationslos gestaltete.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 4. November 2016 berichtete der Ehemann der Klägerin, dass sich ihr Gesundheitszustand nach der Magenoperation verschlechtert habe. Es gehe ihr psychisch schlecht, sie habe 39 kg abgenommen. Der Bauchwandbruch könne aber noch nicht operiert werden.

Mit Urteil vom 4. November 2016 hob das Sozialgericht den Bescheid vom 5. Februar 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Mai 2014 auf und verurteilte die Beklagte, der Klägerin ab 1. Oktober 2015 eine befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung bis zum 30. September 2018 zu gewähren. Im Übrigen wies es die Klage ab (Berichtigungsbeschluss vom 26. Januar 2017). Es führte im Wesentlichen begründend aus, dass die Klägerin seit März 2015 voll erwerbsgemindert sei. Unter Zugrundelegung der Feststellungen des Sachverständigen Dr. med. F., wonach die Bauchwandhernie Schmerzen verursache und ständig eine mit erheblichen Gesundheitsgefahren verbundene Einklemmung des vorgefallenen Darmgewebes drohe, die das Adipositaszentrum des Krankenhauses Sachsenhausen im Oktober 2015 bestätigte, seien die Ausführungen der Beklagten, die nur darauf verweise, dass bisher keine Komplikationen aufgetreten seien, nicht überzeugend. Die volle Erwerbsminderung bestehe in der gebotenen rückwirkenden Betrachtung zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung seit über sechs Monaten, d.h. auf nicht absehbare Zeit. Die Frage, ob eine Operation der Hernie bereits zu einem früheren Zeitpunkt möglich gewesen wäre, sei irrelevant, da weder ein Verlangen des Leistungsträgers erfolgt sei noch medizinisch indiziert ein Operationserfolg hätte erreicht werden können. Der Anspruch sei bis Ende März 2018 zu befristen gewesen, da eine Gewichtsreduktion auf 80 kg gegen Ende des Jahres 2017 möglich sei und eine Operation durchgeführt werden könne. Ein Rentenanspruch ab Mai 2014 bestehe dagegen nicht. Wie der Sachverständige Dr. med. F. ausgeführt habe, käme den übrigen Gesundheitsbeeinträchtigungen der Klägerin keine rentenberechtigende Bedeutung zu. Sie bedingten lediglich qualitative Einschränkungen.

Gegen das der Beklagten am 1. Februar 2017 zugestellte Urteil nebst Berichtigungsbeschluss hat diese am 22. Februar 2017 Berufung eingelegt. Die Klägerin hat gegen das ihr am 31. Januar 2017 nebst Berichtigungsbeschluss zugestellte Urteil am 27. Februar 2017 ebenfalls Berufung eingelegt.

Die Beklagte führt berufungsbegründend aus, dass das Gutachten des Gerichtssachverständigen nicht nachvollziehbar sei. Unstrittig lägen bei der Klägerin aufgrund der erheblichen Adipositas und der mehrfachen Bauchwandhernien qualitative Einschränkungen des Leistungsvermögens vor. Es sei jedoch nicht ersichtlich, aufgrund welcher Einschränkungen sie leichte Tätigkeiten zumindest überwiegend im Sitzen nicht sechs Stunden und mehr täglich ausüben könne. Dies ergebe sich aus dem geschilderten Tagesablauf, wonach die Klägerin in der Lage sei, ihr tägliches Leben mit drei noch im Haushalt lebenden Kindern, zwei davon mit Behinderung, zu bewältigen. Sie übe eine Pflegetätigkeit von mindestens 14 Stunden in der Woche aus, für die sie Pflichtbeiträge in ihr Versicherungskonto gemeldet bekomme. Beratungsärztlich hat Dr. med. J. am 13. Februar 2017 ausgeführt, dass die von Dr. med. F. befürchteten Komplikationen des Bauchdeckenbruchs, wie Inkarzeration oder drohender Ileus, als Fehleinschätzung gewertet werden müssten, da diese bei kleinen Hernien, nicht aber bei großen Bauchwandhernien wie bei der Klägerin, aufträten. Der Bauchwandhernie könne man mit technischen Hilfsmitteln wie Leibbinden begegnen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 4. November 2016 abzuändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen sowie die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen und das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 4. November 2016 sowie den Bescheid vom 5. Februar 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Mai 2014 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung auch vom 1. Mai 2014 bis 30. September 2015 und vom 1. Oktober 2018 bis 30. April 2023 zu gewähren.

Sie ist der Auffassung, dass sie entgegen der erstinstanzlichen Entscheidung seit Rentenantragstellung nicht mehr in der Lage sei, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein, was das Gutachten des erstinstanzlichen Sachverständigen bestätige. Dies ergebe sich nicht nur aufgrund der riesigen Bauchwandhernie, sondern auch aufgrund ihrer extremen Übergewichtigkeit. Zudem leide sie aufgrund der durchgeführten Magenoperation unter einer psychischen Erkrankung. Die Pflege eines psychisch kranken Kindes in der eigenen Wohnung, die von beiden Eltern gemeinsam geleistet würde, ließe keine Rückschlüsse auf ihre Erwerbsfähigkeit zu. Zudem sei sie durchgängig arbeitsunfähig gewesen. 

Zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes hat der Senat Befundberichte bei der Fachärztin für Nervenheilkunde und Neurologie K. vom 9. Oktober 2017, der Fachärztin für Allgemeinmedizin D. vom 19. Oktober 2017, der Fachärztin für Orthopädie Dr. med. I. vom 6. November 2017 einschließlich radiologischer Arztbriefe sowie dem Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. med. I. vom 15. März 2018 eingeholt. Zudem hat der Senat die Schwerbehindertenakte des HAVS Wiesbaden beigezogen.

In der daraufhin von Amts wegen beigezogenen ergänzenden Stellungnahme des erstinstanzlichen Sachverständigen Dr. med. F. vom 18. Juli 2018 hat dieser sich nach Auswertung der beigezogenen Befundunterlagen in seiner Leistungseinschätzung in seinem Gutachten vom 12. August 2015 bestätigt gesehen. Mit Ausnahme der Funktionsstörungen, die durch den Kniegelenkverschleiß verursacht würden und die die Vermeidung von Arbeiten in kniender und hockender Stellung begründeten, ließe sich keine Änderung der sozialmedizinischen Bewertung ableiten.

Der Senat hat sodann Dr. med. L., Facharzt für Innere Medizin, Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie, von Amts wegen mit der Begutachtung der Klägerin beauftragt. Nach ambulanter Untersuchung der Klägerin am 6. Dezember 2018 ist der Sachverständige in seinem neurologisch-psychiatrischen Gutachten vom 10. Dezember 2018 unter Berücksichtigung der Diagnosen

auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet

1.    Leicht ausgeprägtes Karpaltunnelsyndrom beidseits ohne manifeste sensomotorische Ausfälle,
2.    Kein Anhalt für eine Erkrankung des psychiatrischen Fachgebiets,
3.    Probleme bei der Lebensbewältigung,

sonstige Diagnosen
1.    Adipositas Grad 3 (Body Maß Index: 43 kg/m² Körperoberfläche), 
Zustand nach adipositaschirurgischer Maßnahme 06/2016,
2.    Sehr große Bauchwandhernie mit mehrfach durchgeführter operativer Behandlung,
3.    Beschwerden des Bewegungs- und Haltungsapparates ohne relevantes neurologisches Defizit,
4.    Allergisches Asthma bronchiale, unauffällige Lungenfunktionsprüfung 10/2018
5.    Bluthochdruckleiden, medikamentös behandelt,

zu der Einschätzung gelangt, dass die Klägerin aus neurologisch-psychiatrischer und internistischer Sicht ein arbeitstägliches Leistungsvermögen ohne unmittelbare Gefährdung der Gesundheit von mindestens sechs Stunden für leichte körperliche Tätigkeiten mit Einschränkungen (in verschiedenen Arbeitshaltungen, mit der Möglichkeit zu wechselnder Körperhaltung, in Tagschicht, ohne Tätigkeiten mit Bücken, dem Ersteigen von Treppen, Leitern und Gerüsten, ohne kniebelastende und wirbelsäulenbelastende Tätigkeiten, ohne Zwangshaltungen des Rumpfes, ohne widrige klimatische Bedingungen und inhalative Belastungen, keine Tätigkeiten mit Erschütterungen oder Vibrationen oder Tätigkeiten mit erhöhter Unfallgefahr) aufweise. Im Vordergrund stehend seien die orthopädischen Leiden. Betriebsunübliche Einschränkungen lägen nicht vor. Die Klägerin könne aus neurologisch-psychiatrischer und internistischer Sicht ortsübliche Wegstrecken von etwas mehr als 500 m in jeweils unter 20 Minuten zurücklegen. Die Wegefähigkeit sei primär bzw. nahezu ausschließlich aus orthopädischer Sicht zu beurteilen. Die Klägerin sei aus allgemeiner medizinischer Sicht durchaus in der Lage, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Das festgestellte Leistungsvermögen bestehe ab Rentenantragstellung. Aus seiner allgemeinmedizinischen Sicht bedinge das Vorliegen der sehr großen Bauchwandhernie keine Einschränkung des zeitlichen Leistungsvermögens. Es bestünde die Notwendigkeit der Einholung eines orthopädischen Fachgutachtens. Mit dem Gutachten hat der Sachverständige weitere ärztliche Unterlagen übersandt, ebenso hat die Klägerin weitere ärztliche Unterlagen ihrer behandelnden Ärzte zur Akte gereicht.

Der Empfehlung des Dr. med. L. folgend hat der Senat des Weiteren von Amts wegen ein orthopädisches Gutachten bei Dr. med. M., Facharzt für Orthopädie, Unfallchirurgie, Rheumatologie, Spezielle Orthopädische Chirurgie, Spezielle Schmerztherapie, eingeholt. Nach ambulanter Untersuchung der Klägerin am 15. November 2019 ist der Sachverständige in seinem Gutachten vom selben Tag unter Zugrundelegung der Diagnosen

von Seiten des orthopädischen Fachgebietes: 
Ausgeprägte Gonarthrose medial betont, links mehr als rechts mit Bewegungs- und Belastungsstörung 
Degenerative Lendenwirbelsäulenveränderungen mit ausstrahlender Schmerzsymptomatik in die Brustwirbelsäule und omalgieartige Beschwerden bei vorbekannt degenerativen HWS Veränderungen und geringen Bewegungslimitationen in LWS und HWS
Ausgeprägte Deformierung der Füße im Sinne einer Pes planus-valgus-Fehlstellung beiderseits mit Hallux valgus 
Carpaltunnelsyndrom der Hände und unklare Bewegungs- und Belastungsstörung beider Hände ohne Bewegungseinschränkungen bei zusätzlich gesichertem Carpaltunnelsyndrom 
Adipositas per magna (BMI 44)

von Seiten des nicht-orthopädischen Fachgebietes:
Hypertonie
Zustand nach Magenverkleinerungs-OP
Große Bauchwandhernie bei mehrfach durchgeführter operativer Behandlung
Allergisches Asthma bronchiale

Erkrankungen vom schmerzmedizinischen Bereich: 
Chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren 
Bei vorbefundlich ausgeschlossener Erkrankung des psychiatrischen Fachgebietes ausgeprägte Hinweise für Depression, Angst und Somatisierung

zu der Einschätzung gelangt, dass der Klägerin orthopädischerseits leichte Tätigkeiten regelmäßig sechs Stunden täglich mit Einschränkungen (nur Tätigkeiten in weit überwiegend sitzender Körperhaltung mit der Möglichkeit zum Wechsel der Körperhaltung, ohne Hebe- und Bückarbeiten, ohne Einnahme von Zwangshaltungen, ohne Heben schwerer Gewichte, ohne Hockpositionen und regelmäßigem Steigen und Herabgehen von Treppen, ohne kniebelastende und wirbelsäulenbelastende Tätigkeiten, ohne Zwangs-haltungen des Rumpfes, ohne Erschütterung, Vibration, ohne Tätigkeiten mit erhöhter Unfallgefahr, keine Tätigkeiten mit inhalativer Belastung und Kälte, ohne schnelles Wechseln von Einsatzpositionen, ohne innerbetriebliche längere Gehstrecken) noch möglich seien. Dies sei jedoch nicht isoliert zu betrachten, sondern rein hypothetisch. Die Gesamtsituation der Klägerin im Zusammenhang mit der auffälligen psychosomatisch-psychiatrischen Symptomatik mit Hinweis auf Angst, Depression und damit verbundenem chronischen Schmerzsyndrom mit psychischen und somatischen Faktoren mit Verstärkung des Schmerzerlebens und der Rückzugssituation sei zu prüfen. Es sei eine Nachbegutachtung durch den Vorbegutachter oder auf psychosomatischen Fachgebiet erforderlich. Es bestünden erhebliche Zweifel, dass die Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit vorhanden sei. Die Klägerin sei in der Lage, noch zwischen 200 und 500 m zu gehen. Es sei der Klägerin nicht zumutbar, eine uneingeschränkte Wegefähigkeit zu bescheinigen. Das festgestellte Leistungsvermögen bestehe erst ab dem Zeitpunkt der Begutachtung oder rückgerechnet ab Anfang 2019, da das neurologisch-psychiatrische Gutachten vom Dezember 2018 ausführlich und durchaus widersprüchlich zu der aktuellen Leistungssituation sei. 

Im Nachgang zum Gutachten des Dr. med. M. sind umfangreiche weitere medizinische Unterlagen der die Klägerin behandelnden Ärzte zur Akte gelangt.

Der Beratungsarzt N. ist in seiner Stellungnahme vom 6. Februar 2020 von einer Einschränkung der Wegefähigkeit unter 500 m ausgegangen. Diese sei mit dem fachorthopädischen Gutachten vom 15. November 2019 erstmals dokumentiert. Zudem sei die Klägerin nicht in der Lage, öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen. Bei fehlendem Führerschein könne die Klägerin keinen PKW führen, was ihr überdies aus medizinischen Gründen nicht möglich sei. 

Mit Bescheid vom 20. März 2020 hat die Beklagte der Klägerin Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben bewilligt. Um die uneingeschränkte Wegefähigkeit auszugleichen, hat sie die notwendigen Fahrtkosten übernommen, um Vorstellungsgespräche zur Erlangung eines Arbeitsplatzes führen und den künftigen Ausbildungsplatz oder Arbeitsplatz regelmäßig erreichen zu können.

In der von Amts wegen eingeholten ergänzenden psychiatrischen Stellungnahme vom 20. April 2020 hat Dr. med. L. ausgeführt, dass sich aus der weiteren Aktenlage nach Erstattung seines Gutachtens aus psychiatrischer gutachterlicher Sicht keine ausreichende Grundlage für eine Einschränkung des quantitativen Leistungsvermögens erheben lasse. Die fachpsychiatrische Behandlung sei erst nach der Gutachtenerstellung durch ihn aufgenommen worden. Eine psychotherapeutische Behandlung erfolge bisher offensichtlich nicht. Die Behandlungsmöglichkeiten seien nicht ausgeschöpft. Der Sachverständige ist bei seiner im Gutachten vom 10. Dezember 2018 getroffenen Leistungsbeurteilung verblieben. Er hat auch weiterhin den Schwerpunkt des Beschwerdebildes eindeutig auf dem orthopädischen Fachgebiet gesehen und eine erneute gutachterliche Untersuchung auf psychiatrischem Fachgebiet nicht für notwendig erachtet.

Mit Schreiben vom 21. April 2021, 3. Mai 2021 und 5. Mai 2021 hat die Klägerin weitere medizinische Unterlagen zur Akte gereicht und geltend gemacht, dass sich ihr Zustand weiter verschlechtert habe. Ihr Gehör sei nach einer schweren Mittelohrentzündung stark eingeschränkt. Zudem bestünden insbesondere Schmerzen beider Knie. Sie sei auf Hilfe angewiesen, liege fast den ganzen Tag nur noch im Bett, allenfalls für ein paar Stunden auf der Couch. Es laufe ein Verfahren betreffend eines höheren Pflegegrades. Zudem habe sie 30 kg zugenommen. Sie sei auf einen Rollator angewiesen sowie auf Hörgeräte. Ihre Wegefähigkeit sei aufgehoben. 

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten sowie zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze sowie auf den Inhalt der die Klägerin betreffenden Rentenakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe

Die statthaften Berufungen (§§ 143, 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz <SGG>) sind auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 151 Abs. 1 SGG). 

Während die Berufung der Beklagten in der Sache Erfolg hat, musste der Berufung der Klägerin der Erfolg versagt bleiben. 

Das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 4. November 2016 kann nicht aufrechterhalten bleiben. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung. Insoweit ist der dies ablehnende Bescheid der Beklagten vom 5. Februar 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Mai 2014 (§ 95 SGG) rechtmäßig ergangen und beschwert die Klägerin nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 SGG

Streitgegenständlich ist aufgrund der Berufung beider Beteiligten die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 1. Mai 2014 bis 30. April 2023. Während die Berufung der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung vom 1. Oktober 2015 bis 30. September 2018, zu der das Sozialgericht sie mit der hier angefochtenen Entscheidung verurteilt hat, zum Gegenstand hat, ist durch die Berufung der Klägerin darüber hinaus die Zeit vom 1. Mai 2014 bis 30. September 2015 und vom 1. Oktober 2018 bis 30. April 2023 streitgegenständlich. Der zuletzt gestellte Antrag im Berufungsverfahren entspricht ihrem letztmals in der mündlichen Verhandlung am 4. November 2016 gestellten Klageantrag, mit dem sie die Gewährung einer befristeten Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 1. Mai 2014 begehrte. Aufgrund des Zeitablaufs verlängert sich der Befristungszeitraum bis zum 30. April 2023. Denn die gesetzliche Regelbefristung nach § 102 Abs. 2 Satz 2 Sozialgesetzbuch, Sechstes Buch (SGB VI) sieht die maximale Befristung von drei Jahren vor. Sofern im laufenden Gerichtsverfahren zum Zeitpunkt der Entscheidung des erkennenden Gerichts die maximale Befristung von drei Jahren abgelaufen ist, sind weitere Dreijahreszeiträume nach § 102 Abs. 2 Satz 4 SGB VI direkt anzuschließen (vgl. LSG Hamburg, Urteil vom 7. September 2016, L 2 R 73/15, juris Rn. 15). Soweit das ursprüngliche Klagebegehren weiter gefasst war, hat die Klägerin durch entsprechende Beschränkung ihres Klageantrags bereits die Klage sinngemäß zurückgenommen, wodurch sich der Rechtsstreit insoweit in der Hauptsache erledigt hat (§ 102 Abs. 1 Satz 2 SGG).

Gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 bzw. Abs. 2 Satz 1 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung, wenn sie

1.    teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind,
2.    in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
3.    vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.

Teilweise erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voll erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI demgegenüber Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 3 SGB VI auch

1.    Versicherte nach § 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können, und
2.    Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren, in der Zeit einer nicht erfolgreichen Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt.

Erwerbsgemindert ist der Vorschrift des § 43 Abs. 3 SGB VI zufolge nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Die für eine Rente wegen Erwerbsminderung erforderliche allgemeine Wartezeit im Sinne des § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB VI ist gemäß § 50 Abs. 1 SGB VI erfüllt, wenn vor Eintritt der Erwerbsminderung eine Versicherungszeit von fünf Jahren zurückgelegt ist. 

Die Klägerin hat für die streitbefangene Zeit vom 1. Mai 2014 bis 30. April 2023 keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung, weil sie weder teilweise noch voll erwerbsgemindert im Sinne dieser gesetzlichen Bestimmungen ist. Sie kann unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes noch mindestens sechs Stunden täglich einer geregelten Erwerbstätigkeit nachgehen.

Die Fähigkeit der Klägerin, durch erlaubte Erwerbstätigkeit ein Arbeitsentgelt in nicht ganz unerheblichem Umfang zu erzielen (Erwerbsfähigkeit), ist zwar durch verschiedene Gesundheitsstörungen beeinträchtigt. Zur Überzeugung des Senats steht aber fest, dass die Klägerin zumindest noch leichte körperliche Tätigkeiten mit Einschränkungen (nur Tätigkeiten in weit überwiegend sitzender Körperhaltung mit der Möglichkeit zum Wechsel der Körperhaltung, in Tagschicht, ohne Arbeiten mit Heben und Tragen von Lasten über 5 kg, keine Arbeiten in gebeugter Haltung oder mit Bücken, ohne Zwangshaltungen insbesondere des Rumpfes, keine Arbeiten mit Ersteigen von Treppen, Leitern und Gerüsten, keine Arbeiten mit Absturzgefahr, keine Arbeiten in hockender Stellung und im Knien, ohne kniebelastende und wirbelsäulenbelastende Tätigkeiten, keine Tätigkeiten mit Erschütterungen oder Vibrationen oder Tätigkeiten mit erhöhter Unfallgefahr, ohne widrige klimatische Bedingungen und inhalative Belastungen, keine Arbeiten im Freien mit Nässe und Kälteeinwirkung, unter Zugluft und Temperaturwechseln, keine Arbeiten unter Einwirkung von Staub, Gas, Rauch und Dampf, ohne schnelles Wechseln von Einsatzpositionen, ohne innerbetriebliche längere Gehstrecken) für die Dauer von arbeitstäglich sechs Stunden und mehr verrichten kann. Diese Beurteilung des Leistungsvermögens ergibt sich unter Berücksichtigung aller Einzelumstände des vorliegenden Falles aus einer Gesamtschau der über den Gesundheitszustand der Klägerin vorliegenden ärztlichen Stellungnahmen und medizinischen Gutachten.

Das Leistungsvermögen der heute 49-jährigen Klägerin ist insbesondere nach dem Ergebnis der zweitinstanzlichen Beweisaufnahme hauptsächlich auf orthopädischem Fachgebiet, weniger dagegen auf neurologisch-psychiatrischem und internistischem Fachgebiet beeinträchtigt und wesentlich durch ihre erhebliche Übergewichtigkeit und die bestehende Bauchwandhernie beeinflusst. Die damit einhergehenden Gesundheitsstörungen sind allerdings nicht derart gravierend, dass hiermit ein auch in zeitlicher Hinsicht gemindertes Leistungsvermögen nachweislich begründbar ist. Der Nachweis im Sinne eines Vollbeweises ist dabei nur erbracht, wenn die behauptete Tatsache mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorliegt. Das ist dann der Fall, wenn für das Vorliegen der rentenerheblichen Tatsachen ein derart hoher, an Gewissheit grenzender Grad von Wahrscheinlichkeit spricht, dass sämtliche begründeten Zweifel demgegenüber aus der Sicht eines vernünftigen, die Lebensverhältnisse klar überschauenden Menschen vollständig zu schweigen haben (vgl. hierzu schon: BSG, Urteil vom 28. November 1957, 4 RJ 186/56 = BSGE 6, 144). Gelingt ein solcher Nachweis nicht, geht dies zu Lasten des insoweit beweisbelasteten Rentenbewerbers. Ausgehend hiervon ist das Leistungsvermögen der Klägerin zur Überzeugung des Senats nur qualitativ eingeschränkt.

Auf orthopädischem Fachgebiet leidet die Klägerin vor allem an einer ausgeprägten Gonarthrose beider Knie, an einem Lendenwirbelsäulenleiden, einer ausgeprägten Deformierung der Füße und einer Bewegungs- und Belastungsstörung beider Hände. Wie der Sachverständige Dr. med. M. in seinem Gutachten vom 15. November 2019 ausführt, werden in den vorliegenden Bildgebungen der Knie von 2017, 2018 und 2019 massive mediale Degenerationen des Kniegelenkes links mehr als rechts beschrieben. Es zeige sich eine vollständige Gonarthrose mit entsprechender Entzündungsreaktion und Überlastungsreaktion in den belasteten Knochenanteilen. Vorbefunde ergäben multisegmentale Degenerationen der Lendenwirbelsäule, die altersunüblich seien. Die geklagten Beschwerden im Bereich der Knie und Füße seien mit den degenerativen Veränderungen der Kniegelenke und auch der Füße in Einklang zu bringen. Im Übrigen arbeitet der Sachverständige Inkonsistenzen zwischen den von ihm objektivierten Befunden und den Angaben der Klägerin zu den bei ihr vorliegenden Einschränkungen heraus. So hat die Klägerin gegenüber dem Sachverständigen angegeben, nicht mehr in der Lage zu sein, zuhause irgendwelche Tätigkeiten zu verrichten, und vollständig pflegebedürftig zu sein. Sie werde rund um die Uhr von ihrem ältesten Sohn und zeitweise von ihrem Mann betreut. Soweit die Klägerin gegenüber dem Sachverständigen zudem angegeben hat, dass der Wechsel vom Bett zum Bad und innerhalb der Wohnung erheblich eingeschränkt und nur mittels Rollator und persönlicher Unterstützung möglich sei, die Körperpflege kaum noch selber durchgeführt werden könne, da sie umfalle oder gar nicht erst in die zu pflegenden Bereiche hinlangen könne, konnte der Sachverständige dies aus orthopädischer Sicht nur eingeschränkt mit den von ihm getroffenen Feststellungen und Beobachtungen während der Untersuchungssituation in Einklang bringen. Er führt dazu aus, dass sich zum Zeitpunkt der Untersuchung ein freies, wenn auch etwas mühsames und schwankendes, unrundes und nicht sehr schnelles, auch leicht hinkendes Gangbild gezeigt habe. Die Klägerin sei ohne Gehhilfen mit angelegter Bandage am linken Bein zur Untersuchung erschienen. Sie habe selbständig vom Sitzen zum Stehen, zeitweise auch ohne Abstützreaktion, aufstehen können. Außerhalb der Praxis habe sich die Klägerin über einen Weg von 150-250 m ohne Hilfsmittel und ohne Unterstützung ihres begleitenden Ehemannes in einer normalen Schrittgeschwindigkeit mit einem überhängenden Gangbild der entsprechenden Belastungsseite fortbewegen können. Ermüdungserscheinungen hätten während der Untersuchungssituation nicht festgestellt werden können. Beim Stillsitzen, welches zum Ausfüllen der Fragebögen benötigt worden sei, aber auch während der gesamten Anamnese, habe die Klägerin über einen Zeitraum von 45 Minuten ohne wesentliche Ausweichbewegung trotz der angegebenen Rückenbeschwerden sitzen können. Zeitweise seien Entlastungsbewegungen durchgeführt worden, jedoch auch erst nach diesem Zeitraum. Die von der Klägerin angegebene Unfähigkeit zum An- und Auskleiden sei zwar auch während der Begutachtung ansatzweise zu beobachten gewesen, jedoch seien beim selbständigen An- und Ausziehen weite Teile der Tätigkeit selbständig durchgeführt worden. In der unteren Extremität zeige sich eine ausgeprägte Schonsituation. Es seien Bewegungen im Kniegelenk in unbewusster Position im Sitzen bis 90° und 100° durchgeführt worden. Hingegen habe die Klägerin die Untersuchung der Kniegelenke kaum zugelassen und erst nach längerem Zureden eine aktive Bewegung bis zu 90° Beugung vollzogen. Konsistent erscheine jedoch die Angabe, dass sie zu Hause nicht selbständig aus dem Bett aufstehen könne, da ihr jegliche Bauchmuskulatur fehle und die Hernien für eine Schwächung der Bauchmuskulatur sorgten, wobei ihr die Möglichkeit eines rückengerechten Aufstehens nicht bekannt gewesen sei. Der Finger-Boden-Abstand habe sich im Verhältnis zu den Voruntersuchungen 2018 und 2015 massiv eingeschränkt gezeigt. Die Beweglichkeit in der Halswirbelsäule und Lendenwirbelsäule hingegen habe sich nur als gering eingeschränkt dargestellt. Die Bewegung der oberen Extremität sei uneingeschränkt - wie in den Vorbefunden beschrieben - möglich gewesen. Die Beschwerden und die Greifbeschwerdesymptomatik in den Händen hätten nicht näher verifiziert werden können. Inkonsistent stellten sich auch von schmerzmedizinischer Seite die beklagten Beschwerden, der angegebene erhebliche Leidensdruck und die bisherige Behandlungsanamnese, die weder schmerztherapeutische noch psychotherapeutische Ansätze enthalte, dar. Im Hinblick auf die willentliche Steuerbarkeit sei festzustellen, dass sich die Klägerin prinzipiell aus jeglicher Verantwortung und Belastung im häuslichen Bereich herausgezogen habe. Unangenehme Tätigkeiten wie Hausarbeiten und berufliche Tätigkeiten würden komplett delegiert oder nicht mehr durchgeführt, wohingegen die wenigen angenehmen Dinge des Lebens, d.h. der Kontakt zu ihren Enkelkindern und der Kontakt zu ihren Haustieren, auf einem sehr niedrigen Niveau noch erfolgten. Die Einschätzung des Sachverständigen, dass der Klägerin orthopädischerseits leichte Tätigkeiten von sechs Stunden täglich regelmäßig möglich sind, stellt sich hiernach für den Senat als überzeugend dar. Die hierbei beschriebenen, überwiegend den Bewegungsapparat betreffenden Limitierungen aufgrund der sicher zu beschreibenden Funktionsbeeinträchtigung seitens der Adipositas, der Belastung der Kniegelenke und der Degeneration im Bereich des Rückens werden durch die beschriebenen qualitativen Leistungseinschränkungen hinreichend berücksichtigt. 

Auch ergeben sich zur Überzeugung des Senats keine Zweifel an einem erhaltenen Leistungsvermögen der Klägerin bei Berücksichtigung des Einwandes des Sachverständigen Dr. med. M., dass sich die psychosomatisch-psychiatrische Symptomatik - anders als von Dr. med. L. im Dezember 2018 festgestellt - im Rahmen seiner Untersuchung auffällig gezeigt habe und nochmals fachärztlich zu überprüfen und zu bewerten sei. 

Der Sachverständige Dr. med. L. kam in seinem neurologisch-psychiatrischen Gutachten vom 10. Dezember 2018 zu der Einschätzung, dass weder auf neurologischem noch auf psychiatrischem Fachgebiet Erkrankungen vorliegen, die eine rentenberechtigende Einschränkung des Leistungsvermögens der Klägerin bedingen. Abgesehen von einem leicht ausgeprägten Karpaltunnelsyndrom beidseits ohne manifeste sensomotorische Ausfälle, konnte er keine relevanten neurologischen Auffälligkeiten feststellen. Im psychopathologischen Befund habe sich keine Antriebsminderung oder gar psychomotorische Hemmung bei der Klägerin gezeigt. Sie sei durchgehend eher lebhaft ohne Ermüdungserscheinungen gewesen, habe in der Gutachtensituation sehr vital gewirkt und sei redselig gewesen. Kognitive und mnestische Defizite relevanten Ausmaßes hätten nicht erhoben werden können. Für eine hirnorganisch bedingte Symptomatik hätte sich kein Anhalt ergeben. Die Klägerin sei in der Grundstimmung ausgeglichen, die affektive Resonanzfähigkeit sei nicht eingeschränkt gewesen. Für eine Persönlichkeitsstörung oder für eine sozialmedizinisch relevante Suchterkrankung habe sich ebenso wenig ein Anhalt ergeben, wie für eine Somatisierung, so dass die Angabe des Sachverständigen, dass kein Anhalt für eine Erkrankung des psychiatrischen Fachgebiets bestehe, gänzlich plausibel erscheint. Den Schwerpunkt des Beschwerdebildes sah der Sachverständige auf orthopädischem Fachgebiet. Hierbei ist er auch in seiner ergänzenden psychiatrischen Stellungnahme vom 20. April 2020 unter Auswertung des Gutachtens des Dr. med. M. und sämtlicher weiterer vorgelegter medizinischer Unterlagen geblieben. In Kenntnis der Ausführungen des Dr. med. M., der Hinweise auf Angst, Depression und ein damit verbundenes chronisches Schmerzsyndrom mit psychischen und somatischen Faktoren mit Verstärkung des Schmerzerlebens und der Rückzugssituation gesehen hatte, verweist Dr. med. L. begründend auf die niederfrequente psychiatrische und gänzlich fehlende psychotherapeutische Behandlung der Klägerin. Diese habe sich 2017 erstmalig in psychiatrische Behandlung bei Frau K. begeben, die sie letztmals im November 2017 aufgesucht habe. Erst am 20. Februar 2019 habe sie sich erneut in psychiatrische Behandlung bei der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie O. begeben, die lediglich von einer medikamentös antidepressiven Behandlung berichtet habe. Hieraus ließe sich nicht ableiten, dass die Klägerin die psychischen Einschränkungen weder aus eigener Kraft noch mit ärztlicher oder therapeutischer Hilfe dauerhaft nicht überwinden könne. Der Sachverständige Dr. med. L. verbleibt bei seiner im Gutachten vom 10. Dezember 2018 gestellten Leistungseinschätzung und hält überdies eine erneute gutachterliche Untersuchung der Klägerin aus psychiatrischer Sicht nicht für notwendig. Auch dies stellt sich für den Senat als überzeugend dar, denn mangels adäquater Behandlungsdichte ist ein erheblicher und einschränkender Leidensdruck der Klägerin nicht erkennbar. Das ärztliche Attest der behandelnden Psychiaterin O. vom 15. Oktober 2019 weist überdies neben den Diagnosen einer depressiven Anpassungsstörung und einer gemischten Angststörung lediglich den Hinweis auf, dass die Klägerin seit Februar 2019 bei ihr in regelmäßiger ambulanter Behandlung stehe, medikamentös antidepressiv behandelt werde und sechs Monate aus psychiatrischer Sicht arbeitsunfähig sei. Danach solle die Situation neu eingeschätzt werden. Befunde wurden nicht mitgeteilt und es lassen sich keine dauerhaften Leistungseinschränkungen hieraus ableiten. 

Diese Einschätzung wird im Wesentlichen auch durch das im erstinstanzlichen Verfahren eingeholte Gutachten des Dr. med. F. vom 12. August 2015 bestätigt. Entgegen der Auffassung der Klägerin maß der Sachverständige lediglich der Bauchwandhernie (bis zu ihrer operativen Behebung) einen erwerbsmindernden Einfluss zu. Zwar führte er aus, dass die extreme Übergewichtigkeit der Klägerin im Vordergrund stehe, die die Erwerbsfähigkeit der Klägerin erheblich beeinträchtige. Eine derzeit passagere Aufhebung des Leistungsvermögens sah er jedoch nur im Hinblick auf die bestehende Bauchwandhernie. Im Übrigen führte er ausdrücklich aus, dass die Klägerin unter Beachtung von qualitativen Leistungseinschränkungen in der Lage sei, nach operativer Behebung der Hernie vollschichtig mindestens körperlich leichte und geistig einfache Arbeiten in einem leidensgerechten Umfeld regelmäßig ausüben zu können. Eine relevante quantitative Einschränkung des Leistungsvermögens sah er nicht. Auch die Schmerzhaftigkeit der Kniegelenke und im Bereich der Füße sei nicht auf relevante funktionelle Einschränkungen zurückzuführen, sondern im Wesentlichen durch die Übergewichtigkeit verursacht. Gleiches gelte für die Lendenwirbelsäulenbeschwerden der Klägerin. Diese orthopädischen Beschwerden könnten durch eine erhebliche Gewichtsreduktion und eine Aufschulung der Muskulatur gänzlich behoben werden. Im Hinblick auf den psychischen Zustand beschrieb der Sachverständige einen weitestgehend unauffälligen psychopathologischen Befund. Eine reaktive depressive Störung von Krankheitswert habe nicht vorgelegen. 

Entgegen den Ausführungen des erstinstanzlichen Sachverständigen, auf die sich das Sozialgericht in seinem Urteil vom 4. November 2016 gestützt hat, vermag der Senat insbesondere aufgrund des im Berufungsverfahren eingeholten Gutachtens des Dr. med. L. nicht von einem aufgehobenen Leistungsvermögen der Klägerin aufgrund der Bauchwandhernie auszugehen. Dr. med. L. führte insoweit in seinem Gutachten vom 10. Dezember 2018 aus, dass das Vorliegen der sehr großen Bauchwandhernie keine Einschränkung des zeitlichen Leistungsvermögens bedinge. Eine erhöhte Einklemmungsgefahr bei Ausübung einer leidensgerechten beruflichen Tätigkeit liege nicht vor. Während große Narbenhernien nur selten inkarzinierten, sei bei kleinen Hernien die Gefahr deutlich erhöht, da die Möglichkeit eines ungehinderten Vor- und Zurückgleitens des Bruchsackinhalts durch eine zu enge Bruchpforte stark behindert sei. Damit bestätigt er die beratungsärztlichen Ausführungen der Beklagten, die zum einen die Nutzung technischer Hilfsmittel wie z.B. Leibbinden für geboten erachtet und keinen Grund zu erkennen vermag, weswegen die Klägerin keine leidensgerechten leichten Tätigkeiten vorwiegend im Sitzen ausüben können solle. Weder bei der Untersuchung durch den Sachverständigen Dr. med. F. noch im radiologischen Befund des Dr. med. P. vom 20. Juli 2015 als auch in dem Gutachten des Dr. med. H. des Krankenhauses Sachsenhausen vom 12. Oktober 2015 zeigten sich Hinweise auf eine Inkarzeration oder auf einen Ileus. Zwar wies Dr. med. H. auf ein reales Risiko eines solchen Ereignisses hin. Den übrigen vielzähligen ärztlichen Berichten, die zur Akte gelangt sind (so z.B. der radiologische Befund des Dr. med. R. vom 23. Dezember 2019 und des Sana Klinikums Offenbach vom 16. Januar 2020), als auch den weiteren Sachverständigengutachten ist jedoch weder zu entnehmen, dass eine Inkarzeration oder ein Darmverschluss über die Jahre aufgrund der Hernie tatsächlich aufgetreten wäre, noch dass eine entsprechend gegebene Gefahr ein quantitativ gemindertes Leistungsmögen der Klägerin bedinge. 

Im Hinblick auf die vorliegende Asthmaerkrankung kommt Dr. med. L. in Übereinstimmung mit dem erstinstanzlichen Sachverständigen Dr. med. F. für den Senat überzeugend zu der Einschätzung, dass diese lediglich qualitative Einschränkungen bedinge. Zudem ergibt sich aus dem Arztbrief des Facharztes für Innere Medizin und Pneumologie S. vom 8. Oktober 2018, dass auskultatorisch ein normaler Herz- und Lungenbefund erhoben wurde und lungenfunktionell keine Einschränkungen statischer und dynamischer Messparameter bestünden. Der bestehende Bluthochdruck ist medikamentös eingestellt und hat keinen leistungsmindernden Dauereinfluss. 

Soweit die Klägerin eine Minderung des Hörvermögens angibt, ergeben sich aus den ärztlichen Befundunterlagen keine gravierenden Einschränkungen. Ausweislich der ohrenärztlichen Verordnung von Hörhilfen beidseits wegen Schallempfindungsschwerhörigkeit beidseits durch Dres. med. T., HNO-Ärzte, vom 9. September 2019 waren Gehörgänge und Trommelfälle beidseits intakt. Abgesehen davon, dass die Minderung des Hörvermögens apparativ versorgt und ausgeglichen wurde, sind dem Gutachten des Sachverständigen Dr. med. M., der die Klägerin am 15. November 2019 und damit kurz nach der Verordnung der Hörhilfen untersucht hat, weder anamnestische Angaben der Klägerin über sie behindernde Hörminderungen zu entnehmen, noch berichtet der Sachverständige von akustischen Verständigungsproblemen, so dass keine rentenrelevante Einschränkung ersichtlich ist. Der Vortrag der Klägerin mit Schreiben vom 21. April 2021, ihr Gehör sei nach einer schweren Mittelohrentzündung stark eingeschränkt, bleibt gänzlich unkonkret. Dass sie hörgeräteversorgt ist, war bereits zuvor bekannt und ist berücksichtigt worden. Für eine Verschlimmerung seit September 2019 ergeben sich keine Anhaltspunkte, zumal weder ein Zeitpunkt der stattgehabten Mittelohrentzündung benannt wird noch aktuelle HNO-ärztliche Unterlagen vorgelegt worden sind. 

Auch aus den beigezogenen und vorgelegten medizinischen Unterlagen und Arztbriefen der die Klägerin behandelnden Ärzte, die sich im Wesentlichen in ihren Aussagen wiederholen, ergeben sich für den Senat keine Anhaltspunkte für ein rentenrelevant eingeschränktes Leistungsvermögen der Klägerin. Die vielzähligen hausärztlichen Berichte der Fachärztin für Allgemeinmedizin D. erschöpfen sich im Wesentlichen in der Aufzählung von Diagnosen. Soweit die Ärztin u.a. wiederholt ergänzend angibt, dass die Klägerin in ihrer Mobilität eingeschränkt und auf fremde Hilfe angewiesen sei, fehlt hierzu jede erläuternde Ausführung zu Art und Umfang der Einschränkung und des Hilfebedarfs. Befunde und eine konkrete Beschreibung der sich ergebenden funktionellen Defizite werden nicht genannt. Gleiches gilt auch für die ärztlichen Atteste des die Klägerin behandelnden Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. med. U. und der Fachärztin für Orthopädie Dr. med. I., die lediglich gravierendste Einschränkungen der Klägerin, insbesondere im Bereich der Mobilität, attestieren, ohne erhobene Befunde und nachvollziehbare Gründe für die angegebenen erheblichen Einschränkungen mitzuteilen. 

Zudem ergeben sich aus den – teilweise bereits wiederholt und mehrfach – am 21. April 2021, 3. Mai 2021 und 5. Mai 2021 vorgelegten medizinischen Unterlagen keine bisher unberücksichtigt gebliebenen Krankheiten oder Behinderungen der Klägerin, die ein anderes Leistungsbild oder weiteren Ermittlungsbedarf rechtfertigen könnten. Vielmehr ergibt sich u.a. aus dem Attest des Dr. med. U. vom 16. Juni 2020, dass die Klägerin entgegen ihren eigenen Angaben, sie könne ihre Wohnung nicht mehr verlassen, 250 m laufen könne und Dr. med. V., Facharzt für Orthopädie, führt in seinem Arztbrief vom 23. Februar 2021 aus, dass die Voraussetzungen für das Merkzeichen „G“ aufgrund der Gehbehinderung, einer Adipositas gigantea, Knie- und Fußbeschwerden bestünden, was ebenfalls eine gewisse Mobilität belegt. Die Fachärztin für Psychiatrie O. führt in ihrem fachärztlichen Attest vom 12. August 2020 aus, dass die Klägerin sich aufgrund der vielen körperlichen Erkrankungen und Beschwerden kaum noch in der Lage fühle, in ihre Praxis zu kommen. Letztmalig sei die Klägerin am 15. Oktober 2019 vorstellig geworden. Die Klägerin habe angegeben, ihr Befinden habe sich verschlechtert. Eine persönliche ärztliche Überprüfung hat folglich über zumindest 10 Monate nicht stattgefunden. Auch die Fachärztin für Allgemeinmedizin D. beschränkt sich in ihrem Attest vom 15. Februar 2021 erneut auf die Aufzählung von im Wesentlichen bekannten Diagnosen und fügt erneut nur den allgemeinen Hinweis an, dass die Klägerin in ihrer Mobilität eingeschränkt und auf fremde Hilfe angewiesen sei. Auch lassen sich aus den vielzähligen radiologischen Arztbriefen keine Rückschlüsse auf rentenrelevante funktionelle Einschränkungen ziehen. Auch der Hinweis des Dr. med. O. in seinem Attest vom 29. April 2021, wonach bei der Klägerin seit 2019 ein Pflegegrad 2 bestehe und sie Hilfe beim Aufstehen, Anziehen, Ausziehen, Drehen und Duschen benötige, kann nicht zu einer anderen Leistungseinschätzung führen. Denn die Diskrepanzen der beschriebenen Einschränkungen und der tatsächlichen Ausführbarkeit dieser Verrichtungen hat bereits Dr. med. M. beschrieben und Dr. med. L. hatte ausdrücklich erwähnt, dass die Anerkennung eines Pflegegrades nicht seiner Leistungsbeurteilung widerspricht. Eine Verschlechterung gegenüber dem Gesundheitszustand im Zeitpunkt der erfolgten Begutachtungen durch Dr. med. M. am 15. November 2019 bzw. durch Dr. med. L. am 10. Dezember 2018 einschließlich seiner Auswertung der späteren Befundlage in der ergänzenden Stellungnahme vom 20. April 2020 lässt sich auch den zuletzt eingereichten medizinischen Unterlagen nicht entnehmen. 

Schließlich ist noch anzumerken, dass für eine erhaltene Leistungsfähigkeit der Klägerin zudem spricht, dass aus dem Versicherungskonto der Klägerin ersichtlich ist, dass Pflichtbeitragszeiten für eine mindestens 14-stündige Pflegetätigkeit pro Woche von 2013 bis Anfang 2019 vermerkt sind. Auch wenn die Klägerin angegeben hat, dass dies nicht mit einer Erwerbstätigkeit gleichzusetzen sei und sie überdies Hilfe der übrigen Familienmitglieder bei der Pflegetätigkeit erhalten habe, kann nicht von einer aufgehobenen Belastbarkeit ausgegangen werden. Darüber hinaus hat die Klägerin ihrerseits jedenfalls im November 2019 bei der Untersuchung durch Dr. med. M. angegeben, sich vorstellen zu können, eine Tätigkeit im Sitzen, z.B. am Telefon, durchzuführen. Der Sachverständige führte keine Bedenken aus orthopädischer Sicht an, sondern stellte lediglich in Frage, ob eine depressive Grunderkrankung dem entgegenstünde. Eine solche liegt aber nach den Ausführungen des Dr. med. L. nicht vor. 

Da sich weitergehende Einschränkungen der Leistungsfähigkeit im Übrigen auch nicht aus dem sonstigen medizinischen Berichtswesen ableiten lassen, steht zur Überzeugung des Senats fest, dass das Leistungsvermögen der Klägerin zwar eingeschränkt ist, aber nicht in rentenberechtigendem Ausmaß. Anhaltspunkte für das Vorliegen weiterer, bislang unberücksichtigt gebliebener Gesundheitsbeeinträchtigungen mit schwerwiegendem erwerbsmindernden Dauereinfluss sind weder von der Klägerin aufgezeigt worden noch sonst ersichtlich. Der Senat hält deshalb das Leistungsvermögen der Klägerin mit den von medizinischer Seite insgesamt getroffenen Feststellungen für ausreichend aufgeklärt und weitere Begutachtungen von Amts wegen für nicht geboten. Das gilt umso mehr, als auch die im Berufungsverfahren gehörten Sachverständigen Dr. med. L. und Dr. med. M. eine Begutachtung der Klägerin auf einem anderen als den bereits berücksichtigten medizinischen Fachgebieten nicht für notwendig erachtet haben. Im Hinblick auf eine von Dr. med. M. für erforderlich gehaltene weitere psychiatrische oder psychosomatische Begutachtung hat Dr. med. L. eine erneute ambulante Untersuchung der Klägerin psychiatrischerseits in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 20. April 2020 ausdrücklich nicht für notwendig gehalten. Ebenso wenig hat sich der Senat mit Blick auf die sich wiederholenden subjektiven Beschwerdeschilderungen der Klägerin über ein bei ihr bestehendes Leistungsunvermögen dazu gedrängt fühlen müssen, ein weiteres Sachverständigengutachten oder eine ergänzende Stellungnahme einzuholen. 
Für den Senat ergibt sich aus den im Berufungsverfahren eingeholten Gutachten und der ergänzenden Stellungnahme des Dr. med. L. und des Dr. med. M. ein umfassendes Bild zum Leistungsvermögen der Klägerin. Die zum jeweiligen Fachgebiet abgegebenen gutachterlichen Äußerungen sind jeweils in sich schlüssig, widerspruchsfrei und überzeugend und die jeweilige Leistungsbeurteilung nach eingehender Befunderhebung mit nachvollziehbarer und für den Senat einleuchtender Begründung aus den gestellten Diagnosen abgeleitet. Auch bei einer der Klägerin wohlwollenden Betrachtungsweise ergeben sich damit zur Überzeugung des Senats keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung ihres Leistungsvermögens, die über die vorstehend genannten qualitativen Leistungseinschränkungen hinausgeht und die Annahme einer Leistungsminderung auch in quantitativer, also zeitlicher Hinsicht, rechtfertigen würde. 

Die Klägerin ist folglich nicht erwerbsgemindert im Sinne der gesetzlichen Bestimmungen. Denn sie kann trotz ihrer in qualitativer Hinsicht geminderten Erwerbsfähigkeit noch einer Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit nachgehen und hierdurch mehr als nur geringfügige Einkünfte erzielen. Die Klägerin ist noch in der Lage, mindestens sechs Stunden täglich unter den in Betrieben üblichen Arbeitsbedingungen erwerbstätig zu sein und muss sich zur Verwertung ihres Restleistungsvermögens auf sämtliche - ihr in gesundheitlicher Hinsicht objektiv zumutbaren - Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes der Bundesrepublik Deutschland verweisen lassen. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist dabei die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit bei Verweisung auf den allgemeinen Arbeitsmarkt grundsätzlich nicht geboten (vgl. BSG, Urteil vom 24. Februar 1999, B 5 RJ 30/98 R = SozR 3-2600 § 44 Nr. 12). Das beruht auf der Erwägung, dass es auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine Vielzahl von ungelernten Tätigkeiten gibt, die nur mit leichten körperlichen Anforderungen verbunden sind. Dies ist offenkundig und muss grundsätzlich nicht in jedem Einzelfall erneut belegt werden. Es kann vielmehr davon ausgegangen werden, dass es in der Regel auch für Versicherte, deren Leistungsfähigkeit beeinträchtigt ist, noch Einsatzmöglichkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in nennenswertem Umfang gibt (vgl. BSG, Großer Senat, Beschluss vom 19. Dezember 1996, GS 2/95 = BSGE 80, 241 = SozR 3-2600 § 44 Nr. 8; Urteil vom 11. Dezember 2019, B 13 R 7/18 R, juris Rdnr. 26 ff. = SozR 4-2600 § 43 Nr. 22). 

Bei der Klägerin bestehen auch nachweislich keine besonderen Umstände, welche die Ausübung einer leichten Erwerbstätigkeit in ungewöhnlicher Weise erschweren. Im Rahmen der - bezüglich des hier streitigen Anspruchs auf Rente wegen Erwerbsminderung allein maßgeblichen - Frage nach dem Bestehen realer Erwerbsmöglichkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsfeld bedarf es zwar einer besonders eingehenden Prüfung, wenn eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine spezifische Leistungsbehinderung festgestellt ist (vgl. BSG, Urteil vom 1. März 1984, 4 RJ 43/83 = SozR 2200 § 1246 Nr. 117 mit Hinweis auf BSG, Urteil vom 30. November 1982, 4 RJ 1/82 = SozR 2200 § 1246 Nr. 104) oder wenn der Rentenbewerber wegen eines besonders gearteten Berufslebens deutlich aus dem Kreis vergleichbarer Versicherter herausfällt (vgl. BSG, Urteil vom 18. Februar 1981, 1 RJ 124/79 = SozR 2200 § 1246 Nr. 75; BSG, Urteil vom 27. April 1982, 1 RJ 132/80 = SozR 2200 § 1246 Nr. 90). Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme liegen bei der Klägerin derartige medizinische Besonderheiten indes nicht vor. Die benannten qualitativen Leistungseinschränkungen sind im Wesentlichen bereits durch die Beschränkung des Leistungsvermögens der Klägerin auf leichte Tätigkeiten berücksichtigt. Soweit der Sachverständige Dr. med. M. fachfremd Zweifel an der Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit der Klägerin geäußert hat, hat Dr. med. L. in seinem Gutachten vom 10. Dezember 2018 in Übereinstimmung mit den Ausführungen des erstinstanzlichen Sachverständigen Dr. med. F. festgestellt, dass die Fähigkeit der Klägerin sich anzupassen und umzustellen, nicht zweifelhaft ist. Es hätten sich keine Anhaltspunkte für eine Einschränkung des Durchhaltevermögens ergeben, die kognitiven Fähigkeiten, insbesondere die Denkfunktionen, seien nicht leistungsrelevant eingeschränkt gewesen, ebenso wenig die Psychomotorik. Sie sei in der Lage, ihren Tagesablauf zu strukturieren, eine weitgehende, objektivierbare bzw. ausreichend begründbare Einschränkung der Fähigkeit zur Teilhabe an den Aktivitäten des täglichen Lebens läge nicht vor. Eine Änderung auf psychiatrischem Fachgebiet konnte Dr. med. L. in seiner ergänzenden Stellungnahme auch nach der Begutachtung durch Dr. med. M. nicht feststellen, so dass der Senat die von Dr. med. M. geäußerten Zweifel als fachärztlich ausgeräumt ansieht. 

Ob die für die Klägerin in Betracht kommenden Arbeitsplätze auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt frei oder besetzt waren, ist für die Entscheidung des vorliegenden Falles unerheblich, denn die Erwerbsfähigkeit von Versicherten, die wie die Klägerin noch in einem zeitlichen Umfang von arbeitstäglich sechs Stunden und mehr einsatzfähig sind, hängt nicht davon ab, ob das Vorhandensein von für sie offenen Arbeitsplätzen für die in Betracht kommenden Erwerbstätigkeiten konkret festgestellt werden kann oder nicht. Der im Sinne der sog. konkreten Betrachtungsweise auf die tatsächliche Verwertbarkeit der Resterwerbsfähigkeit abstellende Beschluss des Großen Senats des Bundessozialgerichts vom 10. Dezember 1976 (GS 2/75, GS 3/75, GS 4/75, GS 3/76 = SozR 2200 § 1246 Nr. 13) kann bei noch in einem zeitlichen Umfang von zumindest sechs Stunden arbeitstäglich einsatzfähigen Versicherten grundsätzlich nicht herangezogen werden. Das hat der Gesetzgeber in § 43 Abs. 3 SGB VI nochmals ausdrücklich mit dem Hinweis darauf klargestellt, dass nicht erwerbsgemindert ist, wer - ungeachtet der jeweiligen Arbeitsmarktlage - unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes noch mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann. Ausnahmen sind allenfalls dann in Betracht zu ziehen, wenn ein Versicherter nach seinem Gesundheitszustand vor allem nicht mehr dazu in der Lage ist, die an sich zumutbaren Arbeiten unter den in der Regel in Betrieben üblichen Bedingungen zu verrichten, oder wenn er außerstande ist, Arbeitsplätze dieser Art von seiner Wohnung aus aufzusuchen (vgl. BSG, Urteil vom 27. Februar 1980, 1 RJ 32/79 - juris Rdnr. 23). 

Auch ein solcher Ausnahmefall ist vorliegend nicht gegeben. Keiner der Sachverständigen hat festgestellt, dass die Klägerin krankheitsbedingt betriebsunübliche Pausen in rentenbegründendem Ausmaß einhalten müsste (vgl. hierzu: BSG, Urteil vom 20. April 1993, 5 RJ 34/92, juris). Auch ergeben sich aus den mitgeteilten Zeiten der Arbeitsunfähigkeit keine ernsthaften Zweifel, dass die Klägerin noch unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes in Betrieben einsetzbar ist (vgl. BSG, Beschluss vom 31. Oktober 2012, B 13 R 107/12 B, juris Rdnr. 17). Schließlich ist die Wegefähigkeit der Klägerin im streitbefangenen Zeitraum nicht rentenrelevant eingeschränkt (vgl. hierzu: BSG, Urteil vom 14. März 2002, B 13 RJ 25/01 R, juris Rdnr. 21 m.w.N.). Da ein Minimum an Mobilität zur Ausübung einer Tätigkeit zum Zweck des Gelderwerbs, die in der Regel nur außerhalb der Wohnung möglich ist, erforderlich ist (vgl. BSG, Urteil vom 17. Dezember 1991, 13/5 RJ 73/90 = SozR 3-2200, § 1247 Nr. 10; Urteil vom 9. August 2001, B 10 LW 18/00 R = SozR 3-5864, § 13 Nr. 2), gehört zur Erwerbsfähigkeit grundsätzlich auch die Fähigkeit des Versicherten, viermal am Tag Wegstrecken von (mehr als) 500 m Länge mit zumutbarem Zeitaufwand, d.h. jeweils innerhalb von 20 Minuten, zu Fuß bewältigen und zweimal täglich während der Hauptverkehrszeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren zu können (vgl. BSG, Urteil vom 17. Dezember 1991, 13/5 RJ 73/90 = SozR 3-2200, § 1247 Nr. 10). Dass die Klägerin hierzu nicht mehr in der Lage ist, ist zur Überzeugung des Senats erstmals durch die Feststellungen des Dr. med. M. ab der ambulanten Untersuchung am 15. November 2019 belegt. Dr. med. L. und Dr. med. F. berichteten noch nachvollziehbar von einer erhaltenen Wegefähigkeit. Der Klägerin ist es aufgrund ihrer orthopädischen Leiden insbesondere im Bereich der Knie und Füße ab dem Untersuchungszeitpunkt bei Dr. med. M. nachweislich nicht mehr zuzumuten, Wegstrecken in dem erforderlichen Maß zurückzulegen, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen oder einen PKW zu führen. Dies hat auch die Beklagte eingeräumt. Sie hat der Klägerin sodann mit Bescheid vom 20. März 2020 zum Ausgleich dieses Mobilitätsdefizits Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben im Sinne von Mobilitätshilfen bewilligt und die fehlende Wegefähigkeit der Klägerin in zulässiger Weise damit beseitigt. Es ist in der Rechtsprechung des BSG anerkannt, dass eine Einschränkung der Wegefähigkeit von Versicherten dann keinen Berentungsgrund darstellen kann, wenn der Rentenversicherungsträger durch geeignete Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (früher: berufsfördernde Leistungen zur Rehabilitation) eine ausreichende Mobilität der Versicherten herstellt (vgl. BSG, Urteil vom 19. November 1997, 5 RJ 16/97 = SozR 3-2600, § 44 Nr. 10; BSG, Urteil vom 14. März 2002, B 13 RJ 25/01 R; BSG, Urteil vom 12. Dezember 2011, B 13 RJ 79/11 R = BSGE 110, 1-8). Dass die innerhalb von sechs Monaten nach Feststellung der Einschränkung bewilligten Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben diesen Anforderungen gerecht werden, hat die Klägerin nicht in Abrede gestellt. Es ist nicht ersichtlich, dass sie den Bescheid vom 20. März 2020 angegriffen hätte.

Nach alledem ist die Klägerin nicht erwerbsgemindert im Sinne von § 43 SGB VI.

Die Klägerin hat im Übrigen auch keinen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit. Einen solchen Rentenanspruch haben nämlich bei Erfüllung weiterer Voraussetzungen gemäß § 240 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI nur diejenigen Versicherten, die vor dem 2. Januar 1961 geboren sind. Die 1972 geborene Klägerin gehört damit ganz offenkundig nicht zu dem Personenkreis, der aus dieser Vorschrift einen Rentenanspruch herleiten kann. Auch darauf lässt sich also das angefochtene Urteil nicht stützen. 

Nach alledem konnte die Berufung der Beklagten nicht ohne Erfolg bleiben, während der Berufung der Klägerin der Erfolg zu versagen war. 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.

Rechtskraft
Aus
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