L 6 AS 147/21

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
S 4 AS 364/20
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 AS 147/21
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

1. Ein Sanktionsbescheid und ein Leistungsbescheid, der die aus der Sanktion folgende Minderung einbezieht, bilden eine rechtliche Einheit, jedenfalls wenn sie in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang erlassen werden.

2. Eine im Sommer 2019 erteilte Belehrung zu den Rechtsfolgen des § 31a Abs. 2 SGB II, die auf die zu diesem Zeitpunkt maßgebliche und jedenfalls dem Gesetzeswortlaut nach weiterhin unveränderte rechtliche Lage abgestimmt war und dementsprechend die Modifikationen, die sich nachfolgend aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 5. November 2019 (1 BvL 7/16, BVerfGE 152, 68) für § 31a SGB II und den dazu ergagenen Fachlichen Weisungen der Bundesagentur für Arbeit ergaben, nicht berücksichtigen konnte, führt nicht zur Rechtswidrigkeit eines Minderungsbescheides.

3. Zur Verkürzung der Minderung nach § 31b Abs. 1 Satz 4 SGB II und der in diesem Rahmen zu treffenden Ermessensentscheidung.

I.    Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 4. März 2021 – S 4 AS 364/20 – abgeändert und der Bescheid des Beklagten vom 15. Oktober 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Mai 2020 insoweit aufgehoben, als der Beklagte mit ihm eine über sechs Wochen ab dem 1. November 2019 hinausgehende Minderung des Anspruchs des Klägers auf Arbeitslosengeld II und eine über diesen Zeitraum hinausgehende Aufhebung der Leistungsbewilligung verfügt hat. 

Der Bescheid des Beklagten vom 10. Juli 2020 wird aufgehoben, soweit der Beklagte darin einen über 236,65 Euro hinausgehenden Leistungsanspruch für Januar 2020 abgelehnt hat; der Beklagte wird verpflichtet, über einen Anspruch des Klägers auf weitere Leistungen in Höhe von 101,70 Euro für Januar 2020 erneut zu entscheiden.

Im Übrigen wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen. 

II.    Der Beklagte hat dem Kläger ein Drittel der zur Rechtsverfolgung notwendigen Kosten zu erstatten. 

III.    Die Revision wird nicht zugelassen. 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über den Eintritt einer Sanktion in Höhe von (noch) 30 Prozent des für den Kläger maßgebenden Regelbedarfs und deren Folgen für den Anspruch des Klägers auf Arbeitslosengeld II in der Zeit vom 1. November 2019 bis 31. Januar 2020. 

Der 1999 geborene Kläger lebt mit seiner Mutter und drei jüngeren Geschwistern zusammen. Die Familienmitglieder beziehen in Bedarfsgemeinschaft vom Beklagten laufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II). 

Für den von der Sanktion betroffenen Zeitraum gewährte ihnen der Beklagte zunächst durch Bescheid vom 5. Juni 2019 vorläufig Leistungen für die Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember 2019, und zwar für den Kläger in Höhe von 345,- Euro für November 2019 und 306,49 Euro für Dezember 2019, jeweils unter Berücksichtigung eines Regelbedarfs von 339,- Euro. Auf Bl. 541 ff. der zum Kläger und seiner Familie geführten Leistungsakte des Beklagten, Aktenteil Leistung – im Folgenden: LA Leistung – wird Bezug genommen. Auf Grund einer Heizkostenabrechnung, aus der sich unter anderem ein erhöhter monatlicher Vorauszahlungsbetrag ergab, änderte der Beklagte bei unveränderten Regelbedarfen die – weiterhin vorläufige – Leistungsbewilligung durch Bescheid vom 16. Juli 2019 ab und gewährte dem Kläger nunmehr Leistungen in Höhe von 359,- Euro für November 2019 und 321,06 Euro für Dezember 2019. Auf LA Leistung Bl. 580 ff. wird verwiesen. Gegen diesen Bescheid legten die Mitglieder der Familie durch den Prozessbevollmächtigten des Klägers Widerspruch ein (LA Leistung Bl. 598 ff.), nahmen diesen allerdings mit Schreiben des Prozessbevollmächtigten vom 7. Januar 2020 (LA Leistung Bl. 754) wieder zurück.

Der Kläger hatte, soweit ersichtlich im Jahr 2017, die Hauptschule abgeschlossen und anschließend am 14. August 2017 eine Berufsausbildung zum Fachlageristen in einer außerbetrieblichen Einrichtung des BZ Bildungszentrums A-Stadt GmbH aufgenommen. Das Ausbildungsverhältnis endete jedoch wegen hoher Fehlzeiten innerhalb der Probezeit.

Im Rahmen der Vermittlungsbemühungen des Beklagten absolvierte der Kläger dann in der Zeit vom 22. Oktober 2018 bis 11. März 2019 die Maßnahme „MSC“ (modulares systemisches Coaching) bei dem Träger „Tertia“. Ausweislich der Maßnahmebeschreibung waren die übergeordneten Ziele die Heranführung an den Arbeitsmarkt sowie die Beratung und Stärkung der Teilnehmer in ihrer jeweiligen Lebenslage. Auf den Abschlussbericht des Maßnahmeträgers vom 15. März 2019 (Leistungsakte, Aktenteil Vermittlung/Beratung – im Folgenden: LA Vermittlung – Bl. 4 ff.), in dem unter anderem auf die „sehr herausfordernde“ Kindheit und Jugend des Klägers und die Schwierigkeiten hinsichtlich der Ausbildung eingegangen wird, wird Bezug genommen.

Aus diesem Bericht wie auch aus den vom Beklagten vorgelegten Beratungsvermerken und dessen Leistungsakte geht hervor, dass es sowohl im Rahmen der Maßnahme als auch bei Vorsprachen bei dem Beklagten hinsichtlich der Einhaltung von Terminen durch den Kläger immer wieder zu Schwierigkeiten kam (vgl. z.B. die beiden Minderungsbescheide nach § 32 SGB II vom 23. April 2018, Leistungsakte, Aktenteil Sanktion – im Folgenden: LA Sanktion – Bl. 14 ff., die drei Minderungsbescheide vom 4. Juni 2018, LA Sanktion Bl. 38 ff., und den erwähnten Abschlussbericht von „Tertia“). 

Auf der Basis einer Eingliederungsvereinbarung vom 8./20. Mai 2019 nahm der Kläger dann in der Zeit vom 2. Mai bis 5. Juli 2019 an der Maßnahme „LoLA XII“ (= Lokales Netzwerk Lernen und Arbeiten; in der Eingliederungsvereinbarung ist von der Teilnahme an der Maßnahme LoLA XI bereits ab dem 9. April 2019 die Rede), einer Maßnahme des Maßnahmeträgers Outlaw A-Stadt gGmbH zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung, teil. Ausweislich der Eingliederungsvereinbarung war Bildungsziel die „Aktivierung von Bewerber*innen U 25 zur Überwindung von Vermittlungshemmnissen mit einem Lotsen für individuellen pädagogischen Förderbedarf“. Zielgruppe waren Teilnehmerinnen und Teilnehmer unter 25 Jahren, die wegen vielfältiger Vermittlungseinschränkungen an den Arbeits- und Ausbildungsmarkt herangeführt werden müssen und einen hohen sozialpädagogischen Unterstützungsbedarf haben. Die Dauer der Maßnahmen war mit „individuell bis max. 11,5 Monate“ angegeben. Es war eine Wochenstundenzahl von 30 Stunden vorgesehen, die sich auf tägliche Unterrichtszeiten von circa 9 bis 15 Uhr verteilen sollten. Wegen der Einzelheiten wird auf die Eingliederungsvereinbarung, LA EGV Bl. 6 ff., Bezug genommen.

Ab 16. Juli 2019 nahm der Kläger dann auf der Grundlage einer Eingliederungsvereinbarung vom 23. Juli 2019 an der Fortsetzungsmaßnahme „LoLA XIII“ teil; das Ende der Maßnahme war für den 12. Oktober 2020 vorgesehen. LoLA XIII verfolgte das gleiche Bildungsziel wie die vorangegangene Maßnahme, war an dieselbe Zielgruppe gerichtet und fand ebenfalls mit 30 Wochenstunden, verteilt auf tägliche Unterrichtszeiten von 9.00 bis 15.00 Uhr, statt. Unter der Überschrift „Rechtsfolgenbelehrung zur Teilnahme an Maßnahmen“ hieß es in der Eingliederungsvereinbarung, zu den Pflichten des Klägers gehöre die Teilnahme an der in der Eingliederungsvereinbarung aufgeführten Maßnahme zur Eingliederung in Arbeit. Ein Verstoß liege bei Nichtantritt oder Abbruch der zumutbaren Maßnahme vor. Auch Verhalten, welches Anlass zum Abbruch der Maßnahme gebe, sei als Pflichtverstoß zu werten. Bezüglich der Rechtsfolgen zur Minderung des Arbeitslosengeldes II werde auf die Rechtsfolgenbelehrung „Bemühungen des Kunden zur Integration in Arbeit“ verwiesen. Unter dieser Überschrift war unter anderem ausgeführt, die § 31 bis § 31b SGB II sähen bei Verstößen gegen die in der Eingliederungsvereinbarung festgelegten Pflichten Leistungsminderungen vor. Das Arbeitslosengeld II könne danach – auch mehrfach nacheinander – gemindert werden oder vollständig entfallen. Verstoße der Kläger erstmals gegen die mit ihm vereinbarten Pflichten oder Eingliederungsbemühungen, werde das ihm zustehende Arbeitslosengeld II auf die Leistungen für Unterkunft und Heizung (§ 22 SGB II) beschränkt. Vorsorglich werde darauf hingewiesen, dass bei weiteren Verstößen gegen die vereinbarten Eingliederungsbemühungen sein Arbeitslosengeld II vollständig entfalle. Die Minderung dauere drei Monate (Sanktionszeitraum) und beginne mit dem Kalendermonat nach Zugang des Sanktionsbescheides. Während dieser Zeit bestehe kein Anspruch auf ergänzende Hilfen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch – Sozialhilfe – (SGB XII). Eine Pflichtverletzung liege nicht vor, wenn er für sein Verhalten einen wichtigen Grund darlege und nachweise. Ein nach seiner Auffassung wichtiger Grund, der jedoch nach objektiven Maßstäben nicht als solcher anerkannt werden könne, verhindere den Eintritt der Leistungsminderung nicht. Bei einer Minderung des Arbeitslosengeldes II um mehr als 30 Prozent des maßgebenden Regelbedarfs könnten auf Antrag ergänzende Sachleistung oder geldwerte Leistungen erbracht werden. Diese seien grundsätzlich zu erbringen, wenn minderjährige Kinder im Haushalt lebten. Vorrangig sei aber Einkommen und verwertbares Vermögen zur Sicherung des Lebensunterhaltes einzusetzen. Im Einzelfall könne die Dauer der Sanktion auf sechs Wochen verkürzt werden. Auf die Eingliederungsvereinbarung (LA EGV – Bl. 11 ff.) wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen.

Ab dem 20. August 2019 besuchte der Kläger die Abendrealschule. In diesem Zusammenhang hatte der Beklagte zuvor in einem Vermerk vom 14. August 2019 festgehalten, dass sich die Anwesenheitszeiten des Klägers bei der Maßnahme seit einem vorangegangenen Interventionsgespräch deutlich verbessert hätten und er den Besuch der Abendschule zur Erreichung des Realschulabschlusses anstrebe. Eine Fortsetzung der Maßnahme LoLA hielt der Beklagte allerdings zur Stabilisierung des Schulbesuchs für notwendig.

Tatsächlich nahm der Kläger ab Beginn des Schulbesuchs an der Maßnahme nicht mehr teil. Deren Träger teilte dies dem Beklagten unter dem 26. August 2019 mit und übermittelte in Kopie eine (erste) Abmahnung des Klägers vom gleichen Tage (LA Vermittlung Bl. 12). Aus dem vom Beklagten hierzu gefertigten Vermerk geht hervor, dass der Kläger schriftlich mitgeteilt habe, dass er sich bei der Maßnahme „überfordert“ fühle. 

Nachdem der Kläger auch weiterhin an der Maßnahme nicht mehr teilgenommen hatte, erfolgte unter dem 2. September 2019 (LA Vermittlung Bl. 13) eine zweite Abmahnung durch den Träger. Da der Kläger der Maßnahme dennoch weiter fernblieb, hörte der Beklagte ihn durch Schreiben vom 6. September 2019 (LA Sanktion Bl. 63 f.) zum möglichen Eintritt einer Sanktion an und führte in diesem Zusammenhang insbesondere aus, der Kläger habe am 6. September 2019 trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis eine zumutbare Maßnahme zur Eingliederung in Arbeit bei der Outlaw A-Stadt GmbH, Projekt „LOLA XIII“, abgebrochen. Nach bisherigem Stand seien keine Gründe erkennbar, die dies rechtfertigten.
In dem anschließend übermittelten Abschlussbericht des Trägers vom 30. September 2019 (LA Vermittlung Bl. 15 ff.) hieß es unter anderem, dass es sowohl während der Maßnahme LoLA XII als auch bei der Maßnahme LoLA XIII zu Fehlzeiten des Klägers gekommen sei. Die weitere Teilnahme an dem Projekt LoLA sei Auflage des Beklagten gewesen, um den Abendschulbesuch zielführend zu begleiten und die im Projekt angebotenen Unterrichts- und Fördereinheiten zur Unterstützung zu nutzen. Da der Kläger dieser Auflage nicht nachgekommen sei, sei die Maßnahme zum 6. September 2019 mangels Mitwirkung vorzeitig beendet worden.

Nachdem weder auf die Anhörung noch auf die vorangegangenen Abmahnungen des Maßnahmeträgers hin eine (aktenkundige) Reaktion des Klägers erfolgt war, stellte der Beklagte durch den streitigen Bescheid vom 15. Oktober 2019 für die Zeit vom 1. November 2019 bis zum 31. Januar 2020 eine Beschränkung des Arbeitslosengeldes II auf die Bedarfe für Unterkunft und Heizung fest. Gleichzeitig hob er den Bewilligungsbescheid vom 5. Juni 2019 für die Zeit vom 1. November 2019 bis zum 31. Dezember 2019, also dem Ende des laufenden Bewilligungszeitraums, im Umfang der vorgenannten Minderung auf. Dem Kläger verblieben danach noch Leistungen in Höhe der anteilig auf ihn entfallenden Bedarfe für Unterkunft und Heizung von monatlich 194,- Euro. Zur Begründung führte der Beklagte aus, dass ein wichtiger Grund für das unentschuldigte Fehlen nicht vorliege. Eine Verkürzung des Minderungszeitraums auf sechs Wochen sei nach Abwägung der im Fall des Klägers vorliegenden Umstände mit den Interessen der Allgemeinheit nicht gerechtfertigt. Wegen der Minderung um mehr als 30 Prozent des maßgebenden Regelbedarfs könnten auf Antrag Gutscheine oder geldwerte Leistungen gewährt werden. Wegen der Einzelheiten wird auf LA Sanktion Bl. 68 f. verwiesen.

Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein und verwies zur Begründung auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts – BVerfG – vom 5. November 2019 im Verfahren 1 BvL 7/16. Auf LA Sanktion Bl. 71 f. wird Bezug genommen.

In einem vom Kläger ebenfalls im Wesentlichen unter Verweis auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts parallel eingeleiteten Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes – S 7 AS 157/19 ER – ließ er, nachdem das Gericht um Stellungnahme zu § 31a Abs. 2 Satz 4 SGB II, also der Möglichkeit einer Verkürzung der Minderung, wenn der Betroffene sich nachträglich bereit erklärt, seine Pflichten zu erfüllen, gebeten hatte, mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 26. November 2019 ausführen, dass er die nach seinem Dafürhalten rechtswidrig angeordnete Maßnahme nicht wieder antreten werde. Er besuche seit dem 20. August 2019 bis voraussichtlich 15. Juli 2021 die Abendschule A-Stadt, was dem Beklagten auch bekannt sei.

Das Sozialgericht ordnete anschließend mit Beschluss vom 2. Dezember 2019 die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Klägers gegen den Sanktionsbescheid vom 15. Oktober 2019 an, soweit dieser eine Minderung von mehr als 30 Prozent des monatlichen Regelbedarfs festsetze. 

Der Beklagte reduzierte daraufhin durch Bescheid vom 5. Dezember 2019 (LA Leistung Bl. 669) die verhängte Sanktion ab dem 2. Dezember 2019 auf 30 Prozent der „Regelleistung“ des Klägers und hob den Bescheid vom 15. Oktober 2019 entsprechend teilweise auf. Der Bescheid ergehe in Umsetzung des Beschlusses des Sozialgerichts vom 2. Dezember 2019 „vorläufig bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens“. Der Bescheid werde „Gegenstand des Klageverfahrens“.

Auf Weiterbewilligungsantrag vom 18. November 2019 (LA Leistung Bl. 648 ff.) gewährte der Beklagte den Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft durch Bescheid gleichfalls vom 5. Dezember 2019 – wiederum vorläufig – Leistungen für die Zeit vom 1. Januar 2020 bis zum 30. Juni 2020. Zu Gunsten des Klägers bewilligte er dabei für Januar 2020 Arbeitslosengeld II in Höhe von 236,65 Euro. Dabei berücksichtigte er unter der Bezeichnung „Nichterscheinen zum Meldetermin“ eine Minderung des Regelbedarfs um 101,70 Euro. Auf LA Leistung Bl. 671 ff. wird wegen der Einzelheiten verwiesen.

Unter dem 24. Februar 2020 vermerkte der Beklagte in seinen Akten, dass er die Sanktionsverfügung nach dem Verfassungsgerichtsurteil „auf besondere Härte und Anlass zur Verkürzung“ überprüft habe, aber kein Veränderungsbedarf bestehe.

Mit Widerspruchsbescheid vom 28. Mai 2020 (LA Leistung Bl. 866 ff.) hob der Beklagte den Bescheid vom 15. Oktober 2019 insoweit auf, als die verfügte Minderung des Arbeitslosengeldes II über dem Betrag von monatlich 101,70 Euro (30 Prozent des maßgeblichen Regelbedarfs) hinausging. Im Übrigen wies er den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte er insbesondere aus, der Kläger habe im Zuge des Eilverfahrens durch seinen Bevollmächtigten vortragen lassen, dass er die Maßnahme LoLA nicht wieder antreten wolle, da er seit dem 20. August 2019 die Abendschule mit dem Ziel des Erwerbs des Realschulabschlusses besuche. Er müsse jedoch nach § 2 SGB II alle Möglichkeiten zur Beendigung oder Verringerung der Hilfebedürftigkeit ausschöpfen und hierzu unter anderem aktiv an allen Maßnahmen zur Eingliederung in Arbeit mitwirken. Gemäß § 31 Abs. 1 Nr. 3 SGB II verletzten erwerbsfähige Leistungsberechtigte ihre Pflichten, wenn sie trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen eine zumutbare Maßnahme zur Eingliederung nicht anträten, abbrächen oder Anlass für den Abbruch gegeben hätten. Diese Voraussetzungen lägen im Fall des Klägers vor, denn er habe durch sein unentschuldigtes Fernbleiben den Anlass zum Abbruch der Maßnahme gegeben. Ein wichtiger Grund hierfür liege nicht vor. Der Besuch der Abendrealschule jedenfalls stelle keinen wichtigen Grund dar, da eine Abendschule darauf ausgerichtet sei, dass die Schüler tagsüber einer Beschäftigung nachgingen – und dies im Zweifel in Vollzeit. Aufgrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 5. November 2019 sei die Sanktion auf 30 Prozent des maßgebenden Regelbedarfs zu reduzieren. Eine Verkürzung des Minderungszeitraums oder ein vollständiges Absehen von der Minderung aufgrund einer außergewöhnlichen Härte – wie vom Bundesverfassungsgericht auch für Minderungen bis 30 Prozent vorgegeben – komme vorliegend angesichts der Gesamtumstände nicht in Betracht. Der Kläger habe sich weder einsichtig gezeigt noch sei er bereit gewesen, seiner Verpflichtung für die Zukunft nachzukommen. Anhaltspunkte für die Annahme einer besonderen Härte ergäben sich nicht. 

Hiergegen hat der Kläger am 24. Juni 2020 beim Sozialgericht Kassel Klage erhoben. 

Während des Klageverfahrens hat der Beklagte durch Bescheid vom 10. Juli 2020 die Leistungen für den Zeitraum vom 1. Januar 2020 bis zum 30. Juni 2020 endgültig festgesetzt. Für Januar 2020 hat er dem Kläger Leistungen in Höhe von 236,65 Euro gewährt. Im Berechnungsbogen ist dabei wiederum eine „Minderung des Auszahlungsanspruchs (Sanktion)“ unter der Bezeichnung „Nichterscheinen zum Meldetermin“ mit einem Betrag von 101,70 Euro berücksichtigt. Wegen der Einzelheiten wird auf LA Leistung Bl. 911 ff. Bezug genommen. 

Zur Begründung seiner Klage hat der Kläger im Wesentlichen geltend gemacht, dass weder das Handeln des Beklagten noch die zum Zeitpunkt des tatsächlichen Geschehens maßgebliche Gesetzeslage den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts aus der Entscheidung vom 5. November 2019 im Hinblick auf die mögliche Berücksichtigung einer besonderen Härte und der Nachholung der Mitwirkungshandlung genügt hätten.

Der Beklagte hat demgegenüber insbesondere darauf verwiesen, dass ein Bemühen des Klägers um eine Klärung der Situation oder gar eine Nachholung der Mitwirkungshandlung nicht erkennbar seien. Er hat dazu seine elektronischen Beratungsvermerke (sog. Verbis-Vermerke) für die Zeit vom 9. Februar 2018 bis zum 18. Februar 2021 (Anlage zu Bl. 48 der Gerichtsakte – im Folgenden: GA –) sowie die inhaltliche Beschreibung der Maßnahme „LoLa“ (GA Bl. 51 ff.) übersandt. Hierauf wird wegen der Einzelheiten verwiesen.

Nachdem das Sozialgericht den Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 4. März 2021 zu den Umständen des Abbruchs der Maßnahme gehört hatte – insoweit wird auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen (GA Bl. 79 f.) –, hat es mit Urteil vom gleichen Tage (GA Bl. 86 ff.) die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es insbesondere ausgeführt, der Kläger habe den Tatbestand einer Pflichtverletzung gemäß § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II erfüllt. Hier kämen sowohl die Tatbestandsalternativen „eine Maßnahme abbrechen“ als auch „Anlass für den Abbruch geben“ in Betracht. Es sei zwischen den Beteiligten nicht streitig, dass der Kläger ab 20. August 2019 mit dem Besuch der Abendschule begonnen und seitdem bei der Maßnahme LoLa ohne Entschuldigung und Abwesenheitsnachricht gefehlt habe. Trotz Abmahnungen des Maßnahmeträgers vom 26. August und 2. September 2019 habe er sein Verhalten nicht geändert. Bereits darin könne die Erfüllung des Tatbestandsmerkmals „eine Maßnahme abbrechen“ gesehen werden. Denn ein über zwei Wochen anhaltendes nicht entschuldigtes Fernbleiben von der Maßnahme lasse auch im subjektiven Bereich darauf schließen, dass der Kläger die Maßnahme nicht mehr habe fortführen wollen. Dies entspreche auch seinem Vortrag im sich anschließenden einstweiligen Rechtsschutzverfahren, in dem mitgeteilt worden sei, dass der Kläger die Maßnahme nicht wieder antreten werde. Jedenfalls sei auch die Alternative „Anlass für den Abbruch der Maßnahme gegeben haben“ erfüllt. Denn der Beklagte habe aufgrund der unentschuldigten Fehlzeiten unter dem 6. September 2019 den Abbruch der Maßnahme eingeleitet. Hierbei habe der Beklagte nicht allein aufgrund der bekannten Fehlzeiten gehandelt, sondern sich im Vorfeld sogar um eine Kontaktaufnahme zum Kläger bemüht. Aus den Akten sei ersichtlich (Vermerk vom 26. August 2019) – ohne dass das Schreiben vorliege –, dass der Kläger schriftlich gebeten habe, nicht mehr an der Maßnahme teilnehmen zu müssen, da er sich damit überfordert fühle. Es hätten unter diesem Datum sowie unter dem 5. September 2019 jeweils eine Kontaktaufnahme des Beklagten zu dem [die Familie im Rahmen der Kinder- und Jugendhilfe unterstützenden] Familienhelfer stattgefunden, der den Kläger auf die weitere Teilnahmeverpflichtung an LoLA beziehungsweise die Notwendigkeit einer Teilzeitbeschäftigung neben der Abendschule habe hinweisen sollen. Zu einem Kontakt zwischen Kläger und Beklagtem sei es nicht gekommen. 

Der Kläger sei auch über die Rechtsfolgen seines Handelns schriftlich belehrt worden. In der von ihm unterzeichneten Eingliederungsvereinbarung vom 23. Juli 2019 sei er schriftlich ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass er verpflichtet gewesen sei, an der in der Eingliederungsvereinbarung benannten Maßnahme LoLA teilzunehmen. Auf die sich aus der Verletzung dieser Pflicht ergebenden Rechtsfolgen sei er – entsprechend der damaligen Rechtslage – deutlich hingewiesen worden, insbesondere auch auf die verschärften Sanktionen nach § 31a Abs. 2 Satz 4 SGB II

Dem Kläger stehe für sein Verhalten auch kein wichtiger Grund zur Seite (§ 31 Abs. 1 Satz 2 SGB II). Insbesondere sei der Besuch der Abendschule kein wichtiger Grund dafür, an der Maßnahme LoLA nicht weiter teilzunehmen. Eine Abendschule sei regelmäßig so konzipiert, dass Menschen während des Tages erwerbstätig sein könnten und dann am Abend zum Zwecke ihrer Fort- und Weiterbildung die Schule besuchten. Sie sei also gerade darauf ausgelegt, auch hinsichtlich ihrer Anforderungen, dass sie neben einer tagsüber erfolgenden Beschäftigung absolviert werden könne. Weitere Anhaltspunkte zum Vorliegen eines wichtigen Grundes seien für die Kammer nicht ersichtlich und vom Kläger auch nicht vorgetragen worden. Insbesondere habe er keine weiteren Umstände dazu vorgetragen, die auf eine zum Zeitpunkt des Abbruchs der Maßnahme bei ihm bestehende Überforderung durch den Besuch der Maßnahme hindeuten könnten. Seine Angaben bestätigten vielmehr die Beschreibung der Maßnahme, nämlich, dass es sich um ein niedrigschwelliges Angebot zur Schaffung einer Tagesstruktur, Bearbeitung der individuellen Ausgangssituation u.ä. gehandelt habe (Verweis auf GA Bl. 66). 

Die damit an sich gesetzlich angeordnete Rechtsfolge für diese Pflichtverletzung eines unter 25-jährigen Leistungsberechtigten, nämlich die Beschränkung des Arbeitslosengeldes II auf die für die Bedarfe nach § 22 SGB II zu erbringenden Leistungen gemäß § 31a Abs. 2 SGB II, sei nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 5. November 2019 nicht mehr anzunehmen. Unter Berücksichtigung dieses Urteils sei zur Überzeugung der Kammer die Rechtsfolge (Minderung des Arbeitslosengeldes II im Umfang von 30 Prozent des maßgebenden Regelsatzes), wie sie der Beklagte vorliegend festgesetzt habe, rechtlich nicht zu beanstanden. Das Bundesverfassungsgericht habe entschieden, dass § 31a Abs. 1 SGB II mit dem Grundgesetz unvereinbar sei, soweit die Höhe der Leistungsminderung 30 Prozent des maßgebenden Regelbedarfs übersteige. Eine Minderung in Höhe von 30 Prozent werde dagegen als verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden angesehen. Allerdings habe das Bundesverfassungsgericht eine Einschränkung dahingehend getroffen, dass eine Leistungsminderung nur dann zumutbar sei, wenn in einem Fall außergewöhnlicher Härte von der Sanktion abgesehen werden könne und die Minderung nicht unabhängig von der Mitwirkung der Betroffenen starr andauere. Das Bundesverfassungsgericht habe angeordnet, dass die Sanktionsregelung des § 31a Abs. 1 Sätze 1 bis 3 und § 31b SGB II in den Fällen des § 31 Abs. 1 SGB II mit den tenorierten Einschränkungen weiter anwendbar seien (BVerfG, Urteil vom 5. November 2019 – 1 BvL 7/16 –, juris Rn. 218). Zum Zeitpunkt der Urteilsverkündung nicht bestandskräftige Bescheide über Leistungsminderungen nach § 31a Abs. 1 Sätze 2 und 3 SGB II seien, soweit sie über eine Minderung in Höhe von 30 Prozent des maßgebenden Regelbedarfs hinausgingen, aufzuheben (a.a.O., Rn. 222). Zwar habe sich das Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung nicht mit den speziell geregelten Sanktionen für Leistungsberechtigte unter 25 Jahren (§ 31 Abs. 2 Sätze 1 bis 3 SGB II) auseinandergesetzt, jedoch sei zur Überzeugung der Kammer der Inhalt dieser Entscheidung auch auf diese Fälle zu übertragen. Diesem Verständnis sei offenbar auch der Beklagte gefolgt, indem er den zur Zeit der Urteilsverkündung noch nicht bestandskräftigen Bescheid vom 15. Oktober 2019 entsprechend der Anwendungsanordnung des Bundesverfassungsgerichts zu § 31a Abs. 1 Sätze 2 und 3 SGB II geändert und im Widerspruchsbescheid eine Minderung in Höhe von nur 30 Prozent des maßgebenden Regelbedarfs festgesetzt habe. 

Auch unter Berücksichtigung der vom Bundesverfassungsgericht angeordneten Prüfung dazu, ob eine außergewöhnliche Härte vorliege oder ob die Mitwirkungspflicht nachträglich erfüllt beziehungsweise die künftige Bereitschaft dazu ernsthaft und nachhaltig erklärt werde, seien die angefochtenen Bescheide nicht zu beanstanden. Zwar sei der Ausgangsbescheid vom 15. Oktober 2019 zu einem Zeitpunkt ergangen, als das Urteil des Bundesverfassungsgerichts noch nicht vorgelegen habe; hier allerdings habe der Minderungszeitraum erst mit dem 1. November 2019 begonnen, so dass dieser größtenteils in der Zeit nach der Verkündung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts liege, der Widerspruchsbescheid sei sogar erst im Mai 2020 ergangen. Bei dieser Fallkonstellation halte die Kammer die Prüfung von Härte und Wohlverhaltensregelung für erforderlich. Unter dem Gesichtspunkt des Vorliegens einer „außergewöhnlichen Härte“ sehe auch die Kammer keinen Anlass, von der dreimonatigen Sanktionsdauer abzusehen. Der Beklagte habe sich nämlich bemüht, den Kläger, der sich fortlaufend in einer schwierigen familiären Situation befunden habe, in eine individuell passgenaue Maßnahme zu vermitteln. Dass der Kläger die Maßnahme letztendlich nicht fortgeführt und stattdessen den Besuch der Abendschule favorisiert und diese auch angetreten habe, stelle keine außergewöhnliche Härte dar. Insbesondere sei nicht zu erkennen, dass der Besuch der Abendschule eine sofortige Einstellung der Maßnahmeteilnahme ohne Rücksprache mit dem Maßnahmeträger und dem Beklagten erfordert hätte. Zumal der Besuch der Abendschule und die gleichzeitige Teilnahme an dem Projekt LoLA ausweislich des Vermerks vom 14. August 2019 zwischen Kläger und Beklagtem vereinbart gewesen sei. Weitere Anhaltspunkte, insbesondere neue, plötzlich auftauchende weitere persönliche Schwierigkeiten, ergäben sich weder aus der Aktenlage noch würden solche vom Kläger vorgetragen. Auch habe er in der Zeit nach Abbruch der Maßnahme zu keinem Zeitpunkt gezeigt, dass er in Zukunft erneut mitwirken möchte, und zum Beispiel den Wiedereintritt in die Maßnahme angeboten beziehungsweise ein solches Interesse gezeigt. Im Gegenteil habe er im einstweiligen Rechtsschutzverfahren definitiv mitgeteilt, dass er die angeordnete Maßnahme nicht wieder antreten werde. Angesichts dieser Umstände hätten keine Anhaltspunkte für ein Wohlverhalten vorgelegen, das geeignet sein könnte, zu einer Verkürzung der Sanktionsdauer zu führen. 

Entgegen der Auffassung des Klägers und seinem Verweis auf den Beschluss des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 26. November 2019 – L 29 AS 2004/19 B ER – halte die Kammer auch eine ausdrückliche Belehrung über die Wohlverhaltensregelung während des laufenden Minderungszeitraumes im vorliegenden Fall nicht für erforderlich. Vorliegend stütze sich die Kammer darauf, dass der Kläger bereits im Eilverfahren im November 2019 deutlich zum Ausdruck gebracht habe, dass er die Maßnahme nicht habe fortführen wollen. Der rechtskundig vertretene Kläger hätte aber bereits im Eilverfahren die Mitwirkung nachholen beziehungsweise dem Beklagten seine zukünftige Mitwirkung anbieten können. Beides sei nicht erfolgt. Bereits aus diesen tatsächlichen Umständen sei zumindest im vorliegenden Fall eine gesonderte Belehrung des Beklagten im Hinblick auf das sogenannte Wohlverhalten nicht erforderlich gewesen. 

Es sei auch nicht erkennbar, dass der Beklagte bei der Feststellung des dreimonatigen Minderungszeitraumes die gemäß § 31b Abs. 1 Satz 4 SGB II erforderliche Ermessensausübung nicht vorgenommen habe. Nach dieser Regelung ‚könne‘ der Träger bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hätten, den Auszahlungsanspruch in Höhe der Bedarfe nach § 20 und § 21 SGB II unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls auf sechs Wochen verkürzen. Der geforderten Ermessensentscheidung sei der Beklagte nachgekommen. Im Ausgangsbescheid vom 15. Oktober 2019 habe er ausgeführt, dass eine Verkürzung des Minderungszeitraums auf sechs Wochen nach Abwägung der vorliegenden Umstände mit den Interessen der Allgemeinheit nicht gerechtfertigt sei. Dies zeige, dass der Beklagte ausgehend von dem maßgebenden Sachverhalt eine beanstandungsfreie Ermessensentscheidung getroffen habe. Hierzu sei es nicht erforderlich gewesen, die abgewogenen Belange im Einzelnen ausdrücklich zu benennen. Insbesondere sei es für die Kammer nachvollziehbar, dass die Umstände des Abbruchs der Maßnahme und das Verhalten des Klägers dabei keinen zwingenden Anhalt geboten hätten, zu Gunsten des Klägers eine Verkürzungsentscheidung zu treffen. Der Umstand, dass der Kläger die Abendschule besucht habe – die er im Übrigen nach einem Jahr abgebrochen habe –, stelle offenkundig keinen Grund dar, ohne Einvernehmen mit dem Beklagten und dem Maßnahmeträger die begonnene Maßnahme eigenmächtig abzubrechen. Dann aber sei dies auch kein zu seinen Gunsten zu berücksichtigendes Argument, im Rahmen der zu treffenden Ermessensentscheidung eine Verkürzung der Sanktionsdauer annehmen zu müssen. 

Nach Zustellung des Urteils am 24. März 2021 hat der Kläger durch seinen Bevollmächtigten am 26. März 2021 Berufung eingelegt. Zur Begründung wiederholt er im Wesentlichen sein Vorbringen dazu, dass die Rechtsfolgenbelehrung hinsichtlich der streitigen Sanktion nicht den verfassungsgerichtlichen Vorgaben entsprochen habe. 

Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 4. März 2021 – S 4 AS 364/20 – sowie den Bescheid des Beklagten vom 15. Oktober 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Mai 2020 vollständig aufzuheben sowie den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 10. Juli 2020 zu verurteilen, ihm für Januar 2020 weiteres Arbeitslosengeld II in Höhe von 101,70 Euro zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angegriffene Urteil sowie seine Bescheide.

Beide Beteiligte haben sich mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt, der Kläger durch Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 19. Mai 2021, der Beklagte mit Schriftsatz vom gleichen Tage.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten zum hiesigen wie zum Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes vor dem SG Kassel – S 7 AS 157/19 ER – und der zum Kläger geführten Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung des Klägers ist nur zum Teil begründet. Die Minderungs- und die an sie anknüpfende Aufhebungsverfügung können keinen Bestand haben, soweit die getroffenen Regelungen über einen Zeitraum von sechs Wochen ab dem 1. November 2019 hinausreichen; insoweit sind sie wegen eines Ermessensfehlers rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten. Der streitige Minderungs- und Aufhebungsbescheid ist daher teilweise aufzuheben. In der Konsequenz hat der Beklagte wegen der für Januar 2020 zu gewährenden Leistungen eine neue Entscheidung zu treffen. Das sozialgerichtliche Urteil ist insoweit abzuändern, während die Berufung im Übrigen keinen Erfolg haben kann. 

I. Gegenstand des Verfahrens ist – neben dem Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 4. März 2021 – zunächst der Bescheid des Beklagten vom 15. Oktober 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Mai 2020.

Mit diesem hat der Beklagte den Eintritt einer Pflichtverletzung nach § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB II und einer daran anknüpfenden Minderung im Zeitraum vom 1. November 2019 bis 31. Januar 2020 festgestellt; der Umfang der verfügten Minderung beträgt (nur noch) 30 Prozent des für den Kläger maßgebenden Regelbedarfs, konkret monatlich 101,70 Euro, nachdem der Beklagte seine ursprünglich weitergehende Entscheidung zunächst durch den Bescheid vom 5. Dezember 2019 vorläufig und für die Zeit ab 2. Dezember 2019 und dann im Widerspruchsbescheid  vom 28. Mai 2020 endgültig und für den gesamten Zeitraum entsprechend korrigiert hat. Zudem hat er die vorangegangene, wenn auch nur vorläufige Leistungsbewilligung durch den Bescheid vom 5. Juni 2019, geändert durch den Bescheid vom 16. Juli 2019, für die Monate November und Dezember 2019 in entsprechendem Umfang aufgehoben. 

Der Änderungsbescheid vom 5. Dezember 2019, mit dem der Beklagte die Entscheidung des Sozialgerichts im einstweiligen Rechtsschutz umgesetzt hat, hat sich mit dem Erlass des Widerspruchsbescheides vom 28. Mai 2020 erledigt und ist daher nicht zum Gegenstand des Klageverfahrens geworden. Der Beklagte hatte den Bescheid vom 5. Dezember 2019 ausdrücklich als nur vorläufige Entscheidung gekennzeichnet, die in Umsetzung der Entscheidung des Sozialgerichts im einstweiligen Rechtsschutz ergehe. Zwar sollte er nach dem Wortlaut der vorläufigen Regelung bis zum Abschluss des (zu diesem Zeitpunkt allerdings noch gar nicht anhängigen) „Hauptsacheverfahrens“ gelten. Das ändert jedoch nichts daran, dass der Beklagte mit dem Widerspruchsbescheid vom 28. Mai 2020 eine die vorläufige Regelung ersetzende (und mit ihr inhaltlich übereinstimmende, allerdings auf den gesamten Streitzeitraum erstreckte) Regelung getroffen hat, so dass sich die vorläufige Entscheidung nach § 39 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) erledigt hat. Der Kläger musste den Bescheid daher nicht in seine Anträge einbeziehen, um sein Klageziel zu erreichen, das Sozialgericht zu diesem keine Entscheidung treffen.

Für die Monate November und Dezember 2019 kann der Kläger sein letztlich auf die nicht abgesenkte Gewährung von Leistungen gerichtetes Rechtsschutzziel bereits durch die Aufhebung des Bescheides vom 15. Oktober 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Mai 2020 und also im Wege einer reinen Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG) erreichen. Würden die Minderungs- und die daran anknüpfende Aufhebungsverfügung im hiesigen Verfahren ihrerseits aufgehoben, würde die frühere Leistungsbewilligung wieder wirksam. Insoweit war und ist zwar, soweit ersichtlich, nur eine vorläufige Entscheidung ergangen; nachdem der Kläger aber seinerseits eine endgültige Leistungsfestsetzung für die Monate Juli bis Dezember 2019 nicht beantragt hat, erreicht er sein erkennbares Rechtsschutzziel, nämlich die Wiederherstellung der durch die Minderungsentscheidung nicht beeinträchtigten Leistungssituation schon durch die Aufhebung des Bescheides vom 15. Oktober 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Mai 2020; überdies ist davon auszugehen, dass die vorläufige Leistungsentscheidung, der auf diesem Wege wieder zur Wirksamkeit in vollem Umfang verholfen würde, sich in entsprechender Höhe in eine fiktive abschließende Festsetzung wandelte (vgl. § 41a Abs. 5 Satz 1 SGB II).

Für den Januar 2020 kann der Kläger sein erkennbares Rechtsschutzziel dagegen nicht allein durch eine reine Anfechtungsklage gegen den Sanktionsbescheid erreichen; vielmehr muss er zusätzlich im Wege der objektiven Klagehäufung (§ 56 SGG) eine Leistungsklage (§ 54 Abs. 4 SGG) und, mit dieser kombiniert, eine auf die Abänderung des maßgeblichen Bewilligungsbescheides gerichtete Anfechtungsklage erheben (vgl. in diesem Sinne z.B. BSG, Urteil vom 15. Dezember 2010 – B 14 AS 92/09 R –, juris, Rn. 16). 

Insoweit hat der Beklagte nämlich Arbeitslosengeld II von vornherein nur in geminderter Höhe bewilligt. Allerdings bildet die entsprechende vorläufige Entscheidung vom 5. Dezember 2019 eine rechtliche Einheit mit dem nach Abschluss des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens ergangenen vorläufigen Änderungsbescheid vom gleichen Tage zu der hier streitigen Sanktion; beide gemeinsam stellen eine einheitliche Regelung zur Höhe des Arbeitslosengeldes II im Januar 2020 dar (vgl. zu diesem Zusammenhang etwa BSG, Urteil vom 22. März 2010 – B 4 AS 68/09 R –, SozR 4-4200 § 31 Nr. 4, Rn. 9). Angesichts des im vorliegenden Fall gegebenen unmittelbaren zeitlichen Zusammenhangs beider Bescheide kann der Senat offenlassen, ob sich eine entsprechende rechtliche Einheit ebenfalls annehmen ließe, wenn die Bescheide in deutlichem zeitlichen Abstand zueinander ergangen wären, wie er etwa zwischen dem ursprünglichen Sanktionsbescheid und der Leistungsbewilligung für den Folgezeitraum liegt.

Die Bescheid vom 5. Dezember 2019 wurde daher, soweit er die (reduzierte) Leistungsbewilligung für Januar 2020 regelte, mit dem Änderungsescheid hinsichtlich der Sanktionsentscheidung Gegenstand des laufenden Widerspruchsverfahrens; die insoweit ungenauen Rechtsbehelfsbelehrungen – im Änderungsbescheid wird auf § 96 SGG und ein laufendes Klageverfahren verwiesen, das zu diesem Zeitpunkt allerdings noch nicht anhängig war; die vorläufige Bewilligungsentscheidung belehrt ausschließlich über die Zulässigkeit eines Widerspruchs – ändern daran nichts, da die Rechtsfolgen des § 86 SGG von Gesetzes wegen eintreten. Das Leistungsverlangen für Januar 2020 und, damit zusammenhängend, das auf die Abänderung der diesbezüglichen Regelung gerichtete Begehren wurde nachfolgend auch Gegenstand des Klage- und nunmehr des Berufungsverfahrens. Allerdings hat der Beklagte während des erstinstanzlichen Verfahrens die vorläufige Bewilligungsentscheidung durch die endgültige Festsetzung vom 10. Juli 2020 ersetzt – wobei die Minderung dort erneut unter der ungenauen Bezeichnung „Nichterscheinen zum Meldetermin“ auch ausdrücklich ausgewiesen ist –, so dass diese über § 96 Abs. 1 SGG zum Gegenstand des Klageverfahrens wurde.

Der Umstand, dass der – anwaltlich vertretene – Kläger seine Anträge nicht ausdrücklich entsprechend formuliert hat, der Beklagte den das Leistungsbegehren regelnden Bescheid im Widerspruchsbescheid nicht erwähnt und das Sozialgericht hierüber nicht ausdrücklich entschieden hat, ändert daran nichts: Das Klage- und Berufungsbegehren lässt sich anhand der erkennbaren Interessen unproblematisch entsprechend auslegen (§ 123 SGG; für das Berufungsverfahren in Verbindung mit § 153 Abs. 1 SGG). Der Widerspruchsbescheid handelt in der Sache auch die (geminderte) Höhe des Leistungsanspruchs ab; selbst wenn man jedoch davon ausgehen wollte, dass das Vorverfahren insoweit unvollständig geblieben sein sollte, wäre es nicht notwendig, das hiesige Verfahren zu dessen Vervollständigung auszusetzen: Nachdem der Beklagte, der auch Widerspruchsbehörde ist, sich inhaltlich abschließend positioniert hat, könnte ein jetzt noch (ergänzend) durchgeführtes Widerspruchsverfahren seinen Zweck ohnehin nicht mehr erreichen. Auch hinsichtlich der erstinstanzlichen Entscheidung kann offenbleiben, ob das Sozialgericht in der Sache, wenn auch nicht ausdrücklich, auch über das zur Erreichung des erkennbaren Klageziels unverzichtbare Leistungsbegehren des Klägers befunden hat. Wenn dies nicht der Fall sein sollte, wäre von einem Verfahrensfehler bei der Auslegung des Klagebegehrens unter Berücksichtigung des sogenannten Meistbegünstigungsgrundsatzes auszugehen, der vom Senat durch die Nachholung der Sachentscheidung zu korrigieren wäre (vgl. zu diesen Zusammenhängen BSG, Urteil vom 17. November 2005 – B 11a/11 AL 57/04 R –, SozR 4-1500 § 96 Nr. 4; B. Schmidt, in: Meyer-Ladewig u.a., SGG – Kommentar, 13. Aufl. 2020, § 96 Rn. 12a).

II. Die Berufung ist zulässig. Insbesondere ist sie angesichts ihrer Zulassung durch das Sozialgericht statthaft (§ 143, § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG). 

Die Berufung ist weiter den Vorgaben aus § 151 Abs. 1 SGG genügend form- und fristgerecht eingelegt. Auch sonstige Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit bestehen nicht.

III. Die Berufung kann allerdings nur in Teilen Erfolg haben.

1. Das Sozialgericht ist zutreffend von der Zulässigkeit der Klage ausgegangen. Bedenken bestehen insoweit nicht, namentlich hat der Kläger sie rechtzeitig innerhalb der Monatsfrist aus § 87 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 SGG erhoben.

Die mit Blick auf die Regelung der Leistungshöhe für Januar 2020 unvollständige Durchführung des Vorverfahrens – soweit man hiervon angesichts der Reichweite der Sachentscheidung überhaupt ausgehen will – führt, wie bereits dargelegt, ausnahmsweise nicht zur Unzulässigkeit der Klage und zur Notwendigkeit, das Verfahren zur Nachholung auszusetzen: Die Durchführung des Widerspruchsverfahrens zum gegenwärtigen Zeitpunkt würde eine „bloße Förmelei“ darstellen, nachdem sich der Beklagte erkennbar in der Sache festgelegt hat. 

Hinsichtlich des erst während des erstinstanzlichen Klageverfahrens ergangenen endgültigen Festsetzungsbescheids vom 10. Juli 2020, der über § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden ist, bedarf es der Durchführung eines Vorverfahrens von vornherein nicht.

2. Die streitigen Bescheide sind zunächst formell rechtmäßig. Namentlich hat die nach § 24 Abs. 1 SGB X notwendige Anhörung durch das Schreiben des Beklagten vom 6. September 2021 stattgefunden.

3. In der Sache ist zunächst die Feststellung einer Pflichtverletzung nach § 31 Abs. 1 SGB II nicht zu beanstanden.

a) Der Beklagte und das Sozialgericht sind zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger eine ihm zumutbare Maßnahme zur Eingliederung in Arbeit abgebrochen hat (§ 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II). Insoweit kann zur Vermeidung von Wiederholungen auf dessen zutreffende Ausführungen Bezug genommen werden (§ 153 Abs. 2 SGG). 

Ein Abbruch im Sinne von § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II muss nicht zwingend ausdrücklich erklärt werden, sondern kann auch stillschweigend erfolgen, solange nur deutlich wird, dass es sich um eine vom Willen des Leistungsberechtigten getragene, tatsächlich endgültige Beendigung der weiteren Teilnahme an der Maßnahme handelt (vgl. in diesem Sinne z.B. Berlit, in: Münder/Geiger, LPK-SGB II, 7. Aufl. 2021, § 31 Rn. 68 und Hahn, in: Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 7. Aufl. 2021, § 31 SGB II Rn. 21).

Daran hat der Senat vorliegend keinen Zweifel, nachdem der Kläger es nach dem Beginn der Abendschule nicht mehr nur zu einzelnen Fehlzeiten hat kommen lassen, sondern die Maßnahme ab dem Zeitpunkt, zu dem die Abendschule begonnen hat, durchgängig nicht mehr besucht hat. Zudem hat er durch seinen Prozessbevollmächtigten im Rahmen des Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes erklären lassen, dass er an der Maßnahme nicht weiter teilnehmen werde. Dies genügt, um von einem Abbruch der Maßnahme auszugehen.

Darüber hinaus dürfte auch eine Pflichtverletzung nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II, also die Weigerung, in einer Eingliederungsvereinbarung festgelegte Pflichten zu erfüllen, vorliegen, da die Teilnahme an der Maßnahme Gegenstand der zwischen den Beteiligten geschlossenen Eingliederungsvereinbarung vom 23. Juli 2019 war. Gründe, die für eine Unwirksamkeit der Vereinbarung sprechen könnten, sind nicht ersichtlich.

b) Weiter hat der Senat keinen Zweifel, dass die abgebrochene Maßnahme dem Kläger zumutbar war (vgl. hierzu § 10 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 und Abs. 2 SGB II), wobei die Gerichte dies nach Auffassung des Bundesozialgerichts in jedem Falle inzident zu prüfen haben, unabhängig davon, ob sich der Kläger hierauf beruft, und unabhängig davon, welche rechtliche Grundlage die Teilnahme an der Maßnahme hat (vgl. nur BSG, Urteil vom 15. Dezember 2010 – B 14 AS 92/09 R –, juris, Rn. 22; Berlit, in: Münder/Geiger, LPK-SGB II, 7. Aufl. 2021, § 31 Rn. 65). Dafür spricht zweifellos die Formulierung des Pflichtverletzungstatbestandes, der auf den Abbruch gerade einer zumutbaren Maßnahme abstellt, dagegen die gegebenenfalls bindende Zuweisungsregelung.

Der Senat kann dies im hiesigen Verfahren offenlassen, nachdem im konkreten Fall kein Anlass für Zweifel an der Zumutbarkeit besteht: Die Leistungsakte durchziehen Hinweise auf instabile Lebensverhältnisse des Klägers und daran anknüpfende Schwierigkeiten der Integration in das Erwerbsleben. Deutlich wird dies etwa an der Vielzahl von versäumten Vorspracheterminen bei dem Beklagten und den sich etwa aus dem Maßnahmebericht bei „Tertia“ ergebenden Hinweisen auf Schwierigkeiten, mit dem Kläger verbindliche Absprachen zu treffen. Vor diesem Hintergrund war eine Maßnahme wie die hier in Rede stehende, die auf Personen mit erhöhtem sozialpädagogischen Förderbedarf zielte, nach Auffassung des Senats angemessen und geeignet für den Kläger. Nachdem dies auch von ihm selbst letztlich nicht in Frage gestellt wird, besteht insoweit für weitere Ausführungen kein Anlass.

Auch aus der Dauer der Maßnahme ergibt sich ihre Unzumutbarkeit nicht. Zwar erscheint die vorgesehene Dauer von über einem Jahr auf den ersten Blick als vergleichsweise lang. Allerdings handelte es sich dabei um eine Maximaldauer, die, wenn das Maßnahmeziel sich schneller hätte erreichen lassen, auch, wie ausdrücklich vorgesehen, auf Grund der individuellen Situation hätte kürzer ausfallen können. Angesichts des Zuschnitts auf Personen mit hohem Förderbedarf – und damit der regelmäßigen Notwendigkeit einer langfristigen Unterstützungsperspektive – kann daher auch die Dauer der Maßnahme nicht als unzumutbar angesehen werden.

c) Der Annahme eines (zu sanktionierenden) Obliegenheitsverstoßes steht weiter nicht entgegen, dass die in der Eingliederungsvereinbarung vorgesehene Mitwirkungspflicht, also die Teilnahme an der Maßnahme LoLA, und/oder die an ihre Verletzung anknüpfende Sanktion – ausnahmsweise – nicht dazu hätten führen können, die Zwecke des Sozialgesetzbuches Zweites Buch zu erreichen (vgl. zu dieser Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit einer Sanktion: BVerfG, Urteil vom 5. November 2019 – 1 BvL 7/16 –, BVerfGE 152, 68, Rn. 142 f.).

Darauf könnte im vorliegenden Fall hindeuten, dass der Kläger zuvor wiederholt zu Vorspracheterminen bei dem Beklagten nicht erschienen ist und sich von einem entsprechenden Verhalten auch durch dessen wiederholte Sanktionierung nicht hat abbringen lassen. Vor dem Hintergrund der aus den Akten ersichtlichen ganz erheblichen sozialen Schwierigkeiten des Klägers und dem daraus resultierenden pädagogischen Förderbedarf mag in Frage stehen, ob die Absenkung der ihm zu gewährenden Leistungen als Konsequenz eines versäumten Vorsprachetermins (weiterhin) als geeignete Reaktion angesehen werden konnte. Vorliegend geht es jedoch nicht um die Versäumung eines einzelnen Vorsprachetermins, sondern um den eigenmächtigen Abbruch einer Maßnahme, die gerade darauf zielte, die entsprechenden Defizite des Klägers pädagogisch begleitend aufzuarbeiten. Es ist für den Senat daher nachvollziehbar, dass gerade diese Maßnahme und die Obliegenheit, an ihr teilzunehmen, sachgerecht waren, um die beim Kläger bestehenden Schwierigkeiten nach Möglichkeit anzugehen. Auch die hieran anknüpfende drohende Sanktion für den Fall des Abbruchs erscheint dem Senat nicht als ungeeignet, umso mehr als aus den Akten ersichtlich ist, dass sich der Maßnahmeträger und der Beklagte – auch über die Familienhilfe, die in der Familie des Klägers tätig war – durchaus intensiv bemüht hatten, den Kläger in der Maßnahme zu halten.

d) Eine Pflichtverletzung ist weiter nur anzunehmen, wenn das in Frage stehende Verhalten trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis erfolgte. 

Die Belehrung hat nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, welcher der Senat folgt, konkret, richtig, vollständig und verständlich zu sein; dem Hilfebedürftigen ist zeitnah im Zusammenhang mit der in Rede stehenden Pflicht zu erläutern, welche unmittelbaren und konkreten Auswirkungen auf seinen Leistungsanspruch ein Pflichtverstoß ohne wichtigen Grund haben kann (vgl. BSG, Urteil vom 15. Dezember 2010 – B 14 AS 92/09 R –, juris, Rn. 24; Hahn, in: Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 7. Aufl. 2021, § 31 SGB II Rn. 23). 

Das muss hier insoweit fraglich erscheinen, als die Rechtsfolgenbelehrung in der Eingliederungsvereinbarung, auf der die Teilnahme an der Maßnahme beruht, – notwendig – auf die bei ihrem Abschluss maßgebliche gesetzliche Lage abgestimmt war und dementsprechend die Modifikationen, die sich nachfolgend aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 5. November 2019 zu § 31a Abs. 1 SGB II und deren Umsetzung in den Fachlichen Weisungen der Bundesagentur für Arbeit auch zu § 31a Abs. 2 SGB II ergaben, noch nicht berücksichtigt hat. Der Senat vermag auch jedenfalls im vorliegenden Fall nicht zu erkennen, dass der Beklagte in der Zeit nach dem Ergehen der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die sich aus ihr ergebenden Konsequenzen für die Rechtsfolgen einer Pflichtverletzung, namentlich einer nachträglichen Erklärung des Leistungsberechtigen, er sei nunmehr doch ernsthaft und nachhaltig bereit, seinen Pflichten nachzukommen, zu belehren. Das folgt nach Auffassung des Senats im konkreten Fall bereits daraus, dass der Kläger vorliegend unmittelbar nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts unter Verweis auf diesen Widerspruch gegen den Sanktionsbescheid eingelegt und um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht; in diesem Verfahren wurde die Frage, ob der Kläger sich zur Mitwirkung nunmehr nachträglich bereit erkläre, ausdrücklich thematisiert und von ihm – anwaltlich beraten – verneint. Nachdem die Kenntnis von den Rechtsfolgen einer Obliegenheitsverletzung eine Belehrung entbehrlich macht (vgl. § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB II), war eine Belehrung von Seiten des Beklagten aus diesem Grunde nicht veranlasst. 

Überdies spricht viel dafür, dass die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts schon deswegen nicht zur Unrichtigkeit der hier maßgeblichen Rechtsfolgenbelehrung führt, weil sich diese nicht auf die in § 31a Abs. 2 SGB II spezifisch geregelten Sanktionsfolgen bei Leistungsberechtigten, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, bezog. Es liegt zwar zweifellos sehr nahe, dass auch diese Regelungen, soweit sie eine Minderung vorsehen, die über 30 Prozent des für den jeweils Betroffenen maßgebenden Regelbedarfs hinausgehen, verfassungsrechtlich keinen Bestand haben können. Eine Korrektur mit Gesetzeskraft ist indes bislang nicht erfolgt, so dass schon aus diesem Grund eine auf die geltende gesetzliche Lage abgestimmte Belehrung schwerlich als unrichtig angesehen werden kann (vgl. zur Problematik Hahn, in: Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 7. Aufl. 2021, § 31a Rn. 14). 

Darüber hinaus und vor allem hat das Bundesverfassungsgericht im Rahmen seiner Ausführungen zu den Auswirkungen seiner Entscheidung klargestellt, dass nicht bestandskräftige Bescheide über Leistungsminderungen nach § 31a Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 SGB II, also Bescheide, die wie der hier streitige eine Absenkung der Leistungen über 30 Prozent des maßgebenden Regelbedarfs hinaus vorsahen, (gerade nur) in diesem über 30 Prozent hinausgehenden Umfang aufzuheben sind; im Übrigen sollten entsprechende Bescheide aber bestehen bleiben (BVerfG, Urteil vom 5. November 2019 – 1 BvL 7/16 –, BVerfGE 152, 68, Rn. 221 f.; dagg. allerdings SG Speyer, Urteil vom 22. April 2021 – S 15 AS 117/19 –, juris; wie hier: Weber, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, § 31 – Stand: 23. Februar 2021 – Rn. 138.1). Hieraus ergibt sich zwingend, dass eine von den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts abweichende, weil vor Verkündung der Entscheidung formulierte Rechtsfolgenbelehrung allein nicht zur Aufhebung entsprechender Bescheide führen kann. Dafür spricht überdies auch die Überlegung, dass ein Leistungsbezieher, der sich nicht einmal durch eine Belehrung über die weitaus schärferen Rechtsfolgen, wie sie die gesetzliche Lage bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vorsah (und für § 31a Abs. 2 SGB II, wie erwähnt, dem unveränderten Wortlaut nach bis heute vorsieht), von einer Pflichtverletzung abhalten ließ, nicht plausibel geltend machen kann, dass dies bei weniger einschneidenden Rechtsfolgen und einer entsprechenden Belehrung der Fall gewesen wäre.

Abgesehen von dieser aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts folgenden Problematik hat der Senat keine Bedenken hinsichtlich der in der Eingliederungsvereinbarung formulierten Rechtsfolgenbelehrung. Namentlich ist dort die in § 31a Abs. 1 Satz 4 SGB II für erwerbsfähige Leistungsberechtigte, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, auch schon vor und unabhängig von der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 5. November 2019 gesetzlich vorgesehene Möglichkeit, dass der Träger die Minderung des Auszahlungsanspruchs unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles auf sechs Wochen verkürzen kann, wenn auch nur kurz, erwähnt. Auch der regelmäßig zur Verdeutlichung der einschneidenden Folgen der Sanktion notwendige Hinweis, dass nicht die Möglichkeit besteht, statt der Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende Sozialhilfe zu beantragen, ist in der Belehrung enthalten.

e) Dem Kläger stand weiter kein wichtiger Grund für den Abbruch der Maßnahme zur Seite.

Ein solcher ergibt sich namentlich nicht aus dem Besuch der Abendrealschule. Der Beklagte durfte angesichts der vorangegangenen Schwierigkeiten des Klägers bei der Integration in Ausbildung und Beschäftigung vielmehr davon ausgehen, dass die parallele Fortführung der Maßnahme gerade zur Stabilisierung des Schulbesuchs angezeigt war. Zwar wäre es, um eine Überforderung des Klägers neben dem Schulbesuch zu vermeiden, voraussichtlich notwendig gewesen, den zeitlichen Umfang des Maßnahmebesuchs von 30 Stunden pro Woche zu reduzieren; um hieraus einen wichtigen Grund abzuleiten, hätte sich der Kläger aber nach Auffassung des Senats vor einem Abbruch mit diesem Anliegen an den Maßnahmeträger und den Beklagten wenden können und müssen. Angesichts der auf die individualisierte Unterstützung von Personen mit hohem Förderbedarf ausgerichteten Konzeption der Maßnahme erscheint es naheliegend, dass sich hier eine tragfähige Lösung hätte finden lassen. Für den eigenmächtigen Abbruch der Maßnahme ohne entsprechende Bemühungen bestand dagegen kein wichtiger Grund (vgl. zur vergleichbaren Problematik im Arbeitsförderungsrecht: BSG, Urteil vom 6. Februar 2003 – B 7 AL 72/01 R –, SozR 4-4100 § 119 Nr. 1; zum Grundsicherungsrecht wie hier z.B. Berlit, in: Münder/Geiger, LPK-SGB II, 7. Aufl. 2021, § 31 Rn. 80).

Weiter ergibt sich dieser auch nicht aus der vom Kläger unspezifisch geltend gemachten Überforderung durch die Maßnahme.

4. Die an die Pflichtverletzung anknüpfende und nach dem Vorstehenden dem Grunde nach gerechtfertigte Feststellung einer Anspruchsminderung kann nur insoweit Bestand haben, als sie eine Absenkung um 30 Prozent des für den Kläger maßgebenden Regelbedarfs für einen sechswöchigen Zeitraum, beginnend ab dem 1. November 2019, umfasst.

Als Rechtsfolge einer Pflichtverletzung nach § 31 Abs. 1 SGB II sieht § 31a Abs. 2 Satz 1 SGB II vor, dass das Arbeitslosengeld II auf die für die Bedarfe für Unterkunft und Heizung zu erbringenden Leistungen beschränkt wird, wenn es sich – wie hier – um eine erste Pflichtverletzung handelt und der Leistungsberechtigte das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Da der Beklagte im Widerspruchsbescheid von sich aus den Umfang der Leistungseinschränkung für den gesamten Minderungszeitraum auf eine Minderung um 30 Prozent des für den Kläger maßgebenden Regelbedarfs beschränkt hat, muss der Senat nicht entscheiden, ob die Fachgerichte eine entsprechende Korrektur der gesetzlichen Regelung in § 31 Abs. 2 SGB II ohne Weiteres aussprechen dürften, obwohl der Wortlaut der Vorschrift (weiterhin) unverändert ist und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 5. November 2019 sich ausschließlich auf § 31a Abs. 1 SGB II bezieht.

Den Beginn der Minderung hat der Beklagte zutreffend festgesetzt: Die Minderung setzt mit dem Beginn des Kalendermonats ein, der auf das Wirksamwerden des Verwaltungsaktes folgt, der die Pflichtverletzung und den Umfang der Minderung der Leistung feststellt (§ 31b Abs. 1 Satz 1 SGB II), hier also angesichts der Bescheidung am 15. Oktober 2019 am 1. November 2019.

Die regelmäßige Dauer des Minderungszeitraums beträgt nach § 31b Abs. 1 Satz 3 SGB II drei Monate.

Da der Kläger gerade nicht nachträglich erklärt hat, er sei nunmehr bereit, seinen Pflichten nachzukommen, kommt die Gewährung der vollständigen Leistungen vor Ablauf des Minderungszeitraums nicht in Betracht. Der Senat hat insoweit auch mit Blick auf die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zu den Fällen des § 31 Abs. 1 SGB II keine Bedenken: Zunächst hatte der Kläger, wie erwähnt, im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes – anwaltlich beraten – ausdrücklich erklärt, an der Maßnahme nicht mehr teilnehmen zu wollen. Dabei waren gerade die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, die unter anderem die verfassungsrechtlich notwendige Abkürzung einer Minderung nach § 31 Abs. 1 SGB II im Fall der nachträglich erklärten Bereitschaft zur Pflichterfüllung zum Gegenstand hatte (vgl. BVerfG, Urteil vom 5. November 2019 – 1 BvL 7/16 –, BVerfGE 152, 68, Rn. 186 ff.), und die aus ihr sich ergebenden Rechtsfolgen Gegenstand des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens; der anwaltlich vertretene Kläger hat zum anderen seinen Widerspruch gerade unter Verweis auf diese Entscheidung begründet, ohne dies seinerseits zu irgendeinem Zeitpunkt zum Anlass zu nehmen, seine (zukünftige) Bereitschaft zur Erfüllung seiner Pflichten zu erklären.

Dennoch kann die Minderung hinsichtlich ihrer vom Beklagten verfügten Dauer keinen Bestand haben. Bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, kann nämlich der Träger, wie bereits erwähnt, nach § 31b Abs. 1 Satz 4 SGB II die Minderung des Auszahlungsanspruchs unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles auf sechs Wochen verkürzen. Dabei steht der Anwendung der Regelung nach Auffassung des Senats nicht entgegen, dass sie sich ihrem Wortlaut nach allein auf die gesetzlich weiter vorgesehene Rechtsfolge einer ersten Pflichtverletzung eines unter 25-jährigen Leistungsbeziehers nach § 31a Abs. 2 Satz 1 SGB II, also die Minderung des Auszahlungsanspruchs in Höhe der Bedarfe nach § 20 und § 21 SGB II, bezieht, während der Beklagte ausgehend von der mehrfach erwähnten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 5. November 2019 die Minderung von sich aus und trotz der formell unveränderten gesetzlichen Situation auf 30 Prozent des für den Kläger maßgeblichen Regelbedarfs beschränkt hat. Der durch § 31b Abs. 1 Satz 4 SGB II begründete Anspruch auf die Ausübung fehlerfreien Ermessens hinsichtlich einer Verkürzung kann dadurch nicht entfallen.

Der Beklagte hatte daher ausgehend von den gesamten Umständen des Einzelfalles eine Ermessensentscheidung über eine Verkürzung zu treffen, die den diesbezüglichen gesetzlichen Anforderungen genügt (vgl. hierzu § 39 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch – Allgemeiner Teil – [SGB I] und § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG). Die Behörde muss dazu (unter anderem) alle maßgebenden Ermessensgesichtspunkte in die Entscheidung einbeziehen und die abzuwägenden Gesichtspunkte zutreffend gewichten, andernfalls ist von einem so genannten Ermessensfehlgebrauch auszugehen (vgl. nur BSG, Urteil vom 9. November 2010 – B 2 U 10/10 R –, SozR 4-2700 § 76 Nr. 2, Rn. 15). Dass dies geschehen ist, muss sich grundsätzlich aus der (gegebenenfalls ergänzten) Begründung des Verwaltungsaktes ergeben; diese muss also die Gesichtspunkte erkennen lassen, von denen die Verwaltung ausgegangen ist (vgl. § 35 Abs. 1 Satz 3 SGB X und dazu Keller, in: Meyer-Ladewig u.a., SGG – Kommentar, 13. Aufl. 2020, § 54 Rn. 28a). Aus diesem Grunde darf sich die Begründung nicht auf formelhafte Ausführungen beschränken.

Ausgehend von diesen Maßstäben genügt der streitige Bescheid den an eine Ermessensentscheidung zu stellenden Anforderungen nicht. Im Ausgangsbescheid beschränkte sich die Begründung auf die formelhafte Wendung, eine Verkürzung des Minderungszeitraumes auf sechs Wochen sei nach Abwägung der im Falle des Klägers vorliegenden Umstände mit den Interessen der Allgemeinheit nicht gerechtfertigt; welche Umstände und welche Interessen damit konkret angesprochen sind, bleibt offen. Im Widerspruchsbescheid heißt es immerhin, eine Verkürzung des Minderungszeitraums oder ein vollständiges Absehen von der Minderung aufgrund einer außergewöhnlichen Härte – wie vom Bundesverfassungsgericht auch für Minderungen bis 30 Prozent vorgegeben – komme vorliegend angesichts der Gesamtumstände des Falles nicht in Betracht. Der Kläger habe sich weder einsichtig gezeigt noch sei er bereit gewesen, seiner Verpflichtung für die Zukunft nachzukommen. Für die Annahme einer besonderen Härte durch das Festhalten an der Minderung ergäben sich keinerlei Anhaltspunkte, insbesondere fehle es insoweit an substantiiertem Vortrag auf Seiten des Klägers.

Dies wird nach Auffassung des Senats dem konkreten Fall nicht ausreichend gerecht. Hier wäre immerhin in die Abwägung einzubeziehen gewesen, dass der Kläger – auch wenn dies für die Annahme eines wichtigen Grundes, wie gesehen, nicht ausreicht – die weitere Teilnahme an der Maßnahme abgebrochen hat, weil er die Abendschule besuchte. Vor allem aber durchzieht die Akte, dass der Kläger aufgrund seiner familiären Situation und seiner Entwicklung offenbar ganz erhebliche Schwierigkeiten hatte, auch selbst gesetzte Ziele zu erreichen und an ihn herangetragenen Anforderungen zu entsprechen. Diese erheblichen Schwierigkeiten, die – berechtigterweise – Anlass waren, ihn der speziellen Fördermaßnahmen LoLa zuzuweisen, hätten jedenfalls in die Abwägung einbezogen und abgewogen werden müssen, ob, namentlich da es sich, soweit aus den Akten ersichtlich, um die erste Minderung nach § 31 SGB II handelte, ob auch eine verkürzte Dauer zur Zweckerreichung als ausreichend angesehen werden könnte – auch wenn damit nicht gesagt ist, dass die Ermessensausübung zu Gunsten des Klägers hätte ausfallen müssen.
Der Bescheid ist daher (nur) insofern rechtswidrig, als der Beklagte sein Ermessen, ob die Dauer der Minderung auf sechs Wochen zu verkürzen ist, nicht ausreichend ausgeübt hat. Dagegen beeinflusst dieser Ermessensfehler die Rechtmäßigkeit der Minderung in den ersten sechs Wochen ab dem 1. November 2019 nicht.

5. Hinsichtlich der Aufhebung der Leistungsbewilligung für diesen Zeitraum bestehen grundsätzlich keine Bedenken. Eine entsprechende Korrektur ist nach § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II in Verbindungmit § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X zwingend geboten, wenn es, wie hier durch den Eintritt der Minderung ab dem Beginn des auf die Festsetzungsentscheidung folgenden Monats, zu einer wesentlichen Änderung der bei der Leistungsbewilligung maßgebenden Umstände kommt und der entsprechende Bescheid daher mit Wirkung für die Zukunft zu korrigieren ist. Allerdings konnte (auch) der Aufhebungsbescheid keinen Bestand haben, soweit er über den Zeitraum von sechs Wochen ab dem 1. November 2019 hinausreichte: Mit der Aufhebung des Minderungsbescheides fehlte es insoweit – trotz der Möglichkeit für den Beklagten, hierzu einen neuen Bescheid zu erlassen, der gegebenenfalls wiederum zu einer dreimonatigen Minderung führt – zum jetzigen Zeitpunkt an einer Rechtsgrundlage für die Aufhebung.

6. Über die bereits bewilligten Leistungen für den Januar 2020 hinaus können dem Kläger beim gegenwärtigen Stand des Verfahrens weitere Leistungen nicht zugesprochen werden; insbesondere fehlt es gegenwärtig an einer Grundlage, den Beklagten zur zwingenden Erbringung des Minderungsbetrags von 101,70 Euro für Januar 2020 zu verurteilen. Vielmehr muss es dem Beklagten vorbehalten bleiben – nachdem die Festsetzung einer dreimonatigen Minderung (nur) aufgrund der unzureichenden Ausübung des ihm hinsichtlich einer Verkürzung zustehenden Ermessens aufzuheben ist –, dieses erneut auszuüben. Gründe dafür, dass vorliegend von einer Ermessensreduzierung auf Null auszugehen wäre, sind für den Senat nicht ersichtlich. Da der Leistungsbescheid insoweit, wie bereits ausgeführt, eine rechtliche Einheit mit dem Minderungsbescheid bildet, führt dieses Ermessen, dass dem Beklagte unmittelbar nur im Hinblick auf die (Dauer der) Minderung eingeräumt ist, dazu, dass auch die Leistungsbewilligung nicht spruchreif ist, der Beklagte vielmehr insoweit nur zur Neubescheidung verpflichtet werden kann.

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Dabei erschien es dem Senat bei der Ausübung des ihm insoweit zustehenden Ermessens sachgerecht, den Beklagten zur Übernahme eines Drittels der zur Rechtsverfolgung notwendigen Kosten des Klägers zu verpflichten, obwohl der Minderungsbescheid und der daran anknüpfende Aufhebungsbescheid nur für sechs Wochen ab dem 1. November 2019 Bestand haben. Der Beklagte hat jedoch für den weiteren Zeitraum bis Ende Januar 2020 eine erneute Ermessensentscheidung zu treffen, in deren Rahmen es durchaus denkbar erscheint, dass er nicht zu einer Verkürzung des Minderungszeitraums gelangt. Dementsprechend hat auch die Leistungsklage des Klägers für Januar 2020 jedenfalls zum jetzigen Zeitpunkt keinen Erfolg, so dass von einem hälftigen Obsiegen des Klägers nicht ausgegangen werden kann.

V. Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der in § 160 Abs. 2 SGG abschließend aufgeführten Gründe hierfür vorliegt. Die offene Frage, ob und welche Auswirkungen die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 5. November 2019 auf Pflichtverletzungen hat, die zuvor eingetreten sind, hinsichtlich derer aber – auf Grund der zeitlichen Abfolge – eine auf die Entscheidung abgestimmte Rechtsfolgenbelehrung nicht erteilt wurde, ist hierfür nicht ausreichend. Zum einen erscheint dem Senat die Antwort auf diese Frage hinreichend eindeutig, nachdem der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu entnehmen ist, dass keineswegs alle zum Zeitpunkt von deren Verkündung noch nicht bestandskräftigen Sanktionsbescheide unwirksam werden sollten; zum anderen handelt es sich um eine vorübergehende Problematik, so dass es an der notwendigen Breitenwirkung fehlt. 
 

Rechtskraft
Aus
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