L 6 AS 93/20

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
S 1 AS 127/14
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 AS 93/20
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

I.    Die Berufungen der Klägerinnen zu 3. und 4. gegen das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 13. Mai 2014 werden zurückgewiesen.
Die Klage der Klägerin zu 3. gegen den Bescheid vom 8. Juli 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Oktober 2014 sowie den Widerspruchsbescheid vom 3. Juni 2014 wird abgewiesen.
Die Klage der Klägerin zu 4. gegen den Widerspruchsbescheid vom 3. Juni 2014 wird zurückgewiesen.

Die Berufungen des Klägers zu 1. und der Klägerin zu 2. gegen das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 13. Mai 2014 werden – mit der Maßgabe, dass ihre Klage bereits unzulässig war – zurückgewiesen.
Die Klage des Klägers zu 1. gegen den Bescheid vom 5. März 2018 sowie den Widerspruchsbescheid vom 3. Juni 2014 wird abgewiesen.
Die Klage der Klägerin zu 2. gegen den Widerspruchsbescheid vom 3. Juni 2014 wird abgewiesen.

Die Klage der Kläger zu 5. bis 7. (Herr F. A.; Frau G. A.; Herr H. A.) wird abgewiesen.

II.    Die Beteiligten haben einander auch für das Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten.

III.    Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II), im hiesigen Verfahren für die Zeit vom 1. Dezember 2013 bis 31. Mai 2014, und zwar primär um die (durchgängige) Gewährung von Leistungen (auch) an die Klägerinnen zu 3. und 4.; hilfsweise machen der Kläger zu 1. und die Klägerin zu 2. sowie die Kläger zu 5. bis 7. höhere Leistungen ohne Berücksichtigung des für die Klägerinnen zu 3. und 4. an den Kläger zu 1. als Kindergeldberechtigten gezahlten Kindergeldes geltend. Neben dem hiesigen Verfahren waren wegen der gleichen Streitpunkte, aber für einen jeweils anderen Bewilligungszeitraum die Verfahren L 6 AS 89/20, L 6 AS 90/20 und L 6 AS 92/20 beim Senat anhängig.

Der Kläger zu 1., geboren 1961, und die Klägerin zu 2., geboren 1970, sind verheiratet. Beide sind Eltern der Kinder F., des Klägers zu 5., geboren 1993, D., der Klägerin zu 3., geboren 1995, J., geboren 1997, E., der Klägerin zu 4., geboren 1999, G., der Klägerin zu 6., geboren 2004, und H., des Klägers zu 7., geboren 2013. Die Kläger zu 2. bis 7. und J. sind deutsche Staatsbürger. Der Kläger zu 1. war als Asylberechtigter in Deutschland anerkannt. Allerdings wurde die Anerkennung durch Bescheid vom 14. Mai 2010 widerrufen. Nachdem das diesbezüglich geführte verwaltungsgerichtliche Verfahren rechtskräftig zu Lasten des Klägers zu 1. abgeschlossen worden war, widerrief die Ausländerbehörde auch die ihm erteilte Niederlassungserlaubnis mit Bescheid vom 22. November 2013, bekanntgegeben am 26. November 2013. Der Kläger zu 1. machte und macht demgegenüber geltend, er habe als Ehemann einer Deutschen und (sorgeberechtigter) Vater von Kindern mit deutscher Staatsangehörigkeit ein Aufenthaltsrecht in Deutschland. 

Die Familie zog im Juni 2012 von J-Stadt nach A-Stadt. Die Familienmitglieder beantragten, nachdem sie zuvor in J-Stadt Grundsicherungsleistungen erhalten hatten, nunmehr entsprechende Leistungen bei dem Beklagten. Bei der Erstantragstellung gaben sie auf die Fragen nach bei ihnen vorhandenem Vermögen ein Konto mit einem Stand von rund 10.000 Euro an; zudem seien sie Eigentümer eines älteren Renaults. Nach einer Anzeige durch den Beklagten wegen des Verdachts auf Sozialleistungsbetrug führten die Ermittlungsbehörden am 20. Dezember 2012 eine Hausdurchsuchung in der A-Stadter Wohnung durch. Dabei wurden größere Mengen an Bargeld gefunden, die nach den – von der Staatsanwaltschaft als glaubhaft eingestuften – Angaben des Klägers zu 1. aber zum einen einem Verein „K.“ gehörten und zum anderen für einen Bekannten verwahrt worden seien. Das strafrechtliche Ermittlungsverfahren wurde dementsprechend eingestellt. Auf die beigezogenen Akten der Staatsanwaltschaft wird Bezug genommen.

Die den verschiedenen Familienmitgliedern zustehenden Ansprüche auf Grundsicherung für Arbeitsuchende waren zwischen den Beteiligten immer wieder streitig, insbesondere weil die Klägerinnen zu 3. und 4. seit 2011 in England, ihr Bruder J. seit Oktober 2012 in Südafrika zur Schule gingen und dort jeweils in einem Internat untergebracht waren. Der Beklagte lehnte deshalb wiederholt die Gewährung von Leistungen zu Gunsten der Klägerinnen zu 3. und 4. ab, da sie weder Wohnsitz noch gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hätten. Er rechnete allerdings das für die Klägerinnen zu 3. und 4. trotz des Internatsaufenthalts weiterhin gewährte Kindergeld als Einkommen des kindergeldberechtigten Klägers zu 1. anspruchsmindernd auf die ihm und den anderen durchgängig in A-Stadt lebenden Familienmitgliedern gewährten Leistungen an. 

Wegen der Aufwendungen für den Internatsbesuch der beiden Töchter schloss der Kläger zu 1. im Mai 2011 einen Vertrag mit Herrn L., dem Vermieter der Wohnung in A-Stadt. Der Vertrag sah die Gewährung eines Darlehens in Höhe von 4.500,- Euro vor; die Rückzahlung sollte in Raten von 600,- Euro ab Januar 2013 erfolgen. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 90 der Leistungsakte des Beklagten – im Folgenden: LA – Bezug genommen. Herr L. überwies bald nach Vertragsschluss einen Betrag von 2.550,- Euro direkt an die Schule; die weiteren Mittel seien nach und nach gezahlt worden. Hinsichtlich der vorgesehenen Rückzahlung haben die Kläger ausgeführt, sie seien tatsächlich nicht in der Lage gewesen, entsprechende Beträge aufzubringen; ab Januar 2013 seien aber 100,  Euro monatlich zurückgezahlt worden.

Mit Herrn L. schloss der Kläger zu 1. zudem am 24. September 2012 einen zweiten Vertrag: Danach stellte jener einen weiteren Betrag von 800,- Euro – ohne Bezug zu den Schulaufwendungen – zur Verfügung; die Rückzahlung sollte nach den wirtschaftlichen Möglichkeiten des Klägers zu 1. erfolgen. Auf LA Bl. 578R wird Bezug genommen.

Ein weiterer Darlehensvertrag wegen der Aufwendungen für die Schule wurde bei der erwähnten Wohnungsdurchsuchung aufgefunden. Danach erklärte sich unter dem 19. August 2011 Herr M. bereit, die gesamten Kosten für die Ausbildung zu übernehmen. Die Rückzahlung sollte nach dem Ende des Internatsbesuchs erfolgen. Einen hinsichtlich des Vertragszwecks ähnlichen, aber anders gestalteten und auf den 1. Oktober 2012 datierten Vertrag mit Herrn M. reichten die Kläger im Rahmen der Auseinandersetzung um die Leistungsgewährung zu den Akten des Beklagten. Danach gewährte Herr M. an den Kläger zu 1. „Darlehenszahlungen zur Ausbildung seiner Töchter D. und E. A. an der N. in N-Stadt/England“. Der Darlehensgeber werde zu diesem Zwecke, beginnend am 3. September 2012, Zahlungen direkt an die Schule leisten. Ein fester Betrag war nicht genannt. Der Kläger zu 1. sei verpflichtet, alle zu diesem Zweck geleisteten Zahlungen zu „erstatten“. Die Rückzahlung erfolge „nach den wirtschaftlichen Möglichkeiten des Darlehensschuldners“. Auf LA Bl. 354 wird Bezug genommen.

Einen ähnlichen Vertrag schloss der Kläger zu 1. überdies erneut mit Herrn L., wobei das Dokument auf den 13. Mai 2012 datiert ist, aber, soweit ersichtlich, aus dem Jahr 2013 stammt und Zahlungen ab 13. Mai 2013 vorsieht. Auf LA Bl. 579 wird verwiesen.

Der Internatsaufenthalt von J. sei, so die Angaben der Kläger, durch Schenkungen eines Onkels finanziert worden.

Für den im hiesigen Verfahren streitigen Zeitraum vom 1. Dezember 2013 bis zum 31. Mai 2014 bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 26. November 2013 vorläufig Leistungen zu Gunsten der Kläger zu 1. und 2. sowie 5. bis 7., und zwar in Höhe von insgesamt 988,77 Euro für Dezember 2013 und 1.022,77 Euro monatlich für Januar bis Mai 2014. Für die Klägerinnen zu 3. und 4. sah der Bescheid Leistungen nicht vor. Das für sie gezahlte Kindergeld berücksichtigte der Beklagte auch in diesem Bescheid als Einkommen des Klägers zu 1. und verteilte es auf die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft. Wegen der Einzelheiten wird auf Blatt 6 ff. Gerichtsakte – im Folgenden: GA – Bezug genommen. 

Die Kläger legten gegen diesen Bescheid am 29. November 2013 Widerspruch ein.

Am 20. Dezember 2013 sprachen die Klägerinnen zu 3. und 4. bei dem Beklagten persönlich vor. Dabei (und ebenso durch ein Schreiben des Klägers zu 1. vom gleichen Tage) teilten sie mit, dass sie sich vom 19. Dezember 2013 bis 6. Januar 2014 in A-Stadt aufhielten, und machten Leistungen geltend.

Diesen Antrag lehnte der Beklagte durch Bescheid vom 8. Januar 2014 ab.

Anschließend wies er den Widerspruch gegen Bescheid vom 26. November 2013 durch Widerspruchsbescheid vom 27. Januar 2014 zurück. Auf GA Bl. 14 ff. wird verwiesen. 
Die Kläger zu 1. bis 4. haben daraufhin am 26. Februar 2014 Klage zum Sozialgericht Kassel erhoben. 

Der Beklagte hat durch Änderungsbescheid vom 26. Februar 2014 unter Berücksichtigung von Zuschüssen zur Sozialversicherung nunmehr vorläufig Leistungen zu Gunsten der Kläger zu 1. und 2. sowie 5. bis 7. in Höhe von 1.093,04 Euro für Dezember 2013 und 1.178,99 Euro monatlich für Januar bis Mai 2014 bewilligt. Auf GA Bl. 47 ff. wird verwiesen. 

Gegen diesen Bescheid haben die Kläger mit Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 24. März 2014 Widerspruch (GA Bl. 55) eingelegt.

Weiter hat der Kläger zu 1. am 7. Mai 2014 erneut Leistungen für die Klägerinnen zu 3. und 4. beantragt, da sich diese vom 6. bis zum 11. März 2014 und vom 5. bis zum 20. April 2014 in A-Stadt bei der Familie aufgehalten hätten. 

Der Beklagte hat diesen Antrag durch Bescheid vom 8. Mai 2014 (LA Bl. 994/GA Bl. 234) abgelehnt.

Gegenüber den übrigen, durchgängig in A-Stadt lebenden Familienmitgliedern hat er am 9. Mai 2014 einen weiteren Änderungsbescheid erteilt, mit dem er Leistungen für den streitigen Zeitraum – weiterhin vorläufig – in Höhe von insgesamt 1.093,04 Euro für Dezember 2013, monatlich 1.178,99 Euro für die Monate Januar bis März 2014 sowie monatlich 1.208,99 Euro für die Monate April und Mai 2014 bewilligt hat. Auf GA Bl. 235 ff. wird Bezug genommen. Den hiergegen gerichteten Widerspruch hat er durch Widerspruchsbescheid vom 3. Juni 2014 zurückgewiesen.

Inhaltlich haben die Kläger des erstinstanzlichen Verfahrens auch im hiesigen Rechtsstreit in erster Linie die durchgängige Bewilligung von Leistungen (auch) zu Gunsten der Klägerinnen zu 3. und 4., hilfsweise höhere Leistungen für „die Bedarfsgemeinschaft“ der durchgängig in Deutschland lebenden Familienmitglieder unter Aussparung des für die Klägerinnen zu 3. und 4. an den Kläger zu 1. gezahlten Kindergeldes geltend gemacht. Die Kläger haben mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 24. März 2014 sowie in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht jeweils Listen mit Aufenthaltszeiten der Klägerinnen zu 3. und 4. bei der Familie vorgelegt; der Beklagte hat demgegenüber geltend gemacht, dass diese nur zum Teil mit den entsprechenden Mitteilungen ihm gegenüber übereinstimmten, und hierzu Ausdrucke zu den Gesprächsvermerken vorgelegt, in denen die jeweilige Anwesenheit Thema war.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht haben die Kläger zu 1. bis 4. beantragt, den Beklagten unter entsprechender Aufhebung des Bescheides vom 26. November 2013 und des Widerspruchsbescheides vom 27. Januar 2014 sowie des weiteren Bescheides vom 26. Februar 2014 zu verpflichten, den Klägerinnen D. und E. A. Leistungen nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe in Bedarfsgemeinschaft mit den übrigen Klägern zu bewilligen, hilfsweise, den Klägerinnen D. und E. A. wegen Bestehens einer temporären Bedarfsgemeinschaft mit den übrigen Klägern Leistungen nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe zu bewilligen sowie für die Klägerinnen D. und E. A. gezahltes Kindergeld nicht als Einkommen der Bedarfsgemeinschaft zu berücksichtigen.

Das Sozialgericht hat die Klage durch Urteil vom 13. Mai 2014 abgewiesen. 

Zur Begründung hat es insbesondere ausgeführt, die angegriffenen Bescheide des Beklagten seien rechtmäßig. Der gewöhnliche Aufenthalt (§ 30 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Erstes Buch – Allgemeiner Teil – [SGB I]) der Klägerinnen zu 3. und 4. sei wegen des Internatsaufenthaltes in England und nicht bei den Eltern in A-Stadt. Die Voraussetzungen für eine Bedarfsgemeinschaft mit ihren Eltern und (teilweise) ihren Geschwistern nach § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II seien nicht gegeben. Voraussetzung sei danach, dass zwischen den Eltern und dem Kind ein gemeinsamer Haushalt bestehe. Ein Haushalt stelle sich als Schnittstelle von Merkmalen örtlicher (Familienwohnung), materieller (Vorsorge, Unterhalt) und immaterieller Art (Zuwendung, Fürsorge, Begründung eines familienähnlichen Bandes) dar (Verweis auf BSG, Urteil vom 16. April 2013 – B 14 AS 81/12 R –, juris, mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts). Die Klägerinnen zu 3. und 4. seien in einem Internat untergebracht gewesen. Dies bedeute eine räumliche Trennung auf bestimmte Zeitabschnitte von den Eltern. In dieser Zeit des Aufenthaltes im Internat sei die Bindung zum Elternhaus sehr lose. Zwar bedinge eine Internatsunterbringung nicht automatisch eine Auflösung der familiären Bindungen. Über die bloße räumliche Bleibe hinaus umfasse der (sozialrechtliche) Wohnsitzbegriff nämlich den räumlichen Bereich, in dem jemand den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen habe. In einem Internat, das in erster Linie der schulischen Unterrichtung und somit nur einem Teilbereich des Lebens diene, sei der Lebensmittelpunkt jedenfalls solange nicht gegeben, wie nicht der Schule das entscheidende Gewicht für die Lebensbeziehungen des Kindes zukomme (Verweis auf BSG, Urteil vom 30. September 1996 – 10 RKg 29/95 –, juris, mit weiteren Nachweisen aus der Literatur). Wenn also das Kind regelmäßig die Wochenenden und Ferienzeiten zu Hause verbringe, werde der Lebensmittelpunkt weiterhin im Elternhaus sein. 

Hier verhalte es sich aber anders. Vorliegend handele es sich um eine Privatschule mit staatlicher Zulassung in England. Die Schule sei als Internat organisiert und biete den Schülerinnen während der Schulzeit auch Unterkunft, Verpflegung und im Übrigen sämtliche erforderlichen Versorgungsmöglichkeiten. Das Internat diene allein schon wegen der erheblichen räumlichen Trennung nicht nur der schulischen Ausbildung, sondern decke darüber hinaus einen wesentlichen Teilbereich des Lebens der Kinder ab und umsorge sie umfassend. Der Abschluss der Schule führe zu einem in England anerkannten Zertifikat. Es mache für das Gericht keinen Unterschied, ob es sich vorliegend um eine islamisch oder laizistisch geprägte Einrichtung handele. Dass die Einrichtung auch der religiösen Bildung diene, sei von daher für das Gericht nicht von entscheidender Bedeutung. Vielmehr sei entscheidend, dass die Kinder vollumfassend in England versorgt würden und lediglich in den Ferien nach Hause kämen sowie im Falle einer Erkrankung versuchten, die Rekonvaleszenzzeit zu Hause zu verbringen. Wochenenden, die das Familienleben prägen könnten, verbrächten sie außerhalb der Ferienzeiten in England. Sie hielten sich damit die weit überwiegende Zeit – die Kläger gingen selbst davon aus, dass die Aufenthaltszeiten in A-Stadt lediglich ein Drittel der Gesamtheit betrage („Im Monat 9,866666667 [Tage]") – nicht in Deutschland auf. Aus Sicht der Kammer sei damit die Familienwohnung in A-Stadt nicht mehr der eigentliche Lebensmittelpunkt der Klägerinnen zu 3. und 4.

Die Voraussetzungen für eine temporäre Bedarfsgemeinschaft lägen in Bezug die Klägerinnen zu 3. und 4. (und ihren Bruder J.) ebenfalls nicht vor, weshalb der entsprechende Hilfsantrag nicht greife. Auch für die Annahme des Bestehens einer temporären Bedarfsgemeinschaft sei das Vorliegen des Tatbestandsmerkmals des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II, nämlich das Bestehen eines gewöhnlichen Aufenthaltes in der Bundesrepublik Deutschland, erforderlich. Insofern komme es nicht einmal auf die Frage an, zu welchen Zeiten die Kinder tatsächlich in Deutschland gewesen seien. Der Verneinung eines Anspruchs der Klägerinnen zu 3. und 4. auf Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch stehe auch nicht entgegen, dass der Kläger zu 1. Kindergeld in Deutschland erhalte. Die gesetzlichen Regelungen zum Kindergeld seien nicht mit denjenigen des Sozialgesetzbuches Zweites Buch vergleichbar. Nach § 62 Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) habe Anspruch auf Kindergeld, wer seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland habe. Dies sei bei dem Kläger zu 1. und der Klägerin zu 2. unstreitig der Fall. Bei den Kindern sei im Einkommensteuerrecht – anders als im Sozialgesetzbuch Zweites Buch – ein gewöhnlicher Aufenthalt in Deutschland nicht erforderlich, sondern es genüge ein Wohnsitz in der Europäischen Union (§ 63 Abs. 1 Satz 3 EStG). Folgerichtig werde Kindergeld für den J. A. auch nicht (mehr) gezahlt.

Das für die Klägerinnen zu 3. und 4.gezahlte Kindergeld sei gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II als Einkommen der Bedarfsgemeinschaft zu berücksichtigen. Bedarfsminderndes Einkommen seien alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert. Hierzu gehöre grundsätzlich auch das Kindergeld, das gemäß § 1 Abs. 1 Bundeskindergeldgesetz ein eigener Anspruch der kindergeldberechtigten Person sei. Da die Klägerinnen zu 3. und 4. nicht Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft seien, finde eine Berücksichtigung bei ihnen gemäß § 11 Abs. 1 Satz 4, Satz 3 SGB II nicht statt. Anders verhalte es sich, wenn eine nachweisbare Weiterleitung des Kindergeldes an außerhalb der Bedarfsgemeinschaft lebende Kinder vorliege. Dies führe nach § 1 Abs. 1 Nr. 8 der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld (Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung – Alg II-V –) dazu, dass das Kindergeld nicht mehr bei den Leistungsberechtigten als Einkommen zu berücksichtigen sei. Vorliegend hätten die Kläger einen entsprechenden Nachweis nicht erbracht. Zwar werde auf ein Konto bei der O. Sparkasse (Konto-Nr.: xxx1), dessen Inhaberin die Klägerin zu 3. sei, ein, soweit ersichtlich, monatlicher Betrag in Höhe von 399,- Euro als Kindergeld bezeichnet von den Eltern eingezahlt. Zu Lasten dieses Kontos würden in England und in Deutschland Kartenverfügungen vorgenommen, so zum Beispiel am 28. Oktober 2013 bei P. und bei Q. in A-Stadt, am 29. Oktober 2013 bei R. und am 27. Oktober 2013 an einem Geldautomaten in S-Stadt (Verweis auf LA BI. 791), wobei anzumerken sei, dass sich die Klägerin zu 3. nach Angaben des Klägers zu 1. vom 27. Oktober 2013 (wohl Reisetag, Verweis auf BI. 83 Gerichtsakte S 1 AS 127/14) beziehungsweise vom 28. Oktober 2013 bis 19. Dezember 2013 im Internat aufgehalten habe (Verweis auf BI. 242 der Gerichtsakte zum Verfahren des SG Kassel – S 1 S 670/12  ), mithin bei R. am 29. Oktober 2013 kaum diese Kartenverfügung selbst vorgenommen haben könne, sowie am 28. März 2013 am Geldautomaten in J-Stadt, am 28. März 2013 am Geldautomaten in S-Stadt und am 29. März 2013 am Geldautomaten in A-Stadt/Y. (Verweis auf BI. 38 Gerichtsakte S 1 AS 127/14), was den Schluss des Beklagten auch zur Überzeugung der Kammer trage, dass die überwiesenen Mittel für die Eltern verfügbar geblieben seien und diese dies auch genutzt hätten.

Soweit der Beklagte die grundsätzliche Hilfebedürftigkeit der Kläger in Zweifel ziehe, möchten diese Zweifel berechtigt sein. Andererseits seien diese wohl auch nach Auffassung des Beklagten nicht so durchgreifend, dass eine Einstellung der Hilfe für die Bedarfsgemeinschaft in Betracht käme. Soweit sich die Zweifel insbesondere auf die Finanzierung des Internatsaufenthaltes bezögen, halte das Gericht sie durchaus für angebracht; unwiderlegt habe die Klägerseite indes dargetan, dass der Aufenthalt über Darlehen finanziert werde. Ob diese tatsächlich zurückgezahlt würden (werden sollten), vermöge die Kammer nicht zu beurteilen.

Im Übrigen wird wegen der Einzelheiten auf das Urteil (GA Bl. 99 ff.) Bezug genommen.

Die Kläger zu 1. bis 4. haben – nach Zustellung des Urteils bei ihrem Prozessbevollmächtigten am 22. Mai 2014 – am 23. Juni 2014, einem Montag, Berufung gegen dieses eingelegt, mit der sie unter Wiederholung und Vertiefung des bisherigen Vorbringens ihre Begehren weiterverfolgen. Dabei haben sie beantragt, unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Kassel vom 13. Mai 2014 – S 1 AS 127/14 – und unter entsprechender Aufhebung des Bescheides des Beklagten vom 26. November 2013 und des Widerspruchsbescheides vom 27. Januar 2014 sowie des Bescheides vom 28. Februar 2014 den Beklagten zu verpflichten, den Klägerinnen zu 3. und 4. D. und E. A. Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch in gesetzlicher Höhe in Bedarfsgemeinschaft mit den Kläger zu 1. und 2. und deren weiteren zur Bedarfsgemeinschaft gehörenden Familienangehörigen zu bewilligen, hilfsweise, den Beklagten zu verpflichten, den Klägerinnen D. und E. A. Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch in gesetzlicher Höhe im Rahmen einer temporären Bedarfsgemeinschaft zu bewilligen und den Leistungsanspruch der Bedarfsgemeinschaft der Kläger zu 1. und 2. ohne Anrechnung des Kindergeldes für die Klägerinnen zu 3. und 4. D. und E. A. neu zu berechnen. Durch Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 25. November 2014 (GA Bl. 152 f.) haben sie die Berufung auf den Widerspruchsbescheid vom 3. Juni 2014 erstreckt, mit dem der Beklagte den – gesondert eingelegten – Widerspruch gegen den Bescheid vom 26. Februar 2014 beschieden hatte.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat haben dann auch die Kläger zu 5. bis 7. im hiesigen Verfahren Ansprüche geltend gemacht, während zuvor die Kläger zu 1. und 2. höhere Leistungen „der Bedarfsgemeinschaft“ eingefordert hatten.

Während des Berufungsverfahrens hat der Beklagte zudem durch Bescheid vom 8. Juli 2014 (LA VI Bl. 9) erneut Leistungsansprüche der Klägerin zu 3., konkret wegen eines von ihr geltend gemachten Aufenthalts bei den Eltern in der Zeit vom 30. Mai 2014 bis 21. Juni 2014, abgelehnt. Den hiergegen gerichteten Widerspruch hat der Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 22. Oktober 2014 zurückgewiesen.

Weiter hat der Beklagte am 9. Juli 2014 einen als Änderungsbescheid bezeichneten Bescheid an den Kläger zu 1. wegen der Leistungen für ihn, die Klägerin zu 2. und die Kläger zu 5. bis 7. für die Zeit vom 1. Juni 2013 bis 30. November 2013 gerichtet, mit dem er Leistungen – ohne Vorläufigkeitsvorbehalt – bewilligt hat. Die für diesen Zeitraum ergangenen Bescheide über die – allerdings nur vorläufige – Leistungsbewilligung hat er aufgehoben. Anknüpfend an diesen Bescheid hat er gegenüber dem Kläger zu 1. – für diesen selbst und die Kläger zu 6. und 7. – einen „Erstattungsbescheid nach endgültiger Festsetzung“ für die Zeit vom 1. Juni bis „31. Dezember 2013“ und einen Betrag von insgesamt 607,13 Euro und gegenüber der Klägerin zu 2. einen Erstattungsbescheid über einen Betrag von 279,14 Euro sowie gegenüber dem Kläger zu 5. über einen Betrag von 198,66 Euro erlassen. Auf Bl. 43 ff., 58 f., 67 f. und 72 f. LA Band VI wird verwiesen. Die hiergegen gerichteten Widersprüche hat er durch Widerspruchsbescheid vom 22. Oktober 2014 als unzulässig zurückgewiesen.

Mit mehreren Bescheiden vom 5. März 2018 (GA Bl. 332 ff.) hat der Beklagte schließlich die Leistungsbewilligung zu Gunsten des Klägers zu 1. ab 27. November 2013 – und damit unter anderem für den hier streitigen Zeitraum – vollständig aufgehoben und die Erstattung der ab diesem Zeitpunkt erbrachten Leistungen verfügt. Dem Kläger zu 1. stünden für diesen Zeitraum keine Leistungen zu, da seine Anerkennung als Asylberechtigter widerrufen worden sei. Seine diesbezügliche Mitteilungspflicht gegenüber dem Beklagten habe er zumindest grob fahrlässig verletzt. Auf GA Bl. 332 ff. wird Bezug genommen.

Zur Begründung ihrer Berufung haben die Kläger unter Wiederholung und Vertiefung ihres bisherigen Vorbringens – weiterhin – insbesondere geltend gemacht, die Klägerinnen zu 3. und 4. hätten trotz des Internatsbesuchs ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Familienwohnung in A-Stadt in einem gemeinsamen Haushalt mit den dort durchgängig wohnenden Familienangehörigen gehabt. Dorthin seien sie während der Ferienzeiten, aber auch bei längeren Krankheiten zurückgekehrt. Deshalb sei auch die Aufteilung der Zimmer in der Wohnung trotz des Internatsbesuchs nicht verändert worden; vielmehr sei das von ihnen benutzte Kinderzimmer für sie freigehalten worden, so dass sie jederzeit hätten nach Hause kommen können, ohne dass in ihrem Raum irgendwelche Veränderungen hätten vorgenommen werden müssen. Zudem sei auch während der Schulzeit über verschiedene Formen der Telekommunikation enger Kontakt gepflegt worden. Schon auf Grund ihres Alters hätten sie sich im streitigen Zeitraum noch nicht vom Elternhaus gelöst. Die Bedarfsgemeinschaft sei daher durch den Internatsbesuch, der unstreitig dazu geführt habe, dass sie sich zu zwei Dritteln des Jahres im Internat, zu einem Drittel bei den Eltern aufgehalten hätten, nicht aufgelöst worden; dies werde auch durch das Urteil des Bundessozialgerichts vom 28. Oktober 2014 – B 14 AS 65/13 R – gestützt. Schließlich sei eine Unterscheidung zwischen einem Internatsbesuch im Inland und in einem Land der Europäischen Union unter europarechtlichen Gesichtspunkten nicht zulässig.

Zumindest sei eine temporäre Bedarfsgemeinschaft zu berücksichtigen. Insoweit komme es allein auf den gewöhnlichen Aufenthalt des sorge- beziehungsweise umgangsberechtigten Elternteils an. Weder ein überwiegender Aufenthalt der Kinder im Ausland noch die Vollendung des 15. Lebensjahres könnten dem entgegengehalten werden. 

Jedenfalls aber dürfe, so haben die Kläger zur Begründung des Hilfsantrags vorgebracht, das Kindergeld nicht auf die Ansprüche der durchgängig in Deutschland lebenden Familienmitglieder angerechnet werden, da der Kläger zu 1. es per Dauerauftrag auf ein Konto weitergeleitet habe, das allein von den Klägerinnen zu 3. und 4. genutzt werde. Selbst wenn es im Einzelfall dazu gekommen sein sollte, dass der Kläger zu 1. und die Klägerin zu 2. – die das Konto auf Grund der Minderjährigkeit der Klägerinnen zu 3. und 4. auch hätten einrichten müssen – das Konto genutzt hätten, sei das ausschließlich für Aufwendungen im Interesse der beiden Töchter geschehen.

Hinsichtlich der Finanzierung der Schulausbildung in England haben die Kläger vorgetragen, dies sei durch Darlehen der Herren L. und M. ermöglicht worden. Die Schulden bei Herrn L. seien inzwischen aus Mitteln des Ehemannes der Klägerin zu 3. vollständig zurückgeführt worden; dieser habe seinerseits auf die Rückzahlung verzichtet. Auch bei Herrn M. bestünden keine Schulden mehr. Die Flugkosten seien durch die langfristige Buchung von Billigflügen überschaubar gewesen und aus den Grundsicherungsleistungen finanziert worden. 

Die Klägerin zu 3. beantragt, 

das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 13. Mai 2014 – S 1 AS 127/14 –, soweit es zu ihren Lasten ergangen ist, aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung seines Bescheides vom 26. November 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Januar 2014, geändert durch den Bescheid vom 26. Februar 2014 und den Bescheid vom 9. Mai 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Juni 2014, und Aufhebung der Bescheide vom 8. Januar 2014, vom 8. Mai 2014 sowie vom 8. Juli 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Oktober 2014 zu verurteilen, zu ihren Gunsten laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch für die Zeit vom 1. Dezember 2013 bis 31. Mai 2014 in gesetzlicher Höhe zu gewähren;

Die Klägerin zu 4. beantragt, 

das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 13. Mai 2014 – S 1 AS 127/14 –, soweit es zu ihren Lasten ergangen ist, aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung seines Bescheides vom 26. November 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Januar 2014, geändert durch den Bescheid vom 26. Februar 2014 und den Bescheid vom 9. Mai 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Juni 2014, und Aufhebung der Bescheide vom 8. Januar 2014 und vom 8. Mai 2014 zu verurteilen, zu ihren Gunsten laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch für die Zeit vom 1. Dezember 2013 bis 31. Mai 2014 in gesetzlicher Höhe zu gewähren;

Die Kläger zu 1., 2. und 5. bis 7. beantragen, 

das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 13. Mai 2014 – S 1 AS 127/14 –, jeweils soweit es zu ihren Lasten wirkt, aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung seines Bescheides vom 26. November 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Januar 2014, geändert durch den Bescheid vom 26. Februar 2014 und den Bescheid vom 9. Mai 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Juni 2014, jeweils soweit die Bescheide ihre Leistungsansprüche betreffen, zu verurteilen, jeweils zu ihren Gunsten höhere laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – insbesondere unter Außerachtlassung des an die Klägerinnen zu 3. und zu 4. gezahlten Kindergeldes – für die Zeit vom 1. Dezember 2013 bis 31. Mai 2014 in gesetzlicher Höhe zu gewähren, sowie den Bescheid des Beklagten vom 5. März 2018, soweit er den hiesigen Streitzeitraum betrifft, aufzuheben.

Der in der mündlichen Verhandlung nicht anwesende Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,

die Berufungen zurückzuweisen.

Er verteidigt das angegriffene Urteil und seine Bescheide. Er hat zudem auf die nach Auskunft des Bundeszentralamtes für Steuern fortbestehende Verfügungsberechtigung des Klägers zu 1. für das Konto der Klägerin zu 3., auf welches das Kindergeld weitergeleitet worden sei, hingewiesen.

Der Senat hat durch die damalige Berichterstatterin am 22. Februar 2017 einen Erörterungstermin (unter anderem) im hiesigen Verfahren durchgeführt. Auf die Niederschrift (GA Bl. 278 ff.) wird Bezug genommen.

Ein Versuch, vor dem Güterichter eine Verständigung der Beteiligten zu ermöglichen, ist erfolglos geblieben.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten sowie zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie auf den Inhalt der Gerichtsakten sowohl zum hiesigen wie zu den Parallelverfahren L 6 AS 89/20, L 6 AS 90/20 und L 6 AS 92/20 sowie der die Klägerinnen und die Kläger betreffenden Verwaltungsakten des Beklagten und der beigezogenen Akten der Staatsanwaltschaft Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Der Senat konnte verhandeln und entscheiden, obwohl der Beklagte in der mündlichen Verhandlung am 9. Juni 2021 nicht erschienen ist, nachdem dieser zu dem Termin ordnungsgemäß geladen worden war und nur seinerseits darum gebeten hatte, zu diesem keinen Vertreter entsenden zu müssen.

Die zulässige Berufung der Kläger zu 1. bis 4. gegen das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 13. Mai 2014 – S 1 AS 127/14 – ist unbegründet. Das Sozialgericht hat das auf die durchgängige Gewährung von Leistungen für die Zeit vom 1. Dezember 2013 bis 31. Mai 2014 gerichtete Begehren der Klägerinnen zu 3. und zu 4. zu Recht abgewiesen. Das gilt im Ergebnis auch für das Begehren des Klägers zu 1. und der Klägerin zu 2.; allerdings war deren Klage – wegen der Unzulässigkeit einer hilfsweisen subjektiven Klagehäufung – bereits unzulässig. Die erst im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erhobenen Klagen der Kläger zu 5. bis 7. sind unzulässig und waren daher „auf Klage“ abzuweisen.

A. Mit ihrem jeweiligen Klagebegehren machen die Kläger – jedenfalls nach den im Berufungsverfahren in sachgerechter Weise zuletzt gestellten Anträgen – nur die ihnen jeweils individuell zustehenden Ansprüche geltend. Die Kläger zu 5. bis 7. sind dabei erst durch die in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat gestellten Anträge zu Beteiligten des Verfahrens geworden.

1. Das Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende ordnet die jeweiligen Leistungsansprüche individuell den einzelnen Hilfebedürftigen zu. Einen Rechtsanspruch „der Bedarfsgemeinschaft“ oder auch die Möglichkeit, dass ein Mitglied der Bedarfsgemeinschaft, namentlich der „pater familias“, im eigenen Namen (auch) die Ansprüche der übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft geltend machen könnte, kennt das Grundsicherungsrecht nicht. Insbesondere wenn die Betroffenen anwaltlich vertreten sind, kommt auch die Auslegung einer im Namen bestimmter Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft erhobenen Klage dahin, dass auf diese Weise Klage auch für andere Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft erhoben werden soll mit der Folge, dass diese zu Aktivbeteiligten würden, nicht in Betracht; das gilt jedenfalls nach Ablauf der Übergangsfrist, die das Bundessozialgericht nach Inkrafttreten des Sozialgesetzbuches Zweites Buch im Jahr 2005 vorübergehend anerkannt hatte und die den Beteiligten ermöglichen sollte, sich ohne Rechtsnachteil auf die prozessualen Folgen des neu geschaffenen Rechtsinstituts Bedarfsgemeinschaft einzustellen (vgl. ausfl. BSG, Urteil vom 7. November 2006 – B 7b AS 8/06 R –, BSGE 97, 217, Rn. 11 ff.). 

Die Kläger zu 5. bis 7. waren daher bis zu der im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vorgenommenen Klageerweiterung am hiesigen Rechtsstreit nicht beteiligt. Auch wenn der bereits bei der erstinstanzlichen Klageerhebung formulierte Hilfsantrag von Ansprüchen „der Bedarfsgemeinschaft“ spricht, konnte dies angesichts der eindeutigen und namentlichen Benennung der Aktivbeteiligten, konkret der Kläger zu 1. bis 4., durch die anwaltlich vertretenen Kläger nicht in der Weise gedeutet werden, dass bereits damals (auch) im Namen der Kläger zu 5. bis 7. hätte Klage erhoben werden sollen. Auch das Sozialgericht ist hiervon – richtigerweise – nicht ausgegangen, ohne dass dies von Klägerseite beanstandet worden wäre. Erst mit den in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat gestellten – insoweit als Klageänderung in Form der Klageerweiterung zu verstehenden und an § 99 SGG in Verbindung mit § 153 Abs. 1 SGG zu messenden – Anträgen sind die Kläger zu 5. bis 7. zu Beteiligten des Verfahrens geworden.

2. Auf Grund der individuellen Zuordnung der Leistungsansprüche können die Aktivbeteiligten eines Verfahrens (zulässigerweise) nur die jeweils ihnen individuell zustehenden Leistungen geltend machen. Regelmäßig sind Klageanträge, die dies nicht eindeutig erkennen lassen, in diesem Sinne auszulegen. 

Hinsichtlich des erstrangig gestellten Begehrens der Klägerinnen zu 3. und 4. kommt dies zudem durchgängig bereits in der Formulierung der bei Klageerhebung, in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht und im Berufungsschriftsatz gestellten Anträge zum Ausdruck. Insoweit war von Anfang an hinreichend deutlich, dass jeweils nur die Klägerin zu 3. und die Klägerin zu 4. die ihnen individuell zustehenden Ansprüche (selbst und in eigenem Namen) geltend machen wollten; die in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat gestellten Anträge formulieren dies nur noch klarer.

Weniger eindeutig war dies bei dem Hilfsantrag des Klägers zu 1. und der Klägerin zu 2., so wie er ursprünglich und im Berufungsschriftsatz formuliert war, nachdem dort von einem Leistungsanspruch „der Bedarfsgemeinschaft“ gesprochen wird. Die anwaltlich vertretenen Kläger haben auf die Unzulässigkeit einer in Prozessstandschaft geführten Klage aber in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat reagiert: Der anwaltliche Bevollmächtigte der Kläger hat auch für die Kläger zu 5. bis 7. in eigener Person Anträge zur Entscheidung des Senats gestellt. Umgekehrt sind (auch) die Anträge des Klägers zu 1. und der Klägerin zu 2. nunmehr deutlich dahin formuliert, dass diese nur die ihnen individuell zustehenden und daher von ihnen zulässigerweise geltend zu machenden Ansprüche umfassen sollen. An einem darüber hinausgehenden prozessualen Begehren haben sie jedenfalls nicht festgehalten.

B. Die Anträge der Klägerinnen zu 3. und 4. müssen ohne Erfolg bleiben.

I. Mit ihren Anträgen machen sie Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende für den Zeitraum vom 1. Dezember 2013 bis 31. Mai 2014 geltend. Damit zielen sie – unter Berufung auf einen gewöhnlichen Wohnsitz in A-Stadt und eine ununterbrochen bestehende Haushaltsgemeinschaft mit den durchgängig in A-Stadt lebenden Familienmitgliedern auch während der Zeiten ihres Aufenthalts im Internat in England – in erster Linie auf die Leistungsgewährung für den gesamten Streitzeitraum. Der ursprünglich von ihnen formulierte Hilfsantrag (nur) für die Zeiten ihres Aufenthalts in A-Stadt geht in diesem Begehren auf; eine Notwendigkeit, ihn gesondert zu stellen, bestand daher nicht: Der Senat hätte vielmehr, wenn er von einem Leistungsanspruch der beiden Klägerinnen (nur, aber immerhin) für diese Zeiträume ausginge, bereits aufgrund des Hauptantrags zu einem der Klage (nur) teilweise stattgebenden Urteil gelangen müssen.

1. Gegenstand des Verfahrens  wegen des Begehrens der Klägerinnen zu 3. und 4. sind vor diesem Hintergrund – neben dem angegriffenen Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 13. Mai 2014 im Verfahren S 1 AS 127/14 – zunächst der Bescheid vom 26. November 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Januar 2014, mit dem der Beklagte – wenn auch nur vorläufig – Leistungen für den streitigen Zeitraum (nur) zu Gunsten des Klägers zu 1., der Klägerin zu 2. und der durchgängig in A-Stadt lebenden Kinder, also der Kläger zu 5. bis 7., bewilligt hat. Vor dem Hintergrund des andauernden Streites um die Ansprüche der Klägerinnen zu 3. und 4. und des auch für sie gestellten Leistungsantrags ist die auf die genannten Personen beschränkte Bewilligung zugleich als konkludente Ablehnung der Gewährung von Leistungen an die Klägerinnen zu 3. und 4. auszulegen; dies haben, wie sich im Widerspruchsverfahren gezeigt hat, offenbar auch die Beteiligten selbst so gesehen. 

Dabei ist, obwohl die Leistungsbewilligung zu Gunsten der begünstigten Familienmitglieder im Bescheid vom 26. November 2013 zunächst nur vorläufig erfolgte, die Ablehnung der Ansprüche der Klägerinnen zu 3. und 4. bereits durch diesen Bescheid als endgültig zu verstehen. Noch deutlicher wird dies durch den Widerspruchsbescheid vom 27. Januar 2014, nachdem der Beklagte seine ablehnende Widerspruchsentscheidung darauf gestützt hat, die Klägerinnen zu 3. und 4. erfüllten die Grundvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II nicht. Ein Anhaltspunkt dafür, dass diese rechtliche Beurteilung und die darauf gestützte Ablehnung in irgendeiner Weise unter dem Vorbehalt weiterer tatsächlicher Ermittlungen oder eines sonstigen Grundes für eine nur vorläufige Entscheidung gestanden haben könnte, ist auch und gerade aus dem Empfängerhorizont nicht ersichtlich. Vor diesem Hintergrund ist von einem endgültigen Charakter der Ablehnungsentscheidung bereits durch den Bescheid vom 26. November 2013 in Gestalt des zugehörigen Widerspruchsbescheides vom 27. Januar 2014 auszugehen. Unabhängig von späteren Änderungen beziehungsweise Bescheiden über endgültig zu bewilligende Leistungen an die durchgängig in A-Stadt lebenden Familienmitglieder behielt dieser im Verhältnis zu den Klägerinnen zu 3. und 4. daher seinen Regelungsgehalt und hat sich nicht erledigt.

Wegen der zeitlichen Korrespondenz mit der Bewilligung für die anderen Familienmitglieder ist, obwohl eine Ablehnungsentscheidung regelmäßig keinen Dauerverwaltungsakt darstellt, ausnahmsweise von einer entsprechenden zeitlichen Erstreckung der ablehnenden Regelung auszugehen. 

2. Die Klägerinnen zu 3. und 4. haben nach dem Folgeantrag für den gesamten Streitzeitraum weitere Leistungsanträge bei dem Beklagten – jeweils bezogen auf ihre Anwesenheitszeiten bei der Familie – gestellt, konkret am 20. Dezember 2013 für ihren Aufenthalt in A-Stadt um den Jahreswechsel 2013/2014, am 7. Mai 2014 für die Besuche im März 2014 und im April 2014 und – nur die Klägerin zu 3. – am 2. Juli 2014 für die Zeit vom 30. Mai bis zum 21. Juni 2014. 

Der Beklagte hat diesbezüglich am 8. Januar 2014, am 8. Mai 2014 und am 8. Juli 2014 jeweils ablehnende Bescheide erlassen, wobei letzterer nur die Klägerin zu 3. betrifft, da nur sie den entsprechenden Antrag gestellt hatte. Soweit ersichtlich haben die Klägerinnen zu 3. und 4. nur gegen die Bescheide vom 8. Januar 2014 und vom 8. Juli 2014 Widerspruch eingelegt, der Beklagte nur letzteren durch Widerspruchsbescheid vom 22. Oktober 2014 beschieden. Auch haben die Klägerinnen zu 3. und 4. bis zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat ihre im hiesigen Verfahren gestellten Anträge nicht auf diese Bescheide bezogen, das Sozialgericht hat sie im angegriffenen Urteil nicht abgehandelt.

In der mündlichen Verhandlung haben die Klägerinnen zu 3. und 4. dennoch sinnvollerweise ihren jeweiligen Berufungsantrag auf diese Bescheide erstrecken, soweit sie von diesen betroffen sind. Dabei ist – ausnahmsweise – nicht davon auszugehen, dass mit der jeweiligen Antragstellung eine Zäsur hinsichtlich des im gerichtlichen Verfahren zulässigerweise streitigen Zeitraums einhergeht: Durch den Bescheid vom 26. November 2013 hat der Beklagte Leistungen zu Gunsten der Klägerinnen zu 3. und 4. für den gesamten streitigen Zeitraum abgelehnt. Die nachfolgend mehrfach wiederholte Antragstellung beruhte ersichtlich allein darauf, dass der Beklagte dies und vor allem eine persönliche Vorsprache der beiden Klägerinnen in den vorangegangenen Leistungszeiträumen verlangt hatte, wenn sie Leistungen (zumindest) für die Zeiten ihrer Aufenthalte in A-Stadt erhalten wollten. Weder aus Sicht der Klägerinnen zu 3. und 4. noch aus der des Beklagten war vor diesem Hintergrund mit einem entsprechenden Vorgehen eine (zeitlich begrenzte) Neuantragstellung unter Aufgabe des (bereits abschlägig beschiedenen, aber noch streitigen) Leistungsanspruchs für den gesamten Bewilligungsabschnitt verbunden. 

Die nachfolgende Ablehnung von Leistungen für die Zeiten des Aufenthalts in A-Stadt stellt sich vor diesem Hintergrund bei einer am Recht auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz – GG –) orientierten Auslegung nur als (auf den jeweils betroffenen Teilzeitraum bezogene) Bestätigung der durch den Bescheid vom 26. November 2013 bereits erfolgten Ablehnung dar. Die Klägerinnen zu 3. und 4. durften daher davon ausgehen, dass mit ihrem Vorgehen gegen den Ablehnungsbescheid vom 26. November 2013 ihre Ansprüche für den gesamten von diesem geregelten Zeitraum vom 1. Dezember 2013 bis 31. Mai 2014 streitig gestellt seien. 

Zwar wird man (dennoch) nicht davon ausgehen, dass es sich bei den Bescheiden vom 8. Januar 2014, vom 8. Mai 2014 und vom 8. Juli 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Oktober 2014 um bloße wiederholende Verfügungen handelte, denen hinsichtlich der Ansprüche der Klägerinnen keine Regelungswirkung zuzumessen wäre; umgekehrt haben sie auf Grund ihres nur sehr eingeschränkten und spezifischen Regelungsziels den Bescheid vom 26. November 2013 nicht vollständig ersetzt und diesen daher nicht nach § 39 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch   Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) vollständig erledigt (vgl. zu einer entspr. Konstellation: BSG, Urteil vom 25. April 2018 – B 8 SO 24/16 R –, SozR 4-3500 § 82 Nr. 12). 

Im Ergebnis wurden sie bei diesem Verständnis über § 86 SGG Gegenstand des Widerspruchsverfahrens beziehungsweise über § 96 Abs. 1 SGG (ggf. i.V.m. § 153 Abs. 1 SGG) des Klage- beziehungsweise Berufungsverfahrens und konnten deswegen nicht bindend werden: Zwar fällt ein Zweitbescheid nicht in den Anwendungsbereich von § 86 und § 96 SGG, wenn der erste Bescheid bestandskräftig geworden ist (vgl. B. Schmidt, in: Meyer-Ladewig u.a., SGG – Kommentar, 13. Aufl. 2020, § 96 Rn. 3); etwas anderes muss aber dann gelten, wenn der erste Bescheid angegriffen und das diesbezügliche Widerspruchs- oder Klageverfahren noch offen ist (vgl. zur Einbeziehung wiederholter Ablehnungsentscheidungen auch BSG, Urteil vom 13. Juli 2017 – B 4 AS 12/16 R –, juris, Rn. 13; krit. Schifferdecker NZS 2018, 27, allerdings mit Blick auf § 44 SGB X und insofern für eine andere als die hier vorliegende Fallkonstellation). Der Betroffene kann sich in diesem Fall vor dem Hintergrund der Regelungen aus § 86 und § 96 SGG gerade darauf verlassen, dass, wenn der Leistungsträger weitere Bescheide mit Bezug auf den Streitgegenstand des offenen Rechtsbehelfsverfahrens erlässt, diese in das Verfahren einbezogen werden. Das muss – gerade – auch dann gelten, wenn es sich nur um die erneute und letztlich damit nur bestätigende Ablehnung von Leistungen für den bereits streitigen Zeitraum oder einen Teil von diesem handelt. 

Ausgehend von ihrem erkennbaren Klagebegehren, nämlich der Leistungsgewährung für den Streitzeitraum vom 1. Dezember 2013 bis zum 31. Mai 2014, haben die Klägerinnen zu 3. und 4. vor diesem prozessualen Hintergrund sinnvollerweise auch die Bescheide vom 8. Januar 2014, vom 8. Mai 2014 und vom 8. Juli 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Oktober 2014 – insoweit nur die von diesem allein betroffene Klägerin zu 3. – in ihren Anfechtungsantrag einbezogen. Die in dieser Antragsformulierung hinsichtlich des Bescheides vom 8. Januar 2014 liegende Klageänderung – dieser vor Klageerhebung ergangene Bescheid konnte ohne ausdrückliche Erklärung der Klägerinnen nicht zum Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens werden – ist, nachdem der Bescheid wegen des ausstehenden Widerspruchsbescheides nicht bindend geworden ist, auch sachdienlich im Sinne von § 99 Abs. 1 Alt. 2 SGG (i.V.m. § 153 Abs. 1 SGG) sein. Eine entsprechende Klageänderung ist nach Auffassung des Senats auch in der Berufungsinstanz möglich und eine Sachentscheidung des Senats hierüber zulässig (vgl. hierzu ausfl.: erk. Senat, Urteil vom 11. März 2020 – L 6 AS 269/19 –, BeckRS 2020, 8115; erk. Senat, Urteil vom 11. März 2020 – L 6 AS 471/19 –, BeckRS 2020, 8116). Das Fehlen eines abgeschlossenen Vorverfahrens ist, wie noch auszuführen sein wird, insoweit unschädlich. Über den Antrag hat der Senat „auf Klage“ zu entscheiden.

Der Bescheid vom 8. Mai 2014 ist über § 96 Abs. 1 SGG zum Gegenstand des zum Zeitpunkt seines Erlasses noch erstinstanzlich anhängigen Verfahrens geworden. Der Umstand, dass das Sozialgericht über ihn nicht entschieden hat, führt zu einem Verfahrensfehler und dazu, dass der Senat die Entscheidung nachholen muss (vgl. BSG, Urteil vom 17. November 2005 – B 11a/11 AL 57/04 R –, SozR 4-1500 § 96 Nr. 4; B. Schmidt, in: Meyer-Ladewig u.a., SGG – Kommentar, 13. Aufl. 2020, § 96 Rn. 12a). Auch wenn zu diesem Bescheid ein erstinstanzliches Urteil nicht vorliegt, ist über derartige Bescheide im Wege der Überprüfung des (insoweit lückenhaften) erstinstanzlichen Urteils und also „auf Berufung“ zu entscheiden (vgl. BSG, Urteil vom 26. Mai 2011 – B 10 EG 12/10 R –, SozR 4-7837 § 4 Nr. 2, Rn. 17; BSG, Urteil vom 20. Dezember 2012 – B 10 EG 19/11 R –, SozR 4-7837 § 3 Nr. 1, Rn. 18; Klein, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, § 96 – Stand: 16. November 2020 – Rn. 73).

Der Bescheid vom 8. Juli 2014 in Gestalt des Widerspruchsverfahrens vom 22. Oktober 2014 ist über § 96 Abs. 1 in Verbindung mit § 153 Abs. 1 SGG zum Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden. Über diesen ist wiederum ohne Weiteres „auf Klage“ zu entscheiden.

3. Weiter haben (auch) die Klägerinnen zu 3. und 4. die Änderungsbescheide vom 26. Februar 2014 und vom 9. Mai 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Juni 2014, mit dem der Beklagte, weiterhin vorläufig, die Leistungsgewährung zu Gunsten der durchgängig in A-Stadt lebenden Familienmitglieder abgeändert hat, in ihre Anträge einbezogen. 

Bezüglich der Ansprüche der Klägerinnen zu 3. und 4. scheint dies auf den ersten Blick nicht naheliegend zu sein, nachdem eine – endgültige – Leistungsablehnung bezüglich der von ihnen geltend gemachten Ansprüche durch den Bescheid vom 26. November 2013 bereits vorlag, die, wie ausgeführt, ausnahmsweise und ohne Zäsur auf den gesamten Bewilligungszeitraum zu beziehen ist. Vor diesem Hintergrund ist die bloße Änderung der vorläufigen Leistungsbewilligung zu Gunsten der übrigen Familienmitglieder grundsätzlich nicht als nochmalige Ablehnung der von den Klägerinnen zu 3. und 4. geltend gemachten Leistungen anzusehen. Aus dem insoweit maßgeblichen Empfängerhorizont – und wohl auch nach der Regelungsabsicht des Beklagten – erscheint es vielmehr naheliegend, dass auf diese Weise (tatsächlich nur) die Höhe der an die durchgängig in A-Stadt lebenden Familienmitglieder vorläufig zu erbringenden Leistungen abgeändert werden sollte.

Allerdings ist im konkreten Fall dennoch die Einbeziehung der Änderungsbescheide vom 26. Februar 2014 und vom 9. Mai 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Juni 2014 zur Klarstellung auch mit Blick auf das Begehren der Klägerinnen zu 3. und 4. veranlasst, um zu verhindern, dass Unklarheiten über die Reichweite der Änderungsbescheide entstehen. Grund hierfür ist, dass der Beklagte mit dem Widerspruchsbescheid vom 3. Juni 2014 eine Sachentscheidung getroffen hat und die Beteiligten des Widerspruchsverfahrens offenbar davon ausgingen, dass in diesem Zusammenhang (nochmals) die gleichen Streitpunkte und damit auch die Ansprüche der Klägerinnen zu 3. und 4. streitig seien wie im ursprünglichen Bescheid vom 26. November 2013. 

Nachdem der Beklagte aber durch den Widerspruchsbescheid vom 3. Juni 2014 in der Sache über den Widerspruch entschieden hat, ist auch der Widerspruchsbescheid zum Gegenstand des (Berufungs )Verfahrens geworden ist, ohne dass entschieden werden müsste, ob davon auch dann auszugehen wäre, wenn der Beklagte den erneuten Widerspruch unter Verweis auf § 96 Abs. 1 SGG als unzulässig verworfen hätte. 

4. Die Klägerinnen zu 2. und 3. haben ihr Begehren in der mündlichen Verhandlung zutreffend als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4, § 56 SGG) formuliert. Da der Senat über das Klagebegehren zu entscheiden hat, ohne an die Fassung der Anträge gebunden zu sein (§ 123 i.V.m. § 153 Abs. 1 SGG), war schon der schriftsätzlich formulierte Berufungsantrag entsprechend zu verstehen.

II. Die Berufung ist angesichts des Streitgegenstandes, also der für ein halbes Jahr geltend gemachten Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende für die Klägerinnen zu 3. und 4. in voller Höhe, nach § 143, § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG statthaft und auch im Übrigen zulässig, namentlich entsprechend den Anforderungen aus § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegt.

In diesem Zusammenhang ist nach dem Vermerk, der von der Leitung der Serviceeinheit des Senats auf der Berufungsschrift aufgebracht worden ist, zu Gunsten der Kläger davon auszugehen, dass diese, wie dort festgehalten, am 23. Juni 2014 beim Sozialgericht Kassel eingegangen ist, auch wenn der tatsächliche Hintergrund für die merklich spätere Übermittlung an den Senat nicht deutlich ist. Da der 23. Juni 2014 ein Montag und das angegriffene Urteil dem Bevollmächtigten der Kläger am 22. Mai 2014 zugestellt worden war, haben die Kläger die Berufungsfrist gewahrt (vgl. § 64 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 SGG).

Beide Klägerinnen waren zum Zeitpunkt der Berufungseinlegung bereits selbst prozessfähig, so dass auch unter diesem Gesichtspunkt keine Bedenken hinsichtlich ihrer Zulässigkeit bestehen: Ein Beteiligter ist nach § 71 Abs. 1 SGG prozessfähig, wenn er sich durch Verträge verpflichten kann. Minderjährige sind gemäß § 71 Abs. 2 Satz 1 SGG in eigenen Sachen prozessfähig, soweit sie durch Vorschriften des bürgerlichen oder öffentlichen Rechts für den Gegenstand des Verfahrens als geschäftsfähig anerkannt sind. Dabei setzt die sozialrechtliche Handlungsfähigkeit nach § 36 Abs. 1 Satz 1 SGB I (nur) die Vollendung des fünfzehnten Lebensjahres voraus, was auch bei der am 11. März 1999 geborenen Klägerin zu 3. zum Zeitpunkt der Berufungseinlegung am 23. Juni 2014 bereits der Fall war.

III. Die Berufung ist jedoch unbegründet. Die Klägerinnen zu 3. und 4. haben keinen Anspruch auf weitere Leistungen.
1. Das Sozialgericht ist zunächst zu Recht von der Zulässigkeit der Klage ausgegangen. Namentlich ist sie form- und fristgerecht entsprechend den Vorgaben aus § 87 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 SGG erhoben worden. 

Dabei ist hinsichtlich der Klageerhebung von einer ausreichenden Vertretung der Klägerin zu 4. durch ihre beiden Eltern auszugehen, nachdem am hiesigen Verfahren beide Eltern von Anfang an beteiligt waren.

2. Das Sozialgericht hat dem Begehren der Klägerinnen zu 3. und 4. auf Gewährung von Leistungen zu ihren Gunsten zu Recht in der Sache nicht entsprochen.

a) Rechtsgrundlage für den von ihnen jeweils geltend gemachten Anspruch sind die §§ 7 ff., §§ 19 ff. SGB II. Dabei würde der am 9. Mai 1995 geborenen Klägerin zu 3. durchgängig ein Anspruch auf Arbeitslosengeld II zustehen (§ 19 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II), der am 11. März 1999 geborenen Klägerin zu 4. bis zur Vollendung ihres 15. Lebensjahres ein Anspruch auf Sozialgeld (§ 19 Abs. 1 Satz 2 SGB II) und ab diesem Zeitpunkt ebenfalls ein Anspruch auf Arbeitslosengeld II.

b) Der von der Klägerin zu 3. geltend gemachte Anspruch auf Grundsicherungsleistungen für die Zeiten ihres Aufenthalts in England im Internat scheitert für den hier streitigen Bewilligungszeitraum vom 1. Dezember 2013 bis 31. Mai 2014 durchgängig bereits daran, dass sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht, wie von § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II verlangt, in Deutschland hatte.

aa) (1.) Wie für den Begriff des Wohnsitzes enthält der Allgemeine Teil des Sozialgesetzbuches auch für den des gewöhnlichen Aufenthalts eine für das gesamte Sozialrecht und damit auch das Grundsicherungsrecht maßgebliche Legaldefinition: Danach hat jemand seinen gewöhnlichen Aufenthalt dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt (§ 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I). 

Der gewöhnliche Aufenthalt unterscheidet sich vom Wohnsitz zunächst dadurch, dass er nicht voraussetzt, dass dem Betroffenen eine (und sei es noch so eingeschränkte) Wohnung zur Verfügung steht. Bei einem Aufenthalt in einem Internat oder in einer anderen Institution kann daher dort der Ort des gewöhnlichen Aufenthalts liegen.

Auch ein gewöhnlicher Aufenthalt setzt allerdings voraus, dass der Betreffende am fraglichen Ort (beziehungsweise in einem bestimmten Gebiet) nicht nur vorübergehend verweilt. Maßgeblich ist also eine objektive zeitliche Komponente – wobei eine feste Grenze nicht existiert – und der grundsätzlich zukunftsoffene Verbleib (vgl. nur BSG, Urteil vom 27. März 2020 – B 10 EG 7/18 R –, SozR 4-7837 § 1 Nr. 9, Rn. 44): Dies schließt allerdings auch bei einem – etwa durch die Dauer der Schulzeit – von vornherein zeitlich begrenzten Aufenthaltszweck einen gewöhnlichen Aufenthalt nicht aus, wenn der Betroffene an dem Aufenthaltsort „bis auf Weiteres“ den örtlichen Schwerpunkt seiner Lebensbeziehungen hat (vgl. nochmals BSG, Urteil vom 27. März 2020 – B 10 EG 7/18 R  , SozR 4-7837 § 1 Nr. 9, Rn. 43; außerdem BSG, Urteil vom 12. April 2017 – B 13 R 12/15 R  , BSGE 123, 98, Rn. 49). Ist dies der Fall, so stellt auch eine vorübergehende Abwesenheit vom Ort des gewöhnlichen Aufenthalts diesen nicht in Frage, sofern eine gewisse Stetigkeit und Regelmäßigkeit erhalten bleibt; dementsprechend ist mit vorübergehenden Aufenthalten an einem anderen Ort – etwa für einen Urlaub oder Besuche bei der Familie oder bei Freunden – regelmäßig kein Wechsel des gewöhnlichen Aufenthalts verbunden (vgl. BSG, Urteil vom 31. Oktober 2012 – B 13 R 1/12 R –, BSGE 112, 116, Rn. 30).

Wie beim Wohnsitz ist das (Fort )Bestehen eines gewöhnlichen Aufenthalts anhand einer prognostischen Einschätzung unter Einbeziehung aller Umstände zu beurteilen (vgl. wiederum BSG, Urteil vom 27. März 2020 – B 10 EG 7/18 R –, SozR 4-7837 § 1 Nr. 9, Rn. 45; BSG, Urteil vom 31. Oktober 2012 – B 13 R 1/12 R –, BSGE 112, 116, Rn. 25 f.); dies gilt im Sinne einer fiktiven Prognose selbst dann, wenn der gewöhnliche Aufenthalt   wie im vorliegenden Verfahren – für einen zurückliegenden Zeitraum zu ermitteln ist (vgl. BSG, Urteil vom 1. März 2018 – B 8 SO 22/16 R –, SozR 4-3250 § 14 Nr. 28, Rn. 20). 

(Nur) im Rahmen dieser prognostischen Einschätzung der Entwicklung kann auch der Wille des Betroffenen (oder seiner Sorgeberechtigten) von Bedeutung sein (vgl. BSG, Urteil vom 16. Oktober 1986 – 12 RK 13/86 –, BSGE 60, 262), so wenn eine längere Verweildauer (zwar unsicher ist, aber immerhin) als gut möglich in Betracht kommt und für die daran anknüpfende Einschätzung des weiteren Verlaufs daher die individuellen Pläne des Betroffenen zentrales Gewicht bekommen (vgl. BSG, Urteil vom 12. Dezember 2017   B 11 AL 21/16 R –, BSGE 125, 38, Rn. 11). Grundsätzlich ist es dagegen im Rahmen von § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I unerheblich, ob der Aufenthalt freiwillig erfolgt; für den (gewöhnlichen) Aufenthalt ist vielmehr das rein tatsächliche Verweilen maßgeblich (vgl. BSG, Urteil vom 19. November 1965 – 1 RA 154/62 –; BSG, Urteil vom 28. Juni 1984 – 3 RK 27/83 –, SozR 2200 § 205 Nr. 56). Auch die melderechtlichen Verhältnisse haben allenfalls indizielle Bedeutung.

Die Voraussetzungen für die Annahme eines gewöhnlichen Aufenthalts können an mehreren Orten gleichzeitig gegeben sein; das setzt allerdings – nahezu – gleichgewichtige Verbindungen zu beiden Orten voraus. In aller Regel wird man im Rahmen des Grundsicherungsrechts diesbezüglich eine Entscheidung zu treffen und daher auf den Ort mit den engsten Beziehungen zurückzugreifen haben (vgl. so auch Leopold, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 5. Aufl., § 7 – Stand: 5. Januar 2021 – Rn. 82).

Überdies wird diskutiert, ob der – in sehr unterschiedlichen Kontexten verwendete – Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts durch den jeweiligen Sachzusammenhang „eingefärbt“ wird, also unterschiedlichen Gehalt annehmen kann (vgl. zur sog. „Einfärbungslehre“ Hengelhaupt, in: Hauck/Noftz, SGB III, § 327 – Stand: Januar 2021 – Rn. 133; krit. inzwischen auch BSG, Urteil vom 30. Januar 2013 – B 4 AS 54/12 R –, BSGE 113, 60). Grundsätzlich legt die Funktion des Ersten Buches als Allgemeiner Teil des Sozialgesetzbuches nicht nahe, für die verschiedenen Teilbereiche des Sozialgesetzbuches unterschiedliche Begriffe zu entwickeln; allerdings spricht, ohne dass damit eine dogmatisch andere Bestimmung des Begriffs verbunden wäre, der steuerfinanzierte und auf die Existenzsicherung im Inland zielende Charakter der Grundsicherungsleistungen tendenziell gegen einen Leistungsexport ins Ausland (vgl. in diesem Sinne Leopold, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 5. Aufl., § 7 – Stand: 5. Januar 2021 – Rn. 73).

Im Rahmen dieser allgemeinen Grundsätze hat das Bundessozialgericht (vgl. Urteil vom 28. Mai 1997 – 14/10 RKg 14/94 –, SozR 3-5870 § 2 Nr. 36, Rn. 13; enger: BSG, Urteil vom 17. Dezember 1981 – 10 RKg 12/81 –, BSGE 53, 49) in einem kindergeldrechtlichen Verfahren zu Zeiten ausbildungsbedingter Abwesenheit ausgeführt, der Aufenthalt eines Kindes im Ausland zum Zwecke der Schul- oder Berufsausbildung berühre den Anspruch des weiterhin in Deutschland lebenden Elternteils auf Gewährung von Kindergeld nicht, wenn der Aufenthalt zeitlich begrenzt und die Rückkehrmöglichkeit gegeben sei. Die mit einer Internatsunterbringung verbundene räumliche Trennung von den Eltern bedinge allein keine Auflösung der familiären Bindungen und bringe allein keine Verlagerung des Schwerpunkts der Lebensverhältnisse an den Ort des Internats mit sich. Dabei seien von der Rechtsprechung Zeiträume von drei und auch von fünf Jahren als unbedenklich angesehen worden. Auf der anderen Seite reiche die Feststellung, dass ein Auslandsaufenthalt ausschließlich der Durchführung einer bestimmten Maßnahme (wie zum Beispiel der Schul- oder Berufsausbildung) diene, er deshalb von vornherein zeitlich beschränkt sei und der Betroffene die Absicht habe, nach dem Abschluss der Maßnahme an den bisherigen Wohnort oder gar in die elterliche Wohnung zurückzukehren, allein nicht aus, vom Fortbestand des bisherigen Wohnsitzes während des Auslandsaufenthalts auszugehen. Die Feststellung der Rückkehrabsicht besage grundsätzlich nichts darüber, ob der Inlandswohnsitz – und Gleiches muss für den gewöhnlichen Aufenthalt gelten – während des vorübergehenden Auslandsaufenthaltes beibehalten oder aufgegeben und nach der Rückkehr neu begründet werde. Der Inlandswohnsitz (beziehungsweise entsprechend der gewöhnliche Aufenthaltsort im Inland) werde in solchen Fällen nur dann beibehalten, wenn der Betroffene entweder seinen Lebensmittelpunkt weiterhin am bisherigen Wohnort habe (keine Wohnsitzbegründung am beziehungsweise Verlagerung des gewöhnlichen Aufenthalts an den Ort des Auslandsaufenthalts) oder er zwar keinen einheitlichen Lebensmittelpunkt mehr habe, er aber nunmehr über zwei Schwerpunkte der Lebensverhältnisse verfüge und einer davon am bisherigen Wohnort liege (zwei Wohnsitze beziehungsweise Orte des gewöhnlichen Aufenthaltes). Bei Auslandsaufenthalten, die auf eine Dauer von nicht mehr als einem Jahr angelegt seien, könne im Regelfall davon ausgegangen werden, dass ein Schwerpunkt der Lebensverhältnisse weiterhin am bisherigen Wohnort – beziehungsweise am Ort des bisherigen gewöhnlichen Aufenthalts   liege, sofern Vorsorge dafür getroffen sei, dass eine dauerhafte Rückkehr jederzeit möglich sei. Ansonsten aber, also bei von vornherein auf mehr als ein Jahr angelegten Auslandsaufenthalten, reichten die Feststellung der Rückkehrabsicht und der Möglichkeit der jederzeitigen Rückkehr in die Wohnung allein nicht aus, um die Aufrechterhaltung des Inlandswohnsitzes – und Gleiches muss wiederum für den gewöhnlichen Aufenthalt im Inland gelten – anzunehmen. Auch kurzzeitige Besuche und sonstige kurzfristige Aufenthalte zu Urlaubs-, Berufs- oder familiären Zwecken, die nicht einem Aufenthalt mit Wohncharakter gleichkämen und daher nicht „zwischenzeitliches Wohnen“ in der bisherigen Wohnung bedeuteten, änderten daran nichts.

(2.) Ausgehend von diesen Maßstäben und unter Berücksichtigung aller insoweit maßgeblichen Umstände des Einzelfalles haben die Klägerinnen zu 3. und 4. im streitigen Zeitraum keinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland gehabt.

Zu Gunsten ihrer Rechtsposition lassen sich folgende Umstände anführen: Ein wichtiger, aber nach Auffassung des Senats allein nicht ausschlaggebender Gesichtspunkt ist sicherlich, dass die Klägerin zu 4. im Streitzeitraum noch minderjährig, die Klägerin zu 3. noch nicht lange volljährig geworden war, was eine Orientierung auf die Familie im Regelfall nahelegt. Weiter sind beide offenbar regelmäßig in den Ferien zur Familie nach A-Stadt gefahren. Hinzu kommt, dass nach Aktenlage plausibel ist, dass sie bei längeren Krankheiten ebenfalls versucht haben, zur Familie zu kommen und sich dort versorgen zu lassen. Zudem haben die Klägerinnen zu 3. und 4. geltend gemacht, der Kontakt zu den Eltern sei auch während des Aufenthalts in England – über Telefon und Internet – eng gewesen. Weiter haben sie vorgebracht, ihr Kinderzimmer sei durchgängig für sie vorgehalten worden. 

Auf der anderen Seite haben die Klägerinnen zu 3. und 4. den deutlich überwiegenden Teil des Jahres in Großbritannien verbracht und waren oft über längere Zeit nicht in Deutschland, so dass sich ihr alltägliches Leben ganz überwiegend in England abgespielt haben muss. Weiter war der Aufenthalt – jedenfalls nach dem ersten, von den Klägerinnen als Probejahr geschilderten Schuljahr 2011/12 – von vornherein auf mehrere (Schul )Jahre angelegt, und zwar bis zum Abschluss der Schulausbildung und damit bis zu einem Alter, in dem Jugendliche und junge Erwachsene weitgehend selbständig geworden sind und sich anschließend beruflich oder hinsichtlich ihrer weiteren Ausbildung und allgemein ihres weiteren Lebensweges neu orientieren können und müssen. Damit war prognostisch sogar eine anschließende Rückkehr nach A-Stadt und in das dort vorgehaltene „Kinderzimmer“ alles andere als selbstverständlich. 

Zudem ist nicht zu übersehen, dass die Klägerinnen zu 3. und 4. seit dem Jahr 2011 und also bereits vor dem Umzug der Familie nach A-Stadt im Juni 2012 das Internat in England besuchten. Eine irgendwie geartete nähere Bindung an den (neuen) Wohnort der Familie liegt daher fern und es erscheint auch nicht plausibel, dass dieser – abgesehen von dem Kontakt zur Familie selbst – bei den zumeist nur kurzen Ferienaufenthalten entstanden sein könnte. 

Von erhebliche Bedeutung ist schließlich, dass die Klägerinnen – abgesehen von wenigen krankheitsbedingten Aufenthalten – nur während der Ferien nach A-Stadt gekommen sind. Die regelmäßige Anwesenheit an Wochenenden, die zu einer gewissen Vertrautheit mit dem und dem Aufbau von Lebensbeziehungen am Wohnort der Eltern notwendig ist, fehlt. 

Vor diesem Hintergrund lässt sich ein gewöhnlicher Aufenthalt der Klägerinnen zu 3. und 4. in A-Stadt im streitigen Zeitraum nicht feststellen. Dabei tragen die Klägerinnen die materielle Beweislast für die geltend gemachten Leistungsansprüche, so dass die Berufung der Klägerin zu 3. sogar dann ohne Erfolg bleiben müsste, wenn der Senat insofern – weniger weitgehend – von einer nicht abschließend aufklärbaren Situation ausginge.

bb) Im hiesigen Leistungszeitraum kann sich die Klägerin zu 3. auch vor vornherein nicht darauf berufen, dass sie jedenfalls während der Zeit, in der sie sich bei der Familie aufgehalten hat, mit den übrigen Familienmitgliedern in temporärer Bedarfsgemeinschaft gelebt habe und ihr deswegen Leistungsansprüche zustünden.

Für die 1995 geborene Klägerin zu 3. kommt dies für die im hiesigen Verfahren im Streit stehenden Leistungen ab 1. Dezember 2013 schon deswegen nicht in Betracht, weil sie im Streitzeitraum bereits volljährig war. Das Rechtsinstitut der temporären Bedarfsgemeinschaft dient nämlich (von vornherein nur) dazu, einen Anspruch eines minderjährigen Kindes auf Lebensunterhaltsleistungen sicherzustellen, soweit dies zur Realisierung des Umgangs- oder Sorgerechts einer nicht dauerhaft mit dem Kind zusammenlebenden Person notwendig ist (vgl. BSG, Urteil vom 7. November 2006 – B 7b AS 14/06 R –, BSGE 97, 242, Rn. 19 ff.). Eine Ausweitung des Rechtsinstituts zur Begründung von Leistungsansprüchen eines volljährigen Kindes, das sich ausbildungsbedingt in der Regel an einem anderen Ort aufhält, für die Zeit der Besuche bei der Familie an den Wochenenden und in den Ferien hat das Bundessozialgericht dementsprechend auch nach Auffassung des Senats zutreffend verneint (vgl. BSG, Urteil vom 6. August 2014 – B 4 AS 55/13 R –, BSGE 116, 254, Rn. 31).

c) Auch der Klägerin zu 4. steht ein Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende im streitigen Zeitraum nicht zu.

aa) Hinsichtlich der Frage des gewöhnlichen Aufenthalts im Inland kann zunächst auf die entsprechenden Ausführungen zu den Ansprüchen der Klägerin zu 3. verwiesen werden, wobei bei der Klägerin zu 4. prognostisch sogar von einem noch längeren Internatsaufenthalt auszugehen war.

Allerdings ist bei ihr entgegen der Auffassung des Sozialgerichts bis zur Vollendung des 15. Lebensjahres ein gewöhnlicher Inlandsaufenthalt gar nicht zu verlangen; dieser würde vielmehr durch die Zugehörigkeit durch die Bedarfsgemeinschaft gegebenenfalls ersetzt (vgl. BSG, Urteil vom 28. Oktober 2014 – B 14 AS 65/13 R –, BSGE 117, 186, Rn. 18). Die geltend gemachten Ansprüche für den gesamten Streitzeitraum scheiden aber auch bei ihr schon deswegen aus, weil sie während der tatsächlichen Aufenthaltszeiten in England nicht dem Haushalt der Familie in A-Stadt angehörte und damit die Voraussetzungen einer Bedarfsgemeinschaft mit den anderen Familienmitgliedern in diesen Zeiträumen nicht vorlagen; insoweit sind letztlich die gleichen Umstände maßgeblich, die zu einer Verneinung des gewöhnlichen Aufenthalts im Inland führen; diesbezüglich kann wegen der Einzelheiten auf die Ausführungen im Verfahren L 6 AS 89/20 und die Ausführungen des Sozialgerichts Bezug genommen werden.

bb) Die Klägerin zu 4. kann Ansprüche aber auch nicht auf Grund einer temporären Bedarfsgemeinschaft für die Zeiten des Aufenthalts bei der Familie in A-Stadt geltend machen, da sich ihre Hilfebedürftigkeit nicht feststellen lässt; Gleiches würde im Übrigen für die Klägerin zu 3. gelten, sofern man entgegen der vom Senat vertretenen Auffassung von einem gewöhnlichen Aufenthalt im Inland ausgehen wollte.

Der Senat kann wegen der fehlenden Hilfebedürftigkeit offenlassen, ob sich immerhin die noch nicht volljährige Klägerin zu 4. auch für die Zeit nach Vollendung des 15. Lebensjahres darauf berufen könnte, dass während der Besuche bei der Familie auf das Erfordernis eines gewöhnlichen Aufenthalts im Inland verzichtet werden könne und müsse: Grundsätzlich geht das Bundessozialgericht auch nach Auffassung des Senats zutreffend davon aus, dass das Erfordernis eines gewöhnlichen Aufenthalts durch die Zugehörigkeit zur temporären Bedarfsgemeinschaft ersetzt wird (vgl. BSG, Urteil vom 28. Oktober 2014 – B 14 AS 65/13 R –, BSGE 117, 186, Rn. 18). Allerdings bezieht sich diese Rechtsprechung ausschließlich auf nichterwerbsfähige Kinder, die – daher – Sozialgeld beziehen. Eine Übertragung dieser Rechtsprechung auf Aufenthalte von zwischen 15 und 18 Jahre alten Kindern bei ihren Sorge- beziehungsweise Umgangsberechtigten ließe sich allenfalls mit Blick auf den Zweck der Rechtsfigur der temporären Bedarfsgemeinschaft rechtfertigen, begegnet aber erheblichen Zweifeln mit Blick auf die gesetzlichen Vorgaben aus § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II.

Zur Hilfebedürftigkeit ist vorab darauf hinzuweisen, dass bei einem Leistungsanspruch (nur) auf Grund des Rechtsinstituts der temporären Bedarfsgemeinschaft und damit für die Zeiten des Aufenthalts in A-Stadt nur der Regelbedarf und gegebenenfalls – hier allerdings nicht ersichtliche – Mehrbedarfe zu berücksichtigen wären. (Höhere) Bedarfe für Unterkunft und Heizung, die wegen der Wahrnehmung des Umgangs eines sorge- beziehungsweise umgangsberechtigten Elternteils mit seinem Kind entstehen, stellen dagegen einen zusätzlichen Bedarf dieses Elternteils dar und sind nicht dem Wohnbedarf des Kindes zuzurechnen, wenn dieses seinen Lebensmittelpunkt an einem anderen Ort hat (vgl. BSG, Urteil vom 17. Februar 2016 – B 4 AS 2/15 R –, SozR 4-4200 § 22 Nr. 89, Rn. 16 ff.). Auf diesen Bedarf wäre das für die Klägerin zu 4. (und Gleiches würde gegebenenfalls für die Klägerin zu 3. gelten) gezahlte Kindergeld anteilig für die Tage des Aufenthalts in A-Stadt ihrem Bedarf anzurechnen: In einem derartigen Falle ist für einen gesamten Kalendermonat gezahltes Einkommen – ebenso wie der Bedarf – anteilig auf die Zeiten des Leistungsanspruchs einerseits und die Zeiten ohne Anspruch andererseits aufzuteilen (vgl. nur Hengelhaupt, in: Hauck/Noftz, SGB II, § 41 SGB II – Stand: Februar 2021 – Rn. 130; Kallert, in: Gagel, SGB II/SGB III, § 41 SGB II – Stand der Einzelkommentierung: September 2017 – Rn. 20 f.). Da der Regelbedarf – für die Klägerin zu 4. im Jahr 2013 monatlich 255,- Euro, im Jahr 2014 zunächst 261,- Euro und ab Vollendung des 15. Lebensjahres 296,- Euro – das Kindergeld überstieg, wäre, wenn das Kindergeld, aber kein sonstiges Einkommen auf den jeweiligen Bedarf anzurechnen wäre, von einem (allerdings geringen) Restbedarf für die Tage des Aufenthalts in A-Stadt auszugehen.

Auch allgemein – und damit sogar wenn man von einem durchgängigen gewöhnlichen Aufenthalt in A-Stadt und dem Bestehen einer Haushaltsgemeinschaft ausginge – kann sich der Senat von der Hilfebedürftigkeit der Klägerin zu 4. – und ebenso der Klägerin zu 3. – jedoch nicht überzeugen. 

Entscheidender Gesichtspunkt ist dabei, dass die Familie nicht nur in der Lage war, durchgängig den kostspieligen Internatsaufenthalt der Klägerinnen zu 3. und 4. in England (und ihres Bruders J. in Südafrika) zu ermöglichen beziehungsweise entsprechende Mittel zu mobilisieren, sondern dies auch gelungen ist, wenn den übrigen Familienmitgliedern Mittel für den allgemeinen Lebensunterhalt fehlten (so die von dem Bruder der Klägerin zu 5. im Januar 2013 [vgl. LA Bl. 532], von Herrn L. im September 2012 und im Oktober 2013 von Mr./Mme. T. beziehungsweise U. [vgl. LA 753] zur Verfügung gestellten Mittel).

Dabei machen die Kläger zwar geltend, dass die entsprechenden Gelder ihnen nur darlehensweise zugeflossen seien und daher unberücksichtigt zu bleiben hätten. Dem vermag der Senat jedoch nicht zu folgen: Schon die Ausgestaltung der Darlehensverträge, die überwiegend die Rückzahlungspflicht an die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Klägers zu 1. beziehungsweise der Familie knüpften, führt dazu, dass eine ernstliche und zivilrechtlich durchsetzbare Rückzahlungsverpflichtung nicht erkennbar ist (vgl. zu dieser Voraussetzung für die Außerachtlassung ansonsten anrechnungspflichtiger Einnahmen wegen ihres Darlehenscharakters grdsl. BSG, Urteil vom 17. Juni 2010 – B 4 AS 46/09 R  , BSGE 106, 185); dies muss zu einer Anrechnung der Mittel führen, auch wenn man grundsätzlich den diesbezüglichen Vortrag der Kläger zugrunde legt, so dass insoweit weitere Ermittlungen nicht geboten sind. 

Im Übrigen ist selbst in dem Fall, in dem die Rückzahlung nach den vorgelegten Unterlagen anders gehandhabt werden sollte, nämlich im Fall der ersten mit Hr. L. im Jahre 2011 getroffenen Vereinbarung, eine ernstliche Rückzahlungsverpflichtung nicht ersichtlich. Hierzu haben die Kläger, um die Ernstlichkeit des Darlehenscharakters zu verdeutlichen, schon gegenüber dem Beklagten unter Vorlage entsprechenden E-Mail-Verkehrs (vgl. LA Bl. 415 ff.) vorgetragen, die Rückführung des im Jahre 2011 aufgenommenen Darlehens sei ihnen nicht wie ursprünglich vereinbart möglich gewesen; daher seien sie mit der Bitte an den Darlehensgeber – der zugleich der Vermieter ihrer A-Stadter Wohnung ist – herangetreten, das Darlehen zu verlängern. Das habe dieser aber nicht akzeptieren wollen, sondern auf der monatlichen Zahlung von zumindest 200,- Euro – statt verabredeter 600,  Euro – bestanden. Da ihnen auch dies nicht möglich gewesen sei, hätten sie ab Januar 2013 immerhin monatliche Zahlungen in Höhe von 100,- Euro aufgenommen. Mit diesem Vortrag kaum vereinbar ist allerdings die von den Klägern vorgelegte Liste mit Darlehen (LA Bl. 562), wonach eben Hr. L. ihnen im September 2012 und im Mai 2013 noch zweimal Geld geliehen hat, obwohl er gerade in diesem Zeitraum nicht bereit gewesen sein soll, die Rückzahlung des früheren Darlehens auszusetzen. Die Ernstlichkeit von dessen Rückzahlungsverlangen lässt sich daher mit der behaupteten fehlenden Bereitschaft Ende des Jahres 2012, die Rückzahlung des schon gegebenen Darlehens zu stunden, kaum belegen. Dies gilt nur umso mehr, als die Vereinbarung zu den im Mai 2013 von Herrn L. zur Verfügung gestellten Mitteln anders als die frühere, aber in Übereinstimmung mit den sonst von den Klägern vorgelegten Darlehensunterlagen die Rückzahlung (nur) nach den wirtschaftlichen Möglichkeiten der Kläger vorsieht. In auffälligem Kontrast zu der behaupteten Rückzahlung des von Hr. L. vermeintlich als Darlehen gegebenen Geldbetrags durch – in den Kontoauszügen (vgl. z.B. LA Bl. 1002 ff.) als „Darlehen Tilgung“ bezeichnete – Zahlungen von jeweils 100,- Euro monatlich steht zudem, dass dieser unter dem 9. Mai 2014 gegenüber dem Beklagten bestätigt hat, jedenfalls die im Jahr 2014 erfolgen Zahlungen von 100,- Euro monatlich seien auf den noch offenen Kautionsanspruch erfolgt (vgl. LA Bl. 1023R). Eine überzeugende Erklärung, die gleichzeitig die Ernstlichkeit der Rückzahlungsverpflichtung aus dem Darlehen nicht in Zweifel ziehen würde, zu der Frage, warum die Zahlung, die doch der Rückzahlung des Darlehens dienen sollte, nunmehr als Zahlung auf den Kautionsanspruch deklariert wurde, ist nicht ersichtlich und haben die Kläger auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht geben können; vielmehr lässt gerade die dem Kläger zu 1. nicht mehr erinnerliche Aufteilung der Zahlungen auf Kautions- und Darlehensrückzahlungsanspruch daran zweifeln, ob überhaupt ein vollständiger Überblick über die Höhe der vermeintlichen Schulden bestand – was aber ersichtlich zwingende Voraussetzung für eine ernstliche Rückzahlungsverpflichtung wäre.

Der Vollständigkeit halber und ohne dass es hierauf noch ankäme, sei darauf hingewiesen, dass auch die Gestaltung des mit dem Bruder der Klägerin zu 2. unter dem 6. Januar 2013 geschlossenen Vertrags (LA Bl. 532) wenig plausibel erscheint: Er sah die Gewährung eines Darlehens in Höhe von 2.800,- Euro vor, wobei ein Betrag von 1.000,- Euro am gleichen Tag bar ausgezahlt worden sei; der Restbetrag werde in monatlichen Raten von je 600,- Euro „zur Deckung von monatlichen Ausgaben überwiesen“, und zwar jeweils am 5. eines jeden Monats; die letzte Rate hätte danach am 5. April 2013 ausgezahlt werden müssen. Hiermit passt ersichtlich nicht zusammen, dass nach dem Vertrag das Darlehen „innerhalb von 6 Monaten vollständig erstmals zum 05.03.2013 zurückzuzahlen“ sei, so dass am 5. März und am 5. April 2013 gleichzeitig die Auszahlung weiterer Raten und die Rückzahlung des Darlehens hätte erfolgen müssen.

Weiter können auch die Darlegungen der Kläger in der mündlichen Verhandlung zur späteren Rückzahlung der Gelder für den Internatsbesuch eine ernstliche Rückzahlungsverpflichtung nicht belegen: Zunächst genügt die tatsächliche Rückzahlung Jahre später nicht, um eine ernstliche und rechtsverbindliche Rückzahlungsverpflichtung bereits beim Zufluss und im streitigen Zeitraum zu belegen; auch der Senat bezweifelt in diesem Zusammenhang nicht, dass die Kläger den Wunsch hatten, die Mittel, wenn wirtschaftlich möglich, auszugleichen, ohne dass sich daraus allerdings eine belastbare rechtliche Verpflichtung ergeben würde. Weiter haben die Kläger in der mündlichen Verhandlung zwar Unterlagen dazu vorgelegt, dass der Ehemann der Klägerin zu 4. auf die Rückzahlung – eines bisher gar nicht bekannten Darlehens für die Schulkosten seiner Ehefrau und der Klägerin zu 3. – verzichtet und die von Hr. L. gegebenen Gelder für die Klägerin zu 4. ausgeglichen habe. Für die Klägerin zu 3. sei, so die Kläger, ein Ausgleich des von Hr. L. gegebenen Darlehens ebenso – durch monatliche Zahlungen von 300,  Euro   erfolgt. Belege zu diesen Zahlungen haben die Kläger trotz ausdrücklicher Aufforderung zur möglichst vollständigen Vorlage von Unterlagen zur Rückführung der Darlehen nicht beigebracht. Gänzlich unkonkret blieben auch die Angaben in der mündlichen Verhandlung zu der – ebenfalls behaupteten – Rückzahlung der von Herrn M. gegebenen Mittel. Dazu sind weder Unterlagen vorgelegt worden noch konnte der Kläger zu 1. angeben, wann und aus welchen Mitteln die Rückzahlung erfolgt sei – das vermag angesichts der Höhe der Summe, um die es sich gehandelt hat, nicht zu überzeugen, so dass auch insofern jedenfalls nicht feststellbar ist, dass eine ernstliche Rückzahlungspflicht bestanden hätte (und erfüllt worden wäre).

Weitere Unklarheiten, auf die es aber gar nicht mehr ankommt, bestehen etwa mit Blick auf die deutlich unterschiedliche Gestaltung des Darlehensvertrags mit Hr. M., wie er zu den Leistungsakten des Beklagten gereicht wurde einerseits (vgl. LA Bl. 354) und wie er nach den von der Staatsanwaltschaft aufgefundenen Unterlagen gestaltet war andererseits (vgl. Akte der Staatsanwaltschaft Bl. 5).

Schon aus diesem Grunde lässt sich Hilfebedürftigkeit der Klägerin zu 4. und ebenso der Klägerin zu 3. durchgängig nicht feststellen. Das gilt auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes, dass monatsweise (vgl. zum Monatsprinzip z.B. BSG, Urteil vom 30. März 2017 – B 14 AS 18/16 R –, SozR 4-4200 § 11 Nr. 81) ausreichendes Einkommen und/oder Vermögen zur Verfügung stehen muss, um den gesamten Bedarf aller Personen zu decken, auf die das Einkommen zu verteilen ist, und unter Einbeziehung des Umstandes, dass die Mittel ganz überwiegend dem Kläger zu 1. zur Verfügung gestellt wurden. Es handelte sich damit im Ausgangspunkt nicht um eigene Einnahmen gerade der Klägerinnen zu 3. und 4.; die Mittel waren daher auf die Bedarfe aller in der Bedarfsgemeinschaft lebenden Familienmitglieder zu verteilen (vgl. § 9 Abs. 2 i.V.m. § 7 Abs. 3 SGB II). 

Allerdings liegt die materielle Beweislast für einen – in einem bestimmten Zeitraum – ungedeckten Bedarf bei den Klägerinnen, die Ansprüche geltend machen: Nachdem die Kläger aber im Einzelnen gar nicht mehr angeben konnten, wann entsprechende Zahlungen erbracht wurden – wohl aber, dass Jahr für Jahr für jede der beiden Klägerinnen Aufwendungen für das Internat in Höhe von 3000,- Pfund und also insgesamt über 6.000 Euro,- geflossen sind –, vermag sich der Senat von einer fortbestehenden Hilfebedürftigkeit für keinen der in Frage stehenden Monate zu überzeugen.

Überdies bleibt es in jedem Fall dabei, dass den Klägerinnen zu 3. und 4. und der gesamten Familie durchgängig Mittel beziehungsweise Unterstützungsleistungen zur Verfügung standen, die es erlaubten, drei Internatsaufenthalte im Ausland mit entsprechenden Reisekosten zu realisieren. Bereits letzteres ist für die Klägerinnen zu 2. und 3. weiterhin nicht nachvollziehbar erklärt: Die Kläger haben zwar hierzu wiederholt geltend gemacht, dass sie auf langfristig im voraus gebuchte Billigflüge zurückgegriffen hätten. Tatsächlich belegen aber die eingereichten Flugtickets immer wieder auch Flüge mit der Lufthansa (vgl. LA Bl. 112, Bl. 194, Bl. 271, Bl. 992 und Bl. 993R); für die krankheitsbedingten Aufenthalte ist die Möglichkeit einer frühzeitigen Buchung von vornherein nicht gegeben. Hinzu kommt, dass zum Teil erhebliche Wege von A-Stadt zu den Abflugflughäfen (zum Teil V-Stadt, zum Teil W-Stadt – vgl. z.B. LA Bl. 174 und Bl. 195 –, aber auch Z-Stadt – LA Bl. 270 –, CC-Stadt – GA Bl. 227 – und DD-Stadt – LA Bl. 993 –) und in England zurückgelegt und also finanziert werden mussten. Schließlich sind aus den vorgelegten Unterlagen zu den Konten der in Deutschland lebenden Familienmitglieder zum Teil (und vor allem in nach dem hier streitigen Zeitraum liegenden Monaten) nur sehr wenige Abbuchungen für den alltäglichen Konsum eines immerhin fünfköpfigen Haushalts zu erkennen (vgl. besonders deutlich LA Bl. 1002 ff. mit den Kontoauszügen vom 31. Dezember 2013 bis 17. April 2014 mit Abbuchungen jeweils in Höhe von rund 80,- bis 100,- Euro monatlich für Telefonie; dagegen für Lebensmittel und Ähnliches zuzüglich Barabhebungen, die für diese Zwecke verwandt worden sein können, nur: im Januar 2014 am 6. Januar: 78,63 Euro (P.), am 8. Januar: 6,07 Euro (P.); am 17. Januar: 13,74 Euro (EE.); am 27. Januar: 19,25 Euro (P.) und am 28. Januar: 12,76 (FF.); also insg.: 130,45 Euro; Februar 2014 sogar nur: am 6. Februar: 19,72 Euro (P.); am 25. Februar: 34,91 Euro (P.) und 50,- Euro am Geldautomaten; also insg. 54,63 Euro (maximal 104,63 Euro); im März 2014 nur am 3. März: 46,80 Euro (P.) und im April 2014 am 7. April: 55,24 (P.)). Auch unter diesem Gesichtspunkt liegt es nahe, dass die Kläger ihren Lebensunterhalt nicht allein aus den Leistungen des Beklagten bestritten haben, sondern über die bekannten, hinsichtlich ihres Darlehenscharakters streitigen Mittel für die Internatsausbildung hinaus sogar Zugriff auf weitere Gelder hatten. Dies gilt nur umso mehr, als es nach Auffassung des Senats zwar durchaus glaubhaft ist, dass die ganze Familie bemüht war, den Schulbesuch der Kinder im Ausland zu ermöglichen, aber nicht nachvollziehbar erscheint, dass die in A-Stadt lebenden Familienmitglieder in allerengsten Verhältnisse und etwa regelmäßig von Mitteln der Tafel gelebt haben sollen, während die Klägerinnen zu 3. und 4. nach den Angaben in der mündlichen Verhandlung Geld dafür verwendet haben wollen, Lebensmittel wie Croissants und Chips von Deutschland nach England mitzunehmen oder sich schicken zu lassen oder außerhalb des Internats zu essen, weil ihnen das Essen dort nicht schmeckte. Schließlich haben die Kläger trotz Aufforderung durch den Senat zur Vorlage aller diesbezüglichen Unterlagen die Auszüge nur zu einer der vier über das Konto des Klägers zu 1. und der Klägerin zu 2. abgerechneten Kreditkarten vorgelegt.

All dies legt nahe, dass der Familie durchgängig Mittel zur Verfügung standen, die ausgereicht hätten, um – einen Anspruch der Klägerin zu 4. jedenfalls während der Aufenthalte in A-Stadt unterstellt – die ohnehin vergleichbare geringe Differenz zwischen ihrem Regelbedarf und den in diesem Falle auf ihren Bedarf anzurechnenden Kindergeldzahlungen zu decken. Aber auch darüber hinaus vermag sich der Senat die notwendige Überzeugung von der Hilfebedürftigkeit der Klägerin zu 4. (und ebenso der Klägerin zu 3. und der weitergehenden Hilfebedürftigkeit der anderen Familienmitglieder) nicht zu bilden. Weitere Ermittlungen – etwa im Wege der Zeugenvernehmung zum Beispiel von Herrn L. – hierzu sind nicht veranlasst, da diese letztlich nur die näheren Umstände der bereits bekannten Zahlungen weiter erhellen könnten; die die Zweifel an der Hilfebedürftigkeit begründenden Fragen dazu, wie die Kläger den gesamten anfallenden Aufwand finanzieren konnten, wären damit nicht beantwortet. Schon aus diesem Grund kann sich der Senat von der Hilfebedürftigkeit der Klägerin zu 4. (wie auch der Klägerin zu 3.) nicht überzeugen, und zwar gilt dies durchgängig für alle in Frage stehenden Monate.

Es kann daher letztlich offenbleiben, ob hier – ausnahmsweise – Hilfebedürftigkeit ohne eine monatsweise Zuordnung von Bedarfen einerseits und zur Verfügung stehendem Einkommen und Vermögen andererseits auf der Grundlage der Generalklausel aus § 9 Abs. 1 SGB II verneint werden könnte. Danach ist hilfebedürftig (nur), wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält. Gerade davon ließe sich vorliegend aber mit guten Gründen ausgehen, nachdem es den Klägern offenbar durchgängig gelungen ist, finanzielle Unterstützung von Verwandten oder Freunden beziehungsweise Bekannten zu mobilisieren, wenn öffentliche Mittel nicht oder nicht in ausreichendem Maße zu Verfügung standen.

Die Mittel sind im Übrigen auch berücksichtigungsfähig, soweit sie zum Zweck des Schulbesuchs gegeben worden sind. Die Unanrechenbarkeit auf Grund einer Zweckbindung ist nach der seit 1. April 2011 maßgeblichen Gesetzeslage nur vorgesehen, wenn sich diese aus öffentlich-rechtlichen Vorschriften ergibt (§ 11a Abs. 3 Satz 1 SGB II). Die Situation der Kläger führt allerdings zu der Frage, ob die (volle) Berücksichtigung dieser Einnahmen sich als grob unbillig im Sinne von § 11a Abs. 5 Nr. 1 SGB II darstellen könnte. Auch dies ist zu verneinen: Es erscheint jedenfalls nicht grob unbillig, von den Klägern zu verlangen, Mittel zunächst für den allgemeinen Lebensunterhalt einzusetzen und nicht für kostspielige Internatsaufenthalte im Ausland zu verwenden mit der Folge, dass sie für die Finanzierung des allgemeinen Lebensunterhalts auf bedürftigkeitsabhängige, steuerfinanzierte und nachrangige Sozialleistungen angewiesen sind. Der Umstand, dass sie diese Mittel möglicherweise nicht oder jedenfalls nicht in diesem Umfang hätten beschaffen können, wenn es nicht um die Finanzierung der (religiösen) Schulbildung gegangen wäre – hinsichtlich derer die Geldgeber vielleicht leichter bereit waren, Gelder zur Verfügung zu stellen, als für den allgemeinen Lebensunterhalt –, ändert als bloß hypothetischer alternativer Geschehensablauf nichts daran, dass die Einnahmen tatsächlich vorhanden waren (und die Kläger zudem wiederholt Mittel auch für den allgemeinen Lebensunterhalt erhalten haben).

Schließlich steht der Anrechnung nicht entgegen, dass die Mittel nach dem Vorbringen der Kläger jedenfalls zumindest vielfach direkt von den Geldgebern an die Schule überwiesen worden sind. Nach dem von den Klägern vorgetragenen Sachverhalt und den hierzu vorgelegten Unterlagen handelte es sich um Abreden, die der Kläger zu 1. mit den jeweiligen Geldgebern getroffen hat. Selbst wenn kein Grund besteht, in Zweifel zu ziehen, dass der Kläger zu 1. die von den Herren L. und M. zur Verfügung gestellten Mittel dazu verwenden wollte, seinen Töchtern den Schulbesuch in England zu ermöglichen, stellt die unmittelbare Überweisung an die Schule daher nur einen abgekürzten Zahlweg dar, während die rechtlich maßgeblichen Verbindungen ungeachtet dessen „im Dreieck“ verliefen. Auch grundsicherungsrechtlich ist daher von Einnahmen des Klägers zu 1. auszugehen, die auf den Bedarf auch der übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft   und damit, soweit von ihrer (temporären) Zugehörigkeit zur Bedarfsgemeinschaft auszugehen wäre, auch auf den der Klägerinnen zu 3. und 4. – anzurechnen sind.

IV. Entsprechende Überlegungen tragen auch die vom Beklagten durch die Bescheide vom 8. Januar 2014 und vom 8. Juli 2014 getroffenen Ablehnungsentscheidungen, über die der Senat, wie bereits ausgeführt, „auf Klage“ zu entscheiden hat.

1. Zur Zulässigkeit der hinsichtlich des Bescheides vom 8. Januar 2014 notwendigen Klageerweiterung in der Berufungsinstanz (§ 99 Abs. 1 Alt. 2 i.V.m. § 153 Abs. 1 SGG) kann auf die obigen Ausführungen Bezug genommen werden.

Der Bescheid vom 8. Juli 2014 ist auf der Grundlage von § 96 Abs. 1 in Verbindung mit § 153 Abs. 1 SGG von Gesetzes wegen zum Gegenstand des Verfahrens geworden.

2. Die Klage ist auch zulässig. Namentlich ist sie auch hinsichtlich des Bescheides vom 8. Januar 2014 nicht verfristet, nachdem, soweit ersichtlich, das diesbezügliche Vorverfahren noch offen ist.

Die Zulässigkeit scheitert weiter nicht daran, dass das grundsätzlich nach § 78 Abs. 1 Satz 1 SGG notwendige Vorverfahren noch nicht abgeschlossen ist. 

Die weitere Durchführung des noch offenen Widerspruchsverfahrens ist unter den gegebenen Umständen als „bloße Förmelei“ verzichtbar (vgl. zur Problematik BSG, Urteil vom 3. März 2009 – B 4 AS 37/08 R –, SozR 4-4200 § 22 Nr. 15, Rn. 18 f. m.w.Nw.; B. Schmidt, in: Meyer-Ladewig u.a., SGG – Kommentar, 13. Aufl. 2020, § 78 Rn. 8b). Der offenbar fehlende Abschluss des Vorverfahrens hindert den Senat daher nicht an einer Entscheidung in der Sache, vielmehr lässt die besondere Gestaltung des Falles das Vorverfahren ausnahmsweise als entbehrlich erscheinen. Jedes andere Vorgehen würde dem Sinn und Zweck der §§ 77 ff. SGG zuwiderlaufen, der darin liegt, eine gerichtliche Austragung des Rechtsstreits auf Grund einer vorgelagerten erneuten Überprüfung des beanstandeten Bescheides innerhalb der Verwaltung nach Möglichkeit entbehrlich zu machen. Dieser Zweck kann vorliegend nicht mehr verwirklicht werden. 

Der Beklagte, der (auch) Widerspruchsbehörde ist, hat sich inzwischen in einer Vielzahl von Verfahren mit durchgängig im Wesentlichen übereinstimmender Problematik ablehnend zu den Ansprüchen der Klägerinnen zu 3. und 4. positioniert; die für die Beurteilung des Bescheides vom 8. Januar 2014 maßgeblichen tatsächlichen und rechtlichen Umstände stimmen in allen wesentlichen Gesichtspunkten mit den für die sonstigen ablehnenden Bescheide maßgeblichen überein. Eine abweichende, den Klägerinnen günstigere Äußerung des Beklagten in einem jetzt noch zu erteilenden Widerspruchsbescheid erscheint daher ausgeschlossen.

3. In der Sache kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden, aus denen sich ergibt, dass die Klägerinnen zu 3. und 4. (auch) für die Zeiten ihrer Aufenthalte in A-Stadt keinen Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende haben, so dass der Beklagte zu Recht die darauf bezogenen Anträge abgelehnt hat und daher die Klage gegen die diesbezüglichen Bescheide vom 8. Januar 2014 und vom 8. Juli 2014 abzuweisen ist. 

Gleiches gilt im Übrigen für den Bescheid vom 8. Mai 2014, über den der Senat allerdings, wie ausgeführt, auf Berufung zu entscheiden hat.

C. Die Hilfsanträge des Klägers zu 1. und der Klägerin zu 2. können ebenfalls keinen Erfolg haben, so dass auch insoweit die Entscheidung des Sozialgerichts im Ergebnis zu bestätigen ist. Allerdings war ihre Klage bereits unzulässig, da sie diese nur hilfsweise zu den primär gestellten Anträgen ihrer Töchter erhoben haben. Auch mit den Begehren, die im Verlauf des Berufungsverfahrens zum Gegenstand des Verfahrens geworden sind und über die der Senat folglich „auf Klage“ zu entscheiden hat, können sie keinen Erfolg haben.

I. Ihr Begehren ist auf höhere Leistungen und die Abwehr der in die bereits bewilligten Bescheide eingreifenden Verwaltungsakte gerichtet, so dass sie – richtigerweise – alle Bescheide, einschließlich der die Leistungshöhe betreffenden Änderungsbescheide sowie der (Teil-)Aufhebungs- und Erstattungsbescheide, zum Gegenstand ihrer Anträge gemacht haben, soweit sie von ihnen betroffen sind, konkret also den Bescheid vom 26. November 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Januar 2014, geändert durch den Bescheid vom 26. Februar 2014 und den Bescheid vom 9. Mai 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Juni 2014, und den – allein den Kläger zu 1. Betreffenden   Bescheid des Beklagten vom 5. März 2018, soweit er sich auf den hiesigen Streitzeitraum bezieht. Die allein die Ansprüche der Klägerinnen zu 3. und 4. betreffenden Bescheide vom 8. Januar 2014, 8. Mai 2014 und vom 8. Juli 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Oktober 2014 haben sie dagegen zu Recht nicht in ihre Anträge einbezogen.

II. Auch in ihrem Fall bestehen keine Bedenken gegen die Zulässigkeit der Berufung.

III. 1. Auch sie können jedoch mit ihren Klagen keinen Erfolg haben; allerdings waren diese – und das gilt gleichermaßen für die bereits erstinstanzlich geltend gemachten Begehren wie für die erst im Berufungsrechtszug anhängig gewordenen – bereits unzulässig, was der Senat zur Klarstellung von deren Reichweite auch hinsichtlich der Entscheidung des Sozialgerichts klarstellend ausgesprochen hat.

Eine eventuelle subjektive Klagehäufung ist – worauf der Senat zur Vermeidung einer Überraschungsentscheidung durch Schreiben des Berichterstatters vom 18. Mai 2021 hingewiesen hat –  unzulässig, da unklar bleibt, ob überhaupt ein Prozessrechtsverhältnis zwischen den Beteiligten des Hilfsantrags besteht. Das ist insbesondere für die hilfsweise Inanspruchnahme eines weiteren Beklagten entschieden (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 28. August 2013 – B 6 KA 41/12 R –, SozR 4-5408 Art. 14 Nr. 1; wohl auch [„dürfte“] BSG, Urteil vom 8. August 2019 – B 3 KR 16/18 R –, BSGE 129, 30, Rn. 16; BAG, Urteil vom 26. April 2018 – 8 AZN 974/17 –, BAGE 162, 375, Rn. 5). Gleiches gilt aber auch für den hilfsweisen Beteiligtenwechsel auf Klägerseite (vgl. aus der umfangreichen zivilgerichtlichen Rechtsprechung hierzu z.B. BGH, Urteil vom 25. September 1972 – II ZR 28/69 –, MDR 1973, 742; BGH, Urteil vom 13. November 1975 – VII ZR 186/73 –, BGHZ 65, 264, 268; BGH, Urteil vom 21. Januar 2004 – VIII ZR 209/03 –, juris, Rn. 9; OLG Dresden, Urteil vom 26. Oktober 2006 – 4 U 944/06 –, juris, Rn. 24). 

Eine Änderung des Beteiligten kann bedingt nicht wirksam erfolgen, weder unter der prozessualen Bedingung, dass der Anspruch des in erster Linie klagenden Beteiligten für unbegründet befunden wird, noch unter der Bedingung, dass das Gericht bereits die Zulässigkeit der Klage des erstrangig auftretenden Beteiligten verneint. Denn bei einem nur bedingten Beteiligtenwechsel handelt es sich, auch wenn er auf Klägerseite erfolgt, nicht wie bei gewöhnlichen Hilfsanträgen darum, ob demselben Kläger der eine oder der andere Anspruch zuzubilligen ist, sondern um die Begründung eines Prozessrechtsverhältnisses mit einer anderen Partei. Ob ein solches besteht, darf schon um der Rechtsklarheit willen, aber auch mit Rücksicht auf die Interessen des anderen Beteiligten nicht bis zum Ende des Rechtsstreits über den Hauptantrag in der Schwebe bleiben (vgl. nochmals BGH, Urteil vom 21. Januar 2004 – VIII ZR 209/03 –, juris, Rn. 9; OLG Dresden, Urteil vom 26. Oktober 2006 – 4 U 944/06 –, juris, Rn. 24).

Es gibt auch keine durchgreifenden Gründe, dies für das Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende und namentlich mit Blick auf die Konstruktion der Bedarfsgemeinschaft anders zu sehen (uneingeschr. für die Unzulässigkeit der eventuellen subjektiven Klagehäufung im sozialgerichtlichen Verfahren z.B. auch Keller, in: Meyer-Ladewig u.a., SGG – Kommentar, 13. Aufl. 2020, § 56 Rn. 4; Bieresborn, in: Roos/Wahrendorf/Müller, beck-OGK, § 56 SGG – Stand: 1. Januar 2021 – Rn. 10; Adams, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl., § 56 – Stand: 15. Juli 2017 – Rn. 17). Dafür könnte zwar die unter Umständen bestehende wechselseitige rechnerische Abhängigkeit der Ansprüche der verschiedenen individuell Berechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft sprechen. Solche Abhängigkeiten sind aber auch in anderen rechtlichen Zusammenhängen keineswegs ungewöhnlich, so dass sich daraus kein hinreichendes Argument ergibt, um eine Ausnahme von der Unzulässigkeit einer hilfsweisen subjektiven Klagehäufung zu tragen.

Vielmehr zeigen gerade die verschiedenen Verfahren der hiesigen Beteiligten sehr deutlich, dass auch die Verwobenheit der Ansprüche und der Bescheidsituation in der Grundsicherung für Arbeitsuchende es nahelegen, eine eventuelle subjektive Klagehäufung für unzulässig zu halten: So sind in den verschiedenen Bewilligungszeiträumen eine Vielzahl von Bescheiden ergangen, welche die durch den jeweiligen Hauptantrag der Klägerinnen zu 3. und 4. begründeten Streitverhältnisse zwischen diesen und dem Beklagten nicht betreffen, wohl aber für den jeweiligen Hilfsantrag von Relevanz sind. Je nachdem, wie der Senat über die jeweiligen Hauptanträge befindet, ob also auch der jeweilige Hilfsantrag zur Entscheidung anfällt, wäre also die Frage, ob diese bindend geworden sind, gegebenenfalls anders zu beantworten, was namentlich bei Bescheiden, die ein personell anderes Sozialrechtsverhältnis regeln, mit den Erfordernissen der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit in der Tat nicht vereinbar erscheint.

2. Vorliegend waren (und sind) die Hilfsanträge des Klägers zu 1. und der Klägerin zu 2. daher unzulässig.

Dabei kommt es nicht einmal darauf an, ob die Kläger bis zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat davon ausgegangen sind, die Eltern oder konkret der Kläger zu 1. als Familienvater könne die Ansprüche auch der anderen Familienmitglieder in Prozessstandschaft geltend machen und ob eine – offensichtlich unzulässige – Klage des Klägers zu 1. und/oder der Klägerin zu 2. in eigener Person wegen Ansprüchen, die anderen Familienmitgliedern – konkret den Klägerinnen zu 3. und 4. – zustehen, dazu führen könnte, dass ein daneben hilfsweise formuliertes und auf die Durchsetzung ihnen selbst zustehender Ansprüche gerichtetes Begehren als zulässig anzusehen wäre. Die anwaltlich vertretenen Kläger haben vielmehr, wie bereits ausgeführt, hinsichtlich der Ansprüche der Klägerinnen zu 3. und 4. bereits bei Klageerhebung erstrangig ein Begehren (nur) dieser formuliert („Beklagte verpflichtet, den Klägerinnen zu 3. und 4. D. und E. A. Leistungen … zu gewähren“); die Formulierung lässt hinreichend deutlich erkennen, dass nur die Klägerinnen zu 3. und 4. diesbezüglich als Aktivpartei anzusehen sind. Die Klageanträge des Klägers zu 1. und der Klägerin zu 2 sind im Verhältnis zu diesem erstrangig gestellten Klagebegehren nur hilfsweise formuliert. Die in der Berufungsverhandlung vor dem Senat gestellten Anträge sind insoweit nur in der Formulierung noch etwas präziser, ohne in der Sache etwas an dem von Anfang an bestehenden Rangverhältnis zu ändern. Angesichts der anwaltlichen Vertretung und der sachlich durchaus nachvollziehbaren Stufung der Klagebegehren sieht der Senat insoweit auch weder Raum noch Anlass für eine Umdeutung.

Nur zur Abrundung und zur Verdeutlichung, dass durch diese Rechtsauffassung kein Konflikt mit dem Recht auf effektiven Rechtsschutz entsteht, sei darauf hingewiesen, dass dem Kläger zu 1. und der Klägerin zu 2. angesichts der vom Senat durchaus gesehenen Abhängigkeit ihrer Ansprüche vom Ausgang des Rechtsstreits über die Begehren ihrer Töchter durchaus Handlungsmöglichkeiten offengestanden hätten: Namentlich hätten sie ihre Ansprüche im Rahmen eines Widerspruchs geltend machen und um das Ruhen des Widerspruchs- oder gegebenenfalls eines anschließenden Klageverfahrens bis zum Abschluss des vorgreiflichen Verfahrens über die Ansprüche ihrer Töchter nachsuchen können.

IV. Im Übrigen müssten die auf höhere Leistungen gerichteten Anträge des Klägers zu 1. und der Klägerin zu 2. daran scheitern, dass der Senat sich auch hinsichtlich ihrer Person von (weitergehender) Hilfebedürftigkeit nicht überzeugen kann. Auf die Frage, ob tatsächlich eine Weiterleitung des Kindergeldes stattgefunden hat, käme es dabei nicht einmal an. Die diesbezüglichen Zweifel mögen daher auf sich beruhen. Insoweit sei nur darauf hingewiesen, dass es dem Senat zwar sehr plausibel ist, dass mit dem Internatsbesuch der Klägerinnen zu 3. und 4. ganz erhebliche (und sogar noch über das Kindergeld hinausgehende) Aufwendungen für die Kläger verbunden waren, selbst wenn man davon ausgeht, dass die reinen Internatskosten durch von Dritten zur Verfügung gestellte Mittel abgedeckt waren. Es ist aber auch nach der mündlichen Verhandlung für den Senat nicht sicher feststellbar, dass dies gerade aus den auf das Konto der Klägerin zu 3. geleiteten Mitteln geschehen wäre. Vielmehr sind diesbezüglich auch in der mündlichen Verhandlung erhebliche Fragen offengeblieben, die zum Beispiel an den in anderem Zusammenhang bereits erwähnten Umstand anknüpfen, dass die Familienmitglieder in A-Stadt in allerengsten Verhältnissen gelebt haben wollen, während die Klägerinnen zu 3. und 4. mit dem weitergeleiteten Geld nach ihrem Vorbringen zum Teil das Internatsessen „ersetzt“ haben wollen; nachdem das Geld zu erheblichen Teilen in bar abgehoben wurde, legt dies Zweifel an einer Weiterleitung im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 8 Alg II-V zumindest nahe.

In der Sache hätte der Kläger zu 1. daher, wenn überhaupt, nur Erfolg haben können, soweit er sich gegen den den hiesigen Streitzeitraum betreffenden Aufhebungsbescheid vom 5. März 2018 wendet, wobei sich insofern – anders als bei den andere Streitzeiträume betreffenden (Teil-)Aufhebungs- und Erstattungsbescheiden vom 9. Juli 2014 – wohl keine Bedenken hinsichtlich der ausreichenden Bestimmtheit stellen. Angesichts der Unzulässigkeit der Klage kann dies aber letztlich auf sich beruhen; auf die Möglichkeit eines Überprüfungsverfahrens ist bereits im Zusammenhang mit den Ausführungen zur Klage der Klägerinnen zu 3. und 4. (dort: Klägerinnen zu 2. und 3.) im Verfahren L 6 AS 89/20 hingewiesen worden.

D. Die Klageänderung, mit der die vor dem Senat erstmals geltend gemachten Begehren der Kläger zu 5. bis 7. – über die der Senat daher „auf Klage“ zu entscheiden hat – in das Verfahren eingeführt wurden, ist unzulässig.

Der Senat geht grundsätzlich von der Möglichkeit einer Klageänderung auch in der Berufungsinstanz und einer daran anknüpfenden Sachentscheidungsbefugnis aus; die Zulässigkeit der Klageänderung ist an § 99 SGG in Verbindung mit § 153 Abs. 1 SGG zu messen und setzt daher voraus, dass sie entweder kraft gesetzlicher Fiktion nicht als Klageänderung anzusehen (§ 153 Abs. 1 i.V.m. § 99 Abs. 3 SGG) oder sachdienlich ist (§ 153 Abs. 1 i.V.m. § 99 Abs. 1 Alt. 2 SGG) oder schließlich die übrigen Beteiligten   gegebenenfalls durch rügelose Einlassung – einwilligen (§ 153 Abs. 1 i.V.m. § 99 Abs. 1 Alt. 1, Abs. 2 SGG) (vgl. ausfl. hierzu und zu den insofern anzulegenden Maßstäben: erk. Senat, Urteil vom 11. März 2020 – L 6 AS 471/19 –, juris, Rn. 45 und Urteil vom 11. März 2020 – L 6 AS 269/19 –, juris, Rn. 42 ff.). 

Keine der genannten Alternativen ist erfüllt: Namentlich liegt eine ausdrückliche Einwilligung oder auch eine rügelose Einlassung des Beklagten in die erst in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat (oder allenfalls in dem am Vorabend eingegangenen Schreiben des Klägerbevollmächtigten) gestellten Anträge – schon wegen der Abwesenheit des Beklagten in der mündlichen Verhandlung – nicht vor. Die Klageänderung ist auch nicht sachdienlich: Die Anträge der Kläger zu 5. bis 7. sind wie die des Klägers zu 1. und der Klägerin zu 2. hilfsweise gestellt; die damit verbundene eventuelle subjektive Klagehäufung wäre daher aus den zur entsprechenden Problematik der Klagebegehren des Klägers zu 1. und der Klägerin zu 2. angeführten Gründen bereits unzulässig, so dass eine abschließende Klärung im hiesigen Verfahren ohnehin nicht erfolgen könnte. Hinsichtlich der Ansprüche der Kläger zu 5. bis 7. kommt hinzu, dass ihre Ansprüche erst am Tag der mündlichen Verhandlung (oder allenfalls am Vorabend) rechtshängig geworden sind, so dass alles dafür spricht, dass ihre Klagen als verfristet anzusehen wären. 

E. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

F. Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der in § 160 Abs. 2 SGG abschließend aufgezählten Gründe hierfür vorliegt. 

Rechtskraft
Aus
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