Wird eine leistungsberechtigte Person, die sich zuletzt im Ausland aufgehalten hat, in einer stationären Einrichtung aufgenommen, hat der vorläufig leistende Sozialhilfeträger gegen den deutschen Sozialhilfeträger, in dessen Bereich die leistungsberechtigte Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt in den zwei Monaten vor der Aufnahme zuletzt gehabt hat, auch dann einen Erstattungsanspruch, wenn die leistungsberechtigte Person zwischenzeitlich im Ausland einen gewöhnlichen Aufenthalt begründet haben sollte.
Das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 14. Dezember 2017 wird aufgehoben.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 156.866,65 EUR zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass die Verpflichtung des Beklagten zur Übernahme der tatsächlich entstehenden ungedeckten Kosten der vollstationären Unterbringung der Frau I____ R_____ im Therapiezentrum R______ über den 31. August 2021 hinaus bis zur Beendigung der dortigen Unterbringung fortbesteht.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 156.866,65 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Der Kläger begehrt Kostenerstattung für einen Hilfefall.
Die Beteiligten streiten um die Leistungspflicht als Sozialhilfeträger für den Leistungsfall der 1963 geborenen I____ R_____ (im Folgenden: R.)
Die Hilfeempfängerin lebte bis 28. März 2003 im Stadtgebiet der Beklagten im A_____________ ___ in H______. Sie flog am 28. März 2003 nach Mexiko mit einer zunächst auf ein halbes Jahr befristeten Aufenthaltserlaubnis. Am 7. Mai 2003 erlitt die Hilfeempfängerin dort einen Ohnmachtsanfall. Am 19. Mai 2003 wurde sie nach Deutschland zurücktransportiert und im Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH) in K___ aufgenommen. Die Klägerin befand sich im Wachkoma. Im Anschluss wechselte sie am 22. Juli 2003 in das neurologische Zentrum ___ S_______ der S_________ Kliniken GmbH bis zur Aufnahme im Therapiezentrum K_______ in R______ am 8. Januar 2004.
Die Mutter der R. stellte als deren Betreuerin bei der Klägerin am 8. Januar 2004 einen Antrag zur Gewährung von Sozialhilfe (Hilfe zur Pflege im Heim). Die Eltern der R. hatten laut eines Vermerks des Amtes für Soziales des Klägers angegeben, dass R. mit der Absicht nach Mexiko geflogen sei, dort nach Ablauf der für ein halbes Jahr geltenden Aufenthaltserlaubnis auf Dauer zu bleiben. Ihre bis dahin unterhaltene Mietwohnung habe sie vor ihrer Abreise gekündigt und aufgelöst, vorhandenes Inventar und ihren Pkw habe sie vor ihrer Abreise veräußert. Auch im Rahmen der Angaben im schriftlichen Antragsformular vom 8. Januar 2004 gab die Mutter der R. an, dass diese ihr Arbeitsverhältnis gekündigt habe, um den Auslandsaufenthalt in Mexiko anzutreten.
Seit dem 1. Februar 2004 bezieht die R. eine Rente wegen voller Erwerbsminderung.
Mit Schreiben vom 12. Januar 2004 wandte sich der Kläger an den Beigeladenen unter Hinweis darauf, dass ein gewöhnlicher Aufenthalt nicht vorhanden sei und insofern die Zuständigkeit nach § 100 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) § 6a Ausführungsgesetz zum Bundessozialhilfegesetz (AGBSHG) vorliege.
Mit Schreiben vom 20. Januar 2004 sowie 18. Februar 2004 verneinte der Beigeladene die eigene Zuständigkeit mit der Begründung, dass im Ausland kein gewöhnlicher Aufenthalt begründet werden könne und der letzte gewöhnliche Aufenthalt in H______ gewesen sei. Er verwies auf § 97 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 BSHG. Es sei zeitlich bis zum Stichtag 19. Mai 2003 zurückzugehen. Ein ggf. im Ausland begründeter gewöhnlicher Aufenthalt sei unbeachtlich. Es ergebe sich aus der Natur der Sache, dass nur ein gewöhnlicher Aufenthalt im Inland gemeint sein könne. Wolle man hingegen den Einwand des Klägers gelten lassen, liefe die Regelung des § 97 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 BSHG stets ins Leere. Daran ändere auch nichts, dass für die Klinikaufenthalte möglicherweise ein anderer Sozialleistungsträger leistungspflichtig gewesen sei.
Mit Schreiben vom 4. März 2004 übersandte der Kläger der Beklagten den Antrag der R. zur Bearbeitung aufgrund deren Zuständigkeit. Zum Zeitpunkt der Rückkehr aus Mexiko sei die R. ohne gewöhnlichen Aufenthalt gewesen, so dass es auf den Zeitraum vor ihrem Auslandaufenthalt ankomme.
Die Beklagte lehnte ebenfalls eine Übernahme des Leistungsfalles ab. Sie begründete dies im Wesentlichen damit, dass die Hilfeempfängerin den gewöhnlichen Aufenthalt zum 28. März 2003 aufgegeben habe und in Mexiko einen neuen gewöhnlichen Aufenthalt begründet habe.
Mit Bescheid vom 13. April 2004 gewährte der Kläger der R. vorläufige Leistungen durch Übernahme der ungedeckten Heimkosten gemäß §§ 68,100 BSHG und eines Betrages zur persönlichen Verfügung gemäß § 21 Abs. 3 BSHG unter Berücksichtigung des einzusetzenden Einkommens (Erwerbsminderungsrente) ab dem 8. Januar 2004.
Mit Schreiben vom 26. Februar 2014 machte der Kläger die von ihm der R. erbrachten Leistungen gegenüber der Beklagten geltend, die ihre Erstattungspflicht mit Schreiben vom 15. April 2014 endgültig ablehnte. Zur Begründung hatte der Kläger auf ein Urteil des Verwaltungsgerichts Saarlouis vom 17. Mai 2001
(Az.: 4 K 370/98) Bezug genommen.
Der Kläger hat am 26. Februar 2015 Klage vor dem Sozialgericht Schleswig erhoben und sie damit begründet, dass der letzte gewöhnliche Aufenthalt der R. im Rechtssinne im Stadtgebiet der Beklagten gelegen habe, bevor der Hilfeempfängerin Hilfe zur Pflege zu gewähren gewesen sei. Bei den Aufenthalten im neurologischen Therapiezentrum und UKSH habe im Rechtssinne kein gewöhnlicher Aufenthalt begründet werden können. Die Wechsel seien jeweils Anstaltsübertritte im Sinne von § 97 Abs. 2 Satz 2 BSHG gewesen. Selbst wenn die R. in Mexiko einen neuen gewöhnlichen Aufenthalt begründet gehabt habe, komme es hierauf nach
§ 98 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) nicht an. Zweck dieser Regelung sei die unmittelbare Entlastung der Träger am Einrichtungsort. So führe das Sozialgericht Karlsruhe aus, die so geregelte Sonderzuständigkeit solle Leistungsträger, die ein gutes und breites Angebot zur Versorgung hilfebedürftiger Menschen vorhalten, vor ungerechtfertigten Kosten schützen (vgl. nun Deckers in: Grube/Warendorf, SGB XII, 7. Aufl. 2020, § 98 Rn. 19 mit Hinweis auf Josef/Wenzel, NDV 2007,87). Andererseits sei zu beachten, dass nach § 98 Abs. 1 SGB XII für das Außenverhältnis weiterhin vorrangig an das Aufenthaltsprinzip angeknüpft werde, damit der Hilfesuchende schnelle und effektive Hilfe in einer gegenwärtigen Lage erhalte und nicht durch den Hinweis auf andere Zuständigkeiten vertröstet werden könne (SG Karlsruhe, Urteil vom 24. Juli 2014 –
S 4 SO 1672/13 -, zitiert nach juris). Vor diesem Hintergrund könne einer Leistungspflicht nach § 98 SGB XII nicht ein Aufenthalt im Ausland und die hieraus ggf. folgende Zuständigkeit eines Trägers im Ausland entgegengehalten werden. Vielmehr solle ein gerechter Leistungsausgleich zwischen Kostenträgern im Inland geschaffen werden. Abgesehen von der Frage, nach welchen Kriterien ein gewöhnlicher Aufenthalt im Ausland begründet werden könne, könne dies für die Beurteilung der Zuständigkeit gemäß 98 Abs. 2 SGB XII nicht maßgeblich sein. Die von der Beklagten geltend gemachte ergänzende Auslegung des § 106 Abs. 1 Satz 2 SGB XII dahingehend, dass diese auch bei einem gewöhnlichen Aufenthalt außerhalb Deutschlands gelte, sei zumindest dann nicht erforderlich und damit auch rechtlich nicht möglich, wenn, wie in dem vorliegenden Fall, ein gewöhnlicher Aufenthalt innerhalb der letzten 2 Monate vorhanden gewesen sei. Insoweit gehe die eindeutige gesetzliche Regelung vor. Hinsichtlich der Ausschlussfrist nach
§ 111 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) habe aufgrund des Schreibens vom 26. Februar 2014 zumindest für den ein Jahr zurückliegenden Leistungszeitraum und die Folgemonate Erstattung beansprucht werden können. Auch die Feststellungsklage sei zulässig. Die Verpflichtung zur Kostenerstattung sei eine auf konkreten Tatsachen beruhendes Rechtsverhältnis. Das Feststellungsinteresse beruhe auf dem Umstand, dass die Hilfegewährung im Zeitpunkt der Klageerhebung nicht abgeschlossen sei.
Der Kläger hat beantragt,
- die Beklagte zu verurteilen, ihm die Kosten für die Unterbringung der Hilfeempfängerin I____ R_____ im Therapiezentrum R______ für die Zeit vom 1. Februar 2013 bis zur Klageerhebung in Höhe von
42.257,47 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu erstatten.
- festzustellen, dass die Pflicht der Beklagten zur Übernahme der tatsächlich entstehenden Kosten der vollstationären Unterbringung im Therapiezentrum R______ bei Fortführung der Maßnahme fortbesteht.
hilfsweise,
den Beigeladenen zu verurteilen, dem Kläger die Kosten für die Unterbringung der Hilfeempfängerin I____ R_____ im Therapiezentrum R______ für die Zeit vom 1. Februar 2013 bis zum 31. Dezember 2017 in Höhe von 90.589,07 EUR zu erstatten.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat für ihre Auffassung angeführt, dass in den Fällen, in denen ein gewöhnlicher Aufenthalt im Inland nicht vorhanden sei, der Träger der Sozialhilfe des tatsächlichen Aufenthalts zuständig sei und einen Kostenerstattungsanspruch nach § 103 BSHG bzw. 106 SGB XII habe. Die Zuständigkeit zum Zeitpunkt der Aufnahme am 19. Mai 2003 bestimme sich nach § 97 Abs. 2 BSHG. Anders als im § 98 Abs. 2 SGB XII sei darin nicht eindeutig festgelegt, wer zuständig sei, wenn ein gewöhnlicher Aufenthalt in Fällen des Abs. 2 nicht vorhanden oder nicht zu ermitteln sei. Diese sei erst durch die Regelung des § 98 Abs. 2 Satz 3 SGB XII eingefügt worden, nachdem dies in der Praxis bereits so gehandhabt worden sei. Die Zuständigkeitsbestimmung nach § 97 Abs. 2 BSHG sei immer dann vorzunehmen, wenn ein gewöhnlicher Aufenthalt vor der Aufnahme in die stationäre Einrichtung außerhalb Deutschlands liege. Der Schutz des Sozialhilfeträgers am Einrichtungsort sei in diesen Fällen über § 106 Abs. 1 Satz 2 SGB XII geregelt. Ein gewöhnlicher Aufenthalt im Ausland führe daher im Ergebnis dazu, dass sich die vorläufige Zuständigkeit nach § 98 Abs. 2 Satz 3 Alternative 2 SGB XII und die endgültige nach § 98 Abs. 1 SGB XII bestimme. Der Schutz des Sozialhilfeträgers am Einrichtungsort ergebe sich für diese Fälle aus 106 Abs. 1 Satz 2 SGB XII.
Am 5. August 2015 hat das Sozialgericht das Land Schleswig-Holstein, vertreten durch das Ministerium für Soziales, Gesundheit, Familie und Gleichstellung zum Verfahren beigeladen. Der Beigeladene hat vorgetragen, dass es nach dem Gesetz zur Ausführung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (AG-SGB XII SH) Fristen gebe, bis zu denen Nachfinanzierungsfragen angemeldet sein müssten.
Das Sozialgericht Schleswig hat mit Urteil vom 14. Dezember 2017 den Beigeladenen zur Zahlung einer Erstattungssumme in Höhe von 90.589,07 EUR verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen.
Zur Begründung hat es ausgeführt, der Anspruch des Klägers gegenüber dem Beigeladenen beruhe auf § 106 Abs. 1 Satz 2 SGB XII. In den Fällen, in denen ein gewöhnlicher Aufenthalt vor Aufnahme in eine Einrichtung nicht vorhanden oder nicht zu ermitteln sei und sich die Zuständigkeit des örtlichen Trägers der Sozialhilfe nach § 98 Abs. 2 Satz 3 SGB XII bestimme, seien dem örtlich zuständigen Träger der Sozialhilfe vom überörtlichen Träger der Sozialhilfe die Kosten zu erstatten, zu dessen Bereich der örtliche Träger gehöre. Nach § 98 Abs. 1 SGB XII sei der Träger der Sozialhilfe örtlich zuständig, in dessen Bereich sich der Hilfeempfänger tatsächlich aufhalte. Für Hilfe in einer stationären Einrichtung – hier die Therapieeinrichtung R______ – gelte § 98 Abs. 2 SGB XII. Nach § 98 Abs. 2 Satz 1 SGB XII sei der Träger der Sozialhilfe für die Hilfe in einer stationären Einrichtung örtlich zuständig, in dessen Bereich der Hilfeempfänger seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Zeitpunkt der Aufnahme habe oder in den zwei Monaten vor der Aufnahme zuletzt gehabt habe. Nach § 98 Abs. 2 Satz 2 SGB XII gelte, dass bei einer Einrichtungskette der Träger der Sozialhilfe zuständig sei, der für die Aufnahmen der ersten Einrichtung zuständig sei. Die seit 1. Januar 2005 geltenden Regelungen entsprächen den inhaltsgleichen und zuvor geltenden Regelungen des Bundessozialhilfegesetzes. § 97 Abs. 2 Satz 3 BSHG bzw. § 98 Abs. 2 S. 3 SGB XII regele den hier einschlägigen Fall. Stehe nicht spätestens innerhalb von vier Wochen fest, ob und wo der gewöhnliche Aufenthalt nach Satz 1 oder Satz 2 begründet worden sei, oder liege ein Eilfall vor, habe der nach Abs. 1 zuständige Träger der Sozialhilfe über die Hilfe unverzüglich zu entscheiden und vorläufig einzutreten. Bei einem gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland vor Aufnahme in die stationäre Einrichtung, stehe im Rechtssinne nicht fest, wo der gewöhnliche Aufenthalt begründet worden sei. Die Hilfeempfängerin habe nach Aufgabe des gewöhnlichen Aufenthalts im Gebiet der Beklagten einen neuen gewöhnlichen Aufenthalt in Mexiko begründet. Nach § 30 Abs. 3 Satz 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch
(SGB I) habe den gewöhnlichen Aufenthalt jemand an dem Ort, an dem er sich unter Umständen aufhalte, die erkennen ließen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweile. Dass die Hilfeempfängerin ihren gewöhnlichen Aufenthalt in H______ aufgegeben habe, sei offenkundig. Sie habe neben ihrer Wohnung auch ihr komplettes Mobiliar und Inventar veräußert. Gleiches treffe auf den von ihr damals besessenen Pkw zu. Darüber hinaus sei es unstrittig und von den Eltern der Hilfeempfängerin im Verwaltungsverfahren auch bestätigt worden, dass R. dauerhaft in Mexiko habe leben wollen. Damit habe sie dort einen neuen gewöhnlichen Aufenthalt begründet. Als zuständiger Leistungsträger könne der gewöhnliche Aufenthalt in Mexiko für die Bestimmung des zuständigen Leistungsträgers gemäß § 97 Abs. 2 Satz 1 BSHG nicht zum Tragen kommen, da das BSHG für einen gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland keine Regelung treffe. Insofern stelle sich die Frage, ob im Rechtssinne kein gewöhnlicher Aufenthaltsort anzunehmen sei und ob dann gemäß § 97 Abs. 2 Satz 3 BSHG der Träger des tatsächlichen Aufenthalts zuständig mit der Folge werde, dass ein Ersatzanspruch gegenüber dem überörtlichen Träger der Sozialhilfe begründet werde. Der gewöhnliche Aufenthalt des § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I stelle auf ein tatsächliches Verhalten ab. Dieses tatsächliche Verhalten sei der physische Aufenthalt sowie die subjektive Vorstellung der betroffenen Person, in dem Gebiet dauerhaft zu verweilen. Es sei ein tatsächliches Geschehen, an das die Definition des gewöhnlichen Aufenthalts anknüpfe. Eine territoriale Beschränkung auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland sei damit nicht vereinbar. Dies führe indes dazu, dass eine sachgerechte Lösung im Hinblick auf die örtliche Zuständigkeit des § 97 BSHG bzw. § 98 SGB XII im Interesse des Leistungsberechtigten einerseits und zum Schutz der Anstaltsorte Anwendung finde. Bei einem Zuzug aus dem Ausland könne § 97 Abs. 2 Satz 1 BSHG bzw. § 98 Abs. 2 Satz 1 SGB XII dann nicht greifen, wenn im Ausland ein gewöhnlicher Aufenthalt begründet werde. Dann fehle es an der Möglichkeit auf den vorherigen örtlich zuständigen Sozialhilfeträger zu rekurrieren, da dieser im Ausland nicht existiere. In solchen Fällen liege immer ein Fall des § 97 Abs. 2 Satz 3 BSHG in Verbindung mit § 97 Abs. 1 BSHG bzw. § 98 Abs. 2 Satz 3 SGB XII vor, der einen Ersatzanspruch gegenüber dem überörtlichen Träger auslöse. Rechtlich führe dies dazu, dass immer dann, wenn der nach § 98 Abs. 2 Satz 1 SGB XII zu bestimmende gewöhnliche Aufenthalt im Ausland liege, im Sinne des § 98 Abs. 2 Satz 3 SGB XII anzunehmen sei, dass ein gewöhnlicher Aufenthalt nicht vorhanden bzw. nicht zu ermitteln sei. In diesem Fall ergebe sich der Kostenerstattungsanspruch aus § 106 Abs. 1 Satz 2 SGB XII. Vorliegend bestünde die örtliche Zuständigkeit des Klägers wegen der Regelung des § 98 Abs. 2 Satz 3 SGB XII, der einen Erstattungsanspruch gegen den Beigeladenen begründet habe. Insofern bestehe kein Erstattungsanspruch gegenüber der Beklagten. Auch in der Höhe habe der Kläger den Anspruch nachgewiesen. Die tatsächlichen Kosten seien angefallen. Soweit der Beigeladene in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen habe, dass es seit 2015 Fristen nach dem AG-SGB XII SH gebe, bis zu denen Nachfinanzierungsfragen angemeldet sein müssten, könne dies dem vorliegenden Anspruch nicht entgegengehalten werden. Die Regelung in § 10 Abs. 1 AG-SGB XII betreffe lediglich das Budget für die örtlichen Träger der Sozialhilfe nach §§ 8 und 9 AG-SGB XII. Sie könne nicht den Erstattungsanspruch nach § 106 SGB XII modifizieren, da dieser keiner landesrechtlichen Konkretisierung oder Pauschalierung zugänglich sei.
Gegen das dem Beigeladenen am 10. April 2018 zugestellte Urteil hat dieser am 3. Mai 2018 bei dem Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht Berufung erhoben.
Er trägt vor, entgegen der Darstellung des Sozialgerichts sei unklar, wie R. im Jahre 2003 ihren Aufenthalt in H______ beendet habe und unter welchen Umständen sie sich in Mexiko aufgehalten habe. Es stehe nicht fest, ob R. vor ihrer Abreise nach Mexiko ihre Mietwohnung aufgegeben und sämtliches Wohnungsinventar und ihr Auto verkauft habe. Der Beigeladene bestreite dies. Es gebe keinen Beleg dafür, dass die Wohnungsaufgabe mit der Absicht erfolgt sei, in Mexiko dauerhaft zu leben. R. habe, soweit dies ersichtlich sei, nie einen Willen geäußert, welchen Zweck sie verfolgt habe, als sie am 28. März 2003 nach Mexiko flog. Nach Darstellung des Sozialgerichts sei R. mit einer zunächst auf ein halbes Jahr befristeten Aufenthaltserlaubnis nach Mexiko geflogen. Es sei schon unklar, um was für eine Aufenthaltserlaubnis es sich hierbei gehandelt habe. Möglicherweise habe schon keine Aussicht bestanden, eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis zu bekommen. Dies würde dafür sprechen, dass R. nicht den Willen gefasst hatte, dauerhaft in Mexiko zu bleiben. Es gebe auch keine näheren Informationen zum Aufenthalt der R. in Mexiko. Es stehe nicht fest, wo sich R. aufgehalten habe. Die Angabe „bei Freunden“ schließe nicht aus, dass sich R. an verschiedenen Orten aufgehalten habe. Es sei auch unbekannt, womit sich R. in Mexiko beschäftigt habe. Es werde bestritten, dass R. an irgendeinem Ort in Mexiko den Schwerpunkt ihrer Lebensverhältnisse begründet habe. Ein gewöhnlicher Aufenthalt setze voraus, dass ein tatsächlicher Schwerpunkt der Lebensverhältnisse festzustellen sei; dabei sei auf eine bestimmte Gemeinde, jedenfalls auf eine Region abzustellen, während ein dauerhafter Aufenthalt im Gebiet eines anderen Staates dafür allein nicht ausreiche. Es stehe nicht fest, dass R. sich an einem bestimmten Ort aufgehalten habe. Selbst, wenn man einen letzten gewöhnlichen Aufenthalt in Mexiko annehmen würde, wäre § 98 Abs. 2 Satz 1 SGB XII aber so auszulegen, dass auf den letzten inländischen gewöhnlichen Aufenthalt abzustellen sei, wenn ein solcher inländischer gewöhnlicher Aufenthalt im Zeitpunkt der Aufnahme vorhanden sei. Der Sinn und Zweck des § 98 Abs. 2 Satz 1 SGB XII spreche für eine entsprechende Auslegung. In der Regelung zeige sich das Prinzip, das darauf abgestellt werde, wo der Leistungsberechtigte herkomme. Außerdem ziele sie darauf, Leistungsträger, die ein gutes und breites Angebot zur Versorgung hilfsbedürftiger Menschen vorhalten, vor ungerechtfertigten Kosten zu schützen aber andererseits zu gewährleisten, dass der Hilfesuchende schnelle und effektive Hilfe in einer gegenwärtigen Notlage erhalte. Es entspreche dem Herkunftsprinzip, dass der Träger der Sozialhilfe des inländischen Aufenthalts örtlich zuständig sei, wenn im Rahmen der Zweimonatsfrist gemäß § 98 Abs. 2 Satz 1 SGB XII ein inländischer gewöhnlicher Aufenthalt vorgelegen habe. Dies führe im Hinblick auf den notwendigerweise kurzen letzten gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland zu einem gerechten und angemessenen Kostenausgleich zwischen den Trägern. Ein sehr kurzer zusätzlicher gewöhnlicher Aufenthalt im Ausland nach einem inländischen gewöhnlichen Aufenthalt innerhalb der Frist von zwei Monaten vor der Aufnahme in eine Einrichtung führe danach ebenso wie bei Fehlen eines gewöhnlichen Aufenthalts im Inland ohne Auslandsbezug dazu, dass auf den letzten gewöhnlichen Aufenthalt im Inland abgestellt werden müsse. Es finde sich weder in dem Urteil noch in den Gerichts- oder Verfahrensakten eine Berechnung der angeblichen Kosten für die Zeit vom 1. Februar 2013 bis zum 30. Dezember 2017. Der Anspruch werde deshalb der Höhe nach bestritten. Ferner sei der Beigeladene sei in Anwendung des § 75 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) über den klägerischen Antrag hinaus verurteilt worden. Dies widerspreche dem in § 75 Abs. 5 SGG enthaltenen Subsidiaritätsprinzip. Die Klägerin habe einen Zahlungsantrag sowie einen Feststellungsantrag gestellt und das Sozialgericht habe stattdessen nur zur Zahlung bis Dezember 2017 verurteilt.
Der Beigeladene beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 14. Dezember 2017 abzuändern, soweit er verurteilt worden ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung Anschlussberufung erhoben und beantragt,
- das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 14. Dezember 2017 abzuändern und die Beklagte zur verurteilen, an sie 156.866,65 EUR wegen aufgewendeter Heimpflegekosten für die Leistungsberechtigte I____ R_____ für den Zeitraum bis zum 31. August 2021 zu zahlen,
- festzustellen, dass die Pflicht des Beklagten zur Übernahme der tatsächlich entstehenden Kosten der vollstationären Unterbringung der I____ R_____ im Therapiezentrum R______ bei Fortführung der Maßnahme fortbesteht,
hilfsweise, die Berufung des Beigeladenen mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass der Beigeladene dazu verurteilt wird, an sie 156.866,65 EUR für aufgewendete Heimpflegekosten der I____ R_____ bis zum 31. August 2021 zu zahlen, sowie auch insoweit festzustellen, dass die Pflicht des Beigeladenen zur Übernahme der tatsächlich entstehenden Kosten der vollstationären Unterbringung der Frau I____ R_____ im Therapiezentrum R______ bei Fortführung der Maßnahme fortbesteht.
Die Beklagte und der Beigeladene beantragen jeweils,
die Anschlussberufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verweist auf ihren bisherigen Vortrag und die Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil. Insbesondere sei nicht nachzuvollziehen, dass der Beigeladene nunmehr Tatsachen anzweifle, über die er seit langem informiert sei und auch bisher keine Zweifel gehegt oder geäußert habe.
Die Klägerin führt aus, dass die Tatsache, dass die R., bevor sie Ende März 2003 nach Mexiko aufgebrochen sei, ihre Wohnung in H______ gekündigt habe, sämtliches Inventar verkauft sowie ihr Auto veräußert und Deutschland mit der Absicht verlassen habe, dauerhaft in Mexiko zu bleiben, sich auf die Aussage, der Eltern in dem Gespräch vom 8. Januar 2004 stütze. Dafür, den Wahrheitsgehalt der Aussage anzuzweifeln, bestünden keinerlei Anhaltspunkte und auch keinerlei Gründe. Der Beigeladene sei zudem seit Januar 2004 hierüber informiert, habe an der mündlichen Verhandlung am 14. Dezember 2017 teilgenommen und keine Zweifel am Sachverhalt geäußert. Die Höhe der Kosten von 90.589,07 EUR für den Zeitraum vom 1. Februar 2013 bis einschließlich 31. Dezember 2017 ergebe sich aus der Forderungshöhe des Klageantrags zu 1), d. h. den angefallenen Kosten für die Unterbringung vom 1. Februar 2013 bis zur Klageerhebung (42.257,47 EUR) sowie den Kosten im Zeitraum vom 1. April 2015 bis 31. Dezember 2017 (48.331,60 EUR).
Der Kläger hat außerdem eine aktuelle Übersicht über die Unterbringungskosten der R. ab dem 1. Februar 2013 bis Oktober 2018 übersandt. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht vom 11. August 2021 hat die Vertreterin des Klägers auf die ihr vorliegende Berechnung verwiesen, wonach sich die Kosten der Unterbringung für R bis Ende August 2021 auf 156.866,65 EUR aufsummiert haben werden.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakte, die dem Senat vorgelegen haben und Gegenstand der Berufungsverhandlung geworden sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Beigeladenen ist zulässig, insbesondere ist sie fristgerecht innerhalb der Berufungsfrist des § 151 Abs. 1 und 2 SGG eingelegt worden.
Gegenstand des Verfahrens ist die Erstattung der Aufwendungen des Klägers im Zusammenhang mit den von ihm erbrachten Leistungen der Hilfe zur Pflege für die R. ab dem 1. Februar 2013 und die Feststellung einer fortbestehenden Erstattungspflicht. Der Kläger macht die Ansprüche prozessual statthaft mit der Leistungs- (§ 54 Abs. 5 SGG) sowie mit der Feststellungsklage (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG) geltend.
Auch die Anträge der Klägerin und Berufungsbeklagten im Berufungsverfahren sind zulässig. Die auch im sozialgerichtlichen Verfahren grundsätzlich nach § 202 Satz 1SGG i.V.m. § 524 Zivilprozessordnung (ZPO) mögliche Anschlussberufung ist kein Rechtsmittel, sondern nur ein angriffsweise wirkender Antrag, mit dem sich der Gegner (hier: des Klägers) innerhalb des Rechtsmittels des Berufungsklägers (hier: des Beigeladenen) an dessen Rechtsmittel anschließt. Sie bietet die Möglichkeit, die vom Berufungskläger angefochtene Entscheidung des Sozialgerichts auch zu seinen, des sich Anschließenden, Gunsten ändern zu lassen, ohne dass insoweit eine Beschwer vorliegen müsste (st. Rspr. vgl. grundlegend BSG, Urteil vom 23. Februar 1966 – 2 RU 103/65 – BSGE 24, 247 = SozR Nr. 9 zu § 521 ZPO; vgl. zuletzt BSG, Urteil vom 2. September 2014 – B 1 KR 3/13 R – juris
Rn. 9). Mit ihr können aber nicht Ansprüche zur Überprüfung des Berufungsgerichts gestellt werden, die von der Berufung gar nicht erfasst werden; anderenfalls liegt kein Fall einer "Anschließung" an das eingelegte Rechtsmittel vor. Für die Zulässigkeit der Anschlussberufung ist es deshalb erforderlich, dass sie den gleichen prozessualen Anspruch wie die Hauptberufung betrifft (st. Rspr.; vgl. BSG, Urteil vom 8. Juli 1969 – 9 RV 256/66 – juris Rn. 10; BSG, Urteil vom 10. Februar 2005 - B 4 RA 48/04 R -, Rn. 33 f; zitiert nach juris; BSG Urteil vom 23. Juni 1998 – B 4 RA 33/97 R –juris Rn. 16 ff.). Dies ist hier jedoch der Fall.
Der Maßstab für die Beurteilung, ob der gleiche prozessuale Anspruch betroffen ist, ergibt sich in Anwendung von § 99 Abs. 3 SGG. In Fallkonstellationen, in denen eine Änderung des Klageantrags denselben Klagegrund betrifft, eine der in § 99 Abs. 3 Nr. 1 bis 3 SGG genannten Voraussetzungen vorliegt und deshalb die Antragsänderung im Sinne dieser Vorschrift nicht als Klageänderung anzusehen ist, führt die Anschlussberufung keinen im genannten Sinne neuen Streitgegenstand in das Verfahren ein. Eine solche Konstellation ist hier gegeben.
Die Umstellung der vom Kläger erhobenen Klageanträge stellt keine Klageänderung dar. Die Änderung des Klagantrags ist von § 99 Abs. 3 Nr. 2 SGG erfasst, wonach es nicht als Klageänderung im Sinne des § 99 Abs. 1 SGG anzusehen ist, wenn der Klagantrag in der Hauptsache erweitert wird ohne eine Änderung des Klagegrundes. Hierunter fällt auch der Übergang von der Feststellungsklage zur Leistungsklage (vgl. BSG, Urteil vom 12. August 2010 – B 3 KR 9/09 R – SozR
4-2500 § 125 Nr. 6, juris Rn. 12).
Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass die Erweiterung des Leistungsantrags auf Folgezeiträume zu einer Änderung des Klagegrundes führt, weil bei einer zeitlichen Ausdehnung einer Erstattungsforderung hierdurch zugleich der dem Klageantrag zugrundeliegende Lebenssachverhalt geändert würde, wie es das Bundesozialgericht in seinem Urteil vom 26. Oktober 2017 (B 8 SO 12/16 R, juris Rn. 15 juris) für den dort zugrundeliegenden Sachverhalt festgestellt hat. Kennzeichnend für einen neuen Lebenssachverhalt ist dabei, dass neue Feststellungen zu treffen sind, anhand derer eine neue rechtliche Bewertung von Anspruchsgrundlagen und erbrachten Leistungen erforderlich wird (vgl. BSG a.a.O). Zum Klagegrund rechnen alle Tatsachen, die bei einer natürlichen, vom Standpunkt der Parteien ausgehenden Betrachtungsweise zu dem durch den Vortrag des Klägers zur Entscheidung gestellten Tatsachenkomplex gehören (vgl. Guttenberger in: Schlegel/Voelzke jurisPK-SGG, 1. Aufl. 2017 § 99 SGG Rn. 8). Die im vorliegenden Erstattungsstreit erfolgte Erweiterung des Leistungsantrags auf den Folgezeitraum seit der erstinstanzlichen Entscheidung führt nicht zu einer Änderung des Klagegrundes, weil hierdurch nicht zugleich der dem Klageantrag zugrundeliegende Lebenssachverhalt geändert wird. Der zur Entscheidung durch den Kläger gestellte Tatsachenkomplex hat sich in der Berufungsinstanz nicht geändert. Er hat bereits in der ersten Instanz den Aufenthalt der R. als Patientin in der Pflegeeinrichtung betroffen, der seit 2013 und bereits zuvor unverändert weiterbestanden hat. Dass keine Änderung des Lebenssachverhalts eingetreten ist, erweist sich auch daran, dass weitere Feststellungen des Senats jenseits der durch den Zeitablauf weiter entstandenen Kosten nicht erforderlich sind. Aus diesem Grund hat der Kläger bereits erstinstanzlich einen in die Zukunft gerichteten Feststellungsantrag gestellt.
Die Feststellungsklage gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG als solche ist neben der Leistungsklage zulässig. Zum Zeitpunkt der Klageerhebung war dem Kläger für die nachfolgende Zeit nur die Erhebung einer Klage mit dem Ziel der Feststellung künftiger Rechtsfolgen aus einem bestehenden Rechtsverhältnis möglich. Das besondere Feststellungsinteresse liegt auch im Berufungsverfahren weiterhin vor. Er kann – davon ausgehend – nicht gezwungen werden, die Feststellungsklage jederzeit und ggf. immer aufs Neue dem Umstand anzupassen, dass nach Klageerhebung auch eine Leistungsklage für weitere zwischenzeitlich verflossene Zeiträume möglich wäre (BSG, Urteil vom 23. August 2013 – B 8 SO 14/12 R – juris Rn. 12).
Die richtige Bezeichnung des Klägers lautet „Kreis Rendsburg-Eckernförde – Der Landrat“. Der Senat folgt der höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) dahingehend, dass die Klage gegen die Behörde zu richten ist, sofern das Landesrecht nach Maßgabe des § 70 Nr. 3 SGG die Beteiligtenfähigkeit von Behörden anerkennt (vgl. nur BSG, Urteil vom 29. September 2009 – B 8 SO 19/08 R – SozR 4-3500 § 54 Nr 6, juris Rn. 14; zur Geltung in Erstattungsstreitverfahren vgl. BSG, Urteil vom 28. Oktober 2008 – B 8 SO 23/07 R – BSGE 102,10 = SozR 4-2500 § 264 Nr 2, juris Rn. 12). Dies ist in Schleswig-Holstein der Fall (§ 62 Landesjustizgesetz [LJG] vom 17. April 2018 [GVOBl. S. 231]). Soweit der Senat allerdings – in Anlehnung an die höchstrichterliche Praxis – in der Vergangenheit die Behördenbezeichnung „Der Landrat des Kreises...“ verwendet hat, hält er daran nicht mehr fest (vgl. bereits Senatsurteil vom 24. September 2020 – L 9 SO 72/17 – juris Rn. 29). Denn diese Behördenbezeichnung führt der Landrat nach Landesrecht ausschließlich in der Funktion, die er im Wege der Organleihe als allgemeine untere Landesbehörde ausübt (§ 7 Nr. 3 Landesverwaltungsgesetz [LVwG] vom 2. Juni 1992 [GVOBl. 243, 534] i.V.m. §§ 1 Abs. 2, 3 Abs. 1 und 2 Gesetz über die Errichtung allgemeiner unterer Landesbehörden in Schleswig-Holstein vom 3. April 1996 [GVOBl. S. 406]). Zu diesen Aufgaben zählt die Sozialhilfe nicht. Die Sozialhilfe ist vielmehr den Kreisen und kreisfreien Städten als – pflichtige (vgl. § 2 Abs. 2 Kreisordnung [KrO] vom 28. Februar 2003 [GVOBl. S. 94]) – Selbstverwaltungsaufgabe (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Gesetz zur Ausführung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch [AG-SGB XII] vom 31. März 2015 [GVOBl. S. 90]) bzw. – soweit Leistungen nach dem Vierten Kapitel in Rede stehen – als Pflichtaufgabe zur Erfüllung nach Weisung (vgl. § 3 Abs. 1 KrO) zugewiesen (§ 1 Abs. 1 Satz 3 AG-SGB XII), die vom Landrat als Behörde des Kreises (§ 11 LVwG) wahrgenommen wird (§ 51 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1 KrO). In dieser Funktion führt die Behörde die Bezeichnung „Kreis Rendsburg-Eckernförde – Der Landrat“. Auch das Ministerium für Soziales, Gesundheit, Jugend, Familie und Senioren des Landes Schleswig-Holstein ist als Landesbehörde gemäß § 70 Nr. 3 SGG i.V.m. § 62 LJG beteiligtenfähig, so dass das Rubrum bezüglich des Beigeladenen entsprechend zu berichtigen gewesen ist.
Demgegenüber richtet sich die Beteiligtenfähigkeit der Beklagten nach § 70 Nr. 1 SGG, weil organisationsrechtliche Bestimmungen des Landes Schleswig-Holstein die Organe und Behörden eines anderen Landes nicht zu binden vermögen. Es verbleibt insoweit trotz der landesrechtlichen Bestimmung des § 62 LJG beim Rechtsträgerprinzip.
Die Berufung ist begründet. Das Urteil des Sozialgerichts hält der Überprüfung durch den Senat nicht stand. Der Anspruch des Klägers auf Erstattung der aufgewendeten Kosten besteht gemäß § 106 Abs. 1 Satz 1 SGB XII gegenüber der Beklagten und nicht gemäß § 106 Abs. 1 Satz 2 SGB XII gegenüber dem Beigeladenen.
Gemäß § 106 Abs. 1 Satz 1 SGB XII hat der nach § 98 Abs. 2 Satz 1 SGB XII zuständige Träger der Sozialhilfe dem nach § 98 Abs. 2 Satz 3 SGB XII vorläufig leistenden Träger die aufgewendeten Kosten zu erstatten. Die Vorschrift ist wegen des Grundsatzes des intertemporalen Verwaltungsrechts, auf die bei Fehlen besonderer Übergangs oder Überleitungsvorschriften zurückzugreifen ist, in der Fassung anzuwenden, die ab dem mit der Klage geltend gemachten Erstattungsanspruch für die Zeit ab dem 1. Januar 2013 gegolten. Da im Rahmen der Kostenerstattungsansprüche der Anfall zu erstattender Sozialhilfekosten maßgeblich ist, ist das im Zeitpunkt des Kostenaufwandes geltende Recht anzuwenden (BSG vom 24. März 2009 – B 8 SO 34/07 R – SozR 4-5910 § 111 Nr 1, juris Rn. 9; Hessisches LSG vom 26. August 2011 - L 7 SO 14/10 – juris Rn. 34). § 98 Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB XII findet auch auf ein Leistungsgeschehen Anwendung, das – wie hier – vor dem 1. Januar 2005 (und damit vor dem Inkrafttreten des SGB XII) begonnen hat. Denn anders als im Fall des ambulant-betreuten Wohnens, für das § 98 Abs. 5 Satz 2 SGB XII eine Ausnahmeregelung zu der durch § 98 Abs. 5 Satz 1 SGB XII bestimmten Zuständigkeit für sogenannte Altfälle schafft, gibt es eine vergleichbare Regelung für Leistungen in stationären Einrichtungen nicht (vgl. BSG, Urteil vom 1. März 2018 – B 8 SO 22/16 R –, SozR 4-3250 § 14 Nr. 28, juris Rn. 19).
Hiernach ist die Beklagte dem Kläger erstattungspflichtig, denn ist sie die zuständige örtliche Trägerin der Sozialhilfe gemäß § 98 Abs. 2 Satz 1 SGB XII und der Kläger hat Sozialhilfe nach § 98 Abs. 2 Satz 3 SGB XII vorläufig geleistet.
Nach 98 Abs. 2 Satz 1 SGBX II ist für die stationäre Leistung der Träger der Sozialhilfe örtlich zuständig, in dessen Bereich die Leistungsberechtigten ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Zeitpunkt der Aufnahme in die Einrichtung haben oder in den zwei Monaten vor der Aufnahme zuletzt gehabt hatten. R. hatte ihren letzten gewöhnlichen Aufenthalt in den zwei Monaten vor der Aufnahme in die Einrichtung in H______.
Dies ergibt sich aus 98 Abs. 2 Satz 2 SGBX II, wonach für den Fall, dass bei Einsetzen der Sozialhilfe die Leistungsberechtigten aus einer Einrichtung im Sinne des Satzes 1 in eine andere Einrichtung oder von dort in weitere Einrichtungen übergetreten sind oder nach dem Einsetzen der Leistung ein solcher Fall eingetreten ist, der gewöhnliche Aufenthalt, der für die erste Einrichtung maßgebend war, entscheidend ist. Dabei ist § 98 Abs. 2 Satz 2 SGB XII so zu verstehen, dass es bei einem Wechsel der Einrichtung – vom Gesetz als „Übertritt“ bezeichnet – bei der Zuständigkeit des für die erste Einrichtung zuständigen Trägers verbleibt, in der sich der Leistungsempfänger befunden hat. Es ist der gewöhnliche Aufenthalt bei Eintritt in die erste Einrichtung maßgebend, der sich nach Absatz 2 Satz 1 gerichtet hat. Bei R. ist daher den Zeitpunkt der Aufnahme in die Universitätsklinik K___ am 19. Mai 2003 abzustellen, als erste Einrichtung im Sinne des § 98 Abs. 2 Satz 2 SGB XII, von der aus ein möglicher „gewöhnliche Aufenthalt“ gemäß § 98 Abs. 2 Satz 1 SGB XII zu bestimmen ist, denn sowohl die Universitätsklinik Schleswig-Holstein K___ als auch das neurologische Zentrum der S_________ Kliniken GmbH sind Einrichtungen i. S. des § 98 Abs. 2 Satz 2 SGB XII.
Eine Einrichtung gemäß § 13 Abs. 2 SGB XII ist ein der Pflege, der Behandlung, der Erziehung oder sonstiger nach dem SGB XII zu deckender Bedarfe dienender, in einer besonderen Organisationsform unter verantwortlicher Leitung zusammengefasster Bestand an persönlichen und sächlichen Mitteln, der auf eine gewisse Dauer angelegt und für einen größeren wechselnden Personenkreis bestimmt ist (BSG, Urteil vom 1. März 2018 – B 8 SO 22/16 R juris – Rn. 23. Außerdem müssen Einrichtungen i.S. des SGB XII einen Bezug zum SGB XII oder SGB VIII aufweisen (BSG, Urteil vom 23. August 2013 – B 8 SO 14/12 R, SozR 4-5910 § 97 Nr. 1, juris Rn. 14). Ausreichend ist, dass mögliche Leistungen nach dem Fünften bis Neunten Kapitel des SGB XII – bzw. Jugendhilfeleistungen als Einrichtungsleistungen von den Leistungsträgern des Sozialhilferechts bzw. des Jugendhilferechts – hätten erbracht werden müssen, wenn die Förderung nicht durch einen anderen erfolgt wäre. Diese Voraussetzungen sind auch für den stationären Aufenthalt der R. in der Universitätsklinik und im neurologischen Zentrum B________ gegeben. Insbesondere hätten Leistungen nach dem SGB XII erbracht werden müssen, wenn die Förderung nicht durch einen anderen erfolgt wäre. Denn es wären während des gesamten Aufenthalts der R. in der Universitätsklinik K___ und im neurologischen Zentrum B________ Leistungen nach dem Fünften Kapitel des SGB XII, nämlich Hilfen zur Gesundheit, insbesondere Krankenhilfeleistungen sowie nach dem Siebten Kapitel, Hilfen zur Pflege, seitens des Sozialhilfeträgers zu erbringen gewesen, sofern diese nicht vorrangig die Krankenkasse der R übernommen hätte.
Der Kläger hat zudem aufgrund der Bestimmung des § 98 Abs. 2 Satz 3 SGB XII, vorläufig Leistungen für die R. erbracht. Hiernach hat der nach Absatz 1 zuständiger Träger der Sozialhilfe (des Aufenthaltsortes) für den Fall, dass innerhalb von vier Wochen nicht feststeht, ob und wo der gewöhnliche Aufenthalt nach Satz 1 oder 2 begründet worden oder ein Aufenthaltsort nicht vorhanden oder nicht zu ermitteln ist oder ein Eilfall vorliegt, über die Leistungen unverzüglich zu entscheiden und sie vorläufig zu erbringen.
Demgegenüber greift nicht § 106 Abs. 1 Satz 2 SGB XII. Hiernach sind, wenn in den Fällen des § 98 Abs. 2 Satz 3 und 4 SGB XII ein gewöhnlicher Aufenthalt nicht vorhanden oder nicht zu ermitteln ist und für die Leistungserbringung ein örtlicher Träger der Sozialhilfe sachlich zuständig war, diesem die aufgewendeten Kosten von dem überörtlichen Träger der Sozialhilfe zu erstatten, zu dessen Bereich der örtliche Träger gehört. Der Erstattungsanspruch nach § 106 Abs. 1 Satz 2 SGB XII setzt voraus, dass ein nach § 98 Abs. 2 Satz 1 SGB XII maßgeblicher letzter gewöhnlicher Aufenthalt nicht vorhanden oder nicht zu ermitteln ist. Dieser war aber wie dargestellt zumindest bis zwei Monate vor der Aufnahme der R. in Einrichtungen i.S. von § 98 Abs. 2 Satz 1 SGB XII gegeben. Auf einen ggf. vorrangigen (weil dem in H______ nachfolgenden) gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland mit der Folge, dass dieser einem nicht gewöhnlichen Aufenthalt gleichgesetzt wird, ist dagegen nicht abzustellen. Dabei schließt sich der Senat grundsätzlich der Auffassung an, wonach die Begründung eines gewöhnlichen Aufenthaltes im Ausland einem nicht vorhandenen gewöhnlichen Aufenthalt (im Inland) gleichzustellen ist. Hierfür spricht, dass § 98 SGG eine Zuständigkeitsverteilung an Sozialhilfeträger nur im Inland trifft und vor allem, dass andernfalls auch eine vorläufige Eilzuständigkeit des örtlichen Trägers gemäß § 98 Abs. 2 Satz 3 SGB XII bei einem feststehenden letzten gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland jenseits eines Eilfalls (§ 98 Abs. 2 Satz 3 Alt. 3 SGB XII) nicht eingreifen würde. Ein gewöhnlicher Aufenthalt im Ausland ändert also nichts an der Anwendbarkeit von § 98 Absatz 2 Satz 3 Alt. 2 SGB XII – (so im Erg. auch Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 9. Juni 2016 – L 7 SO 3237/12 – juris Rn. 34 ff. und die Entscheidung der Vorinstanz) Für diesen Fall bleibt es bei der Verpflichtung zur Erstattung durch den überörtlichen Träger gemäß § 106 Abs. 1 Satz 2 SGB XII. Dies wäre hier der Beigeladene.
Dies kann nach wörtlicher und systematischer Auslegung des § 98 Abs. 2 SGB XII aber nur dann gelten, wenn ein (anderer) gewöhnlicher Aufenthalt nicht feststellbar ist, weil z.B. die Zweimonatsfrist nach Aufnahme in eine Einrichtung gemäß
§ 98 Abs. 2 Satz 2 SGB XII abgelaufen ist.
Die Grundsätze der Zuständigkeit für die Sozialhilfe in 98 SGB XII, sind in einem differenzierten Regel-Ausnahmeverhältnis geregelt, das nicht nur für die Leistungserbringung im engeren Sinne gilt, sondern auch die nachträgliche Heranziehung zu Kosten festlegen soll (vgl. BSG Urteil vom 23. August 2013 – B 8 SO 17/12 R –, juris Rn. 19). Abweichend vom allgemeinen Grundsatz des § 98 Abs. 1 Satz 1 SGB XII enthält Absatz 2 besondere Zuständigkeitsregelungen für stationäre Leistungen. Auch § 98 Abs. 2 Satz 1 SGB XII SGB XII beinhaltet ein Regel-Ausnahmeverhältnis. Hiernach ist auf den gewöhnlichen Aufenthalt zum Zeitpunkt der Aufnahme oder – für den Fall, dass ein solcher nicht besteht – auf den letzten innerhalb der letzten zwei Monate bestehenden gewöhnlichen Aufenthalt abzustellen (vgl. Schlette in: Hauck/Noftz, SGB XII, K § 98 SGB XII Rn. 48, zitiert nach juris). Satz 3 des Abs. 2 ist wiederum eine Sonderregelung zu Abs. 2 Satz 1, der eine vorläufige Leistungserbringung regelt, ohne aber Regelungen zur örtlichen Zuständigkeit aufzuheben. Diese schlägt sich vielmehr in der Kostenerstattung nieder, nach der der gemäß § 98 Abs. 2 Satz 1 SGB XII sachlich zuständige Träger der Sozialhilfe kostenerstattungspflichtig wird, es sei denn, es liegt auch im Nachhinein ein Sachverhalt vor, bei dem ein gewöhnlicher Aufenthalt nicht vorhanden oder nicht zu ermitteln ist.
Demnach hat die grundsätzlichere Regelung des § 98 Abs. 2 Satz 1 SGG gegenüber der Ausnahme für nicht vorhandene Aufenthaltsorte in § 98 Abs. 2 Satz 3 SGB XII i. V. m. § 106 Abs. 1 Satz 2 SGB XII Anwendungsvorrang. Die Auslegung unter konsequenter Anwendung des der Vorschrift innewohnenden Regel-Ausnahme-Verhältnisses führt dazu, dass das Herkunftsprinzip und das Ziel einer Entlastung der örtlichen Träger, in deren Bereich sich Einrichtungen befinden, am besten zur Geltung kommen.
Der Anspruch ist auch der Höhe nach gerechtfertigt. Der Erstattungsbetrag für den Zeitraum 1. Februar 2013 bis zum 31. August 2021 ist zur Überzeugung des Senats mit 155.866,65 EUR zu beziffern. Die Übersichten des Klägers, die dieser zur Akte gereicht hat (Blatt 112, 152-162 der Gerichtsakte), belegen den Anspruch der Höhe nach schlüssig.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 197a Abs. 3, 1 SGG i.V.m. §154 Abs.1 VwGO und dem Unterliegen der Beklagten, die auch die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen tragen muss.
Die nach § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 63 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG) erforderliche Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 sowie auf § 52 Abs. 1 und 3 GKG.
Der Senat lässt die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zu, § 160 Abs.1, 2 SGG.