S 13 SF 7/21 AB

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Darmstadt (HES)
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 13 SF 7/21 AB
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze

1. Die Regelungen über die Ablehnung von Richterinnen und Richtern garantieren, dass der Rechtsuchende nicht vor einer Richterin oder einem Richter steht, der/dem es an der gebotenen Neutralität fehlt.

2. Das Ablehnungsgesuch hat sich dann erledigt, wenn die richterliche Tätigkeit im konkreten Verfahren beendet ist. Dies ist insbesondere der Fall, wenn die Richterin oder der Richter aus dem Justizdienst ausgeschieden ist.

3. Ein trotz Erledigung weiterverfolgtes Ablehnungsgesuch ist als unzulässig zu verwerfen. 
 

Das Gesuch auf Ablehnung von Richterin am Sozialgericht Dr. E. in dem Verfahren S 19 AS 844/16 wegen Besorgnis der Befangenheit wird als unzulässig verworfen.

G r ü n d e

I.
Die Kläger und Antragsteller (im Folgenden: Antragsteller) erhoben gegen den Beklagten und Antragsgegner (im Folgenden: Antragsgegner) am 11. August 2016 bei dem Sozialgericht Darmstadt Klage (Az.: S 19 AS 844/16) wegen der Gewährung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). 

Unter anderem erging im Verfahrensverlauf am 22. Februar 2019 ein Ordnungsgeldbeschluss der Vorsitzenden der 19. Kammer, Richterin am Sozialgericht Dr. E., gegen die Antragstellerin zu 2., der in der Beschwerde aufgehoben wurde und am 25. Februar 2019, sowie am 2. Mai 2019 jeweils ein Ordnungsgeldbeschluss gegen die Antragstellerinnen zu 1. und zu 2., die in der Beschwerde gehalten wurden.

Aufgrund mündlicher Verhandlung vom 8. Oktober 2019 erging ein klageabweisendes Urteil, das der Bevollmächtigten der Antragsteller gegen elektronisches Empfangsbekenntnis vom 2. Dezember 2019 zugestellt worden ist. Hiergegen legten die Antragsteller Berufung zum Hessischen Landessozialgericht ein. Mit Beschluss vom 10. November 2020 - L 6 AS 19/20 - verwarf der 6. Senat des Hessischen Landessozialgerichts die Berufung der Antragsteller als unzulässig. Die Berufungssumme sei nicht erreicht gewesen.

Mit Schriftsatz vom 25. November 2020 beantragte die Prozessbevollmächtigte der Antragsteller mündliche Verhandlung. Hierauf teilte die Vorsitzende der 19. Kammer, Richterin am Sozialgericht Dr. E. mit Verfügung vom 26. November 2020 mit, dass die mündliche Verhandlung bereits am 8. Oktober 2019 stattgefunden habe.

Mit Schriftsatz vom 28. Dezember 2020 lehnte die Prozessbevollmächtigte der Antragsteller die Richterin am Sozialgericht Dr. E. als befangen ab. Sie rügt, die Richterin wolle „kurzen Prozess machen“. Da die Berufungssumme nicht erreicht sei, habe eine mündliche Verhandlung stattzufinden und zwar bei einer anderen Richterin.

Die Richterin hat am 29. Dezember 2020 eine dienstliche Äußerung abgegeben mit dem Inhalt, dass sie sich nicht befangen halte. Sie hat ferner den Verfahrensablauf nochmals zusammengefasst dargestellt.

Der Antragsgegner hat sich nicht geäußert.

Mit Wirkung zum 1. März 2021 hat die Richterin am Sozialgericht Dr. E. die hessische Justiz verlassen und ist nun im Geschäftsbereich des bayerischen Wissenschaftsministeriums tätig. Mit Verfügung vom 22. März 2021 hat das Gericht die Prozessbevollmächtigte der Antragsteller hierauf hingewiesen und um Mitteilung gebeten, ob das Ablehnungsgesuch für erledigt erklärt wird. Mit Schriftsatz vom 26. April 2021 hat die Prozessbevollmächtigte die Rechtsmeinung geäußert, der Anspruch auf eine neue Entscheidung durch eine andere Richterin sei nicht erledigt: „Was ist mit den Entscheidungen der Richterin Frau Dr. E., sind diese aufgehoben und von anderen Richter/innen neu entschieden worden?“.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte des Hauptsacheverfahrens.

II.

Das Ablehnungsgesuch der Antragsteller ist bereits unzulässig.

Es fehlt dem Ablehnungsgesuch nunmehr das nötige Rechtsschutzbedürfnis. Mit dem Ausscheiden der abgelehnten Richterin aus der hessischen Justiz hat sich das Ablehnungsgesuch erledigt.

Gem. § 60 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gelten für die Ausschließung und Ablehnung der Gerichtspersonen die §§ 41 bis 46 Absatz 1 und die §§ 47 bis 49 der Zivilprozessordnung (ZPO) entsprechend. § 42 Abs. 1 ZPO bestimmt, dass ein Richter sowohl in den Fällen, in denen er von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, als auch wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden kann.

Die Möglichkeit der Ablehnung von Richterinnen und Richtern wegen des Besorgnisses der Befangenheit dient der Gewährleistung eines fairen Verfahrens und korrespondiert damit mit der Gewährleistung des gesetzlichen Richters im Sinne des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz (GG). Durch diese Regelungen wird garantiert, dass der Rechtsuchende nicht vor einer Richterin oder einem Richter steht, der/dem es an der gebotenen Neutralität fehlt (Buchwald, in: jurisPK-ERV Band 3, 1. Aufl., § 60 SGG (Stand: 16.03.2021), Rn. 9).

Aus diesem Sinn und Zweck der Norm ergibt sich, dass eine Geltendmachung von Ablehnungsgründen prozessual überholt ist, wenn die richterliche Tätigkeit des abgelehnten Richters im konkreten Verfahren beendet ist. Dies ist vorliegend unabhängig davon, dass bereits ein instanzbeendendes, nicht mit der Berufung und erst Recht nicht durch einen nicht statthaften Antrag auf mündliche Verhandlung angreifbares Urteil in dem Verfahren ergangen ist (vgl. BSG v. 5. Juni 2014 – B 10 ÜG 29/13 B), vor allem deshalb der Fall, weil ein weiteres Tätigwerden der abgelehnten Richterin in diesem Verfahren aufgrund ihres Ausscheidens aus der hessischen Justiz nicht mehr in Betracht kommt. 

Soweit die Prozessbevollmächtigte der Antragsteller mit Schriftsatz vom 26. April 2021 fragt, was mit den bereits ergangenen Entscheidungen der abgelehnten Richterin sei, insbesondere, ob diese aufgehoben seien, ist zu beachten, dass die Aufhebung von Entscheidungen nicht Gegenstand der Entscheidung über ein Ablehnungsgesuch sind, sondern von statthaften Rechtsbehelfen oder Rechtsmitteln. Diesbezüglich nimmt die Kammer Bezug auf den Beschluss des Hessischen Landessozialgerichts vom 10. November 2020 – L 6 AS 19/20.

Gegen diese Entscheidung ist die Beschwerde nicht statthaft (§ 172 Abs. 2 SGG).

Rechtskraft
Aus
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