1) Der Anspruch auf die Gewährung eines Mehrbedarfs nach § 21 Abs. 6 SGB II setzt die Glaubhaftmachung eines solchen im konkreten Einzelfall voraus. Ein solcher Anspruch kann nicht pauschal für alle SGB II-Leistungsempfänger mit der Begründung angenommen werden, dass der Gesetzgeber für bestimmte Personengruppen in bestimmten Einrichtungen das Tragen von solchen vorgeschrieben hat (entgegen SG Karlsruhe S 12 AS 213/21 ER und S 12 AS 565/21 ER).
2) Durch das Tragen von OP-Masken verwirklichen die Leistungsempfänger nicht den Tatbestand der §§ 223ff. StGB (entgegen SG Karlsruhe S 12 AS 213/21 ER und S 12 AS 565/21 ER).
3) Die Leistungsempfänger können auf Einsparmöglichkeiten verwiesen werden, die sich aufgrund des pandemiebedingten Wegfalls bestimmter im Regelsatz enthaltener Bedarfe ergeben.
1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
2. Der Antrag auf die Gewährung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
G r ü n d e
I.
Mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung begehrt der Antragsteller die Gewährung eines Mehrbedarfs für den Erwerb von FFP2-Masken nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II).
Der 1961 geborene Antragsteller steht im laufenden Leistungsbezug nach dem SGB II beim Antragsgegner. Er ist alleinstehend und bewohnt eine Mietwohnung, für die monatlich Unterkunftskosten in Höhe von 235,00 € Grundmiete, 94,67 € Nebenkosten sowie 74,50 € Heizkosten anfallen. Er gehört nach eigenem Vorbringen aufgrund des „kaputten Immunsystems“ zur SARS-Cov-2-Hochrisikogruppe und leidet darüber hinaus an chronisch allergischem Schnupfen. Er übt nach eigenen Angaben in Heimarbeit eine selbständige Tätigkeit in freier Texterstellung aus. Die voraussichtlichen Einnahmen für den Zeitraum vom November 2020 bis April 2021 schätze er auf monatlich 50,00 €. Mit Bescheid vom 27. Oktober 2020 bewilligte der Antragsgegner Leistungen für den Zeitraum November 2020 bis April 2021 in Höhe von 836,17 €. Mit Änderungsbescheid vom 21. November 2020 passte er die bewilligten Regelsätze für die Zeit vom Januar 2021 bis April 2021 an und bewilligte ab Januar 2021 Leistungen in Höhe von insgesamt 850,17 €. Mit einem weiteren Änderungsbescheid vom 28. Dezember 2020 bewilligte er Leistungen für den Zeitraum vom Januar 2021 bis April 2021 in Höhe von 857,22 € und berücksichtigte dabei die ab Januar 2021 vorgenommene Mieterhöhung. Ein am 22. Januar 2021 erlassener weiterer Änderungsbescheid wurde auf Widerspruch des Antragstellers vom 22. Februar 2021 wieder aufgehoben.
Am 26. Februar 2021 beantragte der Antragsteller die Gewährung eines Mehrbedarfs für FFP2-Schutzmasken aufgrund der verschärften Maskenpflicht beim Antragsgegner. Er berief sich auf die Entscheidung des Sozialgerichts Karlsruhe zum Aktenzeichen S 12 AS 213/21 ER. Hinsichtlich des Maskeneinzelpreises sei von 1,50 € auszugehen. Insgesamt machte er folgende Kosten geltend:
- Nachzahlung in Höhe von 34,50 € für den Zeitraum vom 23. Januar 2021 bis 31. Januar 2021, da die Sachleistung nachträglich nicht erbringbar sei;
- Nachzahlung in Hohe von 129,00 € für den Zeitraum vom 1. Februar 2021 bis 28. Februar 2021, da die Sachleistung vor Monatsende offenkundig nicht mehr erbringbar sei;
- 86 FFP2-Schutzmasken als Sachleistung oder als Auszahlung in Höhe von 129,00 € für den Zeitraum vom 1. März 2021 bis 31. März 2021;
- 86 FFP2-Schutzmasken als Sachleistung oder als Auszahlung in Höhe von 129,00 € für den Zeitraum vom 1. April 2021 bis 30. April 2021.
Für den absehbaren Fall des Leistungsbezugs über den 30. April 2021 hinaus, beantragte er zugleich die Gewährung von 86 FFP2-Schutzmasken als Sachleistung oder als Auszahlung in Höhe von 129,00 € für den Zeitraum vom 1. Mai 2021 bis 31. Mai 2021 sowie weiteren 60 FFP2-Schutzmasken als Sachleistung oder als Auszahlung in Höhe von 90,00 € für den Zeitraum vom 1. Juni 2021 bis 20. Juni 2021.
Mit Bescheid vom 3. März 2021 lehnte der Beklagte die Gewährung des Mehrbedarfs ab. Der Vortrag werde als Überprüfungsantrag hinsichtlich des Bewilligungsbescheids vom 27. Oktober 2020 in Gestalt der Änderungsbescheide vom 28. Dezember 2020 und vom 22. Januar 2021 gewertet. Die Überprüfung habe ergeben, dass bei Erlass des Verwaltungsaktes weder das Recht unrichtig angewandt noch von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen worden sei. Ein Mehrbedarf für unabweisbare, einmalige besondere Bedarfe in Härtefällen sei nach § 21 Abs. 6 SGB II bei leistungsberechtigten Personen mit einem einmaligen besonderen Bedarf anzuerkennen, wenn dieser Bedarf nicht vermeidbar ist, nicht aus eigenen Mitteln und Kräften finanziert werden kann und ein Darlehen nach § 24 Abs. 1 SGB II ausnahmsweise nicht zumutbar oder wegen der Art des Bedarfs nicht möglich ist. Der Antragsteller habe nichts vorgetragen, was einen unabweisbaren einmaligen besonderen Bedarf an FFP2-Schutzmasken rechtfertigen würde, der nicht bereits durch andere Leistungen gedeckt wird. Der geltend gemachte Bedarf sei nicht anzuerkennen, weil nach § 1 Abs. 1 und § 2 Schutzmaskenverordnung (SchutzmV) alle Bezieher von Arbeitslosengeld II und alle, die mit einer solchen Person in einer Bedarfsgemeinschaft im Sinne des §§ 7 Abs. 3 SGB II leben, bis zum Ablauf des 6. März 2021 einen Anspruch auf einmalig zehn kostenlose FFP2-Schutzmasken hätten, womit der Bedarf gedeckt sei. Sie würden die Masken gegen Vorlage eines Schreibens ihrer Krankenversicherung in einer Apotheke erhalten. Darüber hinaus würden Leistungsberechtigte mit dem Sozialschutzpaket III, die für den Monat Mai 2021 Anspruch auf Arbeitslosengeld II oder Sozialgeld haben und den Bedarf sich nach Regelbedarfsstufe 1 oder 2 richtet, für den Zeitraum vom 1. Januar 2021 bis zum 30. Juni 2021 zum Ausgleich der mit der Covid-19-Pandemie in Zusammenhang stehenden Mehraufwendungen eine Einmalzahlung in Höhe von 150,00 € erhalten.
Der Antragsteller hat am 8. März 2021 einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Sozialgericht Darmstadt und zugleich einen Antrag auf die Gewährung von Prozesskostenhilfe mit der Bitte um Beiordnung eines geeigneten männlichen Rechtsvertreters für Sozialrecht gestellt.
Er ist der Auffassung, dass ihm ein Anspruch auf die Gewährung des geltend gemachten Mehrbedarfs zustehe und macht die Ausführungen des Sozialgerichts Karlsruhe im Beschluss vom 11. Februar 2021 zum Aktenzeichen S 12 AS 213/21 ER zur Sach- und Rechtslage sowie zur Eilbedürftigkeit und zum Rechtsschutzbedürfnis zu eigen.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II unter Berücksichtigung eines laufenden Mehrbedarfs für die Beschaffung von FFP2Schutzmasken für den Zeitraum vom 23. Januar 2021 bis zum 30. April 2021 in Form von Nachzahlungen in Höhe von 34,50 € für den Zeitraum vom 20. Januar 2021 bis zum 31. Januar 2021 und in Höhe von 129,00 € für den Monat Februar 2021 sowie für die Monate März und April 2021 in Form von Sachleistungen in Höhe von jeweils 86 FFP2-Schutzmasken oder als Auszahlung in Höhe von jeweils 129,00 € zu gewähren.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung wiederholt er das Vorbringen aus dem Bescheid vom 3. März 2021.
Hinsichtlich weiterer Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichts- sowie die beigezogene Verwaltungsakte des Antragsgegners ergänzend Bezug genommen, die Gegenstand der Entscheidung gewesen sind.
II.
Der zulässige Antrag auf den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist unbegründet.
Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Insoweit gilt § 920 der Zivilprozessordnung (ZPO) entsprechend. Voraussetzung für den Erlass einer Regelungsanordnung ist damit die Glaubhaftmachung von Tatsachen, die einen Anordnungsgrund und den Anordnungsanspruch begründen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit § 920 Abs. 2 ZPO).
Dabei stehen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund nicht isoliert nebeneinander. Zwischen beiden besteht vielmehr eine Wechselbeziehung derart, als die Anforderungen an den Anordnungsanspruch mit zunehmender Eilbedürftigkeit oder Schwere des drohenden Nachteils zu verringern sind und umgekehrt. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bilden aufgrund ihres funktionalen Zusammenhangs ein bewegliches System. Ist die Klage in der Hauptsache offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ohne Rücksicht auf den Anordnungsgrund grundsätzlich abzulehnen, weil ein schützenwertes Recht nicht vorhanden ist. Ist die Klage in der Hauptsache dagegen offensichtlich begründet, vermindern sich die Anforderungen an den Anordnungsgrund. In der Regel ist dann dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung stattzugeben, auch wenn in diesem Fall nicht gänzlich auf einen Anordnungsgrund verzichtet werden kann. Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens, wenn etwa eine abschließende Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich ist, ist im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden.
Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze war vorliegend der Eilantrag abzulehnen.
1) Dem Erlass einer einstweiligen Anordnung steht vorliegend nicht entgegen, dass der Bewilligungsbescheid vom 27. Oktober 2020 in Gestalt der Änderungsbescheide vom 21. November 2020 und 28. Dezember 2020 – jedenfalls in Bezug auf die Nichtgewährung eines Mehrbedarfs – bestandskräftig geworden sind. Gegenstand des Verfahrens ist der nicht bestandskräftige Bescheid vom 3. März 2021, mit dem der Antragsgegner es abgelehnt hat, den Bescheid vom 27. Oktober 2020 in Gestalt der Änderungsbescheide vom 21. November 2020 und 28. Dezember 2020 auf Antrag des Antragstellers vom 26. Februar 2021 hinsichtlich des nicht gewährten Mehrbedarfs zurückzunehmen und ihm für den geltend gemachten Zeitraum vom 23. Januar 2021 bis zum 31. April 2021 sowie darüber hinaus höhere Leistungen unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs für die Anschaffung von FFP2-Schutzmasken zu gewähren. Eine einstweilige Anordnung ist nicht unzulässig, wenn der Antragsteller einen Anspruch nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) geltend macht (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl. 2020, § 86b Rn. 26d). Hierbei sind jedoch wegen der Bestandskraft des früher erlassenen Bescheides hohe Anforderungen an den Anordnungsgrund zu stellen (vgl. Keller in: a.a.O., § 86b Rn. 29c).
Streitgegenständlich ist demzufolge die Zeitdauer des Bewilligungsabschnitts des Bescheides vom 27. Oktober 2020 in Gestalt der Änderungsbescheide vom 21. November 2020 und 28. Dezember 2020 bis zum 30. April 2021.
2) Für den Zeitraum vom 23. Januar 2021 bis zum Eingang des Eilantrags bei Gericht am 8. März 2021 fehlt es bereits an der Glaubhaftmachung des Anordnungsgrundes.
Wird im Wege des Eilrechtschutzes die Bewilligung von Geldleistungen für Zeiträume in der Vergangenheit begehrt, fehlt es in der Regel am Vorliegen eines Anordnungsgrunds (vgl. Keller in: a.a.O., § 86b Rn. 29a m.w.N.). Ausnahmen kommen nur in Betracht, wenn ein sog. Nachholbedarf festgestellt werden kann. Einen solchen hat der Antragsteller weder vorgetragen, noch war er aus der Verwaltungsakte oder den Gesamtumständen des vorliegenden Falls ersichtlich.
3) Für den Zeitraum vom 8. März 2021 bis zum 30. April 2021 fehlt es an der Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruchs und des Anordnungsgrundes.
Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch auf höhere Leistungen unter Berücksichtigung des Mehrbedarfs für den Erwerb von FFP2-Schutzmasken ist § 19 Abs. 1, Sätze 1 und 3 SGB II i.V.m. §§ 7ff. SGB II i.V.m. § 21 Abs. 6 SGB II. Gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 und 3 SGB II erhalten erwerbsfähige Leistungsberechtigte Arbeitslosengeld II. Die Leistungen umfassen nach Satz 3 den Regelbedarf, die Mehrbedarfe und den Bedarf für Unterkunft und Heizung. Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II erhalten Leistungen Personen, die (1.) das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht haben, (2.) erwerbsfähig im Sinne des § 8 SGB II sind, (3.) hilfebedürftig im Sinne des § 9 SGB II sind und (4.) ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte). Nach § 21 Abs. 6 SGB II in der hier anwendbaren Fassung vom 9. Dezember 2020 wird bei Leistungsberechtigten ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, besonderer Bedarf besteht. Bei einmaligen Bedarfen ist weitere Voraussetzung, dass ein Darlehen nach § 24 Abs. 1 SGB II ausnahmsweise nicht zumutbar oder wegen der Art des Bedarfs nicht möglich ist. Der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht.
Einen solchen im Einzelfall unabweisbaren, besonderen Bedarf hat der Antragsteller vorliegend nicht glaubhaft gemacht.
Die Härtefallregelung des § 21 Abs. 6 SGB II wurde mit Art. 3a des Gesetzes zur Abschaffung des Finanzplanungsrates und zur Übertragung der fortzuführenden Aufgaben auf den Stabilitätsrat sowie zur Änderung weiterer Gesetze vom 27. Mai 2010 zum 3. Juni 2010 eingefügt und geht auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Februar 2010 (Az.: 1 BvL 1, 3 u.a.) zurück. Das Bundesverfassungsgericht hielt es mit Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG für unvereinbar, dass im SGB II eine Regelung fehlte, die einen Anspruch auf Leistungen zur Sicherstellung eines zur Deckung des menschenwürdigen Existenzminimums unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen, besonderen Bedarfs vorsah. Eine solche sei für denjenigen Bedarf erforderlich, der nicht schon von den §§ 20 ff. SGB II abgedeckt werde, weil die Einkommens- und Verbrauchsstatistik, auf der die Regelleistung beruht, allein den Durchschnittsbedarf in üblichen Bedarfssituationen widerspiegele, nicht aber einen darüber hinausgehenden, besonderen Bedarf aufgrund atypischer Bedarfslagen. Die Gesamtheit der Regelungen des SGB II erlaube zwar in der Regel auch die Deckung eines individuellen, besonderen Bedarfs. Sie sei jedoch hierzu nicht ausnahmslos im Stande. Es bedürfe daher eines zusätzlichen Anspruchs auf Leistungen bei unabweisbarem, laufendem, nicht nur einmaligem und besonderem Bedarf zur Deckung des menschenwürdigen Existenzminimums. Dieser entstehe allerdings erst, wenn der Bedarf so erheblich sei, dass die Gesamtsumme der dem Leistungsberechtigten gewährten Leistungen – einschließlich der Leistungen Dritter und unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten des Leistungsberechtigten – das menschenwürdige Existenzminimum nicht mehr gewährleiste. Dies sei angesichts der engen und strikten Tatbestandsvoraussetzungen nur in seltenen Fällen gegeben.
Demzufolge muss ein besonderer Bedarf vorliegen, das heißt ein Bedarf, der nicht schon vom Regelbedarf abgedeckt wird, sondern aufgrund atypischer Bedarfslagen über den Durchschnittsbedarf hinausgeht oder aufgrund ihrer Atypik vom Regelbedarf nicht erfasst wird (BVerfG 9.2.2010 – 1 BvL 1, 3, u.a.). Unabweisbar ist der Bedarf, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht (vgl. z.B. Behrend in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 5. Aufl., § 21 (Stand: 08.02.2021), Rn. 92; Knickrehm/Hahn in: Eicher/Luik, SGB II, 4. Aufl. 2017, SGB II § 21 Rn. 70).
Ein solcher besonderer, unabweisbarer Bedarf des Antragstellers ergibt sich nicht bereits aus der im Bundesland Hessen geltenden Verpflichtung zum Tragen von FFP2Schutzmasken, weil der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht hat, von einer solchen Verpflichtung persönlich betroffen zu sein.
Gemäß §§ 1a Abs. 3, 1b Abs. 4 der Zweiten Verordnung zur Bekämpfung des CoronaVirus (Corona-Einrichtungsschutzverordnung) vom 26. November 2020 in der Fassung vom 23. Januar 2021 in Kraft tretenden Änderungen durch Art. 2 der fünfundzwanzigsten Verordnung zur Anpassung der Verordnungen zur Bekämpfung des Corona-Virus vom 20. Januar 2021 sind nur die in Einrichtungen nach § 36 Abs. 1 Nr. 2 des Infektionsschutzgesetzes zur Betreuung und Unterbringung älterer und pflegebedürftiger Menschen tätigen Personen sowie die Besucherinnen und Besucher verpflichtet, zu jeder Zeit eine von der Einrichtung gestellte FFP2-, KN95- oder N95-Maske ohne Ausatemventil zu tragen. Dabei handelt es sich um voll- oder teilstationäre Einrichtungen zur Betreuung und Unterbringung älterer, behinderter oder pflegebedürftiger Menschen oder vergleichbare Einrichtungen. Der Antragsteller hat nicht vorgetragen, zu diesem, von der Verpflichtung zum Tragen von FFP2-Masken betroffenem Personenkreis zu gehören. Eine darüberhinausgehende Pflicht zum Tragen von FFP2-Schutzmasken besteht nicht. In allen anderen Bereichen des Lebens genügt der Antragsteller seiner Verpflichtung aus der vorstehend genannten Verordnung durch das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung bzw. einer sogenannter OP-Maske.
Soweit sich der Antragsteller auf die Ausführungen des Sozialgerichts Karlsruhe im Beschluss vom 11. Februar 2021 zum Aktenzeichen S 12 AS 213/21 ER beruft, folgt die erkennende Kammer der dort vertretenen Auffassung hinsichtlich eines solchen Anspruchs auf die Gewährung eines Mehrbedarfs für den Erwerb von FFP2-Schutmasken nicht.
Soweit das Sozialgericht Karlsruhe im uneingeschränkten Verweis der Leistungsbezieher auf OP-Masken eine Verletzung „im verfassungskräftigen Gleichheitsgrundrecht auf gleiche Teilhabe aus Art. 3 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 und 3 GG“ sieht, weil sie dann Krankenhäuser und stationäre Pflegeeinrichtungen im Gegensatz zu wirtschaftlich besser gestellten Bevölkerungskreisen nicht mehr aufsuchen könnten, sei darauf hingewiesen, dass dies allenfalls nur dann gelten würde, wenn im konkreten Einzelfall ein derartiger Bedarf durch das Aufsuchen bestimmter Einrichtungen, für die das Tragen von FFP2Masken zwingend vorgesehen ist, geltend gemacht wird. Vorliegend hat der Antragsteller keinen konkreten Bedarf für das Aufsuchen von Einrichtungen, für die im Bundesland Hessen das Tragen von FFP2-Masken verpflichtend ist, vorgetragen. Ein solcher ist auch überhaupt nicht erkennbar. Nach Auffassung der Kammer verkennt das Sozialgericht Karlsruhe in seiner Entscheidung zum vorstehend genannten Aktenzeichen, dass der Mehrbedarf im Sinne des § 21 Abs. 6 SGB II stets die Einzelfallprüfung voraussetzt. Allein die Verpflichtung bestimmter Personengruppen zum Tragen von FFP2-Masken in bestimmten Einrichtungen, begründet keinen allgemeinen, pauschalierten Mehrbedarf für Personen, die von dieser Verpflichtung überhaupt nicht betroffen sind.
Ebenso wenig folgt die erkennende Kammer der Auffassung des Sozialgerichts Karlsruhe im vorstehend benannten Beschluss, dass lediglich die FFP2-Schutzmasken oder Masken vergleichbaren Standards geeignet seien, einen effektiven Schutz gegen eine Ansteckung von sich selbst und Dritten mit SARS-Cov-2 zu gewährleisten und die anderweitig lautenden Verordnungen gegen höherrangiges Recht verstießen, weil die Arbeitsuchenden durch das Tragen von OP-Masken zur Verwirklichung des objektiven Tatbestands der gefährlichen Körperverletzung im Wege der Gesundheitsschädigung durch eine Ansteckung in subjektiv bedingt vorsätzlicher Weise ansetzten, „sobald sie beim Straßenbahnfahren oder Einkaufen (etc.) trotz Bewusstsein um einen möglichen präsymptomatischen oder asymptomatischen eigenen Infektionsverlauf nur eine OPMaske tragen, ohne diese Örtlichkeit (Supermarkt, Treppenhaus, Wartezimmer, Leichenhalle, etc.) stets sofort binnen kürzester Zeit wieder zu verlassen, dort fortwährend mindestens 1,5 m Abstand zu Mitmenschen einzuhalten, unentwegt zu lüften und hierdurch respiratorische Ansteckungen von sich und den Mitmenschen mit SARS-Cov-2 auch ohne das Tragen einer neuen FFP2-Maske zuverlässig zu vermeiden.“ (vgl. SG Karlsruhe, Beschl. vom 11. Februar 2021 – S 12 AS 213/21 ER –, Rn. 60). Dass ein Leistungsempfänger, der in Übereinstimmung mit dem Beschluss der Bundeskanzlerin und der Ministerpräsidentinnen und –präsidenten der Länder sowie den Vorgaben der auf dieser Grundlage erlassenen Verordnungen, die den aktuellen Erkenntnisstand der Wissenschaft im Hinblick auf die Schutzwirkung verschiedener Schutzmasken mitberücksichtigen, durch das Tragen einer OP-Maske den objektiven und subjektiven Tatbestand einer gefährlichen Körperverletzung erfüllt, hält die Kammer für absolut abwegig (vgl. auch SG Karlsruhe, Beschl. vom 1. März 2021 – S 4 AS 470/21 ER –, Rn. 50). Die Kammer schließt sich hierzu den Ausführungen des Sozialgerichts Karlsruhe im Beschluss vom 1. März 2021 zum Aktenzeichen S 4 AS 470/21 ER an. Dort heißt es: „Schon der objektive Tatbestand einer Schädigung an der Gesundheit im Sinne des § 223 Abs. 1 StGB und erst recht das Qualifikationsmerkmal einer das Leben gefährdenden Behandlung im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB kann allein durch das Tragen einer OPMaske, die ja gerade eine Fremdgefährdung Dritter verhindern soll, nicht erfüllt werden. Der strafrechtlich relevante Bereich wird ersichtlich nicht erreicht, wenn lediglich auf 10 bestimmte (alternative) Schutzmaßnahmen zugunsten anderer Maßnahmen verzichtet wird, selbst wenn diese Schutzmaßnahmen von einem Teil der wissenschaftlichen Forschung als effektiver und deshalb wünschenswerter angesehen werden. Dies muss jedenfalls dann gelten, wenn die Anwendung dieser Schutzmaßnahmen – mit guten Gründen – in den einschlägigen normativen Grundlagen als verpflichtende Verhaltensregel keine Aufnahme gefunden hat.“
Nichts Anderes folgt aus den vorgetragenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Antragstellers. Selbst unter Annahme, dass er infolge derer zur Risikogruppe gehört, begründet dies allein keinen besonderen Bedarf. Der Antragsteller hat nicht vorgetragen, aus welchem Grund er 20 FFP2-Masken pro Woche benötigt, dass die bereits gewährten zehn FFP2-Masken aufgebraucht sind bzw. ihre Wiederverwendung unzumutbar wäre (vgl. hierzu die Hinweise des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte unter https://www.bfarm.de/SharedDocs/Risikoinformationen/Medizinprodukte/DE/schutzmasken.html#Medizinische_Gesichtsmasken) und dass aktuell ein weiterer, akuter Bedarf besteht. Der Antragsteller ist alleinstehend und bewohnt seine Wohnung allein. Ein Schutz vor etwaiger in der Bedarfsgemeinschaft lebender Personen ist nicht erforderlich. Die selbständige Tätigkeit übt der Antragsteller nach eigenen Angaben von Zuhause aus, sodass auch diese nicht den geltend gemachten Bedarf zu begründen vermag. Die Vorerkrankungen des Antragstellers sowie fehlende Beschäftigung außerhalb der
Wohnung lassen die Annahme fernliegend erscheinen, er würde nahezu drei FFP2Masken arbeitstäglich benötigen.
Nach alledem liegt bereits kein besonderer Bedarf im Sinne des § 21 Abs. 6 SGB II vor.
Im Übrigen sei darauf hingewiesen, dass ein über die nach der Ersten Verordnung zur Änderung der Coronavirus-Schutzmasken-Verordnung vom 4. Februar 2021 in der Zeit vom 16. Februar 2021 bis 6. März 2021 gewährten zehn FFP2-Masken pro Person bestehender Bedarf auch deshalb nicht unabweisbar wäre, weil er durch Einsparmöglichkeiten in anderen Bereichen gedeckt werden kann. Diese Einsparmöglichkeiten ergeben sich durch den pandemiebedingten Wegfall bestimmter im Regelsatz enthaltener Bedarfe wie beispielsweise ab 1. Januar 2021 – je nach Alter – ungefähr 40,00 € für Freizeit, Unterhaltung und Kultur, der aufgrund des schon längere Zeit andauernden, pandemiebedingten Verbots sämtlicher kultureller Veranstaltungen nicht vollständig für den vorgesehenen Zweck verwendet werden kann und somit im Wege der Umschichtung für den Kauf von Masken zur Verfügung steht (so auch SG Lüneburg, Beschl. vom 10. Februar 2021 – S 23 AS 13/21 ER –; SG Mannheim, Beschl. vom 25. Februar 2021 – S 7 AS 301/21 ER –, Rn. 5; SG Mannheim, Beschluss vom 01. März 2021 – S 5 AS 456/21 ER –, Rn. 13; SG Oldenburg (Oldenburg), Beschl. vom 08. März 2021 – S 37 AS 48/21 ER –, Rn. 25; Sozialgericht für das Saarland, Beschluss vom 09. März 2021 – S 26 AS 23/21 ER –, Rn. 23; Sozialgericht für das Saarland, Beschluss vom 09. März 2021 – S 26 AS 26/21 ER –, Rn. 23; SG Frankfurt am Main, Beschl. vom
09. März 2021 – S 9 AS 157/21 ER –).
Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass es jedenfalls an der für den Erlass einer Regelungsanordnung vorausgesetzte Eilbedürftigkeit fehlt. Diese liegt regelmäßig nicht vor, wenn die begehrte Leistung betragsmäßig so niedrig ist, dass dem Antragsteller ein Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache zuzumuten ist, ohne dass eine vorläufige Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig wäre. Der Mehrbedarf würde - selbst bei dessen Annahme – allenfalls im geringen Eurobetrag liegen, der 30,00 € nicht übersteigt. Dem liegt der Umstand zugrunde, dass die Preise für den Erwerb von FFP2-Schutzmasken weiterhin sinken und diese bereits für weniger als 1,00 € pro Stück erhältlich sind. Auch die 12. Kammer des Sozialgerichts Karlsruhe, auf deren Entscheidung sich der Antragsteller beruft, geht im neueren Beschluss vom 11. März 2021 zum Aktenzeichen S 12 AS 565/21 ER von einem Preis von 1,00 € pro FFP2-Schutzmaske aus. Dies gilt umso mehr, als der Gesetzgeber den zusätzlichen durch die Corona-Pandemie verursachten Erschwernissen bereits durch das Sozialschutz-Paket III (Einmalzahlung in Höhe von 150,00 € im Monat Mai 2021) Rechnung getragen hat und Anspruchsberechtigte nach dem SGB II nach der Ersten Verordnung zur Änderung der CoronavirusSchutzmasken-Verordnung vom 4. Februar 2021 in der Zeit vom 16. Februar 2021 bis 6. März 2021 je zehn FFP2-Masken pro Person kostenlos erhalten können.
4) Die Bewilligung von Leistungen für Zeiträume ab dem 1. Mai 2021 ist nicht Gegenstand des Verfahrens bzw. kann nicht im Wege des anhängigen Verfahrens des einstweiligen Rechtschutzes zulässigerweise verlangt werden. Hierzu ist zunächst die Entscheidung des Antragsgegners auf einen Weiterbewilligungsantrag abzuwarten und ggf. entsprechend dagegen vorzugehen.
Nach alledem war der Antrag abzulehnen.
Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Verfahrens.
III.
Mangels Erfolgsaussichten in der Sache war auch der Antrag auf die Gewährung von Prozesskostenhilfe abzulehnen.
Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe setzt gemäß § 73a SGG, § 114 ZPO voraus, dass der Antragsteller nach den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, das Begehren hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Diese Voraussetzungen liegen nicht vor, weil keine hinreichenden Erfolgsaussichten gegeben sind. Hinreichende Erfolgsaussichten sind dann zu bejahen, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Antragstellers auf Grund der Sachverhaltsschilderung, der vorliegenden Unterlagen und der berücksichtigungsfähigen Ermittlungsergebnisse für zutreffend oder zumindest für vertretbar und in tatsächlicher Hinsicht ein dem Antragsteller günstiges Ergebnis der notwendigen Ermittlungen für nicht gänzlich unwahrscheinlich hält (vgl. für viele Schmidt, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG – Kommentar, 13. Aufl. 2020, § 73a Rn. 7a m.w.N.), wenn also für ihn die nicht fernliegende Möglichkeit besteht, sein Rechtsschutzziel unter Zuhilfenahme aller verfahrensrechtlich vorgesehenen Rechtsbehelfe durchzusetzen.
Ausgehend von diesen Grundsätzen und unter Bezugnahme auf die vorstehenden Ausführungen der Kammer in der Sache kann vorliegend dem Antragsteller Prozesskostenhilfe mangels Erfolgsaussichten nicht gewährt werden.
Dieser Beschluss ist sowohl in der Sache als auch hinsichtlich der Ablehnung des Antrags auf die Gewährung von Prozesskostenhilfe unanfechtbar (§ 172 Abs. 2 SGG).