L 10 R 3155/18

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10.
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 14 R 379/17
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 3155/18
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 15.08.2018 abgeändert und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 24.06.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.01.2017 verurteilt, ihr ab dem 01.05.2017 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung in gesetzlicher Höhe auf Dauer zu gewähren.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen zu 9/10 zu erstatten.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten steht die Gewährung einer Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung im Streit.

Die 1960 geborene Klägerin absolvierte keine Ausbildung und war zuletzt seit 16.07.2001 bei der Firma J GmbH in W als  Produktionsmitarbeiterin sozialversicherungspflichtig beschäftigt (s. Reha-VA, unblattiert). Am 13.08.2014 erlitt sie einen Schlaganfall und ist seitdem arbeitsunfähig bzw. arbeitslos (Bl. 54 ff. SG-Akte). Laut Versicherungsverlauf vom 13.03.2019 (Bl. 55 ff. LSG-Akte), auf den der Senat ausdrücklich Bezug nimmt, hat sie jedenfalls von Juli 2001 bis August 2017 durchgehend Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung erbracht. Die Klägerin ist Rechtshänderin (Bl. 174 SG-Akte) und hat keinen Führerschein (siehe u.a. Bl. 130 SG-Akte, Bl. 76 VA-ÄT).

Im Rahmen einer stationären medizinischen Rehabilitationsmaßnahme in den S Kliniken in B vom 08.09.2014 bis 06.10.2014 wurde u.a. eine leichtgradige Hemiparese rechts, eine Hypaesthesie rechts, Wortfindungsstörungen nach einem Mediateilinfarkt links bei Carotis T-Verschluss am 13.08.2014 sowie eine arterielle Hypertonie diagnostiziert und die Klägerin künftig sechs Stunden und mehr leistungsfähig für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ohne hohe Anforderungen an Konzentrations- und Reaktionsvermögen oder Sprech- und Sprachvermögen, ohne Publikumsverkehr, ohne häufiges Telefonieren oder Schreiben, ohne hohe Anforderungen an Kraft und Feinmotorik der rechten Hand, ohne hohe Unfallgefahr, ohne Steigen auf ungesicherten Leitern und Gerüsten sowie ohne häufig wechselnde Arbeitszeiten angesehen. Eine Tätigkeit als Maschinenführerin wurde als nicht mehr leidensgerecht bewertet (Bl. 1 ff. VA-ÄT).

Am 11.04.2016 stellte die Klägerin einen Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung, in dem sie u.a. angab, an Harninkontinenz, Lese- und Schreibunfähigkeit sowie Lähmungen der Hand und des Fußes zu leiden (Bl. 23 VA-ÄT). Nach Beiziehung medizinischer Unterlagen (Arztbrief des S1, Bl. 29 VA-ÄT, Entlassungsbericht D-Krankenhaus S2, Bl. 31 ff. VA-ÄT, Arztbrief des B1, Bl. 41 VA-ÄT, Arztbrief H, Bl. 43 ff. VA-ÄT, Arztbriefe des T, Bl. 47 ff. VA-ÄT) wurde die Klägerin im Juni 2016 im Auftrag der Beklagten durch die B2 begutachtet. Diese diagnostizierte eine Restsymptomatik mit geringer Sensibilitätsminderung rechts bei stattgehabtem Schlaganfall ohne relevantes motorisches oder kognitives Defizit, eine ungenügend behandelte arterielle Hypertonie sowie eine Dranginkontinenz bei neurogener Blasenentleerungsstörung und rezidivierende Harnwegsinfektionen (Bl. 81 VA-ÄT). B2 hielt die Klägerin für eine Tätigkeit als Maschinenbedienerin nicht mehr leistungsfähig, sehr wohl jedoch für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen (Bl. 85 VA-ÄT). Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 24.06.2016 (Bl. 1 ff. Rechtsmittel-VA) und - nach Einholung einer Auskunft des Betriebsarztes der Arbeitgeberin der Klägerin, S3 (Bl. 97 ff. VA-ÄT), und einer sozialmedizinischen Stellungnahme des S4 (Bl. 101 f. VA ÄT) - Widerspruchsbescheid vom 20.01.2017 (Bl. 17 ff. Rechtsmittel-VA) den Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung mangels Vorliegen der medizinischen Voraussetzungen ab.

Hiergegen hat die Klägerin am 07.02.2017 Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben.

Im April 2017 ist es bei der Klägerin zu einer Aphasie und Verschlechterung der vorbestehenden Hemiparese gekommen, weshalb sie sich vom 04.04.2017 bis 21.04.2017 in stationärer Behandlung in der N Klinik des Klinikums L befunden hat (Bl. 24 ff. SG-Akte). Als Grund für diese Gesundheitsverschlechterung ist dort ein epileptischer Anfall bei struktureller Epilepsie - differenzialdiagnostisch ein linkszerebraler Infarkt ohne bildmorphologisches Korrelat - angenommen worden (Bl. 25 SG-Akte). Vom 21.04.2017 bis 01.06.2017 hat sich die Klägerin erneut in stationärer medizinischer Rehabilitation in den S Kliniken B befunden (Bl. 83 ff. SG-Akte), aus der sie bis auf Weiteres arbeitsunfähig und innerhalb der nächsten 12 Monate voraussichtlich nicht in das Berufs- und Erwerbsleben wiedereingliederbar entlassen worden ist.

Das SG hat die behandelnden Ärzte der Klägerin als sachverständige Zeugen befragt. Die Fachärztin für C hat eine neurologische Blasenentleerungsstörung und einen Z.n. Apoplex mit Hemiparese 2014 mit sensomotorischer allgemeiner körperlicher kognitiver Einschränkung diagnostiziert und sie für dauerhaft arbeitsunfähig angesehen (Bl. 15 SG-Akte). Die behandelnden B3 haben unter Vorlage zahlreicher weiterer medizinischer Unterlagen mitgeteilt (Bl. 22 ff. SG-Akte), die Klägerin sei auf Grund der armbetonten Hemiparese rechts, der deutlichen Spastik der oberen Extremität rechts mit starken Schmerzen und der ausgeprägten Gangstörung weder sechs Stunden arbeitstäglich leistungsfähig, noch in der Lage, einen Fußweg von 500 m in jeweils 20 Minuten als Arbeitsweg zurückzulegen.

Nach Vorlage einer sozialmedizinischen Stellungnahme des L1 durch die Beklagte (Bl. 109 SG-Akte) hat das SG ein nervenärztliches Gutachten bei dem M eingeholt (Bl. 116 ff. SG-Akte, Untersuchungstag: 14.12.2017). Dieser hat einen Zustand nach Mediateilinfarkt links bei Carotis-T-Verschluss unbekannter Ursache mit anschließender mechanischer Thrombektomie und verbliebener leichter Hemiparese rechts sowie eine Epilepsie mit rezidivierenden komplex-fokalen Anfällen diagnostiziert (Bl. 137 SG-Akte). Unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen sei die Klägerin für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sechs Stunden und mehr leistungsfähig (Bl. 144 SG-Akte).

Auf Antrag der Klägerin nach § 109 SGG hat das SG sodann ein Sachverständigengutachten bei dem L2 eingeholt. Dieser hat in seinem Gutachten (Bl. 162 ff. SG-Akte, Untersuchungstag: 19.04.2018) eine Schlaganfallerkrankung (Mediainfarkt linkshirnig) verbunden mit einer spastischen Halbseitenstörung rechts, einem zentralen Schmerz (passend zu einer zentralen Schmerzstörung bei einer stammgangliennahen Herdstörung) rechts, eine Aphasie und eine symptomatische Epilepsie sowie Blasenstörungen diagnostiziert (Bl. 185 SG-Akte) und die Auffassung vertreten, bei der Klägerin bestehe keine Leistungsfähigkeit mehr (Bl. 190 SG-Akte). Grundsätzlich sei sie in der Lage, viermal täglich einen Fußweg von 500 m zurückzulegen, hierzu werde sie aber deutlich mehr als 20 Minuten benötigen. Auch könne sie wegen des Anfallsleidens öffentliche Verkehrsmittel nur in Begleitung benutzen und keinen Pkw steuern (Bl. 190 SG-Akte). L2 hat keine Hinweise auf Simulation oder Aggravation von Beschwerden im Zuge der Untersuchungen gesehen (Bl. 189 SG-Akte).

Nach Vorlage einer weiteren sozialmedizinischen Stellungnahme (Bl. 194 ff. SG-Akte) hat das SG die Klage gestützt auf das Sachverständigengutachten des M und des im Auftrag der Beklagten erstellten Gutachten der B2 mit Urteil vom 15.08.2018 abgewiesen.

Gegen das ihr am 17.08.2018 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 03.09.2018 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt, zur Begründung u.a. auf die von dem Sachverständigen L2 beschriebene quantitative Leistungseinschränkung und Aufhebung der Wegefähigkeit verwiesen und weitere medizinische Unterlagen vorgelegt (u.a. Arztbriefe des F vom 27.04.2018 und 27.09.2018, Bl. 17 ff. LSG-Akte, Bericht der H1 vom 08.02.2018, Bl. 21 f. LSG-Akte, Arztbrief des M1 vom 30.01.2018, Bl. 23 f. LSG-Akte, Bericht über neuropsychologische Untersuchung des W1 vom 07.12.2016, Bl. 29 ff. LSG-Akte, Arztbriefe des T vom 17.11.2015, 08.07.2016, 24.11.2016, Bl. 33 ff. LSG-Akte).

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 15.08.2018 sowie den Bescheid vom 24.06.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.01.2017 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr eine Rente wegen voller bzw. teilweise Erwerbsminderung - zumindest auf Zeit - zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Sie beruft sich auf die vorgelegten sozialmedizinischen Stellungnahmen.

Der Senat hat Beweis erhoben durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens von Amts wegen bei dem Facharzt für H2 (Untersuchungstag: 18.04.2019). Dieser hat einen Mediateilinfarkt nach Carotis T-Verschluss mit mechanischer Thrombektomie am 13.08.2014 mit leicht ausgeprägter Halbseitensymptomatik rechts und leichter nicht flüssiger Aphasie, eine symptomatische Epilepsie mit komplex-fokalen Anfällen, aktuell unter antiepileptischer Therapie anfallsfrei und eine somatoforme Störung mit Schmerzsyndrom des rechten Armes mit resultierender Hyperpathie, Bewegungseinschränkung unklarer Genese (funktionelle Störung) und eine subjektive kognitive Leistungsminderung unklarer Ursache diagnostiziert (Bl. 100 LSG-Akte), wobei er sich bei der genauen diagnostischen Einordnung des Schmerzsyndroms unsicher gewesen ist (Bl. 105 LSG-Akte). Insgesamt ist er zu dem Ergebnis gelangt, dass die quantitative Leistungsfähigkeit der Klägerin auf unter drei Stunden arbeitstäglich eingeschränkt sei (Bl. 109 f. LSG-Akte) und sie zwar viermal täglich Wegstrecken von 500 m zurücklegen könne, jedoch vermutlich in jeweils mehr als 20 Minuten (Bl. 114 LSG-Akte).

Der Senat hat außerdem eine sachverständige Zeugenauskunft der die Klägerin behandelnden M2 eingeholt (Bl. 129 ff. LSG-Akte). Diese hat mitgeteilt, bei der Klägerin bestehe in Folge zweier Hirninfarkte in den Jahren 2014 und 2017 eine spastische Hemiparese rechts mit einer spastisch hochgradigen Gangstörung und Wortfindungsstörungen in wechselnder Ausprägung. Die Klägerin könne daher keine leichten Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mehr ausüben und sei auch weder in der Lage, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen, noch eine Wegstrecke von 500 m in 20 Minuten zurückzulegen (Bl. 130 f. LSG-Akte). Daraufhin hat die Beklagte eine sozialmedizinische Stellungnahme der H3 vorgelegt (Bl. 145 f. LSG-Akte).

Der Senat hat von Amts wegen ein nervenärztliches Gutachten bei der O (Bl. 155 ff. LSG-Akte, Untersuchungstag: 19.01.2021) samt neuropsychologischem Zusatzgutachten der B3 (Bl. 177 ff. LSG-Akte, Untersuchungstag: 19.01.2021) eingeholt. O hat insgesamt - unter Auswertung des neuropsychologischen Zusatzgutachtens - auf neurologischem Fachgebiet ausgeprägte kognitive Defizite im Sinne von Einschränkungen der Aufmerksamkeit und Verarbeitungsgeschwindigkeit, der Lern- und Merkfähigkeit, der sprachlichen Auffassungsgabe und Intelligenzleistung als Folge eines Mediateilinfarktes links 2014 und einer deutlichen akuten Verschlechterung 2017 im Rahmen eines epileptischen Geschehens einer nicht sicher auszuschließenden erneuten Ischämie, Wortfindungsstörungen, eine neurogene Blasenentleerungsstörung mit häufiger Miktionsfrequenz und immer wieder auftretender nächtlicher Inkontinenz, ein Schmerzsyndrom in Bereich des rechten Armes sowie rezidivierende komplex-fokale epileptische Anfälle 2017, die seit Beginn einer entsprechenden hochdosierten antiepileptischen Therapie jedoch nicht mehr beobachtet worden seien, beschrieben (Bl. 172 LSG-Akte). Seelisch bedingte Störungen hat sie nicht objektivieren können (Bl. 173 LSG-Akte). Insbesondere auf Grund der kognitiven Einschränkungen, jedoch auch auf Grund der Schmerzproblematik im Bereich des rechten Armes sei der Klägerin eine regelmäßige Tätigkeit von wirtschaftlichem Wert nicht mehr möglich. Selbst leichte Tätigkeiten ohne Anforderungen an manuelles Arbeiten, überwiegend im Sitzen, ohne Einflüsse von Zugluft, Nässe oder Kälte, ohne Akkord oder besonderen Zeitdruck, seien ihr nur noch unter drei Stunden zuzumuten (Bl. 173 LSG-Akte). Außerdem bestehe eine relevante Einschränkung der Gehfähigkeit, da die Klägerin nur sehr langsam, breitbasig und unsicher gehe, für längere Strecken aus Sicherheitsgründen einen Rollator nutze und insofern eine deutlich längere Zeit für Arbeitswege benötige. Mit Rollator sei eine viermalige tägliche Bewältigung von 500 m in bis zu 20 Minuten nicht ganz auszuschließen, das Nutzen von öffentlichen Verkehrsmitteln während der Hauptverkehrszeit sei angesichts der vorhandenen Gangunsicherheit trotz Hilfsmitteln nicht zuzumuten. Auch sei ihr das Führen eines Kraftfahrzeugs - unabhängig von der Tatsache, dass sie keinen Führerschein besitze - auf Grund ihrer kognitiven Defizite nicht möglich (Bl. 174 LSG-Akte). Diese Leistungseinschränkung bestehe spätestens nach der deutlichen Symptomzunahme 2017 im Rahmen damals beschriebener komplex-fokaler Anfälle, eine nachhaltige Besserung sei auszuschließen (Bl. 174 LSG-Akte).

Die Beklagte hat daraufhin sozialmedizinische Stellungnahmen des Facharztes für Neurologie und N1 von März 2021 (Bl. 203 LSG-Akte) sowie der H3 von Juni 2021 (Bl. 204 f. LSG-Akte) vorgelegt und daran festgehalten, dass eine quantitative Leistungsminderung bei der Klägerin nicht vorliege.

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte und gemäß den §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung der Klägerin, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs. 2 SGG entscheidet, ist zulässig und überwiegend begründet. Die Klägerin hat Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 01.05.2017. Für die Zeit ab Antragstellung im April 2016 bis 30.04.2017 besteht indes kein Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung.

Das SG hat die Klage zu Unrecht abgewiesen, denn der Bescheid der Beklagten vom 24.06.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.01.2017 ist insoweit rechtswidrig, als der Klägerin ab dem 01.05.2017 keine Rente wegen voller Erwerbsminderung gewährt wurde. Denn die Klägerin ist im Sinne der maßgeblichen gesetzlichen Regelungen ab dem 04.04.2017 voll erwerbsgemindert, weshalb ihr ab 01.05.2017 Rente wegen voller Erwerbsminderung zusteht.

Rechtsgrundlage für die hier begehrte Rente wegen Erwerbsminderung ist § 43 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI). Danach haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser (Abs. 1 Satz 1 der Regelung) bzw. voller (Abs. 2 Satz 1 der Regelung) Erwerbsminderung, wenn sie - u.a. - teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind. Nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI sind teilweise erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI sind voll erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 43 Abs. 3 SGB VI ist nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Voraussetzung für diesen Rentenanspruch ist nach § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bzw. Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI auch, dass der Versicherte in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit hat und nach § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 bzw. Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB VI vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Die allgemeine Wartezeit für Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit beträgt fünf Jahre, § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI. Zu Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zählen nach § 55 Abs. 2 SGB VI auch freiwillige Beiträge, die als Pflichtbeiträge gelten (Nr. 1), oder (Nr. 2) Pflichtbeiträge, für die aus den in § 3 oder § 4 genannten Gründen Beiträge gezahlt worden sind oder als gezahlt gelten (dies betrifft insbesondere auch Pflichtbeiträge für Lohnersatzleistungen, vgl. § 3 Satz 1 Nr. 3 und Nr. 3a SGB VI) oder Beiträge für Anrechnungszeiten, die ein Leistungsträger mitgetragen hat (Nr. 3). Dabei zählt ein nur zum Teil belegter Monat als voller Monat (§ 122 Abs. 1 SGB VI). Der Fünf-Jahres-Zeitraum endet gemäß § 26 Abs. 1 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) i.V.m. § 187 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) am Tag vor Eintritt der Erwerbsminderung, so dass vom Eintritt der Erwerbminderung zurückzurechnen ist.

Der Zeitraum von fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung, in dem drei Jahre Pflichtbeitragszeiten enthalten sein müssen, verlängert sich u.a. um Anrechnungszeiten und Zeiten des Bezugs einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit sowie Berücksichtigungszeiten, die nicht mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit belegt sind (§ 43 Abs. 4 SGB VI).

Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit vor Eintritt der Erwerbsminderung oder Berufsunfähigkeit sind für Versicherte nicht erforderlich, die vor dem 01.01.1984 die allgemeine Wartezeit (§ 50 i.V.m. § 51 Abs. 1 SGB VI: fünf Jahre Beitragszeiten) erfüllt haben, wenn jeder Kalendermonat vom 01.01.1984 bis zum Kalendermonat vor Eintritt der Erwerbsminderung oder Berufsunfähigkeit u.a. mit Beitragszeiten, beitragsfreien Zeiten, Berücksichtigungszeiten oder Zeiten des Bezugs einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit (Anwartschaftserhaltungszeiten) belegt ist oder wenn die Erwerbsminderung oder Berufsunfähigkeit vor dem 01.01.1984 eingetreten ist, wobei für Kalendermonate, für die eine Beitragszahlung noch zulässig ist, eine Belegung mit Anwartschaftserhaltungszeiten nicht erforderlich ist (§ 241 Abs. 2 SGB VI).

Nach Überzeugung des Senats ist die Klägerin seit dem Auftreten der komplex fokalen epileptischen Anfälle am 04.04.2017 voll erwerbsgemindert. Der Senat schließt sich den Leistungseinschätzungen der gerichtlichen Sachverständigen L2, H2 und O an, die alle die quantitative Leistungsfähigkeit der Klägerin auf arbeitstäglich weniger als drei Stunden eingeschätzt haben. Soweit die seitens der Sachverständigen gestellten Diagnosen nicht gänzlich übereinstimmen so ist dies unschädlich, denn im Rahmen der Prüfung von Erwerbsminderung kommt es nicht auf eine bestimmte Diagnosestellung, die Art oder Anzahl von Diagnosen oder auf die Bezeichnung von Befunden an, sondern auf die Beeinflussung des individuellen quantitativen sowie qualitativen Leistungsvermögens durch dauerhafte Gesundheitsstörungen (Bundessozialgericht - BSG -, Beschluss vom 28.02.2017, B 13 R 37/16 BH, zitiert - wie alle nachfolgenden höchstrichterlichen Entscheidungen - nach juris), also auf die durch die Gesundheitsstörungen verursachten funktionellen Beeinträchtigungen, so dass auch die Ursachen der Gesundheitsstörung nicht maßgeblich sind (BSG, a.a.O.).

Der Senat stützt seine Überzeugung insbesondere auf das Sachverständigengutachten der O, da sie ihrer Leistungseinschätzung das Ergebnis der - vom Senat in Auftrag gegebenen - ausführlichen neuropsychologischen Testung der B3 zugrunde gelegt hat. Die von B3 durchgeführte testpsychologische Untersuchung hat eine mittelschwere kognitive Leistungsminderung mit unterdurchschnittlichen bis weit unterdurchschnittlichen Testergebnissen in drei verschiedenen Leistungsdomänen, namentlich im Bereich der basalen Aufmerksamkeit und Reaktionsbereitschaft - die Verarbeitungsgeschwindigkeit ist als weit unterdurchschnittlich zu bewerten -, im Bereich alltagsrelevanter Gedächtnisleistungen und im Bereich der sprachlichen Auffassungsgabe und Intelligenz erbracht. B3 hat nachvollziehbar ausgeführt, dass diese Defizite einerseits zu qualitativen Einschränkungen in der Form führen, dass die Klägerin lediglich ausreichend eingeübte Tätigkeiten, welche keine Anforderungen an die sprachliche Auffassungsgabe, an die Arbeitsgeschwindigkeit und komplexere Aufmerksamkeitsleistung stellen, ausführen kann und andererseits bereits nach kurzer Zeit - im Rahmen der Untersuchung bereits nach 60 Minuten - erste Anzeichen von Aufmerksamkeitsschwankungen auftreten, weshalb die Klägerin bei der Gestaltung des Arbeitsalltags ebenso wie im privaten Alltag auf umfassende Hilfen angewiesen ist (Bl. 189 f. LSG-Akte). Anzeichen für Verdeutlichungstendenzen in Form von Simulation oder Aggravation hat B3 hingegen nicht gefunden.

O hat schließlich auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet einen Mediateilinfarkt links 2014 bei Karotis-T-Verschluss unbekannter Ursache mit mechanischer Thrombektomie, rezidivierenden komplex-fokalen Anfällen mit postiktaler Aphasie und Verschlechterung der vorbestehenden spastischen Hemiparese rechts 2017 (seit drei Jahren Anfallsfreiheit), persistierende kognitive Defizite und chronischem Schmerzsyndrom im Bereich des rechten Armes - letztlich nicht eindeutig zuzuordnender Genese -, eine neurologische Blasenentleerungsstörung mit Detrusor-Hyperreflexie der Harnblase und ein Alkoholabhängigkeitssyndrom in der Vorgeschichte (seit 31 Jahren abstinent) diagnostiziert. Diese Diagnosen stehen in Einklang mit den von ihr erhobenen Befunden - psychopathologisch: körperlich etwas ungepflegt, deutlich vorgealtert, Einschränkung von Antrieb und Psychomotorik, intermittierend Wortfindungsstörungen und Einschränkungen von Konzentration und Aufmerksamkeit; neurologisch: rechts reproduzierbarer erheblicher Druckschmerz im Bereich des Epicondylus lateralis begleitet von ausgeprägten mimischen und gestischen Schmerzreaktionen mit immer wieder auftretender Schonhaltung des rechten Armes (die Klägerin hat zur Schmerzlinderung den rechten Arm immer wieder nach hinten gezogen und die Hand auf den Rücken gelegt), breitbasiges, leicht unsicheres und verlangsamtes Gangbild, keine sicheren Paresen, deutlich erhöhter Muskeltonus im rechten Arm, sensible Hypästhesie und Hypalgesie der rechten Hand und sämtlicher Finger, deutliche Überempfindlichkeit gegenüber Schmerz- und Berührungsreizen im Bereich des dorsalen Unterarms, Einschränkung der groben Kraft der rechten gegenüber der linken Hand, Seiltänzergang sehr schwankend und unsicher, Einbeinstand nur sehr unsicher, Bradydiadochokinese am rechten Arm - und den Ergebnissen der neuropsychologischen Testung der B3 und machen ihre Leistungseinschätzung, wonach die Klägerin selbst leichte Tätigkeiten ohne Anforderungen an manuelles Arbeiten, überwiegend im Sitzen, ohne Einflüsse von Zugluft, Nässe oder Kälte, ohne Akkord oder besonderen Zeitdruck nur noch unter drei Stunden arbeitstäglich ausüben kann, plausibel. Auch sie hat keine Anzeichen für Verdeutlichungstendenzen gesehen. Dieser Leistungseinschätzung schließt sich der Senat an.

Die Leistungseinschätzung der Sachverständigen O wird durch die vom Sachverständigen L2 anlässlich seiner Untersuchung im April 2018 erhobenen Befunde und dessen Leistungseinschätzung gestützt. Der Sachverständige hat in seinem Gutachten eine Schlaganfallerkrankung (Mediainfarkt linkshirnig) und damit verbunden eine spastische Halbseitenstörung rechts, einen zentralen Schmerz rechts, eine Aphasie und eine symptomatische Epilepsie sowie eine Blasenstörung diagnostiziert (Bl. 185 LSG-Akte). Im Rahmen seiner Untersuchung hat er eine Minderbeschwielung der rechten Hand und eine Gangunsicherheit (Nachziehen des rechten Beines) beschrieben (Bl. 174 SG-Akte). Er hat an der oberen rechten Extremität eine Reflexbetonung, ein leichtes Absinken und eine Pronationstendenz im Vorhalteversuch sowie eine Feinmotorikstörung dokumentiert (Bl. 174 SG-Akte). Die durchgeführte Sensibilitätsprüfung hat bei der Berührung des rechten Oberarms einen brennenden Schmerz auch verbunden mit Schmerzen an der Hand bzw. auch umgekehrt ergeben (Bl. 174 SG-Akte). Hirnorganisch hat der Sachverständige L2 eine nicht flüssige aphasische Störung, eine Auffassungs- und Umstellungserschwernis, eine Konzentrations- und Gedächtnisstörung beschrieben (Bl. 175 SG-Akte). Anzeichen für Simulation oder plumpe Aggravation von Beschwerden hat er ausgeschlossen (Bl. 175 und 189 SG-Akte). Insgesamt hat der Sachverständige L2 - wie von O schließlich bestätigt - das quantitative Leistungsvermögen der Klägerin als aufgehoben angesehen („ein Arbeiten von wirtschaftlichem Wert nicht möglich“, Bl. 190 SG-Akte). Soweit S5 in seiner sozialmedizinischen Stellungnahme vom Juni 2018 darauf hingewiesen hat (Bl. 195 SG-Akte), dass der von L2 durchgeführte strukturierte Fragebogen simulierter Symptome nicht zweifelsfrei befundet worden sei, da er direkt aufeinanderfolgend zunächst mitgeteilt habe, dass im vorliegenden Fall der Cut-off-Wert nicht überschritten sei, was nicht auf eine Simulation hinweise, einen Satz später jedoch angegeben habe, dass im vorliegenden Fall der Cut-off-Wert um 12 Punkte überschritten worden sei, was auf eine Simulation hinweisen könne (Bl. 184 SG-Akte), handelt es sich offensichtlich um einen Übertragungsfehler, da der Sachverständige an anderen Stellen des Gutachtens ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass er Aggravation oder Simulation ausschließen könne (Bl. 175 und 189 SG-Akte).

Schließlich hat auch der Sachverständige H2 auf Grund seiner Untersuchung der Klägerin im April 2019 ein aufgehobenes Leistungsvermögen behauptet (Bl. 110 LSG-Akte). Als Gesundheitsstörung auf neurologischem Fachgebiet hat er Restfolgen eines Schlaganfallereignisses vom August 2014 bei inkomplettem Mediainsult bei Carotis T-Verschluss mit armbetonter Hemiparese rechts und leichter, nicht flüssiger Aphasie beschrieben (Bl. 106 f. LSG). Als weitere Folge des Mediateilinfarktes links vom August 2014 hat er eine symptomatische Epilepsie mit komplex fokalen Krampfanfällen diagnostiziert und gleichzeitig eine Anfallsfreiheit unter kontinuierlicher antiepileptischer Medikation beschrieben (Bl. 107 LSG-Akte). Zudem hat er eine somatoforme Störung mit funktioneller Bewegungsstörung des rechten Armes und einem chronischen Schmerzsyndrom mit somatischen und psychischen Anteilen sowie hirnorganischen Leistungseinschränkungen beschrieben und darauf hingewiesen, dass bei der Klägerin Blasenentleerungsstörungen vorhanden sind, die bereits vor dem Schlaganfallereignis bestanden haben (Bl. 107 LSG-Akte). Diese Diagnosen stehen im Einklang mit den von ihm erhobenen Befunden. Im Rahmen seiner Untersuchung hat er eine Einschränkung der Feinmotorik der rechten Hand und der Beweglichkeit des rechten Armes verbunden mit einer leichtgradigen Lähmung des rechten Armes beschrieben (Bl. 102 LSG-Akte), wobei er bei der durchgeführten Sensibilitätsprüfung im Bereich des rechten Ellenbogens und der rechten Hand eine Hyperpathie dokumentiert hat (Bl. 95 LSG-Akte). Er hat ein verlangsamtes und breitbasiges Gangbild und eine Hypästhesie im Bereich des rechten Beines dokumentiert (Bl. 95 LSG-Akte). Die erschwerten Gangproben sind nicht durchführbar gewesen, die Feinmotorikprüfungen haben eine diskrete Verlangsamung rechts gegenüber links gezeigt und die Zeigeversuche sind links regelrecht, rechts auf Grund der Schmerzsymptomatik nur unsicher und eine Schreibprobe überhaupt nicht durchführbar gewesen (Bl. 95 f. LSG-Akte). In psychischer Hinsicht hat der Sachverständige die Klägerin als einfach strukturierte Person mit Zeitgitterstörungen, einzelnen Wortfindungsstörungen bei normalem Sprachverständnis und einen verminderten Antrieb beschrieben (Bl. 96 LSG-Akte). Zwar hat er die subjektiv geklagten neurokognitiven Leistungsbeeinträchtigungen nicht objektivieren können, allerdings hat er auch - im Gegensatz zu B3 - keine differenzierte weitere neuropsychologische Testung durchgeführt und im Ergebnis das Vorliegen einer derartigen Beeinträchtigung bestätigt (Bl. 107 LSG-Akte). Simulationstendenzen hat der Sachverständige hingegen - ebensowenig wie L2 und O - nicht gesehen (Bl. 99 und 103 LSG-Akte), jedoch Hinweise auf ein Somatisierungssyndrom (Bl. 98 und 103 LSG-Akte). Im Ergebnis ist er ebenfalls zu der Einschätzung gelangt, dass die Klägerin auf Grund der chronifizierten Schmerzsymptomatik, der funktionellen Bewegungsstörung des rechten Armes und der generalisierten subjektiven kognitiven Leistungsminderung nur noch weniger als drei Stunden täglich belastbar ist (Bl. 110 LSG-Akte). Seine Leistungseinschätzung deckt sich somit mit denjenigen von L2 und O.

Soweit der M zu einer anderen Leistungseinschätzung kommt, vermag der Senat dieser nicht zu folgen. Diese basiert nämlich im Wesentlichen nicht auf anderen als den von den Sachverständigen L2, H2 und O erhobenen Befunden, sondern auf der Annahme, dass die Klägerin die im Bereich des rechten Armes angegebenen Schmerzen simuliere und die schlechte Kooperation in der Untersuchungssituation nicht krankheitsbedingt, sondern willentlich gesteuert gewesen sei (Bl. 140 und 142 SG-Akte). Andererseits hat er eine verminderte Beweglichkeit des rechten Armes durch die vorhandene Restparese und durch sekundäre Schulter- oder Ellenbogenschmerzen, möglicherweise auch durch Sehnenverkürzungen Kontrakturen oder eine eingeschränkte Beweglichkeit nicht ausgeschlossen, kooperationsbedingt jedoch nicht überprüfen können (Bl. 139 f. SG-Akte). Die vom Sachverständigen Mayer angenommenen Simulations- und Aggravationstendenzen haben sich bei den Untersuchungen durch die Sachverständigen L2, H2 und O jedoch gerade nicht bestätigt. Im Übrigen hat die Sachverständige O zu Recht darauf hingewiesen, dass der M - im Gegensatz zu B3 - keine wissenschaftlich fundierten neuropsychologischen Testverfahren durchgeführt hat und schon deshalb seiner Leistungseinschätzung nicht zu folgen ist (Bl. 174/RS LSG-Akte).

Auch die auf das Sachverständigengutachten der O und das Zusatzgutachten der B3 hin von der Beklagten vorgelegten sozialmedizinischen Stellungnahmen von N1 von März 2021 (Bl. 203 LSG-Akte) und H3 von Juni 2021 (Bl. 204 f. LSG-Akte) sind nicht geeignet, Zweifel am Vorliegen einer quantitativen Leistungseinschränkung bei der Klägerin zu wecken. Zunächst ist eine ausführliche Auseinandersetzung mit den umfassenden Gutachten nicht erfolgt. Vielmehr unterstellen sie knapp und ohne Begründung, dass die bei der Klägerin durch die Sachverständigen O und B3 nachgewiesene Intelligenzminderung bereits in das Erwerbsleben eingebracht worden sei und dennoch eine Erwerbstätigkeit möglich gemacht habe. Auf welche Erkenntnisquellen sie diese Behauptung stützen, erläutern sie jedoch nicht und ist für den Senat auch nicht nachvollziehbar. Dieser hat vielmehr keinerlei Anhaltspunkte für die Annahme, die Intelligenzminderung habe bei der Klägerin bereits vor dem 04.04.2017 in demselben Ausmaß vorgelegen wie von den Sachverständigen O und B3 in ihren umfangreichen Gutachten nachgewiesen.

Die bei der Klägerin bestehende quantitative Leistungseinschränkung besteht zur Überzeugung des Senats seit 04.04.2017. Bereits der Sachverständige H2 hat schlüssig ausgeführt (Bl. 103 LSG-Akte), dass es auf Grund der symptomatischen Epilepsie mit komplex fokalen Anfällen am 04.04.2017 zu einer akuten und deutlichen Verschlechterung der Halbseitensymptomatik rechts und der Aphasie gekommen ist und sich die Schmerzsymptomatik herausgebildet hat. Dies lässt sich auch sowohl dem Entlassungsbericht der N Klinik des Klinikums der Stadt L am Rhein gGmbH (Bl. 18 f. SG-Akte) als auch dem Reha-Entlassungsbericht der S Kliniken (Bl. 87 SG-Akte) entnehmen und wird auch durch die Sachverständige O bestätigt (Bl. 174 LSG-Akte). Dass sich die Schmerzsymptomatik nach den epileptischen Anfällen im April 2017 nicht zurückgebildet hat, ergibt sich zudem aus dem Sachverständigengutachten des L2 (Bl. 174 SG-Akte) und den Berichten und Zeugenauskünften der behandelnden Ärzte (M1, Bl. 24 LSG-Akte, F Bl. 17 ff. LSG-Akte, M2, Bl. 130 ff. LSG-Akte). Sogar der M hat im Januar 2018 geklagte Schmerzen dokumentiert (Bl. 135 SG-Akte) und deren Vorhandensein nicht ausgeschlossen (Bl. 135 u. 139 f. SG-Akte).

Dass eine Erwerbsminderung der Klägerin bereits vor dem Auftreten der epileptischen Anfälle am 04.04.2017 vorgelegen hat - wie vom Sachverständigen L2 angenommen -, lässt sich den vorliegenden medizinischen Unterlagen nicht entnehmen. Nach dem Schlaganfall im August 2014 konnte die Erwerbsfähigkeit der Klägerin (zunächst) wiederhergestellt werden. Dies ergibt sich nicht nur aus dem Reha-Entlassungsbericht von Oktober 2014 (Bl. 1 ff. VA-ÄT), wonach die Klägerin zwar mit einem unter dreistündigen Leistungsvermögen für eine Tätigkeit als Maschinenbedienerin, jedoch vollschichtig leistungsfähig für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, überwiegend im Stehen, zeitweise im Gehen und ständig im Sitzen unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen (keine Tätigkeiten mit hohen Anforderungen an Konzentrations- und Reaktionsvermögen, an das Sprech- und Sprachvermögen, mit Publikumsverkehr, mit häufigem Telefonieren oder Schreiben, an Kraft und Feinmotorik der rechten Hand, mit hoher Unfallgefahr, auf ungesicherten Leitern und Gerüsten, mit häufig wechselnden Arbeitszeiten) entlassen wurde (Bl. 3 VA-ÄT). Eine quantitative Leistungseinschränkung lässt sich auch weder dem im Verwaltungsverfahren erstellten Gutachten der B2 (Bl. 73 ff. VA ÄT), noch den Berichten der behandelnden Ärzte entnehmen. B2 erhob weder Befunde, die auf eine erhebliche Gangstörung noch auf eine Minderbelastung des rechten Armes auf Grund der rechtsseitigen Hemiparese oder eines Schmerzsyndroms hindeuteten. Vielmehr gelang der Klägerin im Rahmen der dortigen Untersuchung sogar die Feinmotorikprüfung der Finger problemlos (Bl. 79 VA ÄT). Besondere Schmerzzustände wurden von der Klägerin nicht geklagt (Bl. 75 VA-ÄT) und von B2 auch nicht beschrieben (Bl. 78 f. VA-ÄT). Der behandelnde T beschrieb zwischen November 2015 und Juli 2016 (Bl. 42 und 44 ff. SG-Akte) lediglich eine leichte Hypästhesie im rechten Arm und ein leichtes Beinnachziehen rechts bei sicherem Gang. Zusätzlich hierzu beschrieb er im November 2016 erstmals auch Schmerzen im Bereich des rechten Ellenbogens und Oberarms rechts, ohne jedoch erhebliche Bewegungseinschränkungen zu benennen (Bl. 38 SG-Akte). Soweit die behandelnden B3 in ihrer Sachverständigenzeugenauskunft an das SG von April 2017 angegeben haben (Bl. 22 f. SG-Akte), die Klägerin leide bereits seit März 2016 an zunehmenden Schmerzen im rechten Arm (Bl. 22 SG-Akte), so dass sie seit ca. Mitte dieses Jahres nur noch minimal arbeitsfähig gewesen sei (Bl. 23 SG-Akte), findet dieser Vortrag weder Bestätigung in den fachärztlichen Berichten, noch im Verwaltungsgutachten der B2.

Zum Zeitpunkt des Eintritts der Erwerbsminderung am 04.04.2017 haben bei der Klägerin auch die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen vorgelegen, da die letzten fünf Jahre vor Eintritt der Erwerbsminderung, also der Zeitraum 04.04.2012 bis 03.04.2017, durchgehend und somit sogar mit mehr als 36 Pflichtbeiträgen belegt sind und auch die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren erfüllt ist.

Gemäß § 102 Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB VI werden u.a. Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit auf Zeit geleistet, wobei die Befristung für längstens drei Jahre nach Rentenbeginn erfolgt. Nach Satz 5 der Regelung werden Renten, auf die ein Anspruch unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage besteht unbefristet geleistet, wenn unwahrscheinlich ist, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden kann. „Unwahrscheinlich“ in diesem Sinne ist dahingehend zu verstehen, dass schwerwiegende medizinische Gründe gegen eine - rentenrechtlich relevante - Besserungsaussicht sprechen müssen, so dass ein Dauerzustand vorliegt (BSG, Urteil vom 29.03.2006, B 13 RJ 31/05 R, juris Rdnr. 21). Dabei wird eine Rente aus eigener Versicherung von dem Kalendermonat an geleistet, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen für die Rente erfüllt sind, wenn die Rente bis zum Ende des dritten Kalendermonats nach Ablauf des Monats beantragt wird, in dem die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind (§ 99 Abs. 1 Satz 1 SGB VI). Befristete Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit werden nach § 101 Abs. 1 SGB VI nicht vor Beginn des siebten Kalendermonats nach dem Eintritt der Minderung der Erwerbsfähigkeit geleistet. Der Sachverständigen H2 hat ausgeführt, dass es sich bei den die quantitative Leistungsfähigkeit der Klägerin einschränkenden Befunden um solche von Dauercharakter handelt und auf Grund der geringen Introspektionsfähigkeit, der fehlenden Bewältigungsressource und Resilienz und einer Bestärkung der Klägerin in ihrem Krankheitsverhalten durch das soziale Umfeld mit keiner relevanten Besserung mehr zu rechnen ist (Bl. 111 LSG-Akte). Auch die Sachverständigen L2 und O gehen davon aus, dass eine Besserung der quantitativen Leistungsfähigkeit der Klägerin nicht mehr zu erreichen ist, sondern - so L2 - mit fortschreitendem Alter eine weitere Verschlechterung eintreten wird (Bl. 191 SG-Akte, Bl. 174/RS LSG-Akte). Der Senat schließt sich auch dieser Einschätzung der Sachverständigen an. Die Klägerin hat somit ab dem 01.05.2017 einen Anspruch auf eine unbefristete Rente wegen voller Erwerbsminderung.

Da der Senat vorliegend bereits eine quantitative Leistungseinschränkung der Klägerin bejaht, kann dahingestellt bleiben, ob auch die Wegefähigkeit der Klägerin eingeschränkt ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

 

Rechtskraft
Aus
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