L 4 KR 2522/20

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4.
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 19 KR 2432/18
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 2522/20
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 24. Juli 2020 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

I.

Der Kläger wendet sich gegen die Aufforderung der Beklagten, einen Antrag auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation zu stellen.

Der 1954 geborene, bei der Beklagten krankenversicherte Kläger war zuletzt bis 31. Juli 2017 als Mechaniker versicherungspflichtig beschäftigt. Ab 5. Juli 2017 war der Kläger wegen den Diagnosen F48.0 G (= Neurasthenie), F32.2 G (= schwere depressive Episode ohne psychotische Symptome) und 45.41 G (= chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren) arbeitsunfähig erkrankt (vgl. Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen des H vom 5. Juli, 27. Juli, 28. August, 28. September, 24. Oktober, 27. November und 22. Dezember 2017 sowie 24. Januar und 26. Februar 2018), weshalb die Beklagte nach Ablauf des Entgeltfortzahlungszeitraums Krankengeld gewährte. In seinen Berichten zum Fortbestehen der Arbeitsunfähigkeit vom 22. August 2017 und 5. Januar 2018 führte H jeweils aus, dass der Zeitpunkt des Wiedereintritts der Arbeitsfähigkeit nicht absehbar sei und der Kläger eine antidepressive und antipsychotische Medikation bzw. Mirtazapin und Venlafaxin erhalte und für eine Psychotherapie ungeeignet sei. Im Hinblick auf die Frage, ob es bei der Überwindung der Arbeitsunfähigkeit andere Probleme gebe, legte er dar, dass die Ehefrau an einer Krebserkrankung leide, die Mutter 2017 verstorben sei und der Vater im Haushalt lebe und zunehmend dement sei. Aus seiner Sicht sei eine Maßnahme zur Rehabilitation (Reha) eine sinnlose Geldverschwendung. Die Beklagte holte eine Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) ein, wobei S in seinem Gutachten nach § 51 Abs. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) vom 12. Januar 2018 unter Auswertung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen, der Dokumentation eines persönlichen Gesprächs mit dem Kläger vom 4. August 2017 und der erwähnten Berichte des H zu der Einschätzung gelangte, dass die Erwerbsfähigkeit des Klägers gemindert und die Prognose ungünstig sei. Er empfahl die Umdeutung in eine Erwerbsminderungsrente.

Im Rahmen einer persönlichen Vorsprache am 1. Februar 2018 (vgl. Bl. 21 VerwA) informierte die Beklagte den Kläger über die Möglichkeit, gemäß § 51 SGB V zu einem Reha-Antrag aufzufordern und insbesondere darüber, dass bei einer Ablehnung des Reha-Antrags durch den Rentenversicherungsträger oder im Falle eines erfolglosen Verlaufs der Reha-Maßnahme, der Antrag auf ein Reha-Verfahren in einen Antrag auf Rente umgedeutet werden könne und der Versicherte im Falle einer Aufforderung nach § 51 SGB V nicht ohne weiteres berechtigt sei, ohne Zustimmung der Krankenkasse seinen Reha-Antrag wieder zurückzunehmen. Im Rahmen der hierzu erfolgten Anhörung nannte der Kläger keine gegen einen Reha-Antrag sprechenden Gründe. Nach Information über die Wirkung des § 51 SGB V erklärte sich der Kläger mit der Stellung eines Reha-Antrags nicht einverstanden. Die Beklagte händigte dem Kläger sodann den Bescheid vom 22. Januar 2018 aus, in dem sie u.a. ausführte: „In seinem Gutachten vom 12.01.2018 hat der Medizinische Dienst festgehalten, dass Ihre Erwerbsfähigkeit erheblich gefährdet oder gemindert ist. Eine Rehabilitationsmaßnahme könnte den Gesundheitszustand verbessern. Ihre persönlichen Interessen, sowie die Interessen der Versichertengemeinschaft, haben wir dabei berücksichtigt. Bitte stellen Sie deshalb den Antrag auf Leistungen zur Rehabilitation spätestens bis zum 12.04.2018. Entweder Sie bringen ihn mir einfach vorbei oder … Jedoch: Wenn Sie die Frist ungenutzt verstreichen lassen, ruht ab diesem Tag ihre Krankengeldzahlung. … Möchten Sie eine Erklärung gegenüber der DRV oder einer Rehabilitationsklinik abgeben? Dann brauchen Sie in bestimmten Fällen unsere Zustimmung dazu. Andernfalls können Sie ihren Anspruch auf Krankengeld sogar rückwirkend verlieren. Welche Erklärungen dies sind, erfahren Sie auf dem beigefügten Informationsblatt.“

Hiergegen erhob der Kläger durch seinen Bevollmächtigten Widerspruch und machte geltend, die Beklagte habe kein Ermessen ausgeübt. Es sei lediglich über die Erkrankung, Arbeitsunfähigkeit und das Krankengeld gesprochen worden, jedoch nicht darüber, dass die Dispositionsfreiheit eingeschränkt werde. Soweit ein Ermessensbescheid ergehe, dürfe die Rechtsfolge nicht unerwähnt bleiben. Ferner seien seine durch Art. 2 Abs. 1 und Art. 14 Grundgesetz (GG) geschützten persönlichen Interessen unberücksichtigt geblieben. Er habe in seinem langjährigen Versicherungsleben Ansprüche auf Krankengeld entwickelt und hierfür Beiträge gezahlt. Im Rahmen der freiheitlich-demokratischen Grundordnung stehe es ihm zu, die Sozialleistung zu wählen, die günstiger sei. Dies sei eindeutig das Krankengeld und dies werde er auch ausschöpfen. Er habe formlos einen Reha-Antrag bei der Rentenversicherung gestellt, diesen allerdings ruhend stellen lassen, bis über das vorliegende Verfahren entschieden sei. Er legte das Attest des H vom 26. Februar 2018 vor, wonach sich die Depression deutlich verschlimmert habe und der Kläger in den nächsten Monaten sicherlich arbeitsunfähig und nicht rehabilitationsfähig sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 23. April 2018 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch zurück. Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt, dass nochmals überprüft worden sei, ob im vorliegenden Einzelfall Besonderheiten vorlägen, die bei der notwendigen Ermessensentscheidung gegen eine Aufforderung nach § 51 SGB V sprächen. Soweit der Kläger auf sein Interesse verweise, länger Krankengeld beziehen zu wollen und hierdurch weitere Rentenanwartschaften berücksichtigt werden könnten, treffe dieser Gesichtspunkt regelmäßig bei allen Versicherten zu und spreche für sich genommen nicht gegen eine Aufforderung gemäß § 51 SGB V. Krankengeld sei regelmäßig höher als die zu erwartende Rente und für die Versicherten sei regelmäßig auch von Interesse, weitere Rentenanwartschaften durch einen längeren Bezug von Krankengeld zu erwerben. Individuelle Besonderheiten, die zu einer darüberhinausgehenden besonderen Belastung des Klägers führten seien nicht ersichtlich und auch von seinem Bevollmächtigten nicht geltend gemacht worden. Auf den Einwand einer nicht ausreichend vorhandenen Reha-Fähigkeit komme es bei der Abwägung nicht weiter an.

Gegen den am 24. April 2018 zur Post gegebenen Widerspruchsbescheid erhob der Kläger am 28. Mai 2018, einem Montag, beim Sozialgericht Freiburg (SG) Klage. Er wiederholte sein Vorbringen im Widerspruchsverfahren und führte weiter aus, auch der Widerspruchsbescheid sei ermessensfehlerhaft, da die Beklagte selbst feststelle, dass er nicht reha-fähig sei. Es sei eine Selbstverständlichkeit, dass die Aufforderung zum Reha-Antrag unzulässig sei, wenn keine Reha-Fähigkeit bestehe. Denn dann könne die Beklagte auch gleich zum Rentenantrag auffordern. Zu Unrecht gehe das Bundessozialgericht (BSG) davon aus, dass es sich bei § 51 SGB V um eine „Leistungsverschiebungsnorm“ handele.

Die Beklagte trat der Klage unter Aufrechterhaltung ihres Standpunktes entgegen.

Mit Urteil vom 24. Juli 2020 wies das SG die Klage ab und verurteilte die Beklagte, die notwendigen Kosten des Widerspruchsverfahrens gegen den Bescheid vom 22. Januar 2018 zu tragen. Der Bescheid vom 22. Januar 2018 sei formell rechtmäßig, da der Kläger vor dessen Erlass im Rahmen einer persönlichen Vorsprache am 1. Februar 2018 ordnungsgemäß angehört worden sei. Dieser Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. April 2018 sei auch materiell rechtmäßig. Die Beklagte sei berechtigt gewesen, den Kläger gemäß § 51 Abs. 1 Satz 1 SGB V aufzufordern, beim Rentenversicherungsträger einen Reha-Antrag zu stellen. Die Voraussetzungen hierfür hätten vorgelegen. So sei die Erwerbsfähigkeit des Klägers ausweislich des Gutachtens des S vom 12. Januar 2018 gemindert gewesen, da er seine bisherige Tätigkeit als Mechaniker im Bereich der Werkzeugtechnik absehbar auf Dauer nicht mehr habe ausüben können. Auch der Kläger selbst habe Abweichendes nicht geltend gemacht. Die Aufforderung zur Stellung eines Reha-Antrags setze - entgegen der Ansicht des Klägers - nicht voraus, dass die Gewährung einer Reha-Maßnahme auch Aussicht auf Erfolg habe. Entsprechend des Normzwecks könne die Krankenkasse Versicherte selbst bei fehlender Erfolgsaussicht zur Antragstellung auffordern, um über die Umdeutung nach § 116 Abs. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) eine Entscheidung des Rentenversicherungsträgers über einen Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit herbeizuführen. Dies ergebe sich aus dem eindeutigen Wortlaut des § 51 Abs. 1 Satz 1 SGB V, der die Aufforderung zur Stellung eines Reha-Antrags ausdrücklich auch im Falle einer bereits geminderten Erwerbsfähigkeit vorsehe und gerade keine Erfolgsaussichten eines solchen Antrags verlange. Zwar diene die Regelung in erster Linie dazu, beim Versicherten die Minderung der Erwerbsfähigkeit zu beseitigen, inhaltlich habe der Gesetzgeber jedoch eine gesetzliche Risikozuordnung zwischen der gesetzlichen Krankenversicherung und der gesetzlichen Rentenversicherung im Sinne eines Vor- und Nachrangs konkurrierender Leistungen normiert, wobei es in erster Linie Aufgabe der gesetzlichen Rentenversicherung sei, bei dauerhafter Erwerbsminderung mit Leistungen einzutreten. Entgegen der Ansicht des Klägers habe das Krankengeld gerade nicht die Funktion, dauerhafte Leistungsdefizite oder eine Erwerbsminderung finanziell abzusichern. Dies ergebe sich auch durch eine systematische Auslegung des § 51 Abs. 1 Satz 1 SGB V, der im Zusammenhang mit § 116 Abs. 2 SGB VI zu sehen sei. Nach § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V ende für Versicherte, die Rente wegen voller Erwerbsminderung, Erwerbsunfähigkeit oder Vollrente wegen Alters aus der gesetzlichen Rentenversicherung beziehen, ein Anspruch auf Krankengeld vom Beginn dieser Leistungen an. Soweit über den Beginn der in Satz 1 genannten Leistungen hinaus Krankengeld gezahlt worden sei und dieses den Betrag der Leistungen übersteige, könne die Krankenkasse den überschießenden Betrag vom Versicherten nicht zurückfordern. § 51 Abs. 1 Satz 1 SGB V solle diesen Vorrang der Rentenzahlung vor Krankengeldleistungen bei dauerhafter Erwerbsminderung sicherstellen. Hierzu räume diese Regelung den Krankenkassen die Möglichkeit ein, ihre Versicherten zu veranlassen, mittelbar einen Rentenantrag zu stellen und hierdurch Einfluss auf den Beginn der antragsabhängigen Leistung zu nehmen. Denn nach § 116 Abs. 2 SGB VI gelte der Antrag auf Leistungen zur medizinischen Reha oder zur Teilhabe am Arbeitsleben als Antrag auf Rente, wenn Versicherte vermindert erwerbsfähig seien und ein Erfolg von Leistungen zur medizinischen Reha oder zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht zu erwarten sei (Nr. 1) oder Leistungen zur medizinischen Reha oder zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht erfolgreich gewesen seien, weil sie die verminderte Erwerbsfähigkeit nicht verhindert habe (Nr. 2). Der Reha-Antrag, zu dem die Krankenkasse ihre Versicherten auffordere, könne somit zum Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung umgedeutet werden, die bei Gewährung die Krankengeldzahlung nach § 50 Abs. 1 1 Nr. 1 SGB V beende. Dies könne einen Wegfall der Leistungszuständigkeit der Krankenkasse für das Krankengeld schon vor Erreichen der Anspruchshöchstdauer bewirken. Der gegenteiligen Auffassung des Klägers sei nicht zu folgen. Insbesondere verstoße die in Streit stehende Aufforderung nicht gegen Art. 2 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG. Mit seinen im Rahmen der Versicherungspflicht erbrachten Beiträgen zur Kranken- und Rentenversicherung erwerbe der Versicherte eine Absicherung bei Eintritt des jeweils in den einzelnen Sozialversicherungszweigen versicherten Risikos. § 51 Abs. 1 SGB V stelle lediglich sicher, dass im Sicherungssystem die Leistung angesteuert und erbracht werde, die dem tatsächlich verwirklichten Risiko entspreche. Der Versicherte erwerbe durch seine Beitragszahlung gerade keinen Anspruch auf die für ihn günstigste Geldleistung. Der Bescheid vom 22. Januar 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23 April 2018 sei auch nicht wegen fehlerhafter Ermessensausübung rechtswidrig. Wie die Formulierung im Bescheid vom 22.  Januar 2018 („Ihre persönlichen Interessen sowie die Interessen der Versichertengemeinschaft haben wir dabei berücksichtigt“) zeige, habe die Beklagte Ermessen ausgeübt, weshalb kein Ermessensnichtgebrauch vorliege. Allerdings liege ein Ermessensfehlgebrauch vor, da die genannte Formulierung keinerlei Bezug zum Einzelfall des Klägers erkennen lasse. Soweit die Beklagte der Auffassung gewesen sein sollte, Ermessensgesichtspunkte zu Gunsten des Klägers seien nicht ersichtlich, wäre zu erwarten gewesen, dass zumindest dieser Umstand im Rahmen der Ermessensausübung explizit dargestellt werde. Überdies habe der Ermessensausübung erkennbar ein unrichtiger Sachverhalt zu Grunde gelegen. Denn die Beklagte habe ausgeführt, die Reha-Maßnahme könne den Gesundheitszustand des Klägers verbessern, obwohl sie tatsächlich von einer fehlenden Reha-Fähigkeit ausgegangen sei. Die Ermessensausübung sei jedoch zulässigerweise im Widerspruchsverfahren nachgeholt worden. So sei ausgeführt worden, dass das Gesetz bei der Abwägung zwischen den Gestaltungsmöglichkeiten des Versicherten und den Befugnissen der Krankenkasse nach § 51 SGB V den Interessen der Krankenkasse grundsätzlich den Vorrang einräume und dementsprechend das Ermessen dem Zweck der Ermächtigungsnorm entsprechend angewandt, da besondere Umstände des Einzelfalls nicht ersichtlich gewesen seien. Insbesondere habe der Kläger keine Umstände mitgeteilt, die ein Überwiegen seines Interesses an der Vermeidung eines – mittelbaren – Rentenantrags begründen könnten. Er habe sich allein auf die eine mögliche Rente wegen Erwerbsminderung übersteigende Höhe des Krankengeldes und die Vermeidung von Abschlägen aufgrund der Absenkung des Zugangsfaktors berufen.

Am 11. August 2020 hat der Kläger durch seinen Bevollmächtigten beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg Berufung eingelegt. Die angekündigte Begründung hat er trotz Aufforderung vom 18. August 2020 sowie Erinnerungen vom 22. September und 2. November 2020 nicht vorgelegt. Auch auf das Schreiben des Senats vom 11. Februar 2021 ist keine Reaktion erfolgt. Mit Schreiben vom 22. März 2021 hat der Senat den Kläger auf die Absicht des Senats hingewiesen, über die Berufung gemäß § 153 Abs. 4 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) durch Beschluss zu entscheiden und ihm die Möglichkeit eingeräumt, hierzu bis 23. April 2021 Stellung zu nehmen. Der Kläger hat sich innerhalb dieser Frist nicht geäußert.

Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 29. Juli 2021 hat der Kläger mitgeteilt, die Berufung werde „im Laufe des Herbstes diesen Jahres begründet werden, nachdem jetzt der gordische Knoten mit der DRV Baden-Württemberg bzgl. des Rehabilitationsantrags durchgeschlagen werden konnte vor dem Landessozialgericht Baden-Württemberg. Die Beklagte hat nach den durchgeführten Verhandlungen ein Anerkenntnis abgegeben. … Der Hintergrund bestand darin, dass vor dem gestellten Reha-Antrag ein Altersrentenantrag gestellt wurde für den Kläger. Gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI ist damit die Gewährung einer Reha-Maßnahme unzulässig. … Es wurde bei der Beklagten selbst ein Reha-Antrag gestellt, weil der Kläger in Reha möchte. …“ Hierzu legte er die Niederschrift über den Erörterungstermin vom 8. Juni 2021 über die gegen die Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg geführten Berufungsverfahren L 8 R 4190/19 (Streitgegenstand: Versagungsbescheid vom 28. Juni 2018 mangels Mitwirkung bzgl. Reha-Maßnahme), L 8 R 2521/20 (Streitgegenstand: Bewilligungsbescheid u.a. vom 31. März 2020 bzgl. Reha-Maßnahme) und L 8 R 1120/21 (Streitgegenstand: Altersrentenbescheid vom 10. September 2019) vor.

Mit Schreiben vom 30. Juli 2021 hat der Senat dem Bevollmächtigten des Klägers mitgeteilt, dass zur Begründung der am 11. August 2020 eingelegten Berufung ausreichend Zeit zur Verfügung gestanden habe und nicht beabsichtigt sei, mit einer Entscheidung weiter zuzuwarten, eine solche jedoch nicht vor dem 15. August 2021 ergehen werde. Dieses Schreiben vom 30. Juli 2021 übermittelte der Bevollmächtigte des Klägers sodann am 11. August 2021 per Fax mit den handschriftlichen Vermerken „das ging heute ein!!“ und „- 23.08. Kanzlei geschlossen alle Urlaub, bis auf den Chef“. Eine Begründung der Berufung ist bis zum heutigen Tag nicht erfolgt.

Der Kläger beantragt (sinngemäß),

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 24. Juli 2020 abzuändern und den Bescheid der Beklagten vom 22. Januar 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23 April 2018 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für richtig.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf die Verfahrensakten des SG und des Senats sowie die Verwaltungsakte der Beklagten.

 

II.

1. Der Senat entscheidet über die Berufung des Klägers gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, da er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Der Rechtsstreit weist nach Einschätzung des Senats keine besonderen Schwierigkeiten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht auf, die mit den Beteiligten in einer mündlichen Verhandlung erörtert werden müssten. Zu der beabsichtigten Verfahrensweise hat der Senat die Beteiligten angehört. Hierzu hat sich der Kläger innerhalb der verlängerten Frist bis 15. August 2021 und auch nachfolgend nicht geäußert.

2. Die gemäß § 143 SGG statthafte und gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig. Sie bedurfte insbesondere nicht der Zulassung, da das Begehren des Klägers keine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG).

3. Die Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das SG hat die als Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 SGG) zulässige Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 22. Januar 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. April 2018 (§ 95 SGG) ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

Das SG hat in dem mit der Berufung angefochtenen Urteil vom 24. Juli 2020 die rechtlichen Voraussetzungen, unter denen die Krankenkasse Versicherten im Krankengeldbezug eine Frist zur Stellung eines Antrags auf Leistungen zur medizinischen Reha stellen kann (§ 51 SGB V), im Einzelnen dargelegt und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zutreffend ausgeführt, dass und aus welchen Gründen diese Voraussetzungen beim Kläger erfüllt waren und die abweichende Rechtsauffassung des Klägers Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung widerspricht. Gleichermaßen zutreffend hat es dargelegt, dass die Entscheidung der Beklagten mit der im Widerspruchsbescheid nachgeholten Ermessensentscheidung auch keine Ermessensfehler erkennen lässt. Der Senat macht sich die entsprechenden Ausführungen des SG zu eigen und schließt sich dieser Beurteilung aufgrund eigener Prüfung in vollem Umfang an. Er nimmt daher auf die Entscheidungsgründe des SG Bezug und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG). Weitergehende Darlegungen sind nicht geboten. Der Kläger hat die eingelegte Berufung nicht begründet, so dass nicht erkennbar ist, aus welchen Gründen er die angefochtene Entscheidung des SG für rechtsfehlerhaft erachtet.

Der Vortrag des Klägers im Berufungsverfahren bezieht sich ausschließlich auf die beim 8. Senat des LSG Baden-Württemberg anhängigen Rentenrechtsstreitigkeiten L 8 R 4190/19, L 8 R 2521/20 und L 8 R 1120/21, im Rahmen derer sich der Kläger gegen die Versagung einer Reha-Maßnahme mangels Mitwirkung sowie gegen die Bewilligung einer Reha-Maßnahme wendet bzw. eine höhere Altersrente begehrt. Diese Verfahren stehen in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit der vorliegenden krankenversicherungsrechtlichen Streitigkeit. Insbesondere ist nicht erkennbar, welche Bedeutung der Ausgang jener Verfahren für den vorliegenden Rechtstreit haben sollte. Streitgegenstand in jenen Verfahren sind jeweils Bescheide, die zeitlich nach dem vorliegend streitbefangenen Bescheid vom 22. Januar 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. April 2018 ergingen, so dass auch eine Vorgreiflichkeit nicht in Betracht kommt.

Im Hinblick auf die Ankündigung des Klägers, eine Berufungsbegründung zu einem nicht näher bestimmten Zeitpunkt (“im Laufe des Herbsts diesen Jahres“) noch vorlegen zu wollen (Schriftsatz des Bevollmächtigten des Klägers vom 29. Juli 2021), war es nicht geboten, mit einer Entscheidung weiter zuzuwarten. Der Kläger hat weder eine Begründung dafür vorgelegt, weshalb es ihm seit Berufungseingang am 11. August 2020 nicht möglich gewesen ist, die Berufung zu begründen, noch dargelegt, welche Hindernisse der Vorlage einer Berufungsbegründung auch seinerzeit (noch) im Wege gestanden haben. Entsprechend hat der Senat mit Schreiben vom 30. Juli 2021 deutlich gemacht, dass nicht beabsichtigt sei, zuzuwarten, bis die angekündigte Begründung eingegangen ist, vielmehr vorgesehen sei, nunmehr – allerdings nicht vor dem 15. August 2021 – zu entscheiden. Dem Kläger wurde damit die Möglichkeit eingeräumt, die seit mehr als einem Jahr ausstehende Berufungsbegründung noch vorzulegen. Diese ist jedoch weder bis zum 15. August 2021 noch nachfolgend bis zum Zeitpunkt der Entscheidung eingegangen. Selbst wenn dem Bevollmächtigten des Klägers das gerichtliche Schreiben vom 30. Juli 2021 tatsächlich erst am 11. August 2021 – so seine Behauptung im Fax vom selben Tag – zugegangen sein sollte, wäre mithin ausreichend Zeit gewesen, die Begründung noch nachzureichen.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.

5. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.

Rechtskraft
Aus
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