Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 16.08.2018 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über eine höhere Verletztenrente unter Zugrundelegung einer höheren Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE).
Der 1966 geborene Kläger - selbstständiger Fahrlehrer und bei der Beklagten als Inhaber eines Fahrschulunternehmens unfallversichert - erlitt am 13.04.2013 einen Wegeunfall, als er gegen 17.15 Uhr auf dem (direkten) Heimweg mit dem Fahrschulkrad in einen Verkehrsunfall verwickelt wurde, nachdem ihn der Unfallgegner bei einem Abbiegevorgang übersehen und der Kläger auf das unvermittelt die Fahrbahn überquerende Kfz aufgefahren war. Der Kläger wurde notfallmäßig behandelt und zur stationären Behandlung in das SKlinikum V. (Klinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie) luftverlegt. Die dortigen Ärzte diagnostizierten ein Polytrauma mit Beckenfraktur Typ C beidseits bei Symphysensprengung und Schambeinfraktur links sowie mit Galeazzi-Läsion mit distaler, metaphysärer Radiusmehrfragmentfraktur rechts. Die operative Versorgung erfolgte am 17.04.2013 mittels offener Revision mit Rekonstruktion der Symphyse sowie Osteosynthese der lateralen Schambeinastfraktur und computernavigierter Verschraubung der Iliosakralgelenke beidseits. Außerdem wurde am 22.04.2013 die definitive Osteosynsthese am rechten Handgelenk durchgeführt. Der Kläger wurde am 16.05.2013 bei bildgebend guten Verhältnissen mit regelrechter Metalllage und regelrechter Fraktur-Adaption sowie laborchemisch unauffälligen Verlaufskontrollen aus der stationären Behandlung entlassen und am 22.05.2013 frühstationär in der Rehaklinik B weiter behandelt. Bei der nachfolgenden Untersuchung in der B1klinik T am 29.05.2013 diagnostizierten die Ärzte eine Fußheberschwäche rechts sowie beidseits intraforaminal teils auch in den Beckenweichteilen liegende ISG-Schrauben bei inkompletter Reposition einer Beckenfraktur Typ C mit Symphysensprengung und Schambeinastfraktur links mit Ausläufern in beide Acetabuli sowie eine mit Plattenosteosynthese versorgte Galeazzi-Fraktur rechts. Bei der weiteren Untersuchung am 12.06.2013 konnte der Kläger mit Achselstützen selbstständig schmerzfrei gehen und seinen rechten Fuß - bei fortbestehender Fußheberparese rechts - in 90°-Stellung beim Gehen halten sowie die Zehen in die Dorsalextension heben. Die periphere Sensibilität war intakt, die Fußpulse gut tastbar.
Bei der neurologischen Untersuchung in der Klinik für Neurologie des Kkrankenhauses S1 am 01.07.2013 diagnostizierte der N beim Kläger eine Peroneus-parese rechts bei elektromyographisch ausgeschlossener Kontinuitätsunterbrechung dieses Nervs.
Im Rahmen der weiteren Untersuchung in der B1klinik am 01.10.2013 (zu der der Kläger mit zwei Unterarmgehstützen und ohne Peroneus-Feder erschien) zeigte er vor allem wegen der Fußheberschwäche rechts - im Liegen war die Hüftgelenksbeweglichkeit kaum eingeschränkt (beidseits Extension/Flexion: 0-0-110°, Innen-/Außenrotation: 20-0-30°) - eine unsichere Mobilisation. Die periphere Durchblutung, Motorik und Sensibilität der unteren und oberen Extremitäten war regelrecht, die Handgelenksbeweglichkeit rechts nahezu frei und seitengleich. Der Kläger berichtete über die andernorts vor kurzem gestellte Diagnose eines Leisten-/Bauchwandbruchs, der operativ versorgt werden solle, sowie über Ängste im Hinblick auf Auto-/Kradfahrten. N berichtete anlässlich der erneuten Untersuchung am 07.10.2013 über eine - klinische wie elektromyographische - Besserung des Vorbefundes und schloss weiterhin eine Läsion des Nervus peroneus aus. Im weiteren Verlauf bestätigte sich die Diagnose eines Leisten-/Bauchwandbruchs bzw. einer Hernie nicht. Es zeigt sich beim Kläger allerdings bildgebend eine Ausdünnung der Bauchdecke im Bereich des rechten Unterbauchs (ohne Bruchpforte und ohne Hernierung) ohne Erforderlichkeit einer operativen Behandlung. Der behandelnde H wies darauf hin, dass nicht sicher festgestellt werden könne, ob eine Denervierung der Bauchdeckenmuskulatur infolge des Traumas vorliege.
Im Rahmen der psychiatrischen Behandlung des Klägers am 30.01.2014 berichtete der B (Chefarzt der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik des Kkrankenhauses S1) u.a., dass eine psychische Störung derzeit nicht sicher diagnostiziert werden könne. Der Kläger habe „erwähnt“, dass seine Erektionsfähigkeit seit dem Unfall eingeschränkt sei. Nach weiteren ambulanten Behandlungen bis Mitte April 2014 teilte B der Beklagten mit, dass eine psychische Erkrankung beim Kläger nicht habe diagnostiziert werden können, weswegen die Behandlung beendet worden sei. Seiner Einschätzung nach bestehe keine seelische Erkrankung als Folge des Unfalls, was sich auch mit der subjektiven Wahrnehmung des Klägers selbst decke.
Anfang September 2014 wurde der Kläger in der Klinik für Urologie des Uklinikums T vorstellig, ausweislich des ärztlichen Berichts „primär aufgrund des unerfüllten Kinderwunsches“. Die Ärzte diagnostizierten auf ihrem Fachgebiet einen unerfüllten Kinderwunsch bei vorbefundlicher Kryptozoospermie und Zustand nach Kryptorchismus rechts mit operativer Korrektur verspätet im 8. Lebensjahr sowie eine erektile Dysfunktion, die der Kläger seit dem Unfalltrauma beschreibe.
Die Beklagte holte bei dem S2 das Erste Rentengutachten ein (Bl. 238 ff. VerwA), der beim Kläger nach Untersuchung (22.10.2014) folgende Gesundheitsstörungen diagnostizierte und diese als Unfallfolgen ansah: knöchern vollständig, in leichter Fehlhaltung verheilter komplexer Beckenbruch Typ C mit noch einliegendem Osteosynthesematerial, posttraumatische Coxarthrose rechts mit deutlicher Bewegungseinschränkung, komplexe Unterarmverletzung mit Speichenmehrfragmentbruch, knöchern vollständig in leichter Fehlstellung mit noch einliegendem Osteosynthesematerial verheilt, endgradige Bewegungseinschränkung mit beginnender Arthrose des rechten Handgelenks, Bauchwandschwäche rechts bei Schädigung des Nervus intercostalis, Peroneusparese rechts, Verarbeitungsstörung des Unfallgeschehens. S2 schätzte die MdE auf 50 v.H.
Ferner holte die Beklagten das psychiatrische Gutachten des B ein (Bl. 246 ff. VerwA), der nach Untersuchung des Klägers (14.11.2014) auf seinem Fachgebiet eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) diagnostizierte, diese „kausal“ auf das Unfallereignis am 13.04.2013 „attribuierte“ und allein deswegen von einer MdE um 100 v.H. ausging. In seiner beratungsärztlichen Stellungnahme für die Beklagte führte der F zu dem Gutachten aus (Bl. 273 ff., vgl. auch Bl. 300 f. VerwA), dass sich eine PTBS auf der Grundlage der vorliegenden Befunde nicht begründen lasse und auch nichts über eine Initialreaktion bekannt sei, dass B lediglich eine Angstsymptomatik beschrieben habe und dass beim Kläger nicht einmal ein wesentliches Vermeidungsverhalten vorliege, nachdem er wieder Auto fahre. Wenn überhaupt, lasse sich allenfalls eine Autofahrphobie diagnostizieren, die maximal mit einer MdE um 10 v.H. zu bewerten sei.
Des Weiteren erstattete N für die Beklagte ein neurologisches Gutachten (Bl. 262 ff. VerwA; Untersuchung am 30.10.2014). Er nahm als unfallbedingte Gesundheitsstörungen eine passiv eingeschränkte Beweglichkeit der rechten Hand mit eingeschränktem Faustschluss, eine Peroneusparese rechts mit Fußheberplegie, Zehenheberparese und Steppergang sowie eine Hypästhesie im Autonomgebiet des Nervus peroneus rechts an und schätzte die MdE um 40 v.H. ein. Eine wesentliche Befundänderung gegenüber seiner Untersuchung im März 2014 bestehe nicht. F führte dazu in seiner weiteren beratungsärztlichen Stellungnahme (Bl. 300 ff. VerwA) aus, dass N seiner MdE-Einschätzung auch unfallchirurgische Unfallfolgen zu Grunde gelegt habe. Rein neurologisch bedinge die Peroneusschädigung mit Fußheberschwäche richtigerweise allenfalls eine MdE um 20 v.H. Neurologisch-psychiatrisch sei mithin von einer MdE um 30 v.H. auszugehen.
Schließlich erstattete S3 (Ärztlicher Direktor der Klinik und Poliklinik für Urologie der U. T) ein urologisches Gutachten (Bl. 305 ff. VerwA). Er gelangte nach Untersuchung (13.01. und 25.02.2015) zu einer unfallbedingten („am ehesten“) neurogenen erektilen Dysfunktion bei normwertigem Hormonstatus und Schwellkörperinjektionstest bei Zustand nach traumatischer Beckenfraktur. Unfallunabhängig bestehe ein unerfüllter Kinderwunsch bei vorbefundlicher Kryptozoospermie sowie Zustand nach Hodenoperation rechts bei anamnestisch Maldescensus testis im Alter von 6 Jahren. Seitens des urologischen Fachgebiets betrage die unfallbedingte MdE 20 v.H.
In seiner beratungsärztlichen Stellungnahme von Mai 2015 (Bl. 319 VerwA) führte der Facharzt u.a. für Unfallchirurgie W. aus, dass die MdE auf unfallchirurgischem Fachgebiet „wohlwollend“ mit 50 v.H. angesetzt werden könne; im Hinblick darauf, dass dem Kläger trotz einem Schonhinken ein zügiges Gehen möglich sei, käme aber auch eine MdE von 40 bis 45 v.H. in Betracht. Bei deutlichen Überschneidungen mit dem neurologisch-psychiatrischem und dem urologischen Fachgebiet könne eine Gesamt-MdE um 70 v.H. angenommen werden.
Mit Bescheid vom 12.06.2015 gewährte die Beklagte dem Kläger - der vom 13.04.2013 bis 10.10.2014 von der Beklagten Verletztengeld erhalten hatte - wegen der Folgen des Arbeitsunfalls eine Rente als vorläufige Entschädigung nach einer MdE von 70 v.H. beginnend ab dem 11.10.2014. Zur Begründung legte sie dabei folgende unfallbedingten gesundheitlichen Beeinträchtigungen zu Grunde: Furcht, besonders als Beifahrer in mit dem Unfall vergleichbaren Situationen, Bewegungseinschränkung und beginnende Arthrose im rechten Handgelenk, Behinderung der Unterarmeinwärtsdrehung, Kraftminderung der rechten Hand, Bauchmuskelschwäche rechts, Hüftgelenksarthrose rechts, rechtsbetonte Bewegungseinschränkung in beiden Hüftgelenken und im rechten Sprunggelenk, Fußheberlähmung und Zehenheberschwäche rechts, Sensibilitätsminderung in dem vom Wadenbeinnerv versorgten Bereich, neurogen bedingte Schwäche der Gliedsteife. Unfallunabhängig liege ein Zustand nach Lendenwirbelkörperfraktur im Jahr 1994, ein Tiefstand mit Bewegungseinschränkung der rechten Schulter, eine Kryptozoospermie sowie ein Zustand nach Hodenoperation rechts bei Maldescensus testis vor.
Sodann holte die Beklagte zur Feststellung einer Rente auf unbestimmte Zeit bei S2 ein Zweites Rentengutachten ein (Id 168 VerwA). Der Gutachter bestätigte nach Untersuchung (14.10.2015) seine Diagnosen und MdE-Einschätzung im Ersten Rentengutachten. B führte in seinem Zweiten Rentengutachten (Id 174 VerwA) nach Untersuchung (26.10.2015) aus, dass sich die PTBS „aufgelöst“ habe und nunmehr von einer isolierten Phobie auszugehen sei, die dem Kläger Kradfahrten unmöglich und Autofahrten nur mit Einschränkungen möglich mache. Er schätzte die MdE auf psychiatrischem Gebiet nunmehr auf 20 v.H. N beschrieb nach Untersuchung des Klägers (29.10.2015) in seinem Zweiten Rentengutachten (Id 175 VerwA) eine fortbestehende Gebrauchsstörung der rechten Hand bei Zustand nach Galeazzi-Fraktur sowie eine hochgradige Fuß- und Zehenheberparese rechts mit entsprechendem Steppergang und typischer Sensibilitätsstörung im Versorgungsbereich des Nervus peroneus profundus rechts. Diese Störungen bedingten seiner Auffassung nach weiterhin eine MdE um 40 v.H. Der Facharzt u.a. für Urologie K1 nannte in seinem Zweiten Rentengutachten (Untersuchung am 03.11.2015; Id 186 VerwA) als Unfallfolge eine neurogen bedingte posttraumatische Erektionsstörung und bewertete die diesbezügliche MdE mit 20 v.H.
In seiner beratungsärztlichen Stellungnahme von Februar 2016 (Id 190 VerwA) blieb F bei seiner Einschätzung, dass die MdE auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet insgesamt mit 30 v.H. zu bemessen sei. Der N1 führte in seiner beratungsärztlichen Stellungnahme (Id 192 VerwA) aus, dass er davon ausgehe, dass bei S2 die neurologischen Unfallfolgen in die MdE-Bewertung bereits eingeflossen seien. In urologischer Hinsicht halte er die vorgeschlagene MdE, die die Obergrenze nach der unfallmedizinischen Literatur bedeute, auch unter Berücksichtigung des Alters des Versicherten für zu hoch. In Ansehung der Überschneidung der Unfallfolgen sei eine (Gesamt-)MdE von 60 v.H. angemessen.
Mit Bescheid vom 29.03.2016 - dem Kläger am 09.04.2016 mittels Postzustellungsurkunde zugestellt - entschied die Beklagte, dass ab 01.04.2016 anstelle der als vorläufige Entschädigung gezahlten Rente eine Rente lediglich nach einer MdE von 60 v.H. auf unbestimmte Zeit gezahlt werde. Die MdE-Bemessung begründete sie - unter Hinweis auf die eingeholten Gutachten bzw. ärztlichen Stellungnahmen - mit folgenden Unfallfolgen: knöchern in leichter Fehlstellung verheilter Beckenbruch beidseits mit Symphysensprengung und Schambeinastbruch links mit noch einliegendem Osteosynthesematerial, Bewegungseinschränkung des rechten Hüftgelenks, geringer Bewegungseinschränkung des linken Hüftgelenks und neurogen bedingter Schwäche der Gliedsteife; in leichter Fehlstellung knöchern fest verheilter Speichenmehrfragmentbruch rechts mit noch einliegendem Osteosynthesematerial bei Einschränkung der Unterarmdrehung rechts und Bewegungseinschränkung des rechten Handgelenks; Schädigung des Nervus intercostalis mit Bauchwandschwäche rechts; Schädigung des Nervus Peroneus mit Fußheberschwäche rechts; Angstzustände bei Teilnahme im Straßenverkehr. Der Zustand nach Lendenwirbelkörperbruch 1994, nach Hodenoperation rechts und der Tiefstand mit Bewegungseinschränkung der rechten Schulter seien unfallunabhängig.
Der dagegen erhobene Widerspruch des Klägers, mit dem er - auch in Ansehung bestehender Überschneidungen der Unfallfolgen - eine Rente weiterhin nach einer MdE von 70 v.H. begehrte, hatte keinen Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 08.12.2016). Die Beklagte legte dabei die beratungsärztliche Stellungnahme des N1 von Oktober 2016 (Id 218 VerwA) zu Grunde, der darauf hingewiesen hatte, dass die jeweilige (Teil-)MdE richtigerweise mit 25 v.H. (unfallchirurgisch), 30 v.H. (neurologisch-psychiatrisch) sowie 10 v.H. (urologisch) zu bemessen sei, was im Hinblick auf die bestehenden Überschneidungen eine Gesamt-MdE von 60 rechtfertige. Namentlich S2 habe bei seiner unfallchirurgischen MdE-Einschätzung von 50 v.H. die Folgen der Peroneusparaese rechts bereits mitberücksichtigt.
Der Kläger hat am 29.12.2016 beim Sozialgericht Reutlingen (SG) Klage erhoben, mit der er sein Begehren auf (Weitergewährung seiner) Rente nach einer MdE von 70 v.H. unter Hinweis auf die gutachterlichen Einschätzungen weiterverfolgt hat.
Das SG hat zunächst den Hausarzt des Klägers, den A schriftlich als sachverständigen Zeugen angehört (insoweit wird wegen der weiteren Einzelheiten auf die Auskunft Bl. 31 f. SG-Akte Bezug genommen) und sodann von Amts wegen das Sachverständigengutachten des S4 eingeholt (Bl. 45 ff. SG-Akte), der den Kläger am 16.08.2017 untersucht hat. Auf unfallchirurgisch-orthopädischem Fachgebiet sei von folgenden verbliebenen unfallbedingten Funktionsbeeinträchtigungen auszugehen: Bewegungsbeeinträchtigung des rechten Handgelenks um mehr als die Hälfte bei Gelenkmehrverschleiß des Radiocarpalgelenks und mit geringer Einschränkung des Faustschlusses, Einschränkung der Unterarm-Umwendbewegung rechts mit Minderung der Unterarmkraft und bei Inkongruenz des distalen Radioulnargelenks, Bauchwandschwäche rechts, Blockierung beider Kreuzdarmbeinfugen und der Schambeinfuge durch Implantate, Bewegungseinschränkung beider Hüftgelenke, leichte Bewegungseinschränkung des rechten Kniegelenks. Unter Zugrundelegung der unfallmedizinischen Literatur (Hinweis auf Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit) sei für die Einschränkungen im Bereich des rechten Unterarms/Handgelenks eine (Teil-)MdE von 20 v.H. in Ansatz bringen und für die Einschränkungen im Bereich des Beckens und der Hüftgelenke eine (Teil-)MdE von 25 v.H. Letztere müssten indes im Zusammenhang mit den vom Vorgutachter beschriebenen neurologischen Funktionsstörungen im Bereich der rechten unteren Extremität - für die eine (Teil-)MdE von 20 v.H. in Ansatz zu bringen sei - gesehen werden. Wegen der insoweit deutlichen Überschneidungen jener Beeinträchtigungen mit den Folgen des Beckenbruchs sei für diesen Komplex insgesamt von einer MdE von 35 v.H. auszugehen. Unter weiterer Berücksichtigung einer (Teil-)MdE von 20 v.H. für die psychiatrischen Leiden und von - auch für ihn angemessen erscheinende - 20 v.H. für die posttraumatische Erektionsstörung resultiere eine Gesamt-MdE von 65 v.H.
Der Kläger hat an seiner Auffassung festgehalten, dass eine (Gesamt-)MdE von 70 angemessen sei; die vom Sachverständigen angenommene (Gesamt-)MdE von 65 v.H. sei unter Zugrundelegung einer höchsten (Teil-)MdE von 45 v.H. auf unfallchirurgischem Gebiet nicht nachvollziehbar.
Die Beklagte hat sich auf den Standpunkt gestellt, dass eine höhere (Gesamt-)MdE als 60 v.H. nicht in Betracht komme. Zur Stützung ihrer Auffassung hat sie die beratungsärztliche Stellungnahme des W vorgelegt (Bl. 88 f. SG-Akte). Dieser hat darauf hingewiesen, dass eine weitere Abgrenzung zwischen einer MdE von 60 und 65 v.H. „nicht wirklich möglich“ sei. Er stimme dem Sachverständigen aber hinsichtlich der MdE-Bewertung auf unfallchirurgischem Gebiet unter Berücksichtigung der überschneidenden neurologischen Funktionsstörungen ausdrücklich zu. Auch die urologische MdE sei „unbestritten“ mit 20 v.H. zu bewerten. Indes müsse die (Teil-)MdE auf psychiatrischem Gebiet hinterfragt werden, nachdem F insoweit von maximal 10 v.H. ausgegangen sei.
Mit Urteil vom 16.08.2018 hat das SG die Klage abgewiesen. Es hat - namentlich auf der Grundlage des Sachverständigengutachtens des S4, der seiner Bewertung in neurologischer, psychiatrischer und urologischer Hinsicht die in den Zweiten Rentengutachten der B2, N und K1 beschriebenen Gesundheitsstörungen und Funktionsbeeinträchtigungen zu Grunde gelegt hat, sowie der beratungsärztlichen Stellungnahmen des F - im Einzelnen dargelegt, welche Unfallfolgen auf orthopädisch-unfallchirurgischem, neurologischem, psychiatrischem und urologischen Fachgebiet beim Kläger verblieben sind und - wiederum insbesondere gestützt auf das Sachverständigengutachten des S4 und die beratungsärztlichen Stellungnahmen des F - ausgeführt, dass unter Zugrundelegung der unfallmedizinischen Literatur (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl. 2017) auf orthopädisch-unfallchirurgischem Fachgebiet von einer (Teil-)MdE von 20 v.H. bezüglich der Unterarmverletzungen bzw. von 25 v.H. bezüglich der Beckenverletzung auszugehen sei. In neurologischer Hinsicht bedinge namentlich die Lähmung des Wadenbeinnervs eine (Teil-)MdE von 20 v.H. Die erektile Dysfunktion als einzig belegte urologische Unfallfolge sei mit einer (Teil-)MdE von 20 v.H. zu bewerten. Auf psychiatrischem Gebiet liege (allein) eine unfallbedingte Phobie beim Autofahren vor, die eine (Teil-)MdE von 10 v.H. bedinge, nachdem der Kläger weiterhin Auto fahre. Die sich überschneidenden Funktionsbeeinträchtigungen auf orthopädisch-unfallchirurgischem und neurologischem Fachgebiet seien zu einer MdE um 45 v.H. zusammenzufassen, was mit der (Teil-)MdE von 10 v.H. für die Phobie und mit der (Teil-)MdE von 20 v.H. für die erektile Dysfunktion zu einer ausreichenden Gesamt-MdE von 60 v.H. führe, die die Beklagte ihrer Rentenbewilligung auch zu Grunde gelegt habe. Dass der Sachverständige zu einer Gesamt-MdE von 65 v.H. gekommen sei, rechtfertige keine andere Beurteilung (u.a. mit Hinweis auf Rechtsprechung des Bundessozialgerichts - BSG -).
Gegen das - den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 13.09.2018 zugestellte - Urteil hat der Kläger am 15.10.2018 (einem Montag) Berufung eingelegt, mit der er sein erstinstanzliches Begehren weiterverfolgt hat. Zur Begründung seines Rechtsmittels hat er sich im Wesentlichen auf die MdE-Einschätzungen der Gutachter im Verwaltungsverfahren berufen und geltend gemacht, dass weder die Gesamt-MdE-Bildung des S4 noch die des SG überzeuge.
Der Kläger beantragt (teilweise sachdienlich gefasst, vgl. Bl. 14 Senats-Akte),
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 16.08.2018 sowie den Bescheid der Beklagten vom 29.03.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.12.2016 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtenen Entscheidungen für zutreffend.
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte und gemäß den §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung des Klägers, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Urteil gemäß § 124 Abs. 2 SGG entscheidet, ist zulässig, jedoch unbegründet.
Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid vom 29.03.2016 in der Gestalt (§ 95 SGG) des Widerspruchsbescheids vom 08.12.2016, mit dem die Beklagte dem Kläger ab dem 01.04.2016 anstelle der mit Bescheid vom 12.06.2015 gewährten Verletztenrente als vorläufige Entschädigung nach einer MdE von 70 v.H. Verletztenrente auf unbestimmte Zeit nach einer MdE von 60 v.H. bewilligte, der Sache nach also ihre Feststellung einer als vorläufige Entschädigung zu zahlenden Verletztenrente nach einer MdE von 70 v.H. mit Ablauf des Monats März 2016 aufhob und eine Verletztenrente nach einer MdE von 60 v.H. auf Dauer ab 01.04.2016 bewilligte (vgl. dazu nur BSG, Urteil vom 19.12.2013, B 2 U 1/13 R, zitiert - wie alle nachfolgenden höchstrichterlichen Entscheidungen - nach juris). Hiergegen wendet sich der Kläger mit dem Ziel der Gewährung einer Dauerrente in Höhe der vorläufigen Entschädigung, also mit dem Begehren, seine Verletztenrente über den 31.03.2016 hinaus auf Dauer auf der Grundlage einer MdE von 70 v.H. zu erhalten. Hierfür ist vorliegend die reine Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 SGG) die zutreffende Klageart, denn mit Aufhebung der angefochtenen Bescheide würde der Bescheid vom 12.06.2015 über die Gewährung einer vorläufigen Rente nach einer MdE von 70 v.H. über den 31.03.2016 hinaus weiter gelten und die vorläufig gewährte Rente würde nach Ablauf von drei Jahren schon kraft Gesetzes zu einer Dauerrente (vgl. § 62 Abs. 2 Satz 1 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuchs - SGB VII -; s. dazu nur BSG, Urteil vom 05.02.2008, B 2 U 6/07 R; Senatsurteil vom 13.03.2008, L 10 U 2297/07, m.w.N.). Eine solche Anfechtungsklage hat der Kläger bei sachdienlicher Auslegung hier auch erhoben.
Das SG hat die Klage - jedenfalls im Ergebnis - zu Recht abgewiesen. Der Bescheid vom 29.03.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.12.2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Die Beklagte war gemäß § 62 Abs. 2 SGB VII befugt, die vorläufige Entschädigung des Klägers mit dem angefochtenen Bescheid ab 01.4.2016 neu festzustellen und ihm ab diesem Zeitpunkt eine Rente auf unbestimmte Zeit anstelle der bislang als vorläufige Entschädigung geleisteten Rente nur noch nach einer MdE um 60 v.H. zu bewilligen.
In der gesetzlichen Unfallversicherung haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Unfall hinaus um mindestens 20 v.H. gemindert ist, nach § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Anspruch auf Rente. Diese wird bei Minderung der Erwerbsfähigkeit als Teilrente geleistet und in Höhe des Vomhundertsatzes der Vollrente festgesetzt, der dem Grad der MdE entspricht (§ 56 Abs. 3 Satz 2 SGB VII). Gemäß § 62 Abs. 2 Satz 2 SGB VII kann bei der erstmaligen Feststellung der Rente nach der vorläufigen Entschädigung der Vomhundertsatz der MdE abweichend von der vorläufigen Entschädigung festgestellt werden, auch wenn sich die Verhältnisse nicht geändert haben. Nach Satz 1 des § 62 Abs. 2 SGB VII wird die Rente jedoch spätestens mit Ablauf von drei Jahren nach dem Versicherungsfall kraft Gesetzes als Rente auf unbestimmte Zeit geleistet. § 62 Abs. 2 SGB VII ermächtigt damit dazu, trotz vorliegender Entscheidung über die Bewilligung einer Verletztenrente als vorläufige Entschädigung eine Dauerrente ohne Bindung an die bisher zugrunde gelegte MdE nach einer niedrigeren MdE zu bewilligen, ohne dass dafür eine wesentliche Änderung gegenüber den Verhältnissen eingetreten sein müsste, die bei Bewilligung der vorläufigen Entschädigung vorgelegen hatten. Diese Spezialvorschrift verdrängt in ihrem Anwendungsbereich die generelle Regelung des § 48 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB X), die als Voraussetzung u.a. eine wesentliche Änderung der Verhältnisse für die Aufhebung eines Verwaltungsaktes fordert. Die Anwendung des § 62 Abs. 2 Satz 2 SGB VII setzt voraus, dass eine Verletztenrente als vorläufige Entschädigung bewilligt wurde, der Versicherungsträger nunmehr erstmals darüber entscheidet, ob dem Versicherten eine Rente auf unbestimmte Zeit zusteht, und der Änderungsvorbehalt wegen Ablaufs des Dreijahreszeitraumes noch nicht entfallen war (dazu nur BSG, Urteil vom 19.12.2013, B 2 U 1/13 R, auch zum Vorstehenden). Diese Voraussetzungen des § 62 Abs. 2 SGB VII liegen hier vor.
Die Beklagte brachte mit dem angefochtenen Bescheid vom 29.03.2016, der dem Kläger noch vor Ablauf des Dreijahreszeitraums seit dem Unfallereignis am 13.04.2013 (§ 62 Abs. 2 Satz 1 SGB VII) zugestellt worden war - nämlich am 09.04.2016 -, hinreichend deutlich zum Ausdruck, dass sie die Regelung in dem Bescheid vom 12.06.2015 über die bewilligte Verletztenrente als vorläufige Entschädigung nach einer MdE von 70 v.H. zum Ablauf des 31.03.2016 aufhebt und ab 01.04.2016 (erstmals) eine Verletztenrente nach einer MdE von 60 v.H. als Dauerrente gewährt (s. dazu nur BSG, a.a.O.). In dem Bescheid vom 12.06.2015 hatte die Beklagte die Verletztenrente auch ausdrücklich als „vorläufige Entschädigung“ und unter Hinweis auf § 62 Abs. 1 SGB VII gewährt und damit hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, dass die Verletztenrente lediglich vorläufig und damit unter Vorbehalt gezahlt wird (vgl. auch dazu BSG, a.a.O.).
Schließlich holte die Beklagte die Anhörung des Klägers (§ 24 Abs. 1 SGB X) - wobei offenbleiben kann, ob es einer solchen nach § 24 Abs. 2 Nr. 2 SGB X überhaupt bedurfte (offengelassen auch von BSG, Urteil vom 05.02.2008, B 2 U 6/07 R) - jedenfalls mit heilender Wirkung (§ 41 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 SGB X) noch im Widerspruchsverfahren (s. dazu das Schreiben Id 203 VerwA) nach (vgl. auch dazu BSG, a.a.O.).
Die Beklagte entschied auch in der Sache in nicht zu beanstandender Weise, dass die als vorläufige Entschädigung gewährte Rente ab dem 01.04.2016 als Rente auf unbestimmte Zeit nur noch auf der Grundlage einer MdE von 60 v.H. zu zahlen ist.
Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, haben nach § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Anspruch auf eine Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente (§ 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nach § 56 Abs. 1 Satz 3 SGB VII nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v.H. mindern.
Versicherungsfälle sind nach § 7 Abs. 1 SGB VII Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Arbeitsunfälle sind nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Der Kläger erlitt am 13.04.2013 einen solchen Arbeitsunfall als er auf dem direkten Heimweg von seiner bei der Beklagten versicherten Tätigkeit mit seinem Krad in einen Verkehrsunfall verwickelt wurde und sich ein Polytrauma mit beidseitiger Beckenfraktur sowie eine Galeazzi-Läsion mit Radiusmehrfragmentfraktur rechts zuzog. Dies hat die Beklagte auch anerkannt.
Indessen ist die Erwerbsfähigkeit des Klägers durch die gesundheitlichen Folgen des Arbeitsunfalls vom 13.04.2013 über den 31.03.2016 hinaus (streitiger Zeitraum) nicht um mehr als 60 v.H. - wie von der Beklagten ihrem Bescheid vom 29.03.2016 auch zu Grunde gelegt - gemindert.
Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Die Bemessung der MdE hängt also von zwei Faktoren ab (vgl. BSG, Urteil vom 22.06.2004, B 2 U 14/03 R): Den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust unter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, haben keine verbindliche Wirkung, sie sind aber eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE im jeweiligen Einzelfall geschätzt werden. Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel.
Hat ein Arbeitsunfall Schäden an mehreren Körperteilen gebracht, so ist die MdE im Ganzen zu würdigen. Dabei ist entscheidend eine „Gesamtschau“ der „Gesamteinwirkung“ aller einzelnen Schäden auf die Erwerbsfähigkeit (BSG, Beschluss vom 24.11.1988, 2 BU 139/88, unter Hinweis auf Rechtsprechung zum Schwerbehindertenrecht). Dementsprechend sind mathematische Formeln kein rechtlich zulässiges oder gar gebotenes Beurteilungsmittel zur Feststellung der Gesamt-MdE (BSG, Urteil vom 15.03.1979, 9 RVs 6/77), vielmehr muss bei der Gesamtbeurteilung bemessen werden, wie im Einzelfall die durch alle Störungen bedingten Funktionsausfälle gemeinsam die Erwerbsfähigkeit beeinträchtigen (BSG, a. a. O.).
Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils im Wesentlichen auf der Grundlage des Sachverständigengutachtens des S4 und der - jeweils urkundbeweislich verwertbaren - Zweiten Rentengutachten der B2, N und K1 zutreffend dargelegt, dass und welche Unfallfolgen beim Kläger auf orthopädisch-unfallchirurgischem, neurologischem, urologischem und psychiatrischem Fachgebiet verblieben sind. Nachdem die Beklagte die dort jeweils beschriebenen Gesundheitsstörungen mit den entsprechenden Funktionsbeeinträchtigungen - soweit MdE-relevant (s. noch unten) - ihrer Entscheidung auch zu Grunde gelegt hat und der Kläger mit seinem Rechtsmittel keine weiteren Unfallfolgen geltend gemacht, sondern allein die MdE-Bewertung angegriffen hat, erübrigen sich diesbezüglich weitere Ausführungen. Der Senat sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und nimmt Bezug auf die entsprechenden zutreffenden Ausführungen in den Gründen der angefochtenen Entscheidung (vgl. § 153 Abs. 2 SGG).
Die als Folge des Unfalls verbliebene Bewegungseinschränkung des rechten Handgelenks mit Einschränkung der Unterarmumwendbewegung und beginnender Arthrose bei Zustand nach Galeazzi-Fraktur ist in Ansehung der überzeugenden Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen S4 sowie auf der Grundlage des auch vom Senat in ständiger Rechtsprechung zu Grunde gelegten Standardwerks der unfallmedizinischen Literatur (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 581) mit einer (Teil-)MdE von jedenfalls nicht mehr als 20 v.H. zu bewerten. Die MdE-Schätzung richtet sich dabei vorwiegend nach den Bewegungsmaßen im Handgelenk, wobei Störungen im Bereich benachbarter Regionen ebenso einzubeziehen sind wie insbesondere eine Einschränkung der Unterarmdrehfähigkeit (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O.). Demgemäß bedingen nach den unfallmedizinischen Erfahrungswerten namentlich ein Speichenbruch mit Achsenabknickung und Einschränkung der Handgelenksbewegungen um insgesamt 40° eine MdE um 10 v.H., eine Handgelenksversteifung in Neutralstellung eine MdE um 25 v.H., eine Versteifung der Unterarmdrehung in Einwärtsdrehstellung eine MdE um 20 v.H. und eine solche in Mittelstellung eine MdE um 30 v.H. (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O.).
Ausweislich des vom gerichtlichen Sachverständigen erhobenen klinischen Befunds ist die Beweglichkeit des rechten Handgelenks des Klägers zwar eingeschränkt (handrücken-/hohlhandwärts: 30-0-50°, gegenüber links: 80-0-75°; ellen-/speichenwärts: 30-0-10°, gegenüber links: 50-0-40°), der Zustand ist indes - so der Sachverständige - deutlich von einer Versteifung in anatomischer Stellung entfernt, zumal sich bei der Untersuchung bei (beidseits) regelrechter Handbeschwielung keine akuten Endzündungszeichen, keine abgrenzbaren Schwellungen, kein abgrenzbarer Druckschmerz gezeigt und eine Einschränkungen der gängigen Griffformen nicht vorgelegen haben; auch der Faustschluss rechts ist lediglich endgradig unvollständig gewesen. Dass der Sachverständige vor diesem Hintergrund und in Ansehung der eingeschränkten Unterarmdrehfähigkeit rechts (aus-/einwärts: 80-0-40°, gegenüber links: 90-0-90°) mit Kraftminderung, aber verbliebenen anatomischen Achsverhältnissen - ohne Schwellung und Druckschmerzhaftigkeit - entsprechend der Erfahrungswerte (s.o.) für die Störungen im Funktionssystem Hand (rechts) einschließlich der eingeschränkten, aber mit einer Versteifung (in Einwärtsdrehstellung) nicht vergleichbaren - so wiederum S4 - Unterarmdrehfähigkeit eine (Teil-)MdE von jedenfalls nicht mehr als 20 v.H. angenommen hat, ist für den Senat schlüssig und nachvollziehbar. Denn in diesem körperlichen Bereich liegt namentlich weder eine Versteifung noch eine erhebliche Achsenabknickung vor und der Kläger ist bei der Untersuchung durch S4 auch in der Lage gewesen ist, sich selbstständig unter Einsatz beider Arme und Hände zu entkleiden, ohne dass der Sachverständige signifikante Einschränkungen im Bereich der oberen Extremitäten hat beobachten können. Nur am Rande merkt der Senat an, dass sich auch aus dem Zweiten Rentengutachten des S2 nichts Abweichendes herleiten lässt, nachdem die dort beschriebenen Bewegungsmaße sogar noch besser waren (Unterarmdrehung rechts aus-/einwärts: 90-0-50°; Handgelenk rechts handrücken-/hohlhandwärts: 60-0-50°), der Gutachter ohnehin keine Einzel-MdE-Bewertung vornahm und seine Gesamt-MdE-Bewertung überdies auch nicht weiter begründete, worauf auch der Sachverständige S4 hingewiesen hat.
Also Folge der unfallbedingten instabilen vorderen und hinteren Beckenring-Fraktur (C-Fraktur) sind von orthopädisch-unfallchirurgischer Seite beim Kläger eine Bewegungseinschränkung beider Hüftgelenke und eine Blockierung beider Kreuzdarmbeinfugen und der Schambeinfuge durch Implantate verblieben. Nach den unfallmedizinischen Erfahrungswerten (Schönberger/Mehrtens/ Valentin, a.a.O., S. 619) bedingen (u.a.) stabile Beckenringfrakturen mit einer Schoßfugenerweiterung unter 15 mm eine MdE von 10 v.H., instabile Beckenringfrakturen mit einer Stoßfugenerweiterung unter 15 mm eine MdE ebenfalls von 10 v.H., mit einer Stoßfugenerweiterung über 15 mm eine MdE von 20 v.H. und eine instabile Beckenringfraktur mit Arthrose in den Kreuz-Darmbein-Gelenken eine MdE von 20 v.H. Eine MdE von über 20 v.H. wird angenommen bei einer instabilen Beckenringfraktur mit einseitiger Verschiebung einer Beckenhälfte über 10 mm mit Arthrose (MdE 25 v.H.) bzw. bei einer beidseitigen Verschiebung jeweils über 10 mm mit Arthrose (MdE 30 v.H.). Die MdE bei Hüftgelenksverletzungen richtet sich - hier mangels Relevanz abgesehen von Hüftgelenksversteifung und -verlust - ausschlaggebend nach der Beweglichkeit in Streckung und Beugung, wobei eine MdE von 10 v.H. bei einer Bewegungseinschränkung auf 0-10-90° und eine MdE von 20 v.H. bei einer Bewegungseinschränkung auf 0-30-90°vorgesehen ist.
Bei der Untersuchung des Klägers durch S4 hat sich im Bereich des Beckens keine klinische Instabilität ergeben. Inspektorisch hat auch keine Asymmetrie vorgelegen, bei der Prüfung mit der Beckenwaage hat sich vielmehr ein Gleichstand der Beckenkämme gezeigt. Lediglich das Verwringen der Beckenhälften bzw. die Kompression sind schmerzhaft gewesen, die Austrittspunkte der Hüftnerven und die Kreuzdarmbeingelenke haben indes keine Druckempfindlichkeit ergeben. Die bildgebenden Befunde lassen zwar - so der Sachverständige - eine suboptimale Lage der Schraube zur Stabilisierung des rechten Kreuzdarmbeingelenks und einen Gelenkspalt des linken Kreuzdarmbeingelenks sowie eine - lediglich geringe - Erweiterung der Schambeinfuge erkennen. Eine Beckenhälftenverschiebung hat der Sachverständige indes ebenso ausgeschlossen wie eine Schoßfugenerweiterung größer als 15 mm. Was die Hüftgelenke anbelangt, sind die Bewegungsamplituden zwar beidseits vermindert (rechts mehr als links) gewesen, Bewegungsschmerzen hat der Kläger aber nicht angegeben und es hat bei der Beweglichkeitsprüfung (Streckung/Beugung: 0-0-80° rechts, 0-0-90° links) auch ein Zug- oder Stauchungsschmerz mit Schmerzprojektion auf die Hüftgelenke nicht ausgelöst werden können, wohl aber bei Betastung ein Druckschmerz über dem großen Rollhügel bzw. über der Leiste links. Dies alles entnimmt der Senat dem Sachverständigengutachten des S4.
Unter Zugrundelegung dessen kommt nach den Erfahrungswerten (s.o.) von orthopädisch-unfallchirurgischer Seite für die Folgen der Beckenringverletzung in Ermangelung einer Beckenhälftenverschiebung und mangels Schoßfugenerweiterung über 15 mm (isoliert) jedenfalls keine höhere (Teil-) MdE als 20 v.H. und für die Hüftgelenksbewegungseinschränkung (isoliert) keine höhere (Teil-)MdE als 10 v.H. in Betracht, wovon der Sache nach auch der Sachverständige ausgegangen ist, indem er unter Hinweis auf eine Überlappung der verbliebenen Funktionsbeeinträchtigungen im Bereich des Beckens - unter der Annahme, die insoweit beim Kläger verbliebenen Funktionsstörungen seien orthopädisch-unfallchirurgisch mit einer Arthrose in den Kreuz-Darmbein-Gelenken nach instabiler Beckenringfraktur vergleichbar (MdE 20, s.o.) - mit den Bewegungseinschränkungen der Hüftgelenke eine integrierende (Teil-)MdE von 25 v.H. angenommen hat. Dies legt der Senat im Ausgangspunkt (zu den Überlappungen von neurologischer Seite s. noch unten) auch seiner Beurteilung zu Grunde, zumal sich auch insoweit aus dem Zweiten Rentengutachten des S2 - der die Funktionsbeeinträchtigungen ohnehin nicht einzeln und damit nicht nachvollziehbar bewertet hat (s.o.) - jedenfalls nichts für den Kläger Günstigeres ergibt; einen wesentlich abweichenden Befund hat er nämlich nicht erhoben (namentlich Streckung/Beugung Hüftgelenk links sogar etwas besser: 0-0-95°).
In neurologischer Hinsicht ist die sowohl vom Gutachter N als auch vom Sachverständigen S4 beschriebene Fuß- und Zehenheberpareses rechts mit Steppergang und Sensibilitätsstörung im Versorgungsbereich des Nervus peroneus profundus rechts als Unfallfolge verblieben. Die insoweit von N angenommene MdE von 40 v.H. beinhaltet indes - darauf haben der Sachverständige S4 und der Beratungsarzt F zu Recht hingewiesen - (auch) die Funktionsstörungen im Bereich der rechten Hand (einschließlich Unterarm, s.o.), die N insoweit fachfremd bewertete und die für sich gesehen - wie oben dargelegt - mit einer (Teil-)MdE von 20 v.H. zu bemessen sind. Anhaltspunkte für eine höhere (Teil-)MdE als 20 v.H. für die neurologischen Störungen im Bereich der rechten unteren Extremität lassen sich in neurologischer Hinsicht dem Gutachten des N, auf die sich die Klägerseite beruft, nicht entnehmen und ohnehin bedingt nur ein vollständiger Ausfall des Nervus peroneus profundus nach den Erfahrungswerten eine MdE von 20 v.H. (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 253). Ein derartiger vollständiger Ausfall (u.a.) dieses Nervs liegt beim Kläger indes nicht vor und wurde vielmehr von N ausdrücklich und wiederholt ausgeschlossen. Unter Zugrundelegung dessen (lediglich Teillähmungen respektive Paresen) ist die MdE nach den Erfahrungswerten geringer als 20 v.H. zu bemessen (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 252).
Allerdings hilft dem Kläger eine geringere Bewertung der (Teil-)MdE für die verbliebenen neurologischen Funktionsstörungen nicht weiter und eine derartige Einzelbetrachtung und -bewertung ist für die Bildung der Gesamt-MdE in Ansehung der bereits oben auf chirurgisch-orthopädischem Fachgebiet beschriebenen Funktionsstörungen im Bereich des Beckens und der Hüften sowie der zusätzlich vom Sachverständigen beschriebenen Pathologien im Bereich der rechten unteren Extremität, deren Ursache S4 insoweit den neurologischen Anomalien zugeschrieben hat, hier auch nicht zielführend. Erforderlich ist vielmehr eine Gesamtbetrachtung und -bemessung der Funktionseinschränkungen der rechten unteren Gliedmaße bis zum Becken als Ganzes.
Insoweit ist zu berücksichtigen, dass die besagten Gesundheitsschäden auf chirurgisch-orthopädischem Fachgebiet die Bewegungsfähigkeit der Hüftgelenke mit Druckschmerzhaftigkeit der Beckenhälften gemeinsam - so auch ausdrücklich der Sachverständige - mit der Schädigung des Wadenbeinnervs rechts zu einer Gehbehinderung (Steppergang) mit Fußheberschwäche und verminderter Zehenbeweglichkeit rechts führen. Insoweit hat der Sachverständige S4 seitens des Bewegungsapparats zwar eine vermehrte Einlagerung von Flüssigkeit in das Unterhautgewebe der Unterschenkel beidseits verneint und unauffällige Weichteilverhältnisse im Bereich der Sprunggelenke ohne Hinweise auf eine Instabilität, eine normale Konsistenz der Achillessehnen ohne Druckempfindlichkeit, erhaltene periachilläre Gruben, eine seitengleiche Fußsohlenbeschwielung der Füße ohne grobe Deformierung und ohne trophische Störungen bei regulärer Flexibilität der Vorfüße sowie seitengleich tastbare Fußpulse an typischer Stelle beschrieben und latente Paresen bzw. Zeichen einer gestörten arteriellen Durchblutung respektive eines gestörten venösen Blutabflusses im Bereich der unteren Extremitäten verneint. Indes haben auch bei der Untersuchung durch S4 - wie zuvor auch bei der des N - eine Verminderung der Beweglichkeit (ca. hälftig) des rechten Sprunggelenks mit entsprechender Einschränkung für das Heben des rechten Fußes (freilich ohne fixierte Spitzfußstellung), eine Einschränkung (ca. hälftig) der Zehenbeweglichkeit rechts (ohne Druckschmerzen) sowie die vom Kläger angegebenen Gefühlstörungen im rechten Fuß mit Willkürinnervation imponiert, die der Sachverständige - nicht anders wie zuvor N - der Schädigung des Wadenbeinnervs rechts zugeschrieben hat.
In Ansehung dessen folgt der Senat der Einschätzung des S4 hinsichtlich der Auswirkungen der Unfallfolgen der rechten unteren Gliedmaße bis zum Becken als Ganzes. Hierzu hat der Sachverständige überzeugend ausgeführt, dass die Gangstörung des Klägers („hängender“ Fuß rechts bzw. Steppergang) den dauerhaften Einsatz einer Peroneusfeder erfordert, dass Tätigkeiten auf unebenem Untergrund bzw. Leitern und Gerüsten kaum möglich und dass überwiegend Gehende oder Stehende Tätigkeiten deutlich eingeschränkt sind. Den danach verbliebenen Funktionsverlust und den Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten - wobei sich dies (wie schon oben aufgezeigt) abstrakt nach dem Verlust an Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens richtet, sodass es im Einzelfall nicht darauf ankommt, ob und inwieweit der Versicherte durch die Unfallfolgen in der konkret ausgeübten Tätigkeit beeinträchtigt ist - hat S4 gleichfalls überzeugend mit einer MdE um 35 v.H. bewertet, sodass der Senat auch dem folgt.
Dies schließt allerdings die neurologischen Unfallfolgen im Bereich der rechten unteren Extremität mit ein, die zusammen mit den Unfallfolgen im Bereich des Beckens und der Hüfte vollständig in der ausgeprägten Gangstörung mit Fuß- und Zehenheberparese rechts aufgehen, was der Sachverständige ebenfalls schlüssig und nachvollziehbar dargelegt hat. Auch insoweit lässt sich den Gutachten des S2 und des N etwas durchgreifend Abweichendes entnehmen, zumal beide ohne weitere Abgrenzung und ohne Begründung die orthopädisch-unfallchirurgischen und neurologischen Unfallfolgen zusammengefasst und daraus jeweils nicht nachvollziehbar eine MdE gebildet haben.
Im Rahmen der erforderlichen Gesamtschau (s.o.) bewertet der Senat die sich im Bereich der rechten unteren Gliedmaße bis zum Becken als Ganzes orthopädisch-unfallchirurgisch und neurologisch überschneidenden Funktionsstörungen mit einer MdE von 35 v.H. und die im Bereich der rechten Hand (mit Unterarm) verbliebenen Funktionsdefizite - wie oben bereits dargelegt - mit einer (Teil-)MdE von 20 v.H., sodass zunächst die orthopädisch-unfallchirurgischen und die neurologischen Unfallfolgen zur Überzeugung des Senats insgesamt mit einer MdE von allenfalls 50 v.H. - also bis an die Grenze einer nicht statthaften mathematischen Addition (s.o.) - zu bewerten sind.
Eine Erhöhung dieser MdE um die zusätzlich vom Sachverständigen genannte, von H (ohne Bruchpforte und ohne Hernie) vordiagnostizierte Bauchwandschwäche rechts - die H schon nicht sicher auf eine unfallbedingte Denervierung der Bauchdeckenmuskulatur zurückzuführen vermochte und die der Gutachter S2 (ohne weitere Untersuchung und Begründung) auf eine (von S5 als fraglich angesehene) Schädigung des Nervus intercostalis zurückführte, obgleich eine derartige Nervenschädigung vom Facharzt N weder in seinem Ersten noch in seinem Zweiten Rentengutachten bestätigt wurde - kommt nicht in Betracht. Unabhängig davon, ob diese Bauchwandschwäche überhaupt rechtlich wesentlich mit dem angeschuldigten Ereignis in einen Ursachenzusammenhang steht, ist jedenfalls schon nicht ersichtlich, welche zusätzliche Funktionsbeeinträchtigung in einem rentenrechtlich relevanten Ausmaß hier bestehen soll. Konkrete Funktionsstörungen gerade im Zusammenhang mit der Bauchwandschwäche rechts sind von keinem der vorgenannten Ärzte genannt worden und der Sachverständige hat bei seiner Untersuchung lediglich eine Vorwölbung der Bauchwand im rechten Unterbauch mit lokaler Druckschmerzhaftigkeit vorgefunden, ohne dass eine Lücke oder dergleichen vorgelegen hat. S4 hat diese bei seiner Beurteilung im Übrigen auch berücksichtigt und daraus keine zusätzlichen Funktionsbeeinträchtigungen und auch keine messbare MdE abgeleitet. Dagegen ist nichts zu erinnern.
Nämliches gilt hinsichtlich der vom Sachverständigen diagnostizierten leichten Bewegungseinschränkung des rechten Kniegelenks (Streckung/Beugung: 10-0-120°, links: 10-0-135°; keine Instabilität, kein Erguss und keine Schmerzangaben), die nach den unfallmedizinischen Erfahrungswerten (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 685) ohnehin keine MdE bedingt und eine solche hat der Sachverständige zutreffend auch nicht angenommen.
In die Bewertung der Gesamt-MdE ist noch die vom Gutachter B in seinem Zweiten Rentengutachten diagnostizierte isolierte Phobie im Zusammenhang mit Krad-/Autofahrten einzustellen. Eine Bewertung mit einer MdE von mehr als 10 v.H. scheidet indes aus. Nach den Angaben des Klägers gegenüber B, die dieser zur Grundlage seiner (indes nicht weiter begründeten) Einschätzung machte, vermeidet der Kläger Kradfahrten und erleidet „beim Autofahren in unfallähnlichen Situationen“ eine paroxysmal eintretende Panik. Ansonsten erhob B einen im Wesentlichen unauffälligen psychopathologischen Befund (wach, bewusstseinsklar, allseits orientiert, keine kognitiven-mnestischen Defizite, keine Störungen der Konzentration, der Aufmerksamkeit und des Kurzzeitgedächtnisses, innere Unruhe wegen Zukunftsängsten, allerdings bei guter antidepressiver Remission bei gelegentlicher Deprimiertheit aber ausreichender affektiver Schwingungsfähigkeit, formaler Gedankengang geordnet, keine Wahnvorstellungen, keine Ich-Erlebensstörungen und keine Zwänge sowie keine Halluzinationen). Nach den unfallmedizinischen Erfahrungswerten (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 171) bedingt eine solche spezifische Phobie, worauf der Beratungsarzt F zutreffend hingewiesen hat, eine MdE von bis zu 10 v.H. Abweichendes hat auch B nicht begründet und auch die Klägerseite hat dem mit ihrem Rechtsmittel nichts Substantielles entgegengehalten.
Ferner ist in die Gesamtbewertung noch von urologischer Seite die erektile Dysfunktion einzustellen, die sowohl von S3 als auch von K1 übereinstimmend als Unfallfolge und mit einer (Teil-)MdE von 20 v.H. bewertet wurde; auch der Sachverständige hat dies für angemessen erachtet. Soweit der Beratungsarzt N1 gemeint hat, diese MdE-Bewertung sei an der oberen Grenze, ist dies zwar zutreffend (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 281), warum indes das Alter des Klägers insoweit eine Rolle spielen sollte, erschließt sich dem Senat nicht.
Gleichwohl ist zur Überzeugung des Senats im Hinblick auf diese verbliebenen Unfallfolgen von psychiatrischer und urologischer Seite eine nur maßvolle Erhöhung der MdE um 50 v.H. für die ganz im Vordergrund stehenden orthopädisch-unfallchirurgischen/neurologischen Funktionsdefizite (s.o.) im Rahmen der erforderlichen Gesamtschau sämtlicher einzelner Schäden auf die Erwerbsfähigkeit geboten, da die spezifische Phobie - wie dargelegt - isoliert betrachtet allenfalls eine (Teil-)MdE um 10 v.H. rechtfertigt und auch seelische Begleiterscheinungen gerade im Zusammenhang mit der erektilen Dysfunktion (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 279) weder von K1, der überdies darauf hingewiesen hat, dass der Kläger durch Einnahme eines Inhibitormittels befriedigende Erektionen erreichen kann, noch von B - der (wie ebenfalls bereits dargelegt) einen im Wesentlichen unauffälligen psychischen Befund erhob - beschrieben wurden. Auch der Kläger hat diesbezüglich nichts Konkretes dargetan, was eine abweichende Beurteilung rechtfertigen könnte.
Insoweit wird den verbliebenen, oben aufgeführten Unfallfolgen zur Überzeugung des Senats mit einer (Gesamt-)MdE von 60 v.H. angemessen, aber auch ausreichend Rechnung getragen. Dass der Sachverständige bei seiner integrierenden Einschätzung zu einer (Gesamt-)MdE von 65 v.H. gelangt ist, beruht darauf, dass er die MdE-Einschätzung i.H.v. 20 v.H. des B für die isolierte Phobie übernommen hat. Diese ist indes - wie oben dargelegt - überhöht.
Auf die Frage, ob ein Abweichen der MdE-Einschätzung um nur 5 v.H. als innerhalb der ärztlichen Schätzungen eigenen Schwankungsbreite liegend unbeachtlich ist (s. dazu die vom SG zitierten Rechtsprechungsnachweise), kommt es mithin nicht entscheidungserheblich an.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.