1. Österreichische Staatsangehörige können sich gegenüber dem Leistungsausschluss aus § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II auf den Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 2 Abs. 1 DÖFA berufen.
2. Begehrt eine Klägerin die endgültige Festsetzung von Leistungen (nur) in der Höhe, in der sie vorläufig bereits Leistungen erhalten hat, ist eine kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage statthaft; in diesem Rahmen ist die Entscheidung durch Grundurteil zulässig.
I. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 24. Mai 2017 wird, soweit dieses nicht durch die teilweise Klagerücknahme wirkungslos geworden ist, zurückgewiesen, wobei der Tenor klarstellend wie folgt gefasst wird:
Der Beklagte wird
1. unter teilweiser Aufhebung seines Bescheides vom 28. August 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Dezember 2014 verurteilt, der Klägerin laufende Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende für die Zeit vom 1. Juli 2014 bis 21. Juli 2014 in gesetzlicher Höhe zu gewähren, und verpflichtet, zu ihren Gunsten laufende Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende für die Zeit vom 22. Juli bis zum 30. September 2014 in gesetzlicher Höhe endgültig festzusetzen;
2. unter Aufhebung seines Ablehnungsbescheides vom 21. November 2014 und Abänderung seines Änderungsbescheides vom gleichen Tage in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Dezember 2014 verpflichtet, zu Gunsten der Klägerin laufende Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende für die Zeit vom 1. Oktober bis zum 31. Dezember 2014 in gesetzlicher Höhe endgültig festzusetzen.
II. Der Beklagte hat der Klägerin zwei Drittel der zur Rechtsverfolgung notwendigen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten in erster Linie um die Gewährung laufender Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) für die Zeit vom 1. Juli bis zum 31. Dezember 2014.
Die 1991 geborene Klägerin, die im streitigen Zeitraum noch den Nachnamen C. trug, ist österreichische Staatsangehörige und reiste im Sommer 2013 in die Bundesrepublik Deutschland ein. In einem gemeinsamen Antrag mit Herrn D. D., unter dessen Wohnadresse sie sich zum 1. August 2013 behördlich anmeldete, beantragte sie unter dem 21. August 2013 – erfolglos – Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende bei dem Beklagten. In diesem Zusammenhang erläuterte sie die Gründe für ihre Einreise nach Deutschland: Der Hauptgrund sei, dass man in Deutschland bis zum 25. Lebensjahr eine bessere Chance auf eine Ausbildung habe, „was in Österreich leider nur bis zum vollendeten 18. Lebensjahr gefördert wird“. Dort habe sie bisher nicht viel Glück dabei gehabt, eine Ausbildung zu finden. Daher wolle sie einen Neuanfang in Deutschland wagen und dabei gleichzeitig neue Erfahrungen sammeln. Noch ein Grund des Zuzugs sei ohne Frage ihre Beziehung zu Herrn D. „Denn wer möchte sich nicht mit seinem Partner verwirklichen zusammen etwas aufbauen?“ In einem weiteren Schreiben vom 7. Oktober 2013, das die Klägerin zusammen mit einer Veränderungsmitteilung, in der sie ihren Zuzug zu Herrn D. nochmals mitteilte, und einem erneuten Antrag (beziehungsweise Fortzahlungsantrag von Herrn D.) einreichte, führte sie aus, Grund für ihren Umzug nach Deutschland seien ihre Besuche bei Herrn D., „mit dem ich nun in einer Beziehung bin, und mit dem ich mir nun etwas aufbauen will“. Wegen der Einzelheiten wird auf die genannten, in der – weitgehend unpaginierten – Leistungsakte des Beklagten enthaltenen Schreiben Bezug genommen. Auch auf diesen Antrag hin bewilligte der Beklagte – durch Bescheid vom 28. Oktober 2013 – (vorläufig) Leistungen nur zu Gunsten von Herrn D.
Die Klägerin und Herr D. mieteten zum 5. November 2013 gemeinsam eine Wohnung im E-Straße in B-Stadt an. Der Beklagte erteilte daraufhin am 7. November 2013 einen Änderungsbescheid für den November 2013 und am 25. November 2013 einen Bewilligungsbescheid für die Zeit vom 1. Dezember 2013 bis zum 31. März 2014, die beide weiterhin Leistungen nur zu Gunsten von Herrn D. vorsahen. Die Klägerin fand nur insofern Berücksichtigung, als der Beklagte die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Kopfteilen und daher nur zur Hälfte als Bedarf von Herrn D. in die Leistungsberechnung einstellte.
Im Rahmen einer persönlichen Vorsprache bei dem Beklagten am 6. Januar 2014 bat die Klägerin um Erteilung eines schriftlichen Bescheides wegen der ihr zustehenden Leistungen. In dem von der Sachbearbeiterin des Beklagten zu der Vorsprache erstellten Vermerk heißt es, die Klägerin habe sich nach einer Diskussion über den Leistungsausschluss für Bürger der Europäischen Union danach erkundigt, wie sie wieder aus der Bedarfsgemeinschaft „gestrichen werden“ könne. Mit Eingang beim Beklagten am 27. Januar 2014 legte Herr D. sodann „Widerspruch gegen die Leistungsbescheide ab 28.10.2013 von Herrn D. bezüglich der nicht gewährten Leistungen für C. A.“ ein, da sie nicht vom Leistungsbezug ausgeschlossen werden dürfe. In einem weiteren „Widerspruch gegen den Bescheid vom 1. Januar 2014“ [ein solcher ist aus den Akten nicht ersichtlich] führte er unter anderem aus, es müsse, da er sich seit dem 1. Januar 2014 nicht mehr in einer Beziehung mit der Klägerin befinde und diese voraussichtlich nach Österreich zurückkehren werde, eine neue Regelung bezüglich Miete und Lebensunterhalt getroffen werden. Schließlich machte er in einem dritten Widerspruch gegen einen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid für die Monate August und September 2013, der wegen des Einzugs der Klägerin in die von ihm angemietete Wohnung ergangen war, geltend, diese habe weder im August noch im September 2013 bei ihm gewohnt noch seien sie zu diesem Zeitpunkt eine eheähnliche Gemeinschaft gewesen. Wegen der Einzelheiten wird auf den erwähnten Vermerk und die genannten Schreiben Bezug genommen.
Unter dem 26. März 2014 stellte Herr D. einen Weiterbewilligungsantrag für die Zeit ab 1. April 2014, in dem er als Antragsteller nur sich selbst aufführte. Die offenbar zunächst vorgenommene Eintragung einer weiteren Person im Haushalt und in der Bedarfsgemeinschaft sowie der Buchstaben „Axx“ in der zur Angabe von Änderungen des Familienstandes des Antragstellers beziehungsweise eines Mitglieds seiner Bedarfsgemeinschaft vorgesehenen Zeile des Formulars wurden durchgestrichen. Auf den Antrag wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen.
Der Beklagte bewilligte daraufhin durch an Herrn D. gerichteten Bescheid vom 14. April 2014 Leistungen für die Zeit vom 1. April bis zum 30. September 2014 – wiederum nur – zu dessen Gunsten. Dabei berücksichtigte er bei der Berechnung der diesem gewährten Leistungen weiterhin nur die Hälfte der anfallenden Aufwendungen für Unterkunft und Heizung. Die Klägerin wird wegen der anderen Hälfte im Berechnungsbogen aufgeführt; Leistungen zu ihren Gunsten sind jedoch nicht ausgewiesen. Wegen der Ausgestaltung des Bescheides im Einzelnen wird auf diesen (einschließlich des beigefügten Berechnungsbogens) verwiesen (Bl. 12 ff. der Akte zum Verfahren SG Kassel – S 7 AS 8/15 –).
Widerspruch gegen diesen Bescheid legten weder Herr D. noch die Klägerin selbst ein. Allerdings stellte diese gut drei Monate später, am 22. Juli 2014, beim Sozialgericht Kassel – S 6 AS 156/14 ER – zur Niederschrift der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz wegen ihr zu gewährender Grundsicherungsleistungen. Dem noch am gleichen Tag an ihn übermittelten Antrag trat der Beklagte am 28. Juli 2014 entgegen. Inhaltlich führte die Klägerin auf Anfrage des Sozialgerichts in einem Schreiben vom 18. August 2014 unter anderem aus, sie habe seit ihrer Einreise nach Deutschland zum Großteil von dem Geld gelebt, das Herr D. vom Beklagten bekommen habe. Sie hätten sich von Lebensmitteln ernährt, die sie von einer Bekannten vorbeigebracht bekommen hätten. Sie selbst sei im Januar 2014 einmal zurück nach Österreich gefahren, um dort Sozialhilfe anzufordern, damit sie wenigstens nach dem Umzug im November 2013 etwas mehr Geld zur Verfügung gehabt hätten. Außerdem habe sie sich ab und zu Geld bei Bekannten dort geliehen. Gearbeitet habe sie in Deutschland noch nicht. Allerdings habe sie sich bei dem Beklagten arbeits- beziehungsweise ausbildungssuchend gemeldet. Seit ihrer Einreise nach Deutschland habe sie drei Bewerbungen geschrieben. Leider sei es ihr in ihrer momentanen Verfassung nicht möglich, weitere zu schreiben. Im Rahmen eines vom Sozialgericht durchgeführten Erörterungstermins führte Herr D. unter anderem aus, es sei nicht so, dass die Klägerin bereits seit dem 1. August 2013 ihren ersten Wohnsitz in B-Stadt gehabt und mit ihm zusammengewohnt habe. Vielmehr habe er sie erst im August 2013 kennengelernt; dauerhaft zu ihm gezogen sei sie erst zu Beginn des Monats Oktober 2013. Die rückwirkende Meldung beim Einwohnermeldeamt habe „postalische Gründe“ gehabt. Auf die Frage des Gerichts, wann sich die Klägerin in Österreich aufgehalten und dort Sozialleistungen erhalten habe, antwortete die Klägerin, dies werde im Januar gewesen sein. Herr D. ergänzte, die Klägerin sei jedenfalls seit spätestens April 2014 durchgehend in Deutschland bei ihm in der Wohnung in B-Stadt gewesen. Auf die Niederschrift wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen (Bl. 68 f. der Akte zum Verfahren SG Kassel – S 6 AS 156/14 ER –).
Das Sozialgericht verpflichtete den Beklagten nachfolgend durch Beschluss vom 21. August 2014 dazu, der Klägerin im Wege der einstweiligen Anordnung ab dem 22. Juli 2014 Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch bestehend aus der Regelleistung und Leistungen für die Unterkunft und Heizung sowie für die Kranken- und Pflegeversicherung in gesetzlicher Höhe zu gewähren. Die Beschwerde des Beklagten gegen diese Entscheidung wies der erkennende Senat – L 6 AS 666/14 B ER – durch Beschluss vom 4. November 2014 mit der Maßgabe zurück, dass die Leistungen „bis einschließlich des Tages der Verkündung einer Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union in der Rs. C-333/13 oder einer anderweitigen Erledigung zu gewähren“ seien. Auf beide Entscheidungen (Bl. 70 ff. beziehungsweise Bl. 109 ff. der Gerichtsakte zum Verfahren vor dem SG Kassel – S 6 AS 156/14 ER – beziehungsweise vor dem erkennenden Senat – L 6 AS 666/14 B ER –) wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen.
Bereits am 19. August 2014 hatte die Klägerin – nach entsprechendem Hinweis des Sozialgerichts – einen Antrag auf Überprüfung des Bescheides vom 14. April 2014 auf der Grundlage von § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) gestellt. Diesen Antrag lehnte der Beklagte am 28. August 2014 mit einem der im hiesigen Verfahren streitigen Bescheide ab, da er Leistungen zu Recht nicht bewilligt habe.
Durch einen weiteren Bescheid vom selben Tage setzte er die Verpflichtung aus der vom Sozialgericht erlassenen einstweiligen Anordnung um, wobei der Bescheid für Juli 2014 Leistungen zu Gunsten der Klägerin und von Herrn D. in Höhe von insgesamt 711,15 Euro und für August und September 2014 jeweils Leistungen in Höhe von insgesamt 1.094,98 Euro vorsah. Wegen der Einzelheiten wird auf den Bescheid Bezug genommen.
Nachdem die Klägerin bereits am 1. Oktober 2014 wiederum zur Niederschrift der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle einen weiteren, nachfolgend für erledigt erklärten Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz vor dem Sozialgericht Kassel – S 7 AS 210/14 ER – gestellt hatte, gewährte der Beklagte zwar zunächst auf einen Ende September 2014 gestellten Weiterbewilligungsantrag mit Bescheid vom 2. Oktober 2014 unter Verweis auf den im vorangegangenen Eilverfahren ergangenen Beschluss des Sozialgerichts vom 21. August 2014 vorläufig Leistungen zu Gunsten der Klägerin und von Herrn D. für die Zeit vom 1. Oktober 2014 bis 31. Dezember 2014, und zwar in Höhe von insgesamt 1.130,28 Euro für Oktober 2014 sowie monatlich 1.024,38 Euro für November und Dezember 2014. Auf den Bescheid wird Bezug genommen. Er lehnte jedoch, nachdem der Europäische Gerichtshof am 11. November 2014 seine Entscheidung in im Verfahren C 333/13 – Rs. Dano – verkündet hatte, am 21. November 2014 mit dem weiteren im hiesigen Verfahren streitgegenständlichen Bescheid unter dem Betreff: „Ablehnungsbescheid für den Zeitraum vom 01.10.2014 – 31.12.2014“ den Weitergewährungsantrag der Klägerin vom 30. September 2014 ab. Diese sei nicht leistungsberechtigt nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch.
Am gleichen Tag erteilte er zudem einen als „Änderungsbescheid“ bezeichneten und an Herrn D. adressierten Bescheid, mit dem er – unter Aufhebung des Bescheides vom 2. Oktober 2014 insoweit – nunmehr für November 2014 Leistungen an diesen und die Klägerin in Höhe von zusammen 666,46 Euro, darunter 207,22 Euro zu Gunsten der Klägerin, und für Dezember 2014 Leistungen in Höhe von 459,24 Euro nur noch für Herrn D. bewilligte. Im Rahmen der Begründung dieses Bescheides führte er unter anderem aus, es seien folgende Änderungen eingetreten: „Durch die Umsetzung des Beschlusses des Hessischen Landessozialgerichts vom 04.11.2014, AZ L 6 AS 666/14 B ER ist Frau C. ab dem 12.11.2014 vom Leistungsbezug auszuschließen.“ Auf den Bescheid wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen.
Schließlich hörte der Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom gleichen Tag wegen einer aus seiner Sicht bestehenden Überzahlung von 357,92 Euro im November 2014 an; ein daran anknüpfender Aufhebungs- und Erstattungsbescheid ist allerdings, soweit ersichtlich, nicht ergangen. Auf die genannten Bescheide und das Anhörungsschreiben wird Bezug genommen.
Die Klägerin legte, anwaltlich vertreten, am 2. Dezember 2014 Widerspruch gegen „den Bescheid vom 24. November 2014“ ein. Zur Begründung führte sie wiederum aus, sie sei in die Bundesrepublik Deutschland eingereist, weil ihr Freund hier lebe und sie in der Bundesrepublik Deutschland eine Arbeit oder eine Berufsausbildung habe aufnehmen wollen. Nunmehr komme in Betracht, ein freiwilliges soziales Jahr abzuleisten.
Der Beklagte wies sodann mit Widerspruchsbescheid vom 8. Dezember 2014 den inhaltlich nicht näher begründeten Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 28. August 2014 wegen der Ablehnung des Antrags auf Überprüfung des Bescheides vom 14. April 2014 als unbegründet zurück. Es ergäben sich keine neuen Erkenntnisse, die dafür sprächen, dass die Entscheidung falsch sei. Er habe daher eine sachliche Prüfung des Bescheides vom 14. April 2014 ablehnen dürfen. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Widerspruchsbescheid Bezug genommen.
Mit einem weiteren Widerspruchsbescheid vom gleichen Tage wies er auch den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 24. November 2014 wegen der Ablehnung der Gewährung von Leistungen in der Zeit vom 1. Oktober 2012 [richtig: 2014] bis zum 31. Dezember 2014 zurück. Die Klägerin sei Unionsbürgerin und unterfalle damit den Regelungen des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (Freizügigkeitsgesetz/EU – FreizügG/EU –). Keiner der in § 2 Abs. 2 Nr. 2 bis Nr. 7 FreizügG/EU genannten Gründe für einen rechtmäßigen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland sei ersichtlich, ebenso wenig ein Aufenthaltsrecht aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen nach § 7 Abs. 1 Satz 3 SGB II in Verbindung mit §§ 22 ff. des Gesetzes über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (Aufenthaltsgesetzes – AufenthG –). Somit komme im Falle der Klägerin als Aufenthaltsgrund nur die Arbeitsuche gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU in Betracht. Sie sei daher nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II von den Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch ausgeschlossen. Auch habe der Europäische Gerichtshof mit Urteil vom 11. November 2014 in der Rechtssache C-333/13 entschieden, dass nicht erwerbstätige Unionsbürger, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergebe, von bestimmten Sozialleistungen ausgeschlossen werden könnten. Sollte die Klägerin – wie von ihr behauptet – gerade nicht beziehungsweise nicht allein zum Zwecke der Arbeitsuche nach Deutschland eingereist sein und sich nicht aus diesem Grund hier aufhalten, sei sie „erst recht“ von den Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch ausgeschlossen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Widerspruchsbescheid verwiesen.
Die Klägerin suchte daraufhin erneut um einstweiligen Rechtsschutz beim Sozialgericht Kassel – S 1 AS 254/14 ER – nach. In diesem Rahmen teilte die (später im hiesigen Verfahren) Beigeladene, insofern in ihrer Eigenschaft als Ausländerbehörde, auf Anfrage des Sozialgerichts mit, der Verlust des Rechts der Klägerin auf Einreise und Aufenthalt nach § 5 FreizügG/EU oder § 6 FreizügG/EU sei bisher nicht festgestellt worden. Das Sozialgericht Kassel verpflichtete daraufhin den Beklagten durch Beschluss vom 14. Dezember 2014 im Wege der einstweiligen Anordnung erneut, der Klägerin vorläufig Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch in gesetzlicher Höhe zu bewilligen, und zwar nunmehr für die Zeit vom 2. Dezember 2014 bis zum 31. Mai 2015, längstens bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens. Auf den Beschluss (Bl. 72 ff. der Gerichtsakte zum Verfahren S 1 AS 254/14 ER) wird Bezug genommen.
Der Beklagte setzte diesen Beschluss durch Bescheid vom 22. Dezember 2014 um und bewilligte zu Gunsten der Klägerin und von Herrn D. vorläufig Leistungen für die Zeit vom 1. Dezember 2014 bis zum 31. Dezember 2014 in Höhe von insgesamt 982,02 Euro, darunter 558,08 Euro zu Gunsten der Klägerin. Wegen der Einzelheiten wird auf den genannten Bescheid verwiesen.
Am 6. Januar 2015 hat die Klägerin sodann vor dem Sozialgericht Kassel zum einen Klage gegen den Bescheid vom 24. November 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Dezember 2014 erhoben; das Verfahren ist dort unter dem Aktenzeichen S 7 AS 7/15 angelegt worden. Zum anderen hat sie Klage gegen den Bescheid vom 28. August 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Dezember 2014 wegen der Überprüfung des Bescheides vom 14. April 2014 erhoben, wobei dieses Verfahren das Aktenzeichen S 7 AS 8/15 erhalten hat.
Während der erstinstanzlichen Verfahren hat der Beklagte auf einen am 2. Dezember 2014 gestellten Weiterbewilligungsantrag durch Bescheid vom 23. Januar 2015 vorläufig Leistungen zu Gunsten der Klägerin und von Herrn D. für die Zeit ab Januar 2015 bewilligt.
Weiter hat er, nachdem die Vermieterin der Klägerin und von Herrn D. durch Mietbescheinigung vom 19. Januar 2015 für die Zeit ab Dezember 2014 eine Erhöhung der Heizkostenvorauszahlung mitgeteilt hatte, am 30. April 2015 einen Änderungsbescheid hinsichtlich der für Dezember 2014 gewährten Leistungen erteilt und zu Gunsten der Klägerin und von Herrn D. Leistungen in Höhe von nunmehr insgesamt 1.034,64 Euro darunter 583,95 Euro zu Gunsten der Klägerin – bewilligt. Einen Vorläufigkeitsvorbehalt enthielt dieser Bescheid (nur) im Rahmen der Begründung des Bescheides und im Hinblick auf die Nebenkosten, die als Vorauszahlung auf die jährliche Nebenkostenabrechnung erbracht würden. Auf den Bescheid wird Bezug genommen.
Das Sozialgericht hat im weiteren Verlauf zu beiden gerichtlichen Verfahren durch zwei Beschlüsse vom 11. März 2016 die Stadt Kassel als zuständigen Sozialhilfeträger auf der Grundlage von § 75 Abs. 2 Alt. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beigeladen, da diese als leistungspflichtig in Betracht komme.
Die Klägerin hat zur Begründung beider Klagen im Wesentlichen übereinstimmend geltend gemacht, ihr stünden im jeweiligen Streitzeitraum Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch zu. Sie sei in die Bundesrepublik eingereist, um hier einen „Neustart“ zu versuchen. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass sie einen Anspruch aufgrund des Deutsch-Österreichischen Fürsorgeabkommens (DÖFA) gegenüber dem Beklagten geltend machen könne.
Der Beklagte hat demgegenüber an seiner Rechtsauffassung festgehalten, wonach die Klägerin gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch ausgeschlossen sei. Hieran ändere auch das Deutsch-Österreichische Fürsorgeabkommen nichts, da dieses nicht auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende anzuwenden sei. Bei dieser handele es nicht um ein reines Fürsorgesystem.
Die Beigeladene hat im Verlauf des Verfahrens zunächst grundsätzlich ihre Bereitschaft zur Leistungserbringung in Aussicht gestellt und der Klägerin mit Schreiben vom 13. Dezember 2016 mitgeteilt, sie erkenne ihr für die Zeit vom 1. bis zum 21. Juli 2014 und vom 12. November bis zum 1. Dezember 2014 einen Anspruch auf Sozialhilfe dem Grunde nach zu. Zu einer abschließenden, einen konkreten Leistungsbetrag ausweisenden Bewilligung ist es jedoch nicht gekommen. Vielmehr hat die Beigeladene ihre Bereitschaft, Leistungen zu erbringen, zurückgezogen und auf die Zuständigkeit des Beklagten verwiesen, nachdem die Klägerin auf die Existenz des Deutsch-Österreichischen Fürsorgeabkommens (DÖFA) hingewiesen hatte.
Das Sozialgericht hat, nachdem es in der mündlichen Verhandlung die beiden Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden hatte, durch Urteil vom 24. Mai 2017 (1.) den Bescheid des Beklagten vom 28. August 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Dezember 2014 aufgehoben und diesen verpflichtet, seinen Leistungsbewilligungsbescheid vom 14. April 2014 teilweise zurückzunehmen und der Klägerin dem Grunde nach Arbeitslosengeld II für die Zeit vom 1. April 2014 bis 30. September 2014 zu gewähren, und (2.) den Bescheid des Beklagten vom 21. November 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Dezember 2014 aufgehoben und diesen dem Grunde nach verurteilt, der Klägerin Arbeitslosengeld II vom 1. Oktober 2014 bis 31. Dezember 2014 zu gewähren.
Zur Begründung hat es namentlich ausgeführt, der Beklagte habe der Klägerin zu Unrecht Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch für die Zeit vom 1. April 2014 bis 31. Dezember 2014 verweigert. Insbesondere greife der vom Beklagten angenommene Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II nicht ein, weil die Klägerin dem Deutsch-Österreichischen Fürsorgeabkommen unterliege.
Streitgegenstand sei zum einen im Rahmen von § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X der Zeitraum vom 1. April 2014 bis 30. September 2014, weil der ursprüngliche Leistungsbewilligungsbescheid des Beklagten vom 14. April 2014 – der lediglich zu Gunsten des Lebensgefährten der Klägerin ergangen sei und für die Klägerin Leistungen abgelehnt habe – gemäß § 77 SGG bestandskräftig geworden sei. Für den Folgezeitraum vom 1. Oktober 2014 bis 31. Dezember 2014 sei der Bescheid des Beklagten vom 21. November 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Dezember 2014 rechtswidrig, weil er der Klägerin Arbeitslosengeld II vorenthalte. Über den 31. Dezember 2014 hinaus erstrecke sich der Streitzeitraum nicht, weil am 1. Januar 2015 auf den Antrag der Klägerin und ihres Lebensgefährten vom 2. Dezember 2014 ein neuer Bewilligungsabschnitt begonnen habe.
Gemäß § 44 Abs. 1 SGB X sei ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden sei, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergebe, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden sei, der sich als unrichtig erweise, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden seien. Der angefochtene Bescheid vom 28. August 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Dezember 2014 (ursprüngliches Klageverfahren S 7 AS 8/15) sei danach rechtswidrig, weil der Beklagte mit dem Leistungsbewilligungsbescheid vom 14. April 2014 die Klägerin von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch ausgeklammert habe. Die Klägerin habe jedoch gleichermaßen Anspruch auf Arbeitslosengeld II für die Zeit vom 1. April 2014 bis 30. September 2014 gehabt. Auf ihre statthafte Anfechtung-, Verpflichtungs- und Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 4 SGG sei der Beklagte daher zu Leistungen für diese Zeit zu verpflichten.
Gleichermaßen sei dessen Bescheid vom 21. November 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Dezember 2014 (ursprünglicher Rechtsstreit S 7 AS 7/15) rechtswidrig, da er der Klägerin Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch für den Streitzeitraum vom 1. Oktober 2014 bis 31. Dezember 2014 verweigere. Hier sei der Beklagte auf die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage der Klägerin gemäß § 54 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 4 SGG zur Gewährung von Leistungen dem Grunde nach zu verurteilen. Das Gericht habe jeweils gemäß § 130 Abs. 1 Satz 1 SGG durch Grundurteil entscheiden können, da eine Leistung in Geld begehrt werde, auf die ein Rechtsanspruch bestehe. Darüber hinaus sei die Leistungspflicht des Beklagten wahrscheinlich.
Die Klägerin sei im gesamten Streitzeitraum leistungsberechtigt gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II und auch nicht gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II von Leistungen ausgeschlossen gewesen. Nach dieser Vorschrift seien Ausländerinnen und Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergebe, und ihre Familienangehörigen von den Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch ausgeschlossen.
Auf die Frage einer Aufenthaltsberechtigung nach § 2 FreizügG/EU komme es bei der Klägerin nicht an. Vielmehr handele es sich um einen mit dem Urteil des Bundessozialgerichtes vom 19. Dezember 2010 (Verweis auf BSG, Urteil vom 19. Dezember 2010 – B 14 AS 23/10 R –, juris) vergleichbaren Fall. Nach dieser Entscheidung sei ein Ausländer, der sein Aufenthaltsrecht allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ableite, nicht von den Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende ausgeschlossen, wenn er vom Schutzbereich des Europäischen Fürsorgeabkommens (EFA) erfasst werde. Zwar schließe dieses die Republik Österreich nicht ein; die Bundesrepublik Deutschland habe jedoch mit dieser ein eigenes Fürsorgeabkommen geschlossen, das Deutsch-Österreichische Fürsorgeabkommen vom 17. Januar 1966 (Verweis auf das Gesetz vom 28. Dezember 1968 zu diesem Abkommen, BGBl. II 1969, S. 1). Der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II sei danach auf die Klägerin nicht anwendbar, weil sie sich auf das Gleichbehandlungsgebot des Art. 2 Abs. 1 DÖFA berufen könne, wonach Staatsangehörigen der einen Vertragspartei, die sich im Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartei aufhielten, Fürsorge und Jugendwohlfahrtspflege in gleicher Weise, in gleichem Umfang und unter den gleichen Bedingungen wie den Staatsangehörigen des Aufenthaltsstaates gewährt würden. Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch seien Fürsorge im Sinne von § 2 Abs. 1 DÖFA.
Das Bundessozialgericht habe in dem genannten Urteil vom 19. Oktober 2010 zum Europäischen Fürsorgeabkommen zunächst ausgeführt, dass es sich bei diesem um unmittelbar geltendes Bundesrecht handele, da der Bundestag dem Abkommen mit dem mit Zustimmung des Bundesrats beschlossenen Gesetz vom 15. Mai 1956 zugestimmt habe. Vergleichbares gelte für das Deutsch-Österreichische Fürsorgeabkommen. Das Bundessozialgericht habe in dem genannten Urteil (a.a.O., Rn. 21) weiter ausgeführt, der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II sei wegen des – im dortigen Rechtsstreit anzuwendenden – Europäischen Fürsorgeabkommens unanwendbar, weil das dort verankerte Gleichbehandlungsgebot dem dortigen Kläger einen Leistungsanspruch gegenüber dem SGB II-Träger gegeben habe. Für das hier einschlägige Deutsch-Österreichische Fürsorgeabkommen gelte nichts Anderes. Allerdings vertrete das Sozialgericht Aachen (Verweis auf SG Aachen, Beschluss vom 20. März 2015 – S 11 AS 169/15 ER –) die Auffassung, dass dieses auf Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch nicht anzuwenden sei, da sich bei diesen nicht um Fürsorgeleistungen im Sinne von Art. 1 Nr. 4 DÖFA handele. Dieser Auffassung folge das erkennende Gericht nicht. Vorzuziehen sei die Auffassung des Sozialgerichts München im Urteil vom 10. Februar 2017, wonach das Gleichbehandlungsgebot nach Art. 2 Abs. 1 DÖFA dazu führe, dass der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II auf österreichische Staatsbürger grundsätzlich nicht anwendbar sei (Verweis auf SG München, Urteil vom 10. Februar 2017 – S 46 AS 204/15 –, juris, Leitsatz und Rn. 20 ff). Letztlich sei die Rechtsfrage bereits durch die Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes zum Europäischen Fürsorgeabkommen entschieden. Denn in seinem Urteil vom 19. Oktober 2010 (a.a.O., Rn. 32 f.) habe das Bundessozialgericht ausgeführt, dass das Sozialgesetzbuch Zweites Buch – anders als bis zum 1. Januar 2005 die Arbeitslosenhilfe als Lohnersatzleistung – ein bedarfsabhängiges Leistungssystem darstelle. Die Fürsorgegesetzgebung in der Bundesrepublik sei nach dem Außerkrafttreten des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) zum 1. Januar 2005 nicht auf die Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch beschränkt. Vielmehr unterschieden sich Sozialhilfe und Grundsicherung für Arbeitsuchende zwar nach ihrem Adressatenkreis. Das Sozialgesetzbuch Zweites Buch verliere dadurch aber nicht seinen Charakter als Fürsorgegesetz. Der Begriff der Fürsorge des Deutsch-Österreichischen Fürsorgeabkommens unterscheide sich nach Ziel, Umfang und Ausrichtung nicht von dem Begriff der Fürsorge im Europäischen Fürsorgeabkommen (Verweis auf SG München, a.a.O., Rn. 27). Der Wortlaut des Deutsch-Österreichischen Fürsorgeabkommens sei hinsichtlich der Definition des Begriffes womöglich sogar noch umfassender als das Europäische Fürsorgeabkommen, definiere Art. 1 Nr. 4 DÖFA „Fürsorge“ doch als alle gesetzlich begründeten Geld-, Sach-, Beratungs-, Betreuungs- und sonstigen Hilfeleistungen aus öffentlichen Mitteln zur Deckung und Sicherung des Lebensbedarfes für Personen, die keine andere Voraussetzung als die der Hilfebedürftigkeit zu erfüllen hätten. Auch in Ansehung des letzten Halbsatzes von Art. 1 Nr. 4 DÖFA vermöge die Kammer keinen Unterschied zur Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes zum Europäischen Fürsorgeabkommen zu erkennen. Die im Sozialgesetzbuch Zweites Buch genannten weiteren Leistungsvoraussetzungen dienten allein der Systemabgrenzung im seit dem 1. Januar 2005 geschaffenen System der Sozialhilfe (Verweis auf SG München, a.a.O., Rn. 22 ff.).
Dass sich die Klägerin in der Zeit ihres Aufenthaltes in der Bundesrepublik Deutschland und somit im Streitzeitraum zur Arbeits- oder Ausbildungsplatzsuche hier aufgehalten habe, bezweifele die Kammer nicht. Insbesondere sei dies auch die Argumentation des Beklagten, womit er den Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II begründe. Die Klägerin sei auch nicht in die Bundesrepublik eingereist, um Fürsorgeleistungen zu erhalten. Nach dem Schlussprotokoll zum Deutsch-Österreichischen Fürsorgeabkommen sollten Vergünstigungen nach dem Abkommen solchen Personen nicht zugutekommen, die das Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartei aufsuchten, um diese Vergünstigungen in Anspruch zu nehmen (sogenannte „Um-zu-Einreise“). Von einem derartigen Zusammenhang zwischen dem Einreiseentschluss der Klägerin und der Inanspruchnahme der Vergünstigung vermöge die Kammer angesichts der Umstände des vorliegenden Einzelfalles nicht auszugehen (zum finalen Zusammenhang Verweis auf SG München, a.a.O., Rn. 31). Denn die Klägerin sei im August 2013 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist und in der Folge mit ihrem Lebensgefährten im November 2013 in eine gemeinsame Wohnung gezogen. Dass sie ausschließlich, um Sozialleistungen der Bundesrepublik Deutschland in Anspruch zu nehmen, aus Österreich eingereist sei, sei angesichts ihres Vortrages zu den tatsächlichen Lebensumständen nicht anzunehmen. Insbesondere sei der Vortrag zum Zusammenleben mit ihrem Freund und zur Ausbildungsplatz- beziehungsweise Arbeitsuche in sich schlüssig und nachvollziehbar.
Schließlich ergebe sich die Unanwendbarkeit des Deutsch-Österreichischen Fürsorgeabkommens auch nicht etwa aus einem entsprechenden, von der Bundesregierung erklärten Vorbehalt, da ein solcher Vorbehalt nicht erklärt sei.
Der Beklagte hat – nach Zustellung des Urteils bei ihm am 30. Juni 2017 – am 21. Juli 2017 Berufung eingelegt. Er geht unter Wiederholung und Vertiefung seines bisherigen Vorbringens weiterhin davon aus, dass Ansprüche der Klägerin auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II ausgeschlossen seien. Das Bundessozialgericht habe sich in der vom Sozialgericht herangezogenen Entscheidung nicht mit dem Deutsch-Österreichischen Fürsorgeabkommen und dessen Auswirkungen auf das Sozialgesetzbuch Zweites Buch befasst. Das Abkommen stehe einer Anwendung des Ausschlusstatbestandes aus § 7 Abs. 1 Satz Nr. 2 SGB II nicht entgegen. Zunächst sei es überholt, nachdem beide vertragschließenden Staaten nunmehr der Europäischen Union angehörten. Weiter sei der Fürsorgebegriff im Sinne des Deutsch-Österreichischen Fürsorgeabkommens nicht identisch mit dem des Europäischen Fürsorgeabkommens, denn die vom Deutsch-Österreichischen Fürsorgeabkommen erfassten Leistungen würden in dessen Art. 1 Nr. 4 ausdrücklich definiert als „alle gesetzlich begründeten Geld-, Sach-, Beratungs-, Betreuungs- und sonstigen Hilfeleistungen aus öffentlichen Mitteln zur Deckung und Sicherung des Lebensbedarfs für Personen, die keine anderen Voraussetzungen als die der Hilfebedürftigkeit zu erfüllen haben“. Anspruch auf Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch hätten Personen jedoch nicht schon dann, wenn sie hilfebedürftig seien, sondern nur, wenn sie zugleich das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze des § 7a SGB II noch nicht erreicht hätten und wenn sie erwerbsfähig seien. Aufgrund dieser weiteren Voraussetzungen seien Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch gerade keine Fürsorgeleistungen im Sinne des Deutsch-Österreichischen Fürsorgeabkommens. Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum Europäischen Fürsorgeabkommen lassen sich auf jenes nicht übertragen. Selbst wenn man aber im Übrigen eine Anwendung des Deutsch-Österreichischen Fürsorgeabkommens auch auf die Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch bejahe, sei ein Leistungsausschluss zulässig, denn den vertragschließenden Staaten seien nach dem Abkommen Ausschlussregelungen wie die des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II nicht untersagt. Nach dessen Schlussprotokoll hätten beide Vertragsparteien festgestellt, dass Vergünstigungen aus diesem Abkommen Personen nicht zugutekommen sollten, die das Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartei aufsuchten, um diese Vergünstigungen in Anspruch zu nehmen. Gerade auf diese Personengruppe ziele § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II ab. Soweit das Sozialgericht ausführe, dass sich keine Anhaltspunkte dafür ergäben, dass die Klägerin ausschließlich eingereist sei, um Sozialleistungen der Bundesrepublik Deutschland in Anspruch zu nehmen, handele es sich letztlich um Mutmaßungen. Das reiche nicht aus, da es sich bei den Einreisemotiven um Umstände allein aus der Sphäre der Klägerin handele, für welche die Beweislast daher ausschließlich bei ihr liege.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 24. Mai 2017 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung die Klage für den Zeitraum vom 1. April 2014 bis zum 30. Juni 2014 zurückgenommen und danach beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
hilfsweise, die Beigeladene zu verurteilen, (ihr, der Klägerin,) Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch ab 1. Juli 2014 zu gewähren.
Die Klägerin verteidigt das angegriffene Urteil, soweit es nach der teilweisen Klagerücknahme noch Bestand hat. Zu den tatsächlichen Umständen hat sie ergänzend vorgetragen, dass sie Herrn D. im November 2012 bei einem Onlinespiel kennengelernt habe. Nachfolgend sei man sich nähergekommen und habe beschlossen, zusammenzuziehen. Sie habe dies als Chance für einen neuen Start gesehen. Sie sei dann im Januar 2014 nur kurz in Österreich bei ihrem Vater gewesen, dann sei sie zurück nach Deutschland gekommen und ungefähr am 27. oder 28. März 2014 nochmals für drei Monate nach Österreich zurückgekehrt. Hier habe sie bei ihrem Vater gelebt. Hintergrund sei gewesen, dass sie dort ihren Führerschein habe machen wollen, den der damalige Freund ihrer Mutter finanziert habe, allerdings nur unter der Bedingung, dass sie während dieser Zeit bei ihrem Vater in Österreich lebe. Der Aufenthalt dort sei von vornherein als nur vorübergehender geplant gewesen. Den falschen Angaben, die Herr D. im Erörterungstermin vor dem Sozialgericht zu ihrer Rückkehr nach B-Stadt gemacht habe, habe sie nicht widersprochen, weil sie sich von ihrem damaligen Partner eingeschüchtert gefühlt habe. Zum Zeitpunkt ihrer Rückkehr nach Deutschland hat die Klägerin eine Kopie ihres Führerscheins, aus der sich ergibt, dass sie ab dem 3. Juni 2014 die Fahrerlaubnis für PKWs erworben hatte, und Einträge aus ihrem Facebook-Profil vorgelegt, in dem es unter dem 8. Juni 2014 heißt: „Dann schlafen wir heute die letzte Nacht in Tirol morgen geht‘s auf nach Hause! Endlich kann ich meine 2 Lieblinge [nach dem Zusammenhang sind wohl Herr D. und ein Hund gemeint] wieder in die Arme schließen!“
Sie habe vor ihrer erstmaligen Einreise nach Deutschland in Österreich Sozialhilfeleistungen bezogen, die dort bedarfsorientierte Mindestsicherung genannt würden. Im Falle ihrer dauerhaften Rückkehr hätte sie als österreichische Staatsbürgerin weiterhin Anspruch auf diese Mindestsicherung gehabt. Die genaue Leistungshöhe sei ihr nicht mehr erinnerlich, habe aber über 600,- Euro betragen. Entsprechende Leistungen habe sie vor ihrer ersten Einreise nach Deutschland im Sommer 2013 und dann wieder im Jahr 2016 erhalten, als sie im Zusammenhang mit dem Tod ihres Vaters wieder nach Österreich gegangen sei.
Die Beigeladene beantragt,
den hilfsweise gestellten Antrag der Klägerin zurückzuweisen.
Sie macht geltend, dass Leistungen der Klägerin auf Sozialhilfe und damit ihr gegenüber in jedem Falle ausgeschlossen seien: Entweder habe die Klägerin aufgrund des Deutsch-Österreichischen Fürsorgeabkommens einen Anspruch gegen den Beklagten oder dieser Anspruch sei ausgeschlossen, weil die Klägerin nur eingereist sei, um Sozialleistungen in der Bundesrepublik in Anspruch zu nehmen. In einem derartigen Fall der „Um-Zu-Einreise“ wäre jedoch im Verhältnis zu ihr, der Beigeladenen, der entsprechende Ausschlusstatbestand aus § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XII zu beachten, der seinerseits Ausländer bei finaler Einreise zum Zwecke des Sozialleistungsbezuges von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch ausnehme.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten sowie zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie auf den Inhalt der Gerichtsakten sowohl zum hiesigen wie zu den Verfahren S 6 AS 156/14 ER und L 6 AS 666/14 B ER sowie S 1 AS 254/14 ER und den Inhalt der die Klägerin (und Herrn D.) betreffenden Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Beklagten ist zulässig, aber nicht begründet. Im Grundsatz zutreffend hat das Sozialgericht den Klagen stattgegeben; namentlich ist es zu Recht davon ausgegangen, dass Ansprüche der Klägerin nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch für den streitigen Zeitraum nicht auf Grund von § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II ausgeschlossen waren.
I. Gegenstand des Verfahrens sind neben dem angegriffenen Urteil – soweit sich das Verfahren nicht durch die teilweise Klagerücknahme in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erledigt hat und das erstinstanzliche Urteil insoweit wirkungslos geworden ist – zum einen Ansprüche der Klägerin auf laufende Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende für den Leistungszeitraum vom 1. Juli 2014 bis zum 30. September 2014 (ehemaliges Verfahren S 7 AS 8/15), zum anderen Leistungsansprüche für die Zeit vom 1. Oktober 2014 bis zum 31. Dezember 2014 (ehemaliges Verfahren S 7 AS 7/15). Dabei ist für die Zeit vom 1. bis zum 21. Juli 2014 eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage statthaft; für die Zeit vom 22. Juli 2014 bis 31. Dezember 2014, während derer die Klägerin entsprechende Zahlungen auf Grund der zu ihren Gunsten ergangenen einstweiligen Anordnungen und der daran anschließenden Bescheide des Beklagten schon erhalten hat, genügt eine auf die endgültige Festsetzung entsprechender Leistungen gerichtete kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage, nachdem die Klägerin ausweislich des Schreibens ihrer Bevollmächtigten vom 10. September 2021 darüber hinausgehende Ansprüche nicht geltend macht.
1. Hinsichtlich des Zeitraums vom 1. Juli 2014 (beziehungsweise ursprünglich ab 1. April 2014) bis zum 30. September 2014 sind die Beteiligten und das Sozialgericht davon ausgegangen, dass das Begehren der Klägerin im Wege der Überprüfung des Bescheides vom 14. April 2014 geltend zu machen sei. Nach Auffassung des Senats ist diesem Bescheid jedoch eine Regelung ihrer Ansprüche gar nicht zu entnehmen: Den vorangegangenen, auf den 26. März 2014 datierten Weiterbewilligungsantrag hatte Herr D. ausschließlich im eigenen Namen gestellt. Das wird noch dadurch verdeutlicht, dass die im Formular zunächst vorgenommene Eintragung einer weiteren Person im Haushalt und in der Bedarfsgemeinschaft ebenso durchgestrichen ist wie die noch, wenn auch undeutlich, erkennbaren Buchstaben „Axx“. Das durch diese Ausgestaltung nahegelegte, auf Herrn D. als Antragsteller begrenzte Verständnis des Antrags wird weiter dadurch gestützt, dass sich die Klägerin selbst zuvor, konkret am 6. Januar 2014, danach erkundigt hatte, wie sie aus der Bedarfsgemeinschaft wieder „gestrichen werden“ könne, und Herr D. im Rahmen der Ende Januar 2014 erhobenen Widersprüche gegen die Gewährung von Leistungen nur an ihn bei dennoch nur hälftiger Berücksichtigung der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung angegeben hatte, er befinde sich seit dem 1. Januar 2014 nicht mehr in einer Beziehung mit der Klägerin und diese werde voraussichtlich nach Österreich zurückkehren.
Im Ergebnis war der unter dem 26. März 2014 gestellte Weiterbewilligungsantrag so gestaltet, dass er aus Sicht des Beklagten als Empfänger dahin verstanden werden musste, dass Herr D. tatsächlich Leistungen nur noch für sich und nicht mehr (auch) für die Klägerin geltend machen wollte; einen eigenen Antrag für die Zeit ab 1. April 2014 hat die Klägerin damit (zunächst) nicht gestellt. Auch der auf diesen Antrag hin erteilte Bescheid des Beklagten vom 14. April 2014 ist vor diesem Hintergrund aus Sicht von Herrn D. als mit den Umständen vertrautem Empfänger nicht als Ablehnung eines – gar nicht gestellten – Leistungsantrags von Seiten der Klägerin zu verstehen. Sie ist in dem Bescheid zwar aufgeführt, allerdings nur im Berechnungsbogen, was unschwer damit zu erklären ist, dass der Beklagte weiterhin nur die Hälfte der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung bei den Herrn D. bewilligten Leistungen berücksichtigen wollte. Der Bescheid ist auch später nicht so abgeändert worden, dass er als Entscheidung auch über Leistungsansprüche der Klägerin verstanden werden könnte und müsste.
Allerdings ist der von der Klägerin gestellte Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz vom 22. Juli 2014, den das Sozialgericht Kassel noch am gleichen Tag an den Beklagten weitergeleitet hat, als (neuer) Leistungsantrag der Klägerin im Sinne von § 37 Abs. 1 Satz 1 SGB II zu verstehen, der nach § 37 Abs. 2 Satz 2 SGB II (nur) auf den 1. Juli 2014 zurückwirkte (weshalb im Übrigen auch die Klagerücknahme hinsichtlich der Ansprüche bis 30. Juni 2014 sachgerecht war). Man wird vor dem Hintergrund dieses Verfahrensablaufs den streitigen Bescheid vom 28. August 2014, obwohl er seinem Wortlaut nach nur die Überprüfung des Bescheides vom 14. April 2014 abhandelte, (auch) als Ablehnung des mit der Einleitung des einstweiligen Anordnungsverfahrens konkludent gestellten Antrags an den Beklagten verstehen können. Jedenfalls wäre es nach Auffassung des Senats unter prozessökonomischen Gesichtspunkten und mit Rücksicht auf die Grundsätze eines fairen Verfahrens unangemessen, die Beteiligten im jetzigen Stadium ihrer Auseinandersetzung darauf zu verweisen, der Beklagte müsse zunächst den konkludenten Antrag aus dem Juli 2014, weil noch offen, bescheiden und sodann müsse ein Widerspruchsverfahren durchgeführt werden, bevor in einem neuen sozialgerichtlichen Verfahren eine gerichtliche Prüfung in der Sache erfolgen könnte.
Im Ergebnis ist für die Zeit ab dem 1. Juli 2014 bis zum 21. Juli 2014 eine kombinierte Anfechtung- und Leistungsklage, ab dem 22. Juli 2014 eine kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage statthaft (dazu sogleich unter 4.); die Klägerin musste ihre Anträge dabei nicht zusätzlich auf eine vorgängige Korrektur des Bescheides vom 14. April 2014 richten. Ihr Begehren ließ und lässt sich unproblematisch im Sinne der danach statthaften Anträge auslegen, nachdem die Gerichte nach § 123 SGG (für das Berufungsverfahren in Verbindung mit § 153 Abs. 1 SGG) über die erhobenen Ansprüche entscheiden, ohne an die Fassung der Anträge gebunden zu sein; das diesem Begehren stattgebende erstinstanzliche Urteil war mit einer entsprechenden klarstellenden Maßgabe aufrechtzuerhalten.
2. Weiter macht die Klägerin Leistungen für die Zeit vom 1. Oktober 2014 bis zum 31. Dezember 2014 geltend. Ihr diesbezügliches prozessuales Begehren hat sie erstinstanzlich zutreffend mit einer gegen den diesen Zeitraum betreffenden Ablehnungsbescheid vom 21. November 2014 in Gestalt des zugehörigen Widerspruchsbescheides vom 8. Dezember 2014 gerichteten Klage geltend gemacht.
Der vorläufige Bescheid vom 2. Oktober 2014, mit dem der Beklagte unter Verweis auf das vorangegangene Eilverfahren vorläufig Leistungen zu Gunsten der Klägerin (und zu Gunsten von Herrn D.) für den streitigen Zeitraum bewilligt hatte, hat sich durch den Erlass des (endgültigen) Ablehnungsbescheides vom 21. November 2014 erledigt (§ 39 Abs. 2 SGB X). Er ist daher nicht Gegenstand des Verfahrens, wovon auch die Beteiligten und das Sozialgericht zutreffend ausgegangen sind.
Dagegen ist – jedenfalls zur Klarstellung – der ebenfalls am 21. November 2014 ergangene und als „Änderungsbescheid“ bezeichnete Verwaltungsakt, mit dem der Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 2. Oktober 2014 insoweit Leistungen für November 2014 und Dezember 2014 festgesetzt und in diesem Rahmen die Bewilligung von Leistungen (nur für November 2014 und auch für diesen Monat nur teilweise und daher in abgesenkter Höhe) auch zu Gunsten der Klägerin verfügt hat, in das Verfahren einzubeziehen. Zwar sollte der Bescheid nach der Regelungsabsicht des Beklagten möglicherweise nur die Leistungen von Herrn D. betreffen – anders ist der Widerspruch zu dem am gleichen Tag ergangenen Bescheid über die vollständige Ablehnung von Leistungen zu Gunsten der Klägerin für die Zeit von Oktober bis Dezember 2014 kaum zu erklären. Da der Änderungsbescheid aber für den Monat November 2014 eine Teilbewilligung auch zu ihren Gunsten ausweist, ist der Regelungsgehalt nicht eindeutig: Namentlich da der Bescheid ein Verständnis nahelegt, womit der Beklagte (auch) mit ihm Leistungen zu Gunsten der Klägerin für Dezember 2014 und einen Teil des November 2014 (konkludent) abgelehnt hat, ist er jedenfalls zur Klarstellung in das Verfahren einzubeziehen.
Dagegen sind der Bescheid des Beklagten vom 22. Dezember 2014, der zur Umsetzung der einstweiligen Anordnung des Sozialgerichts Kassel im Verfahren S 1 AS 254/14 ER diente, und der nachfolgende, vom Beklagten am 30. April 2015 erteilte Änderungsbescheid hinsichtlich der für den Dezember 2014 an die Klägerin und Herrn D. zu gewährenden Leistungen nicht als Gegenstand des Verfahrens anzusehen, auch wenn sie sich auf den Streitzeitraum beziehen: Der Beklagte hat mit ihnen im Ergebnis Leistungen zu Gunsten der Klägerin in Höhe von immerhin 583,95 Euro bewilligt – höhere Leistungen macht sie, wie ihre Bevollmächtigte mit Schreiben vom 10. September 2021 klargestellt hat, nicht geltend, so dass sie durch diese Bescheide jedenfalls nicht beschwert ist. Angesichts ihres Obsiegens (zumindest auch) aus anderen Gründen hinsichtlich der Festsetzung von endgültigen Leistungen für den Dezember 2014 muss der Senat dabei nicht entscheiden, ob die Klägerin aus ihnen und namentlich aus dem Bescheid vom 30. April 2015 dauerhaft und unabhängig vom Ausgang des hiesigen Verfahrens einen Behaltensgrund für entsprechende Zahlungen herleiten könnte oder ob der im Bescheid aufgeführte Vorläufigkeitsvorbehalt, der sich nur auf die Nebenkosten bezieht und nicht im Verfügungssatz enthalten ist, ausreicht, um einen Behaltensgrund infrage zu stellen. Allerdings hat der Senat angesichts dieser unklaren Reichweite des Regelungsgehalts dieser Bescheide – wiederum zumindest zur Klarstellung – ausdrücklich ausgesprochen, dass der Klägerin dem Grunde nach endgültig Leistungen (auch) für Dezember 2014 zustehen.
3. Die den anschließenden Bewilligungszeitraum ab 1. Januar 2015 betreffenden Bescheide sind nicht, auch nicht über § 96 SGG zum Gegenstand des hiesigen Verfahrens geworden.
4. Statthaft ist vor dem Hintergrund der dargestellten Bescheidsituation für die Zeit vom 1. Juli bis zum 21. Juli 2014 eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1, Abs. 4, § 56 SGG), nachdem für diesen Zeitraum eine auch nur vorläufige Leistungsbewilligung nicht vorliegt und der Beklagten dementsprechend keine Zahlungen an die Klägerin erbracht hat. Für die Zeit vom 22. Juli 2014 bis zum 31. Dezember 2014 konnte die Klägerin ihr Klageziel dagegen (bereits) mit einer kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 und Alt. 2 SGG, § 56 SGG) erreichen, da sie für diesen Zeitraum nicht die Erbringung weiterer Leistungen, sondern (nur) die Festsetzung endgültiger Leistungen begehrt, nachdem sie für diesen Zeitraum Zahlungen des Beklagten auf Grund der einstweiligen Anordnungen sowie der daran anknüpfenden Bescheide über die Bewilligung vorläufiger Leistungen bereits erhalten hat; das gilt jedenfalls auf Grund des Bescheides vom 30. April 2015 im Übrigen auch für den ganzen Dezember 2014, obwohl die einstweilige Anordnung aus dem Verfahren S 1 AS 254/14 ER eine Verpflichtung des Beklagten erst ab 2. Dezember 2014 vorsah.
Im Ergebnis richtete sich das Klageziel der Klägerin für die Zeit vom 22. Juli 2014 bis 31. Dezember 2014 – neben der Aufhebung des jeweils maßgeblichen Ablehnungsbescheides des Beklagten vom 28. August 2014 beziehungsweise vom 21. November 2014 und der Änderung des weiteren Bescheides vom 21. November 2014, mit dem er ganz eingeschränkt Leistungen für November 2014 zu ihren Gunsten bewilligt hat – (nur) darauf, den Beklagten zum Erlass eines Bescheids zu verpflichten, mit dem er Grundsicherungsleistungen in gesetzlicher Höhe festsetzt. Der Notwendigkeit und damit der Zulässigkeit einer Leistungsklage steht danach entgegen, dass die Klägerin für diesen Zeitraum weitere Geldleistungen gar nicht beansprucht; umgekehrt würde mit einer Beschränkung auf eine reine Anfechtungsklage ihrem verfahrensrechtlichen Anspruch auf eine zutreffende abschließende Entscheidung über ihr Leistungsbegehren durch feststellenden Verwaltungsakt nicht Rechnung getragen (vgl. in diesem Sinne auch BSG, Urteil vom 7. Mai 2019 – B 11 AL 10/18 R –, SozR 4-4300 § 155 Nr. 1, Rn. 12; BSG, Urteil vom 8. Februar 2017 – B 14 AS 22/16 R –, juris, Rn. 10 f.). Vor diesem Hintergrund hat der Senat den Tenor des erstinstanzlichen Urteils klarstellend entsprechend gefasst; da die Klägerin ein weitergehendes Klagebegehren – auch im erstinstanzlichen Verfahren – erkennbar nicht verfolgt hat, ist damit eine (teilweise) Klageabweisung nicht verbunden.
Auch wenn das Sozialgerichtsgesetz den Erlass eines Grundurteils in § 130 Abs. 1 Satz 1 SGG nur vorsieht, wenn der Aktivbeteiligte im Wege der Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 4 oder Abs. 5 SGG eine Leistung in Geld begehrt, auf die ein Rechtsanspruch besteht, ist die Vorschrift nach Auffassung des Senats in Fallkonstellationen wie der hiesigen auch auf die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage anzuwenden. Das Klagebegehren zielt auf (die endgültige Festsetzung von) Leistungen, auf die ein Rechtsanspruch besteht; die Klägerin müsste ihr Begehren also im „Normalfall“ im Wege einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage verfolgen. Die Beschränkung auf eine Verpflichtungsklage (für den ganz überwiegenden Teil des streitigen Zeitraums) rührt nur daher, dass der Beklagte Leistungen vorläufig bereits erbracht hat und ein nochmaliger Leistungsausspruch daher nicht veranlasst ist. Der Zweck eines Grundurteils ist in diesem Fall in ganz gleicher Weise erfüllt wie bei dem „Normalfall“ einer Leistungsklage: Auch vorliegend ist nur der Anspruchsgrund, nicht aber die Höhe der Leistung zwischen den Beteiligten streitig, so dass es sinnvoll ist, das gerichtliche Verfahren von den damit verbundenen Fragen zu entlasten (vgl. zum Zweck des Grundurteils nur Keller, in: Meyer-Ladewig u.a., SGG – Kommentar, 13. Aufl. 2020, § 130 Rn. 1a).
5. Nachdem die Klägerin trotz der geänderten Fassung des Urteilsausspruchs mit ihrem Begehren, soweit sich die Klage nicht durch die teilweise Klagerücknahme erledigt hat, in vollem Umfang Erfolg hat, kommt der von ihr in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat (zumindest im Berufungsverfahren zu diesem Zeitpunkt erstmals) gestellte Hilfsantrag von vornherein nicht zum Tragen. Der Senat kann daher offenlassen, ob dieser zu diesem Zeitpunkt noch – in zulässiger Weise, etwa weil die Antragstellung als konkludente Anschlussberufung zu verstehen wäre – in das Verfahren eingeführt werden konnte.
II. Die Berufung des Beklagten ist in vollem Umfang zulässig, insbesondere ist sie nach § 143, § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG statthaft sowie nach § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegt.
III. Die Berufung ist jedoch – nach der teilweisen Klagerücknahme für die Zeit von April bis Juni 2014, für die die Berufung Erfolg hätte haben müssen, weil es an einem wirksamen Antrag fehlte und sich die Klägerin auch ganz überwiegend gar nicht in B-Stadt aufhielt – nicht begründet. Für die allein noch streitigen Zeiträume vom 1. Juli 2014 bis zum 30. September 2014 und vom 1. Oktober 2014 bis zum 31. Dezember 2014 hat das Sozialgericht der Klägerin zutreffend Arbeitslosengeld II zugebilligt.
1. Die Klägerin erfüllte auch zur Überzeugung des Senats im gesamten Zeitraum vom 1. Juli 2014 bis zum 31. Dezember 2014 die Leistungsvoraussetzungen aus § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Sie ist 1991 geboren und hielt sich also in den Altersgrenzen aus § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und § 7a SGB II. Zweifel an ihrer Erwerbsfähigkeit (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 8 SGB II) bestanden weder unter gesundheitlichen noch unter ausländerrechtlichen Gesichtspunkten, nachdem die Klägerin als Bürgerin der Europäischen Union ohne Weiteres zur Aufnahme einer Beschäftigung berechtigt war. Ebenso wenig hat der Senat Anlass, für den streitigen Zeitraum an ihrer Hilfebedürftigkeit (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. §§ 9 ff. SGB II) zu zweifeln.
Schließlich hatte die Klägerin (jedenfalls nach ihrer Rückkehr aus Österreich Anfang Juni 2014) ihren gewöhnlichen Aufenthalt (wieder) in der Bundesrepublik Deutschland (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II i.V.m. § 30 Abs. 3 Satz 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch Allgemeiner Teil – [SGB I]): Die maßgeblichen Umstände, namentlich die Rückkehr in die von ihr mit ihrem damaligen Partner gemeinsam angemietete Wohnung, lassen erkennen, dass sie in B-Stadt nicht nur vorübergehend verweilte, sondern sich dort bis auf Weiteres aufhielt. Grundsätzlich bemisst sich dabei der Begriff des gewöhnlichen Aufenthaltes (§ 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I) allein an tatsächlichen Umständen. Der Senat kann offenlassen, ob vor diesem Hintergrund der aufenthaltsrechtliche Status oder dessen Veränderungen überhaupt Auswirkungen auf einen einmal begründeten gewöhnlichen Aufenthalt haben können, solange sich deswegen an den tatsächlichen Umständen (noch) nichts geändert hat. Jedenfalls entfällt der gewöhnliche Aufenthalt, soweit es um den Aufenthalt von EU-Bürgern im Inland geht, nach Auffassung des Senats allenfalls dann, wenn der Verlust des Freizügigkeitsrechts beziehungsweise die Pflicht zur Ausreise bestandskräftig festgestellt oder für sofort vollziehbar erklärt ist, weil (erst) dies den Verbleib im Inland „bis auf Weiteres“ zumindest nachhaltig in Frage stellt (vgl. ähnl. BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 14 AS 23/10 R –, BSGE 107, 66, Rn. 14; Geiger, in: Münder/Geiger, LPK-SGB II, 7. Aufl. 2021, § 7 Rn. 16).
Der Senat ist in diesem Zusammenhang weiter überzeugt, dass sich die Klägerin jedenfalls in der noch streitigen Zeit (wieder und zukunftsoffen) in B-Stadt aufhielt. Sie hat plausibel und durch den Ausdruck aus ihrem Facebook-Profil gestützt vorgetragen, dass sie in der Zeit von Ende März bis Anfang Juni 2014 vorübergehend wieder in Österreich gelebt habe, um dort ihren Führerschein zu machen, danach aber, wie geplant, nach Deutschland zu Herrn D. (und ihrem Hund) zurückgekehrt sei. Das Vorbringen der Klägerin ist nach Auffassung des Senats glaubhaft und stimmig und wird zusätzlich dadurch gestützt, dass sie sich – relativ bald danach – am 22. Juli 2014 veranlasst sah, um einstweiligen Rechtsschutz nachzusuchen, um ihren Lebensunterhalt in B-Stadt abzusichern. Dazu passt schließlich, dass sie sich sowohl anlässlich der Antragstellung bei Gericht zur Niederschrift der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle als auch des Erörterungstermins im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (und der erneuten Antragstellung im weiteren einstweiligen Anordnungsverfahren Anfang Oktober 2014) nachweislich in B-Stadt aufhielt. Die früheren abweichenden Aussagen insbesondere ihres damaligen Partners zu ihren Aufenthaltszeiten in B-Stadt und die ihrerseits unterlassene Korrektur dieser Aussagen hat die Klägerin für den Senat plausibel durch ein Gefühl der Einschüchterung durch diesen erklärt.
Der nach § 37 Abs. 1 Satz 1 SGB II notwendige Antrag lag, wie ausgeführt, mit Wirkung ab dem 1. Juli 2014 vor.
2. Die Klägerin war in der Zeit vom 1. Juli bis zum 31. Dezember 2014 auch nicht von Leistungen ausgeschlossen. Namentlich greift der Ausschlusstatbestand aus § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II, auf den der Beklagte die Berufung maßgeblich stützt, mit Rücksicht auf das Deutsch-Österreichische Fürsorgeabkommen nicht ein. Insoweit kann zunächst zur Vermeidung von Wiederholungen auf die ausführlichen und zutreffenden Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils Bezug genommen werden (§ 153 Abs. 2 SGG), denen sich der Senat nach eigener Prüfung anschließt. Die dagegen gerichteten Einwände des Beklagten greifen nicht durch, vielmehr müssten sie in gleicher Weise für das Europäische Fürsorgeabkommen gelten, für welches das Bundessozialgericht diesen Argumenten aber mit den Senat überzeugender Begründung nicht gefolgt ist (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 14 AS 23/10 R –, BSGE 107, 66, Rn. 21 ff.). Das Gleichbehandlungsgebot aus Art. 2 Abs. 1 DÖFA steht vielmehr einem Ausschluss österreichischer Staatsbürger von laufenden Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende entgegen (vgl. ebs. und auch zum Folgenden LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 8. Juni 2020 – L 18 AS 1641/19 –, juris, Rn. 21 f. sowie LSG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 7. März 2012 – L 8 B 489/10 ER –, juris, Rn. 29 ff.; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 11. Mai 2020 – L 18 AS 1812/19 –, juris, Rn. 26 f., SG München, Urteil vom 10. Februar 2017 – S 46 AS 204/15 –, BeckRS 2017, 106780; Valgolio, in: Hauck/Noftz, SGB, § 7 SGB II – Stand: Juni 2021 – Rn. 336; Klopstock, ZESAR 2017, 426, Fn. 22; a.A. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 22. Juni 2010 – L 1 AS 36/08, BeckRS 2010, 74626; Leopold, in: Schlegel/Voelzke, juris-PK SGB, § 7 SGB II – Stand: 5. Januar 2021 – Rn. 118).
a) Der (fortdauernden) Anwendbarkeit des Deutsch-Österreichischen Fürsorgeabkommens im streitigen Zeitraum stehen weder innerstaatliche Regelungen noch Vorschriften der Europäischen Union entgegen.
Nach der Zustimmung des Bundestages zu dem Fürsorgeabkommen durch Art. 1 Satz 1 des Gesetzes zu dem Abkommen vom 17. Januar 1966 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über Fürsorge und Jugendwohlfahrtspflege vom 28. Dezember 1968 (BGBl. II 1969, S. 1) handelt es sich bei diesem im Allgemeinen und dem Gleichbehandlungsgrundsatz im Besonderen um unmittelbar geltendes, subjektive Rechte und Pflichten begründendes Bundesrecht (vgl. Art. 59 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz [GG]), dessen Anwendbarkeit im konkreten Fall kein jüngeres und deshalb gegebenenfalls vorrangig anzuwendendes Recht entgegensteht (vgl. zur entspr. Problematik hinsichtlich des Gleichbehandlungsgebots des Art. 1 EFA BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 14 AS 23/10 R –, BSGE 107, 66, Rn. 24 ff. m.w.Nw.; BSG, Urteil vom 3. Dezember 2015 – B 4 AS 43/15 R –, BSGE 120, 139, Rn. 17).
Das Abkommen ist vor dem Beitritt der Republik Österreich zur Europäischen Union geschlossen worden und gilt daher auf der Grundlage von Art. 351 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union in der Fassung des am 1. Dezember 2009 in Kraft getretenen Vertrages von Lissabon (AEUV) fort (vgl. zuvor Art. 307 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft [EGV]).
Weiter führt auch das europäische Sekundärrecht nicht zur Unanwendbarkeit des Abkommens. Das gilt namentlich für die Regelungen der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (VO [EG] Nr. 883/2004; vgl. zu deren Inkrafttreten Art. 91 Satz 2 der Verordnung, der dieses an das Inkrafttreten einer Durchführungsverordnung band, was ab dem 1. Mai 2010 der Fall war, vgl. Art. 97 der VO [EG] Nr. 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der VO [EG] Nr. 883/2004).
Für das Verhältnis zu anderen Koordinierungsregelungen sieht Art. 8 Abs. 1 Satz 1 VO (EG) 883/2004 zwar im Grundsatz vor, dass die Verordnung im Rahmen ihres Geltungsbereichs an die Stelle aller zwischen den Mitgliedstaaten geltenden Abkommen über soziale Sicherheit tritt. Allerdings ist das Bundessozialgericht, wenn auch für das entsprechende Verhältnis der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständiger sowie deren Familienangehöriger, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, und das Europäische Fürsorgeabkommen überzeugend davon ausgegangen, dass nichts dafür spreche, dass die europarechtlichen Koordinierungsvorschriften ein Fürsorgeabkommen außer Kraft setzen wollten. Dies gilt in gleicher Weise für die VO (EG) Nr. 883/2004, nachdem auch diese, wie sich aus der Regelung über ihren sachlichen Geltungsbereich in Art. 3 Abs. 5 Bst. a ergibt, auf Fürsorgesorgeleistungen grundsätzlich nicht anwendbar ist, selbst wenn sich insofern zweifellos ein Spannungsverhältnis mit der Regelung aus Art. 3 Abs. 3 in Verbindung Art. 70 VO (EG) Nr. 883/2004 ergibt, soweit – wie hier – Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende betroffen sind. Für die fortdauernde Anwendbarkeit des Deutsch-Österreichischen Fürsorgeabkommens spricht zudem, dass das Gemeinschaftsrecht regelmäßig nicht darauf zielt, anderweitig eingeräumte, weitergehende Vergünstigungen beziehungsweise Gleichbehandlungsgebote einzuschränken. Dieser Gesichtspunkt hat im Übrigen auch in Art. 8 Abs. 1 Satz 2 VO (EG) Nr. 883/2004 Ausdruck gefunden: Zwar ist dieser vorliegend nicht unmittelbar anwendbar, weil das Deutsch-Österreichische Fürsorgeabkommen in Anhang II, auf den Art. 8 Abs. 1 Satz 3 VO (EG) 883/2004 als Voraussetzung für die Anwendung von Satz 2 verweist, nicht aufgeführt ist; nachdem die Verordnung auf die Regelung von Fürsorgeleistungen gar nicht zielt, lässt sich aus dieser fehlenden Erwähnung eines Fürsorgeabkommens aber auch kein Argument gegen die Berücksichtigung des Rechtsgedankens aus Art. 8 Abs. 1 Satz 2 VO (EG) 883/2004 herleiten.
Die fortdauernde Geltung des Gleichbehandlungsgebots aus Art. 2 Abs. 1 DÖFA trotz der Regelung aus Art. 8 Abs. 1 Satz 1 VO (EG) 883/2004 wird schließlich insbesondere durch folgende Überlegung gestützt: In der Sache zielt das unionsrechtliche Koordinierungsrecht gerade auf die Gleichbehandlung der Unionsbürger in den verschiedenen Mitgliedstaaten (vgl. Ziff. 5 der Erwägungsgründe der VO (EG) 883/2004), wenn auch ganz primär für das Sozialversicherungsrecht; insofern weist Art. 2 Abs. 1 DÖFA inhaltliche Parallelen mit dem koordinierungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 4 VO (EU) Nr. 883/2004 auf, nur dass das Koordinierungsrecht fürsorgerechtliche Regelungen im Grundsatz nicht erfasst und deswegen nicht schon selbst zur Unanwendbarkeit von § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II führt. Vor diesem Hintergrund hat der Europäische Gerichtshof (vgl. EuGH, Urteil vom 11. November 2014 – C-333/13 [Rs. Dano] –, NZS 2015, 20, Rn. 56 ff., insb. Rn. 63) die Durchbrechung des unionsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes für Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende (gerade nur) zugelassen, weil es sich bei ihnen um besondere beitragsunabhängige Geldleistungen im Sinne von Art. 3 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 70 Abs. 2 VO (EU) Nr. 883/2004 und damit um „Mischleistungen“ handelt: Diese weisen wesentliche Strukturmerkmale der Sozialhilfe beziehungsweise der Fürsorge auf; und (gerade nur) für diese lässt die Unionsbürgerrichtlinie eine Durchbrechung des Gleichbehandlungsgrundsatzes zu (vgl. Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG Unionsbürger RL ). Ausgehend von diesen Prämissen, dass also erstens das Unionsrecht für die besonderen beitragsunabhängigen Geldleistungen wie das Arbeitslosengeld II (gerade nur) wegen ihres auch fürsorgerechtlichen Charakters eine Durchbrechung des unionsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes zulässt und zweitens das Unionsrecht im Allgemeinen und die VO (EU) Nr. 883/2004 im Besonderen selbst auf die Regelung des Fürsorgerechts gar nicht abzielt, weil es dieses der Regelungshoheit der Mitgliedstaaten überlässt, wäre es im Ergebnis nicht schlüssig, unter Verweis auf das europäische Koordinierungsrecht und speziell Art. 8 Abs. 1 Satz 1 VO (EU) Nr. 883/2004 die Anwendbarkeit einer abkommensrechtlichen Regelung zweier Mitgliedstaaten, die zu einer Gleichbehandlung von deren Staatsbürgern im Bereich des Fürsorgerechts führt, zu verneinen: Nachdem die Verordnung das Fürsorgerecht im Grundsatz gar nicht koordinieren will, ist auch nicht erkennbar, dass sie insoweit Abkommen der Mitgliedsstaaten verdrängen wollte. Vielmehr führt das Abkommensrecht (immerhin) für die an ihm beteiligten Staaten zu einem Zustand, welcher dem Gleichbehandlungsgrundsatz als zentralem Grundsatz des Unionsrecht (vgl. Art. 24 Abs. 1 Unionsbürger-RL und allgemein das Diskriminierungsverbot aus Art. 18 Abs. 1 AEUV) entspricht.
Schließlich ist der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht durch innerstaatliches Recht und namentlich die Regelung aus § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II „überholt“. Nach Art. 2 Abs. 1 DÖFA wird Staatsangehörigen der einen Vertragspartei, die sich im Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartei aufhalten, Fürsorge und Jugendwohlfahrtspflege in gleicher Weise, in gleichem Umfang und unter den gleichen Bedingungen wie den Staatsangehörigen des Aufenthaltsstaates gewährt. Völkervertragsrecht hat nach der in Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG vorgesehenen Zustimmung der jeweils für die Gesetzgebung zuständigen Verfassungsorgane den Rang von Bundesgesetzen, wobei die Gerichte bei der Auslegung gleichrangiger innerstaatlicher Regelungen, also anderer Bundesgesetze, nach Möglichkeit darauf zu achten haben, dass ein Konflikt mit völkerrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland nicht entsteht, soweit dies im Rahmen methodisch vertretbarer Auslegung vermieden werden kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. Oktober 2004 – 2 BvR 1481/04 –, BVerfGE 111, 307 zur Europäischen Menschenrechtskonvention sowie BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 14 AS 23/10 R –, BSGE 107, 66, Rn. 25 zum EFA); dies folgt namentlich aus dem Grundsatz der Völkerrechts- und Europarechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes, der Art. 23 Abs. 1 GG und dessen Präambel zu entnehmen ist (vgl. BVerfG, Urteil vom 30. Juni 2009 – 2 BvE 2/08 u.a. –, BVerfGE 123, 267, Rn. 219 ff.). Es ist vor diesem Hintergrund grundsätzlich nicht anzunehmen, dass der Gesetzgeber, wenn er dies nicht zweifelsfrei bekundet hat, durch innerstaatliches Recht von völkerrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland abweichen oder die Verletzung solcher Verpflichtungen ermöglichen will.
Das einfache Sozialrecht enthält zudem mit § 30 Abs. 2 SGB I, der ausdrücklich vorsieht, dass Regelungen des über- und zwischenstaatlichen Rechts durch die Vorschriften dieses Gesetzbuches unberührt bleiben, einen allgemeinen Rechtsgrundsatz, der es in der Regel erlaubt, auftretende Konflikte in diesem Sinne zu lösen (vgl. BSG, Urteil vom 13. Dezember 2000 – B 14 KG 1/00 –, juris, Rn. 18 m.w.N.). Schließlich ist das Deutsch-Österreichische Fürsorgeabkommen im Hinblick auf den persönlichen Anwendungsbereich spezieller als § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II, weil sich die Vorschrift gerade nicht an alle Ausländer richtet, sondern spezifische Regelungen für die Staatsangehörigen der Republik Österreich vorsieht. Nachdem ein klarer Wille des Gesetzgebers, mit den Regelungen des § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II von den Vorgaben des Deutsch-Österreichischen Fürsorgeabkommens abzuweichen oder die Reichweite von dessen Regelungen einzuschränken, nicht erkennbar ist, ist umgekehrt das innerstaatliche Recht einschränkend auszulegen, soweit es andernfalls mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 2 Abs. 1 DÖFA in Konflikt geraten würde (vgl. ähnl. BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 14 AS 23/10 R –, BSGE 107, 66, Rn. 26 zum EFA).
Ein Vorbehalt, wie ihn die Bundesregierung für das Sozialgesetzbuch Zweites Buch zum Europäischen Fürsorgeabkommen am 19. Dezember 2011 erklärt hat (vgl. BSG, Urteil vom 3. Dezember 2015 – B 4 AS 43/15 R – BSGE 120, 139, Rn. 18), ist zum Deutsch-Österreichischen Fürsorgeabkommen ebenso wenig erklärt worden wie die durch Art. 17 Satz 2 DÖFA ermöglichte Kündigung dieses Abkommens.
b) Die Voraussetzungen des Gleichbehandlungsgebots nach Art. 2 Abs. 1 DÖFA liegen vor. Die Einwände des Beklagten greifen auch nach Auffassung des Senats im Ergebnis nicht durch; die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts macht sich der Senat auch in diesem Zusammenhang zu eigen.
Art. 1 Nr. 4 DÖFA definiert den Begriff der „Fürsorge“ dahin, dass er alle gesetzlich begründeten Geld-, Sach-, Beratungs-, Betreuungs- und sonstigen Hilfeleistungen aus öffentlichen Mitteln zur Deckung und Sicherung des Lebensbedarfs für Personen umfasst, die keine anderen Voraussetzungen als die der Hilfsbedürftigkeit zu erfüllen haben. So liegt es bei den bedürftigkeitsabhängigen und steuerfinanzierten laufenden Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (vgl. allg. zum fürsorgerechtlichen Charakter der Lebensunterhaltsleistungen nach dem SGB II: BSG, Urteil vom 31. Oktober 2007 B 14/11b AS 5/07 R –, BSGE 99, 170 = juris, Rn. 35; zur Zuordnung dieser Leistungen zum Fürsorgebetriff des EFA und im Übrigen auch zum Folgenden: BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 14 AS 23/10 R –, BSGE 107, 66): Es handelt sich um eine gesetzlich begründete Geldleistung aus öffentlichen Mitteln zur Deckung und Sicherung des existentiellen Lebensbedarfs von Hilfebedürftigen, die systematisch dem Bereich der Fürsorge beziehungsweise dem heute gebräuchlicheren Begriff der sozialen Hilfen unterfällt (vgl. zu diesem U. Becker, in: Ruland/Becker/Axar, Sozialrechtshandbuch, 6. Aufl. 2018, § 1 Rn. 21).
Die Leistungen haben im Sinne des Abkommens keine andere Voraussetzung als diejenige der „Hilfsbedürftigkeit“: Die Aufteilung der sozialstaatlichen Fürsorge auf (im Wesentlichen) zwei Sicherungssysteme, also die Grundsicherung für Arbeitsuchende einerseits und die Sozialhilfe andererseits, die mit dem Vierten Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt einherging, führt dazu, dass die existenzsichernden und dem Lebensunterhalt dienenden Leistungen aus beiden Systemen als Fürsorge im Sinne von Art. 1 Nr. 4 DÖFA zu qualifizieren sind, da beide Systeme (nur gemeinsam) die Deckung und Sicherung des Lebensbedarfs der Wohnbevölkerung in der Bundesrepublik Deutschland sichern. Die Anspruchsvoraussetzung der Erwerbsfähigkeit im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II und der Altersgrenzen aus § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 7a SGB II dienen bezogen auf den hiesigen Zusammenhang nur der Abgrenzung zur gleichermaßen bedürftigkeitsabhängigen und steuerfinanzierten Sozialhilfe (vgl. § 5 Abs. 2 SGB II, § 21 SGB XII). Die dort vorgesehenen Lebensunterhaltsleistungen sind ihrerseits zweifellos als „Fürsorge“ im Sinne des Abkommens zu qualifizieren, müssten aber, folgte man der Argumentation des Beklagten, ebenfalls aus dem Anwendungsbereich des Deutsch-Österreichischen Fürsorgeabkommens herausfallen, da sie als Komplementärleistung zur Grundsicherung für Arbeitsuchende mittelbar gerade die fehlende Erwerbsfähigkeit als zusätzliche Leistungsvoraussetzung vorsehen; das Abkommen liefe somit völlig leer. Im Ergebnis ist mit Blick auf das Deutsch-Österreichische Fürsorgeabkommen daher davon auszugehen, dass die Fürsorgegesetzgebung beziehungsweise das Recht der sozialen Hilfen in der Bundesrepublik Deutschland nach dem Außerkrafttreten des Bundessozialhilfegesetzes und der Neuordnung des Hilfesystems zum 1. Januar 2005 gerade nicht auf die Hilfen zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch beschränkt ist, sondern darüber hinaus durch dessen Viertes Kapitel sowie das Sozialgesetzbuch Zweites Buch als – ebenfalls – bedarfsabhängigem Leistungssystem gewährleistet wird (vgl. BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 14 AS 23/10 R –, BSGE 107, 66 Rn. 33).
Schließlich war im Streitzeitraum im Anhang I zum DÖFA (Liste der die Rechtsgebiete der Fürsorge und der Jugendwohlfahrtspflege regelnden gesetzlichen Rechtsvorschriften der beiden Vertragsparteien) weiterhin das bereits zum 31. Dezember 2004 außer Kraft getretene Bundessozialhilfegesetz (BSHG) vom 30. Juni 1961 (BGBl. I S. 815) aufgeführt. Die Aufnahme in diesen Anhang ist aber ebenso wenig konstitutiv wie im Falle des Europäischen Fürsorgeabkommens (vgl. zu diesem BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 B 14 AS 23/10 R –, BSGE 107, 66, Rn. 34; außerdem BVerwG, Urteil vom 18. Mai 2000 – 5 C 29/98 –, BVerwGE 111, 200, 206), was sich schon daran zeigt, dass auch die Sozialhilfe nach dem Dritten Kapitel des Sozialgesetzbuches Zwölftes Buch in Anhang I nicht erwähnt war (und ist), aber doch zweifellos von den Fürsorgeabkommen erfasst wird.
c) Auch im Übrigen steht der Berufung der Klägerin auf den Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 2 Abs. 1 DÖFA vorliegend nichts entgegen.
So verlangt dieser als weitere Anwendungsvoraussetzung – anders als Art. 1 EFA – jedenfalls seinem Wortlaut nach gar nicht, dass sich der Betroffene „erlaubt“ in der Bundesrepublik Deutschland aufhält. Der Senat kann offenlassen, ob – dennoch – auch für das Deutsch-Österreichische Fürsorgeabkommen von einem – dann ungeschriebenen – Tatbestandsmerkmal des rechtmäßigen Aufenthalts im Inland auszugehen ist. Jedenfalls wäre ein derartiges ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal eng auszulegen und daher davon auszugehen, dass bei einer Unionsbürgerin die nach dem Freizügigkeitsgesetz/EU bestehende Vermutung eines rechtmäßigen Aufenthalts ausreicht, um auch im Sinne des Abkommens von einem „erlaubten Aufenthalt“ auszugehen; die sogenannte Freizügigkeitsvermutung vermittelt bis zur – im Falle der Klägerin nicht erfolgten – Feststellung ihres Nichtbestehens nach § 5 Abs. 4 FreizügigG/EU einen als rechtmäßig geltenden Aufenthalt (vgl. Dienelt, in: Bergmann/ders., Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, § 7 FreizügigG/EU Rn. 9). Eine weitergehende Einschränkung der durch das Abkommen eingeräumten Rechtsposition auf Personen, die sich mit einer materiellen Freizügigkeitsberechtigung im Inland aufhalten, (nur) aufgrund eines ungeschriebenen Tatbestandsmerkmals kommt nach Auffassung des Senats nicht in Betracht.
d) Die Klägerin ist schließlich nicht wegen einer sogenannten Um-Zu-Einreise von einer Berufung auf das Gleichbehandlungsgebot und einem Leistungsanspruch ausgeschlossen.
Diesbezüglich sieht das Schlussprotokoll des Deutsch-Österreichischen Fürsorgeabkommens zwar – worauf der Beklagte im Ausgangspunkt zu Recht hinweist – unter Bst. A Ziff. 1 Satz 1 vor, dass Vergünstigungen aus dem Abkommen Personen nicht zugute kommen sollen, die das Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartei aufsuchen, um diese Vergünstigungen in Anspruch zu nehmen. Der Senat vermag allerdings bereits nicht zu erkennen, dass unmittelbar hierauf ein Ausschluss der Klägerin von den begehrten Leistungen gestützt werden könnte. Vielmehr räumt diese Formulierung des Schlussprotokolls den Vertragsparteien nur die Möglichkeit ein, ohne Verstoß gegen ihre Verpflichtungen aus dem Abkommen innerstaatliche Regelungen zu erlassen, die eine entsprechende Begrenzung der Leistungsansprüche vorsehen. Eine derartige Regelung liegt (und lag) für das Sozialhilferecht in § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XII vor; im Sozialgesetzbuch Zweites Buch fehlt es dagegen an einer unmittelbar auf diese Einschränkung abgestimmten Regelung. Namentlich kommt nach Auffassung des Senats nicht in Betracht, die verschiedenen Ausschlusstatbestände aus § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II (oder auch nur eine der dort genannten Alternativen) als pauschalierende Ausgestaltung der durch Bst. A Ziff. 1 Satz 1 des Schlussprotokolls zum Deutsch-Österreichischen Fürsorgeabkommen ermöglichten Begrenzungen anzusehen. Mag die Regelung aus § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II auch auf diese Personengruppe zielen (vgl. in diesem Sinne LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 22. Juni 2010 – L 1 AS 36/08 –, juris, Rn. 30), so unterscheidet sich die an rechtliche Gegebenheiten, namentlich den ausländerrechtlichen Status, anknüpfende Regelung aus § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II doch ihrer Struktur nach fundamental von dem auf eine sogenannte Um-Zu-Einreise und damit subjektive Motive zielenden Vorbehalt aus dem Schlussprotokoll. Die eine kann daher nicht als Ausgestaltung des anderen verstanden werden, was nur dadurch zusätzlich deutlich wird, dass das Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch jedenfalls in seiner heutigen Fassung beide Ausschlussvarianten nebeneinander normiert (vgl. § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB XII einerseits und Nr. 3 andererseits).
Selbst wenn man aber insofern eine andere Auffassung vertreten wollte, so läge im konkreten Einzelfall eine „Um-Zu-Einreise“ nicht vor. Diese verlangt einen finalen Zusammenhang zwischen dem Einreiseentschluss und der Inanspruchnahme der entsprechenden Leistung. Das folgt unmittelbar aus dem Wortlaut, denn die Konjunktion „um - zu“ bezeichnet ein ziel- und zweckgerichtetes Handeln und damit eine Zweck-Mittel-Relation, in der die Einreise das Mittel und die Inanspruchnahme der Fürsorgeleistungen den mit ihr verfolgten Zweck bildet (vgl. zu den entspr. Regelungen im BSHG beziehungsweise SGB XII: BVerwG, Urteil vom 4. Juni 1992 – 5 C 22/87 –, BVerwGE 90, 212, 214; außerdem: BSG, Urteil vom 3. Dezember 2015 – B 4 AS 44/15 R –, BSGE 120, 149, Rn. 45; BSG, Urteil vom 12. September 2018 – B 14 AS 18/17 R –, juris, Rn. 31; Schlette in: Hauck/Noftz, SGB, § 23 SGB XII – Stand: Juli 2021 – Rn. 77). Eine „Um-zu-Einreise“ in diesem Sinne liegt zwar nicht nur dann vor, wenn der Leistungsbezug einziger Zweck der Einreise nach Deutschland war; der erforderliche finale Zusammenhang ist vielmehr bereits dann gegeben, wenn die Einreise auf verschiedenen Motiven beruhte, sofern der Zweck der Inanspruchnahme entsprechender Leistungen für den Einreiseentschluss von prägender Bedeutung war; er darf also nicht nur neben vorrangigen anderen Zwecken billigend oder notgedrungen in Kauf genommen worden sein (vgl. nochmals BVerwG, Urteil vom 4. Juni 1992 – 5 C 22/87 –, BVerwGE 90, 212, 214; BSG, Urteil vom 12. September 2018 – B 14 AS 18/17 R –, juris, Rn. 31; Schlette in: Hauck/Noftz, SGB, § 23 SGB XII – Stand: Juli 2021 – Rn. 77). Eine entsprechende Begrenzung folgt aus dem Zweck der Regelung, die missbräuchliche Inanspruchnahme entsprechender Leistungen zu verhindern, der sich schon aus der Gesetzesbegründung der entsprechenden Regelung im Bundessozialhilfegesetz ergibt (vgl. BT-Drucks. 3/1799, S. 60 und dazu BVerwG, Urteil vom 4. Juni 1992 – 5 C 22/87 –, BVerwGE 90, 212, 214).
Davon ist hier nicht auszugehen. Vielmehr ist der Senat auf Grund der gesamten Umstände der Überzeugung, dass jedenfalls im Vordergrund der Einreisemotive der Klägerin der Wunsch stand, mit ihrem damaligen Partner zusammenzuziehen und mit diesem ein gemeinsames Leben zu führen sowie – damit einhergehend – sich auf diese Weise ein neues Leben aufzubauen. Die Inanspruchnahme von Fürsorgeleistungen hatte daneben jedenfalls keine prägende Kraft. Das ist nur umso plausibler, als die Klägerin in Österreich nach ihren glaubhaften Angaben Zugang zu Sozialleistungen hatte, die den in Deutschland erreichbaren qualitativ nicht nachstanden (vgl. hierzu Pratscher, Bedarfsorientierte Mindestsicherung der Bundesländer im Jahr 2014, Statische Fragen 11/2015 – Soziale Fragen, https://gemeindebund.at/Soziales-BMS_11_15.pdf); dies gilt nur umso mehr, als es plausibel erscheint, dass der Zugang zur österreichischen Mindestsicherung sich sehr viel einfacher gestaltet hätte, als die Inanspruchnahme der streitigen Leistungen, hinsichtlich derer sie bei ihrer erneuten Einreise im Juni 2014 absehen konnte, dass der Beklagte ihre Gewährung wieder ablehnen würde.
Der Senat hat dabei keinerlei Anhaltspunkte, dass die Klägerin gerade im hier streitigen Zeitraum Leistungen der sozialen Mindestsicherung nach österreichischem Recht bezogen hat – die dann im Übrigen ihrerseits zu Unrecht bezogen wären –, so dass er keinen Anlass gesehen hat, der in der mündlichen Verhandlung geäußerten Anregung des Beklagten zu folgen und hierzu Ermittlungen bei den zuständigen österreichischen Behörden anzustellen.
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen unter Berücksichtigung der teilweisen Klagerücknahme in der mündlichen Verhandlung gerade in dem Umfang, in dem die Berufung andernfalls Erfolg hätte haben müssen.
V. Die Revision war nicht zuzulassen, nachdem keiner der in § 160 Abs. 2 SGG abschließend aufgeführten Gründe hierfür vorlagen. Namentlich ist der Senat der Auffassung, dass sich die im Zentrum des Rechtsstreits stehende Frage zum Verhältnis des Gleichbehandlungsgrundsatzes aus dem Deutsch-Österreichischen Fürsorgeabkommen und dem Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II auf Grund der vorliegenden höchstrichterlichen Rechtsprechung – wenn diese auch zum Europäischen Fürsorgeabkommen ergangen ist – hinreichend zweifelsfrei klären lässt.