L 8 BA 52/20

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 20 R 599/17
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 8 BA 52/20
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Eine Ärztin, die in einer Reha-Klinik als Vertretung der Leiterin der orthopädischen Abteilung bei deren Abwesenheit an einzelnen Tagen im Monat eine orthopädische Sprechstunde abhält, ist abhängig beschäftigt, auch wenn sie keinen Stationsdienst leistet.

Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 3. November 2020 wird zurückgewiesen.

Die Gerichtskosten tragen Klägerin und Beklagte je zur Hälfte, die außergerichtlichen Kosten trägt jeder Beteiligte selbst.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über den sozialversicherungsrechtlichen Status der Beigeladenen zu 1) in ihrer Tätigkeit als Vertretungsärztin in der Klinik der Klägerin.

Die Beigeladene zu 1) und die Klägerin schlossen am 12. November 2014 einen Kooperationsvertrag, wonach die Beigeladene zu 1 als Orthopädin im Rahmen einer freiberuflichen, selbständigen Tätigkeit im Auftrag der Klägerin tätig werde. Die Tätigkeit umfasse die Vertretung der Leiterin der orthopädischen Abteilung Dr. med. D. bei Urlaub oder Krankheit. Je nach festgestellter Notwendigkeit gehöre zum vertraglichen Tätigkeitsbereich die fachärztliche Befundung. Der Beigeladenen zu 1) wurde zur Durchführung der Untersuchung die Nutzung der erforderlichen Räume und Gerätschaften gestattet. Die Beigeladene zu 1) hatte die Klägerin von einer haftungsrechtlichen Inanspruchnahme durch Patienten aufgrund Fehlbehandlung und Fehldiagnosen freizustellen; hierzu oblag es ihr, sich durch eine, die Tätigkeit umfassende, Berufshaftpflichtversicherung ausreichend abzusichern. Das Abführen von Steuern und Sozialversicherungsabgaben obliege der Beigeladenen zu 1). Zur Erfüllung der haftungsrechtlichen Sorgfaltspflichten der Klägerin könne der Chefarzt die sorgfaltsgemäße Vertragserfüllung jederzeit durch Kontrollen überwachen. AIs Vergütung erhielt die Beigeladene zu 1) eine Zeitaufwandsentschädigung in Höhe von 90,00 Euro je Stunde, die monatlich abgerechnet wurde. Die Parteien vereinbarten eine Kündigungsfrist von vier Wochen zum Monatsende. 

Am 30. November 2016 beantragte die Beigeladene zu 1) die Feststellung ihres sozialversicherungsrechtlichen Status. In dem Antrag gab sie an, sie beziehe Arbeitslosengeld. Zur Tätigkeit gab sie an, sie habe die Vertretung der bei der Klägerin beschäftigten Oberärztin übernommen und erstelle fachorthopädische Gutachten. Die Termine seien nicht regelmäßig, auf den Vormittag beschränkt, im Schnitt zwei bis vier Tage im Monat. Die Arbeitszeiten würden in Absprache nach Bedarf der Klinik und ihrer Kapazität eingeteilt. Beginn und Ende könnten von ihr bestimmt werden. Ihre Arbeit bestehe aus der Übernahme der fachorthopädischen Sprechstunden, Kontrolle der Therapieplanung und Erfolg. Dies sei ein spezifisches Arbeitsgebiet und müsse den Vorgaben der Klinik entsprechen. Gutachten hätten eine klare strukturierte Form und seien entsprechend der Fragestellung zu bearbeiten. Die Untersuchung des Probanden müsse in den Räumen des Instituts erfolgen, das Gutachten selbst könne, müsse aber nicht dort erstellt werden. Arbeitskleidung sei ein Arztkittel und weiße Kleidung, der Kittel werde gestellt. 

Auf Nachfrage der Beklagten erläuterte die Beigeladene zu 1), dass sie seit dem 15. November 2014 für die Klägerin tätig sei. Sie übernehme bei Abwesenheit der leitenden Oberärztin die orthopädisch-fachärztliche Sprechstunde von Patienten, die sich in einer stationären Rehabilitation oder Anschlussheilbehandlung befänden; die Patienten würden in die Sprechstunde in Abhängigkeit von ihrer Anwesenheit einbestellt, sie führe die fachorthopädische Begutachtung und Konsiliartätigkeit durch und berate hinsichtlich Therapieplanung und -Durchführung sowie Einschätzung der Arbeitsfähigkeit. Ihre Aufgabe sei allein die Durchführung der Sprechstunde, weitere Aufgaben nehme sie nicht wahr. Sie diktiere oder notiere ihre Befunde in die Akte. Selten müsse eine spezielle Fragestellung persönlich mit dem Stationsarzt besprochen werden. Ein Weisungsrecht gegenüber dem Krankenhauspersonal bestehe nicht. In die tägliche Patientenbetreuung sei sie nicht eingebunden. An Teambesprechungen nehme sie nicht teil. Dritte könne sie mit der Dienstleistung nicht beauftragen. Das Diktaphon stelle die Klinik, damit die hauseigene Software verwendet werden könne. Eine eigene niedergelassene Praxis führe sie nicht. In weiteren Vertragsverhältnissen sei sich nicht tätig. Die Beigeladene zu 1) legte die von ihr zwischen Oktober 2015 und Dezember 2016 gestellten Rechnungen vor (übliche Arbeitszeit 8.30/9.00 Uhr – 13.30/14.00 Uhr). Die Klägerin bestätigte mit Schreiben vom 9. Januar 2017 die Angaben der Beigeladenen zu 1). 

Mit Bescheiden vom 13. April 2017 an die Klägerin und die Beigeladene zu 1) stellte die Beklagte fest, dass die Beigeladene zu 1) ihre Tätigkeit bei der Klinik der Klägerin seit 12. November 2014 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausübe. In dem Beschäftigungsverhältnis bestehe Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung. Die Versicherungspflicht beginne am 21. März 2016. 

Die Klägerin als auch die Beigeladene zu 1) legten fristgerecht Widerspruch ein, welche die Beklagte mit Widerspruchsbescheiden vom 6. November 2017 zurückwies. Es handele sich um eine abhängige Beschäftigung. Die Beigeladene zu 1) erhalte einen festen Stundensatz. Während der Dauer der Dienste sei es ihr nicht möglich, die konkreten Arbeitszeiten und -orte selbst zu bestimmen. Die Art und Weise der Ausübung werde durch das Patientenaufkommen und den medizinischen Bedarf bestimmt. In der Gesamtverpflichtung der Klinik übernehme sie als Vertreterin der orthopädischen Leiterin eine Teilaufgabe. Trotz der bei Diensten höheren Art üblichen fachlichen Weisungsfreiheit bestehe regelmäßig eine umfassende Eingliederung in die Arbeitsorganisation der Klinik. Ein Kapitaleinsatz sei nicht erforderlich, Räumlichkeiten und Arbeitsmittel würden vor Ort unentgeltlich zur Nutzung überlassen. Es bestehe eine Einbindung in die organisatorischen/hierarchischen Strukturen des Krankenhauses.

Die Klägerin hat am 9. November 2017 Klage beim Sozialgericht Frankfurt am Main erhoben und geltend gemacht, die Beklagte gehe auf die konkreten Umstände der Beschäftigung der Beigeladenen zu 1) nicht ein. Die Beigeladene zu 1) habe lediglich einen Teilbereich aus der Tätigkeit der Oberärztin Dr. D. übernommen, nämlich die Begutachtung und Befundung von orthopädischen Patienten im Rahmen einer Sprechstunde, deren Beginn und Ende sie festlege. Sie treffe Empfehlungen zur weiteren Behandlung, deren Umsetzung sie nicht kontrolliere; in die tatsächliche Behandlung der Patienten auf Station sei sie nicht eingebunden. Die Beigeladene zu 1) tauche in keinem Dienstplan auf. Sie erhalte keine Weisungen noch erteile sie solche. 

Das Sozialgericht hat im Rahmen eines Erörterungstermins einen Vertreter der Klägerin sowie die Beigeladene zu 1) gehört und mit Gerichtsbescheid vom 3. November 2020 die Klage abgewiesen. Die Beklagte sei zu Recht davon ausgegangen, dass die Beigeladene zu 1) die Tätigkeit als Sprechstundenvertretung der orthopädischen Oberärztin als abhängig Beschäftigte sozialversicherungspflichtig ausgeübt habe. Aus dem Kooperationsvertrag ergebe sich zwar, dass es Wille der Klägerin und der Beigeladenen zu 1) gewesen sei, dass Letztere als Selbstständige tätig werden sollte, die Abrechnung der ausgeübten Tätigkeit durch Rechnungsstellung erfolgte und dass offensichtlich ein Lohnfortzahlungsanspruch im Krankheitsfall und ein Anspruch auf bezahlten Urlaub zwischen den Beteiligten nicht vereinbart gewesen seien. Für eine selbständige Tätigkeit könne des Weiteren angeführt werden, dass die Beigeladene zu 1) von Fall zu Fall gesondert und dann kraft Einzelauftrag beschäftigt wurde, dass sie ihre Leistungen wie Selbständige abgerechnet habe und es ihr freigestanden habe, auch für andere Auftraggeber tätig zu sein. Für eine abhängige Beschäftigung spreche jedoch überwiegend, dass nach Annahme des Auftrags eigene Betriebsmittel nur in geringem Umfang eingesetzt worden seien (Reflexhammer, evtl. Arztkittel). Für eine abhängige Beschäftigung spreche vor allem die Bindung ihrer Person durch die konkreten Vorgaben zur inhaltlichen Ausgestaltung bezüglich der Dokumentation. Es sei nicht ersichtlich, dass sich die Sprechstundentätigkeit der Beigeladenen zu 1) von der Sprechstundentätigkeit der festangestellten Oberärztin unterschieden habe. Nach Befragung der Beteiligten gehe die Kammervorsitzende davon aus, dass die Beigeladene zu 1) eine von der Klägerin bestimmte Anzahl von Patienten in der Sprechstunde untersucht habe. Die Befunde seien in der von der Klägerin geführten Papierakte der Patienten erfasst worden. Die Art und Weise der Durchführung der Sprechstunde sei maßgeblich von der Klägerin vorgegeben worden und die Aufgabe der Beigeladenen zu 1) habe lediglich darin bestanden, die Durchführung sicherzustellen. Es sei nicht ersichtlich, dass die Beigeladene zu 1) eigene organisatorische Schwerpunkte setzen konnte, im Gegenteil durch die Eingebundenheit der Sprechstunde in die klinischen Abläufe entstanden Vorgaben der Klägerin, welche die Tätigkeit der Beigeladene zu 1) inhaltlich bestimmten. Die Beigeladene zu 1) sei gegenüber den Patienten nach eigenen Angaben nicht erkennbar als Vertretungsärztin bzw. Honorarkraft aufgetreten. Die Beigeladene zu 1) habe auch kein wesentlich ins Gewicht fallendes Unternehmensrisiko bei der Ausübung der Tätigkeit für die Klägerin getragen. 

Gegen den am 24. November 2020 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 22. Dezember 2020 Berufung eingelegt. 

Die Beklagte hat auf einen entsprechenden Hinweis des Gerichts mit Schriftsatz ohne Datum, bei Gericht eingegangen am 1. Februar 2021, anerkannt, dass die Versicherungspflicht der Beigeladenen zu 1) in den Bescheiden vom 13. April 2017 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 6. November 2017 auf die Einzelzeiträume der Beschäftigung - beginnend ab dem 14. April 2016 für insgesamt 23 Tage bis zum 17. November 2016 - beschränkt wird. In der mündlichen Verhandlung am 15. Juli 2021 hat die Beklagte mitgeteilt, dass dies die Aufhebung des Bescheids vom 13. April 2017 hinsichtlich der Feststellung enthalte, dass die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung ausgeübt worden ist; darüber hinaus werde damit die Feststellung zur Sozialversicherungspflicht auf die einzeln benannten Tage beschränkt und der ursprüngliche Bescheid, soweit er darüber hinausgehe, aufgehoben. 

Die Klägerin hat dies als Teilanerkenntnis angenommen und verfolgt den Anspruch im Übrigen weiter. Von einer Eingliederung der Beigeladenen zu 1) in die Klinikabläufe könne entgegen den Annahmen der Beklagten und des Sozialgerichts keine Rede sein; dies unterscheide den Fall auch von den in der Rsprg. des BSG entschiedenen Fällen von Klinikärzten. Die Beigeladene zu 1) habe weder Dienste der Klägerin übernommen noch sei sie Ansprechpartnerin der Patienten oder des Klinikpersonals gewesen. Irgendwelche Vorgaben zur Durchführung der von der Beigeladenen zu 1) übernommenen Tätigkeit – wie das Sozialgericht unterstelle – habe es nicht gegeben. Sie habe keine Anwesenheitspflicht in der Klinik getroffen, auch habe sie nicht jederzeit erreichbar sein müssen. Jeder Einsatztag, dessen zeitlicher Umfang und die Bereitschaft zum Einsatz sei einzeln mit der Beigeladenen zu 1) vereinbart worden. Allein die Tatsache, dass sie die Räumlichkeiten der Klägerin in Anspruch genommen habe, reiche für die Annahme einer anhängigen Beschäftigung nicht aus. Anders als die Oberärztin Dr. D. habe die Beigeladene zu 1) keinerlei Stationstätigkeit ausgeübt, sondern ihre Tätigkeit habe sich auf die Erstellung von Gutachten beschränkt und damit habe die Betreuung der Patienten geendet. Die Verwendung einer bestimmten Software, die Beachtung von Begutachtungsrichtlinien oder die Benutzung eines Formulars für die Gutachten belegten keine Eingliederung der Beigeladenen zu 1), vielmehr handele es sich um allgemein übliche Verfahrensvorgaben, wie sie auch die Beklagte bzw. ihr Sozialmedizinischer Dienst für externe Gutachter verwende. Ebenso wenig sei ein Überwachungsrecht ein maßgebliches Kriterium. Auch die Beklagte halte – unterschiedslos für angestellte Ärzte und Fremdgutachter – eine institutionalisierte „Qualitätssicherung der Begutachtung“ vor, anhand derer sie die Qualität der sozialmedizinischen Gutachten bewerte. Im Übrigen müsse sich die Beklagte widersprüchliches Verhalten vorhalten lassen, da sie bundesweit in ihren Kliniken auch niedergelassene Ärzte als Fremdgutachter einsetze, die bei persönlichen Begutachtungen und Befundungen teilweise in den Räumlichkeiten der Beklagten tätig würden, ohne dass die Beklagte dies als abhängige Beschäftigung werte. Ein Vergütungsrisiko der Beigeladenen zu 1) habe darin bestanden, dass je nach Anzahl der zu untersuchenden Patienten mal mehr, mal weniger Stunden hätten abgerechnet werden können. 

Die Klägerin beantragt, 

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 3. November 2020 sowie den Bescheid vom 13. April 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. November 2017 in der Fassung der Teilanerkenntnisse der Beklagten vom 1. Februar 2021 und 15. Juli 2021 aufzuheben und festzustellen, dass die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) bei der Klägerin ab dem 14. April 2016 nicht der Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlegen hat. 

Die Beklagte beantragt, 

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die Entscheidung des Sozialgerichts. 

Die Beigeladenen stellen keine Anträge und haben sich zur Sache nicht geäußert. 

In der mündlichen Verhandlung hat der Senat die Beigeladene zu 1) zu ihrer Tätigkeit bei der Klägerin ergänzend gehört; auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, Bezug genommen. 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg. Das Urteil des Sozialgerichts ist, nachdem die Beklagte im Berufungsverfahren die angefochtenen Bescheide teilweise aufgehoben hat, im Ergebnis nicht zu beanstanden. 

Streitgegenstand des Verfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 13. April 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. November 2017, abgeändert durch die (formlosen) Bescheide der Beklagten vom 1. Februar 2021 und 15. Juli 2021, die gemäß § 96 SGG zum Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden sind und über die der Senat auf Klage entscheidet (B. Schmidt in Meyer-Ladewig u.a., SGG, § 96 Rn. 7). Mit diesen Bescheiden hat die Beklagte den ursprünglichen Bescheid vom 13. April 2017 der Sache nach teilweise zurückgenommen, indem sie die Feststellung aufgehoben hat, dass die Beigeladene zu 1) ihre Tätigkeit bei der Klägerin seit 12. November 2014 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt hat, und darüber hinaus die Feststellung einer am 21. März 2016 beginnenden – zeitlich unbegrenzten – Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung dahingehend korrigiert hat, als sie die Feststellung der Sozialversicherungspflicht der Beigeladenen zu 1) auf die im einzelnen aufgeführten Tage ihrer Beschäftigung in der Zeit vom 14. April 2016 bis 17. November 2016 beschränkt hat. Sie hat damit einerseits der Rsprg. des BSG zum Verbot der selbständigen Feststellung einer abhängigen Beschäftigung (BSG, Urteil vom 26. Februar 2019 – B 12 R 8/18 R –, juris), andererseits dem Umstand Rechnung getragen, dass bei Tätigkeiten, die auf der Grundlage von Einzelverträgen ausgeübt werden, eine hinreichend konkrete Rechtsbeziehung, die ihrerseits Grundlage für eine Beschäftigung im Sinne von der § 7 Abs. 1 S 1 SGB V sein kann, immer erst in den durch Einzelverträge begründeten Beauftragungen vorliegt (BSG Urteil vom 4. Juni 2019 – B 12 R 12/18 R –, Rn. 24 m.w.N.). Nachdem die Klägerin das darin liegende Teilanerkenntnis ihres Anspruchs angenommen hat, ist der Rechtsstreit insoweit erledigt (§ 101 Abs. 2 SGG) und nur noch über die Frage der Versicherungspflicht der Beigeladenen zu 1) an den im Bescheid vom 21. Februar 2021 einzelnen aufgezählten Tagen in der Zeit vom 14. April 2016 bis 17. November 2016 zu entscheiden. 

In dem damit noch streitigen Umfang erweisen sich die Bescheide der Beklagten als rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Beigeladene zu 1) war in ihrer Tätigkeit als Vertretungsärztin in der Klinik der Klägerin an den von der Beklagten genannten einzelnen Tagen zwischen dem 14. April 2016 und dem 17. November 2016 versicherungspflichtig in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung. 

Für die Versicherungspflicht in den genannten Zweigen der Sozialversicherung kommt es maßgeblich darauf an, ob die betreffende Tätigkeit im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt worden ist (§ 7 Abs. 1 SGB IV). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (zum Ganzen BSG, Urteil vom 29. August 2012, B 12 R 25/10 R, BSGE 111, 257).

Zur Abgrenzung von Beschäftigung und Selbstständigkeit ist regelmäßig vom Inhalt der zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen auszugehen. Liegen schriftliche Vereinbarungen vor, so ist neben deren Vereinbarkeit mit zwingendem Recht auch zu prüfen, ob mündliche oder konkludente Änderungen erfolgt sind. Diese sind ebenfalls nur maßgebend, soweit sie rechtlich zulässig sind. Schließlich ist auch die Ernsthaftigkeit der dokumentierten Vereinbarungen zu prüfen und auszuschließen, dass es sich hierbei um einen bloßen "Etikettenschwindel" handelt, der u.U. als Scheingeschäft im Sinne des § 117 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zur Nichtigkeit dieser Vereinbarungen und der Notwendigkeit führen kann, ggf. den Inhalt eines hierdurch verdeckten Rechtsgeschäfts festzustellen. Erst auf Grundlage der so getroffenen Feststellungen über den (wahren) Inhalt der Vereinbarungen ist eine wertende Zuordnung des Rechtsverhältnisses zum Typus der Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit vorzunehmen und in einem weiteren Schritt zu prüfen, ob besondere Umstände vorliegen, die eine hiervon abweichende Beurteilung notwendig machen (BSG, Urteil vom 24. März 2016 – B 12 KR 20/14 R –, SozR 4-2400 § 7 Nr. 29).

Ob eine Beschäftigung vorliegt, ergibt sich danach aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die hieraus gezogene Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung gehen der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so wie sie rechtlich zulässig ist (BSG, Urteil vom 29. August 2012, a.a.O.).

Für die Beurteilung der Tätigkeit von sog. Honorarärzten gelten keine abweichenden Maßstäbe. Der Senat schließt sich insoweit nach eigener Prüfung der Rechtsprechung des BSG in seinen grundlegenden Entscheidungen vom 4. Juli 2019 (B 12 R 2/18 R, B 12 R 11/18 R, B 12 R 5/19 R, B 12 R 20/18 R, B 12 R 10/18 R, B 12 R 22/18 R, B 12 R 12/18 R, jeweils juris) an. Danach kennzeichnet die bloße Bezeichnung als "Honorararzt" sozialversicherungsrechtlich kein besonderes Tätigkeitsbild, ist aber von anderen Ausübungsformen ärztlicher Tätigkeit im Krankenhaus abzugrenzen. Es spielt keine entscheidende Rolle, ob nach der Verkehrsanschauung anerkannt ist, dass so bezeichnete Honorarärzte im Krankenhaus selbstständig tätig sind oder zumindest sein können. Auch auf die Einordnung von Honorarverträgen durch die Arbeitsgerichte kommt es nicht an, da ein vollständiger Gleichklang zwischen dem Arbeitnehmer- und dem Beschäftigtenbegriff nach § 7 Abs. 1 SGB IV nicht besteht. Der Begriff des Honorararztes ist nicht legaldefiniert und umfasst verschiedene Ausübungsformen und Vertragsgestaltungen. Er wird im Sprachgebrauch verwendet, um Tätigkeiten zu beschreiben, die die Vertragsparteien als freiberuflich bzw. selbstständig verstehen. Abzugrenzen ist der Begriff des Honorararztes von denjenigen der Beleg- und Konsiliarärzte, für die andere vergütungsrechtliche Vorgaben und regulatorische Rahmenbedingungen gelten. Es spielt keine Rolle, ob nach der Verkehrsanschauung anerkannt ist, dass "Honorarärzte im Krankenhaus" selbstständig tätig sind oder sein können. Die Abgrenzung zwischen Beschäftigung und Selbstständigkeit erfolgt nicht abstrakt für bestimmte Berufs- und Tätigkeitsbilder. Es ist daher möglich, dass ein und derselbe Beruf - je nach konkreter Ausgestaltung der vertraglichen Grundlagen in ihrer gelebten Praxis - entweder in Form der Beschäftigung oder als selbstständige Tätigkeit ausgeübt wird. Maßgebend sind stets die konkreten Umstände des individuellen Sachverhalts. 

Bei der Gewichtung der Indizien ist zu berücksichtigen, dass die ärztliche Tätigkeit im Krankenhaus Besonderheiten aufweist. Deshalb können einzelne Gesichtspunkte, die sonst eine Tätigkeit als abhängig oder selbstständig kennzeichnen, von vornherein nicht als ausschlaggebende Abgrenzungsmerkmale herangezogen werden. Ärzte handeln bei medizinischen Heilbehandlungen und Therapien grundsätzlich frei und eigenverantwortlich. Hieraus kann aber nicht ohne Weiteres auf eine selbstständige Tätigkeit geschlossen werden. Dies ergibt sich bereits daraus, dass nach ganz herrschender Meinung selbst Chefärzte als Arbeitnehmer zu qualifizieren sind. Umgekehrt kann nicht allein wegen der Benutzung von Einrichtungen und Betriebsmitteln des Krankenhauses zwingend eine abhängige Beschäftigung angenommen werden. Der Versorgungsauftrag eines Krankenhauses sowie die Regelungen über die Erbringung und Vergütung von Krankenhausleistungen, zur Qualitätssicherung im Krankenhaus und zum Patientenschutz haben zwar keine zwingende, übergeordnete und determinierende Wirkung hinsichtlich des sozialversicherungsrechtlichen Status von im Krankenhaus tätigen sog Honorarärzten. Entsprechendes gilt für ein Zulassungserfordernis in der ambulanten Versorgung. Für in einem Krankenhaus tätige Ärzte ist allerdings zu beachten, dass Krankenhäuser nach § 107 Abs. 1 SGB V über ausreichende, dem Versorgungsauftrag entsprechende diagnostische und therapeutische Möglichkeiten verfügen müssen (Nr. 2), wozu insbesondere jederzeit verfügbares besonders geschultes Personal gehört (Nr. 3). Ein Krankenhaus hat nach § 2 Abs. 3 KHEntgG zudem sicherzustellen, dass die nicht fest angestellten Ärzte die gleichen Anforderungen wie die fest im Krankenhaus angestellten Ärzte erfüllen. Dies setzt einen maßgeblichen Einfluss des Krankenhauses auf ihre Tätigkeit voraus. Neben dem Erfordernis und Nachweis entsprechender fachlicher Qualifikationen bestehen umfassende Sicherstellungspflichten des Krankenhauses, die zu einer weitreichenden Einbindung der Ärzte in die Qualitätssicherungs- und Kontrollmechanismen führen. Diese regulatorischen Rahmenbedingungen bedingen im Regelfall die Eingliederung ärztlichen Krankenhauspersonals in die Organisations- und Weisungsstruktur des Krankenhauses. Für eine nur ausnahmsweise in Betracht kommende selbstständige Tätigkeit im sozialversicherungsrechtlichen Sinne müssen daher gewichtige Indizien bestehen. Für die Abgrenzung ist es weiterhin nicht von Bedeutung, ob die honorarärztliche Tätigkeit als Haupterwerbsquelle oder im Nebenerwerb ausgeübt wird und ob es sich um kurzfristige und seltene Arbeitseinsätze oder um eine verstetigte Geschäftsbeziehung handelt. Eine wirtschaftliche Abhängigkeit steht auch einem objektiven Weisungsrecht nicht gleich. Das Sozialversicherungsrecht ordnet Versicherungspflicht nicht nur für unbefristete Dauerbeschäftigungen an. Vielmehr sind - sofern die Geringfügigkeitsgrenzen überschritten sind - auch zeitlich befristete Arbeitseinsätze der Sozialversicherungs- und Beitragspflicht unterworfen. Etwas anderes gilt auch nicht dann, wenn der Arzt für mehrere Auftraggeber tätig oder hierzu grundsätzlich bereit war. Eine Tätigkeit für mehrere Auftraggeber erhält erst in der Zusammenschau mit weiteren typischen Merkmalen einer selbstständigen Tätigkeit Gewicht, wie z.B. einem werbenden Auftreten am Markt für die angebotenen Leistungen. Die Honorarhöhe ist nur eines von vielen in der Gesamtwürdigung zu berücksichtigenden Indizien. Sie ist als Ausdruck des Parteiwillens zu werten. Dem Willen der Vertragsparteien kommt generell nur dann überhaupt eine potentielle Bedeutung zu, wenn dieser Wille den festgestellten sonstigen tatsächlichen Verhältnissen nicht offensichtlich widerspricht und er durch weitere Aspekte gestützt wird bzw. die übrigen Umstände gleichermaßen für Selbstständigkeit wie für eine Beschäftigung sprechen. Nur unter diesen Voraussetzungen ist der in einem Vertrag dokumentierte Parteiwille überhaupt als ein auf Selbstständigkeit deutendes Indiz in die Gesamtabwägung einzustellen; hierdurch wird eine Selbstständigkeit jedoch nicht vorfestgelegt. Dabei ist das Gewicht des Indizes umso geringer, je weniger eindeutig die Vertragsgestaltung ist und je stärker die Widersprüche zu den tatsächlichen Verhältnissen sind. Zugleich schwächt es die potentielle Bedeutung ab, wenn wegen eines erheblichen Ungleichgewichts der Verhandlungspositionen nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden kann, dass alle Vertragsparteien in gleicher Weise die Möglichkeit hatten, ihre Wünsche bzgl. der Ausgestaltung des sozialversicherungsrechtlichen Status durchzusetzen. Diese Einschränkung der indiziellen Bedeutung der Honorarhöhe ergibt sich daraus, dass die Sozialversicherung auch dem Schutz der Interessen der Mitglieder von in Pflichtversicherungssystemen zusammengeschlossenen Solidargemeinschaften verpflichtet ist. Den Beteiligten steht keine Dispositionsfreiheit in dem Sinne zu, dass sich der Auftraggeber durch die Vereinbarung eines Zuschlages zu einem üblichen Stundenlohn eines vergleichbaren abhängig Beschäftigten von der Sozialversicherungspflicht "freikaufen" kann. Ebenso führt eine überlegene Verhandlungsposition von Auftragnehmern schon aus Gleichbehandlungsgründen für sich genommen nicht dazu, dass sie aufgrund möglicher Eigenvorsorge aus den Pflichtversicherungssystemen entlassen wären. Das Recht der Sozialversicherung wird beherrscht vom Grundsatz der Solidarität aller abhängig Beschäftigten. Dieser Grundsatz schließt es aus, die Versicherungspflicht über die gesetzlich geregelten Tatbestände hinaus von einem individuellen Schutzbedürfnis abhängig zu machen, zumal dieses Schutzbedürfnis sich beim Einzelnen im Laufe der Zeit wandeln kann. Wenn die Versicherungspflicht solchen Wandlungen folgen würde, wäre die Gefahr einer negativen Risikoauslese gegeben (BSG, Urteil vom 4. Juni 2019 – B 12 R 12/18 R –, Rn. 17 ff. m.w.N., juris).

Hieraus folgt für den vorliegenden Fall, dass von einer abhängigen Beschäftigung der Beigeladenen zu 1) auszugehen ist. Als entscheidend im Rahmen der Gesamtabwägung sieht der Senat unter Berücksichtigung der vertraglichen Vereinbarung und deren tatsächlicher Umsetzung die Eingliederung der Beigeladenen zu 1) in die betrieblichen Abläufe des Krankenhauses der Klägerin und das nur gering ausgeprägte Unternehmerrisiko der Beigeladenen an. Beide Merkmale prägen das Gesamtbild der Arbeitsleistung und sind gewichtige Merkmale für eine abhängige Beschäftigung. 

Zwar deutet der Vertrag zwischen der Beigeladenen zu 1) und dem klagenden Klinikum zunächst auf eine selbstständige Tätigkeit hin. Die Parteien vereinbarten, dass die Beigeladene zu 1 als Orthopädin im Rahmen einer freiberuflichen, selbständigen Tätigkeit im Auftrag der Klägerin als Vertretung der Leiterin der orthopädischen Abteilung Dr. med. D. bei Urlaub oder Krankheit tätig werden sollte. Der Beigeladenen zu 1) wurde zur Durchführung der Untersuchung die Nutzung der erforderlichen Räume und Gerätschaften gestattet. Die Beigeladene zu 1) hatte die Klägerin von einer haftungsrechtlichen Inanspruchnahme durch Patienten aufgrund Fehlbehandlung und Fehldiagnosen freizustellen; hierzu oblag es ihr, sich durch eine, die Tätigkeit umfassende, Berufshaftpflichtversicherung ausreichend abzusichern. Das Abführen von Steuern und Sozialversicherungsabgaben oblag der Beigeladenen zu 1). Diese Regelungen zeigen den Willen der Vertragsparteien, einen Dienstvertrag über eine selbständige Tätigkeit abzuschließen. 

Die tatsächliche Durchführung der Vertragsbeziehung zeigt demgegenüber Zeichen einer Eingliederung der Beigeladenen zu 1) in eine fremdbestimmte Arbeitsorganisation.

Jedenfalls, wenn ein Arzt eine vom Krankenhaus geschuldete (Teil-)Leistung innerhalb der vom Krankenhaus vorgegebenen Organisationsabläufe erbringt, er die Einrichtungen und Betriebsmittel des Krankenhauses nutzt und arbeitsteilig mit dem ärztlichen und pflegerischen Krankenhauspersonal in vorgegebenen Strukturen zusammenarbeitet, ist er in der Regel in einer seine Tätigkeit prägenden Art und Weise fremdbestimmt in den Betrieb des Krankenhauses eingegliedert. Liegt der gesamte organisatorische Rahmen im Verhältnis zum Patienten vom Erstkontakt über die arbeitsteilige Behandlung bis zur Abrechnung der erbrachten Leistungen in der Hand des jeweiligen Krankenhauses und ist der Arzt verpflichtet, organisatorische Regelungen einzuhalten, sich an die Anweisungen und Vorgaben der Chefärzte zu halten und die bei der Untersuchung oder Behandlung erhobenen Befunde und Protokolle, die Dokumentation der Aufklärung sowie die sich daraus ergebenden Beurteilungen dem zuständigen leitenden Abteilungsarzt zur Aufnahme in die Krankengeschichte zur Verfügung zu stellen, sind dies Zeichen einer abhängigen Beschäftigung (BSG, Urteil vom 4. Juni 2019 – B 12 R 11/18 R –, juris Rn. 32)

Vorliegend war die Beigeladene zu 1) ausdrücklich als Vertreterin der Leiterin der orthopädischen Abteilung Dr. D. angestellt und mit der Untersuchung der in der Klinik untergebrachten Patienten beauftragt. Sie nahm damit eine Tätigkeit wahr, die ansonsten von einer festangestellten Arbeitskraft erledigt wurde und die nur in den Räumen und unter Nutzung der betrieblichen Einrichtungen der Klägerin erbracht werden konnte. Insoweit trifft die Formulierung im Kooperationsvertrag, wonach die Beigeladene zu 1) „die Nutzung der erforderlichen Räume und Gerätschaften gestattet“ werde, nicht den realen Sachverhalt: Die Beigeladene zu 1) musste ihre Tätigkeit, die in der Untersuchung und Begutachtung von Patienten der Rehabilitationsklinik bestand, in den Räumlichkeiten der Klägerin zu den vorher vereinbarten Dienstzeiten, die ihrerseits von der Abwesenheit von Dr. D. abhängig waren, ausüben. Inhaltlich war die Arbeit der Beigeladenen zu 1) insoweit durch Vorgaben der Klägerin bestimmt, als die Beigeladene zu 1), wie sie bei ihrer persönlichen Befragung durch das Sozialgericht angegeben hat, zu Beginn eines Arbeitstags eine vorher von der Klägerin zusammengestellte Liste von Patienten erhielt, die sie entsprechend der jeweiligen Fragestellung abarbeitete. Dabei bestand ihre Tätigkeit im Rahmen der Sprechstunde, wie aus den Angaben der Beigeladenen zu 1) im Verwaltungsverfahren und im Rahmen ihrer persönlichen Befragung vor dem Sozialgericht deutlich geworden ist, nicht nur aus der Erstellung von orthopädischen Gutachten zur Arbeitsfähigkeit, sondern allgemein in fachorthopädischer Befundung, Therapieplanung und -durchführung; bei Notwendigkeit vergab sie Vorstellungs- und Wiedervorstellungstermine (Schreiben der Beigeladenen vom 12. Januar 2017). Hierbei war die Beigeladene zu 1) auch in einem gewissen Umfang in die arbeitsteilige Struktur des Krankenhauses eingebunden. Soweit es erforderlich war, veranlasste sie die Erstellung von Röntgenbildern durch eine im Krankenhaus der Klägerin befindliche, extern betriebene radiologische Praxis; in Einzelfällen erfolgte eine Beratung mit dem Stationsarzt. Die Beigeladene zu 1) war verpflichtet, das Ergebnis ihrer Tätigkeit in der jeweiligen Patientenakte zu dokumentieren. Bei der Erstellung von Gutachten hatte die Beigeladene zu 1) Vorgaben der Klinik (z.B. hinsichtlich einer vollständigen Befunderhebung und der Verwendung bestimmter Formblätter bei der Erhebung und Dokumentation der Befunde) zu beachten. Die Beigeladene zu 1) erbrachte mit ihrer orthopädischen Befundung und Begutachtung eine Leistung, welche die Klinik gegenüber den Leistungsträgern zu verantworten hatte und hinsichtlich derer sie dementsprechend die Einhaltung der entsprechenden Leistungs- und Qualitätsvorgaben zu kontrollieren und sicherzustellen hatte. Zudem war die Beigeladene zu 1) nach dem Kooperationsvertrag allgemein als Vertreterin der Oberärztin Dr. D. beschäftigt, so dass das Krankenhaus grundsätzlich berechtigt war, die Beigeladene zu 1) auch für andere Tätigkeiten aus dem Zuständigkeitsbereich von Dr. D. (z.B. bei einem akuten Behandlungsfall) heranzuziehen. Das dies keine nur theoretische Möglichkeit ist, zeigt die Rechnung der Beigeladenen zu 1) vom 4. März 2014, in der mitgeteilt wird, dass sich die Arbeitszeit durch einen Notfall verlängert habe. 

In ihrer Tätigkeit trat die Beigeladene zu 1), wie sie im Erörterungstermin vor dem Sozialgericht mitgeteilt hat, als Ärztin der Klinik auf. Sie trug neutrale ärztliche Kleidung mit einem Namensschild. Vor diesem Hintergrund ist die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) auch nicht mit dem von der Klägerin bemühten Beispiel der Tätigkeit externer Gutachter, die Patienten ausschließlich zum Zweck der Erstellung eines Fachgutachtens zu einer speziellen Fragestellung (z.B. der Erwerbsminderung) untersuchen, vergleichbar. 

Dass die Beigeladene zu 1) ihre Tätigkeit im Rahmen der Sprechstunde eigenständig und ohne Aufsicht durchführte und damit hinsichtlich der Art und Weise der Ausübung ihrer Tätigkeit nicht weisungsgebunden war, ist nicht entscheidend. Bei Diensten höherer Art tritt das Merkmal der Weisungsgebundenheit in den Hintergrund; wie das Beispiel der Chefärzte zeigt, kann es aufs Stärkste eingeschränkt und die Dienstleistung dennoch fremdbestimmt sein, wenn sie ihr Gepräge von der Ordnung des Betriebes erhält, in deren Dienst die Arbeit verrichtet wird (vgl. bereits BAG 11, 225; BSG, Urteil vom 4. Juni 2019, B 12 R 11/18 R, juris Rn. 29). Zudem hatte sich die Beigeladene zu 1) im Kooperationsvertrag dem Recht der Klinik unterworfen, die sorgfaltsgemäße Vertragserfüllung jederzeit durch den Chefarzt der Klinik kontrollieren zu lassen. Zwar ist ein solches Kontrollrecht nicht mit einem Weisungsrecht gleichzusetzen. Das „jederzeitige“ Kontrollrecht der Klägerin im Hinblick auf die sorgfaltsgemäße Vertragserfüllung durch die Beigeladene zu 1) beinhaltete aber die Einbindung und Überwachung der Beigeladenen zu 1) hinsichtlich der Beachtung der in der Klinik aufgrund gesetzlicher und vertraglicher Vorgaben geltenden Qualitätsstandards und ist damit ein weiteres Zeichen für die Eingliederung der Beigeladenen zu 1) in die von der Klägerin vorgegebenen Strukturen. 

Nicht bedeutsam ist, dass die Beigeladene zu 1) nicht an Teamsitzungen oder an Supervision teilnahm. Dies war im Hinblick auf die spezielle Tätigkeit der Beigeladenen zu 1), die insbesondere nicht mit regulärem Stationsdienst verbunden war, und ihrer zeitlich geringfügigen Anwesenheit in der Klinik auch erkennbar nicht erforderlich.  

Weitere für eine abhängige Beschäftigung sprechende Umstände sind die höchstpersönliche Leistungserbringung durch die Beigeladene zu 1), die keine eigenen Mitarbeiter beschäftigte, sowie die Vergütung der Tätigkeit auf Stundenbasis.

Kein aussagekräftiges Indiz ist vorliegend, dass in der vertraglichen Vereinbarung keine Arbeitnehmerschutzrechte wie Lohnfortzahlung im Krankheitsfall oder Urlaubsansprüche geregelt sind. Denn solche Vertragsgestaltungen sind als typisch anzusehen, wenn beide Seiten von einer selbstständigen Tätigkeit ausgehen. Allein die Belastung eines Erwerbstätigen, der im Übrigen nach der tatsächlichen Gestaltung des gegenseitigen Verhältnisses als abhängig Beschäftigter anzusehen ist, mit zusätzlichen Risiken rechtfertigt nicht die Annahme von Selbstständigkeit im Rechtssinne (stRsprg., z.B. BSG, Urteil vom 18. November 2015, B 12 KR 16/13 R, juris Rn. 27). Ebenso ist der Gedanke der Schutzbedürftigkeit des in Betracht kommenden Personenkreises kein Merkmal dafür, ob es sich um eine abhängige Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit handelt (vgl. BSG, Urteil vom 24.10.1978 - 12 RK 58/76).

Die Beigeladene zu 1) trug schließlich kein unternehmerisches Risiko. Maßgebendes Kriterium für ein solches Risiko ist, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist. Dabei ist ein unternehmerisches Risiko nur dann Hinweis auf eine selbstständige Tätigkeit, wenn diesem Risiko auch größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft gegenüberstehen (vgl. BSG, Urteil vom 28. November 2011 - B 12 R 17/09 R, juris, Rn. 25; BSG, Urteil vom 30. Oktober 2013 - B 12 KR 17/11 R, juris Rn. 35). Die Beigeladene zu 1) hatte für die Nutzung der Räumlichkeiten der Klägerin kein Entgelt zu zahlen und war nicht der Gefahr ausgesetzt, mit Ausgaben belastet zu sein, die von den Einnahmen nicht getragen werden. Sie bezog einen festen Lohn für geleistete Stunden und hatte daher keinen Verdienstausfall zu befürchten. Es bestand lediglich ein allgemeines Risiko, keine Folgeaufträge von der Klägerin zu erhalten. Hieraus allein folgt aber noch kein Unternehmerrisiko (vgl. BSG, Urteil vom 24. März 2016 - B 12 KR 20/14 R, juris Rn. 21). 

Zwar erhielt die Beigeladene eine relativ hohe Vergütung von 90,00 Euro pro Stunde, was ein Indiz für eine selbstständige Tätigkeit sein kann (vgl. BSG, Urteil vom 31. März 2017 - B 12 R 7/15 R, juris Rn. 50). Die vereinbarte Höhe ist vorliegend jedoch nicht ausschlaggebend, da sie als Ausdruck des Parteiwillens zu werten ist, dem nur dann potentielle Bedeutung zukommt, wenn dieser Wille den festgestellten sonstigen tatsächlichen Verhältnissen nicht offensichtlich widerspricht und er durch weitere Aspekte gestützt wird bzw. die übrigen Umstände gleichermaßen für Selbstständigkeit wie für Beschäftigung sprechen. Den Beteiligten steht nämlich keine Dispositionsfreiheit in dem Sinne zu, dass sich der Auftraggeber durch die Vereinbarung eines Zuschlags zu einem üblichen Stundenlohn eines vergleichbar abhängig Beschäftigten von der Sozialversicherungspflicht "freikaufen" kann (vgl. BSG, Urteil vom 04.06.2019 - B 12 R 11/18 R, Rdnr. 36, 37 juris). Angesichts der übrigen hier festgestellten Tatsachen, die für eine abhängige Beschäftigung sprechen, kommt der Entgelthöhe daher keine maßgebliche Bedeutung bei. 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 155 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO. Der Senat berücksichtigt hierbei, dass die Beklagte ihren Ausgangsbescheid in erheblichem Umfang zurückgenommen und die Feststellung von Versicherungspflicht auf die im einzelnen genannten Tage beschränkt hat, die Klägerin aber mit ihrem Begehren, das Nichtvorliegen von Versicherungspflicht festzustellen, erfolglos geblieben ist. Kosten der Beigeladenen sind nicht zu erstatten, da diese keine eigenen Anträge gestellt haben. 

Die Entscheidung über die Nichtzulassung der Revision beruht auf § 160 Abs. 2 SGG

Rechtskraft
Aus
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