Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Gründe:
Der Antragsteller ist palästinensischer Staatsangehöriger und im Besitz einer Duldung nach § 60a Abs. 2 Aufenthaltsgesetz, befristet bis zum 5.10.2006. Am 8.2.2006 beantragte er bei der Antragsgegnerin Hilfe zum Lebensunterhalt. Am 9.6.2006 legte er bei der Antragsgegnerin ein Schreiben der Techniker Krankenkasse vom 9.5.2006 vor, wonach die Beiträge für seine freiwillige Versicherung ab dem 8.2.2006 neu berechnet wurden und zwar mit
monatlich
103.72 € Krankenversicherung und
13.88 € Pflegeversicherung.
Aufgrund der rückwirkenden Änderung forderte die Techniker Krankenkasse eine Nachzahlung in Höhe von 435.12 €. Die Antragsgegnerin wertete dieses Schreiben als Antrag auf Kostenübernahme.
Mit Bescheid vom 20. 6. 2006 bewilligte die Antragsgegnerin Leistungen gemäß § 3 Asylbewerberleistungsgesetz in Höhe von monatlich 745,19 € einschließlich Kosten der Unterkunft in Höhe von 520,22 €. In dem Bescheid ist ausgeführt, Krankenversicherungskosten könnten nicht übernommen werden. Das Asylbewerberleistungsgesetz sehe eine Kostenübernahme dafür nicht vor. Gemäß § 4 Asylbewerberleistungsgesetz könnten lediglich Kosten zur Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände (Notfallbehandlungen) getragen werden.
Über den hiergegen erhobenen Widerspruch ist noch nicht entschieden.
Mit dem am 26.7.2006 beim Sozialgericht Frankfurt am Main eingegangenen Eilantrag begehrt der Antragsteller Leistungen nach dem SGB XII sowie die Übernahme der Beiträge für die Technikerkrankenkasse durch die Antragsgegnerin.
Er trägt u. a. vor, er lebe seit 30 Jahren in Deutschland. Eine Abschiebung nach Palästina sei bisher daran gescheitert, dass sich die israelischen Behörden weigerten einen Pass auszustellen. Damit erfülle er alle Voraussetzungen des § 2 Asylbewerberleistungsgesetz mit der Folge, dass er Ansprüche auf Leistungen nach dem SGB XII habe.
Mit Bescheid vom 18.6.2006 habe die Technikerkrankenkasse rückwirkend festgestellt, dass die Mitgliedschaft am 15.7.2006 aufgrund der Beitragsrückstände von insgesamt 623,60 € beendet worden sei. Gegen diesen Feststellungsbescheid habe er Widerspruch erhoben.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
im Wege der einstweiligen Anordnung die Antragsgegnerin zu verpflichten, Leistungen nach dem SGB XII im gesetzlichen Umfang zu gewähren.
Sowie die Beitragsrückstände bei der Techniker Krankenkasse für die Zeit vom 8.2.2006 bis 30.6.2006 in Höhe von 558,67 € und die laufenden Beiträge ab 16.7.2006 in Höhe von monatlich 103,72 € für die Krankenversicherung und 13,88 € für die Pflegeversicherung zu übernehmen.
Die Antragsgegnerin beantragt sinngemäß,
den Antrag abzulehnen.
Sie führt u. a. aus, die Voraussetzungen des § 2 Asylbewerberleistungsgesetz seien nicht erfüllt. Der Antragsteller habe vom 1.4.2003 bis 31.12.2004 Hilfe nach dem Bundessozialhilfegesetz bzw. Asylbewerberleistungsgesetz bezogen. Vom 1.1.2005 bis 28.2. 2006 habe er Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II erhalten. Eine Hilfegewährung nach § 2 Asylbewerberleistungsgesetz - Analogleistungen nach dem SGB XII - sei bei fortlaufenden Leistungsbezug erst ab 8.4.2007 möglich. Die freiwilligen Beiträge zur Krankenversicherung könnten nicht übernommen werden, da sich gemäß § 4 Asylbewerberleistungsgesetz die Leistungen bei Krankheit auf akute Erkrankungen und Schmerzzustände beschränken würden. Auch eine Übernahme der Krankenversicherungsbeiträge nach § 6 Asylbewerberleistungsgesetz (sonstige Leistungen) sei ausgeschlossen, da hierzu nur Leistungen gehörten, die zur Sicherung der Gesundheit unerlässlich seien.
Der zulässige Antrag ist nicht begründet.
Der Erlass einstweiliger Anordnungen ist in § 86b Abs.2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in der Fassung des sechsten Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes (6.SGGÄndG) vom 17.8.2001 (BGBl I S 2144ff) geregelt. Satz 1 stellt klar, dass eine einstweilige Anordnung nicht statthaft ist, wenn vorläufiger Rechtsschutz nach § 86b Abs.1 SGG gewährt werden kann. Hinsichtlich der materiellen Voraussetzungen einer einstweiligen Anordnung orientiert sich das Gesetz ausdrücklich an der in der Praxis vorherrschenden Auffassung, wonach die in § 123 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) geregelte Systematik für das Sozialgerichtsverfahren zu übernehmen ist (Bundesratsdrucksache 132/01 S.53).
Entsprechend finden sich in § 86b Abs.2 beide Erscheinungsformen der einstweiligen Anordnung, die Sicherungsanordnung in Satz 1 und die Durchsetzung von Verpflichtungs-, allgemeinen Leistungs- und Feststellungsbegehren dienende Regelungsanordnung in Satz 2. Nach § 86b Abs. 3 SGG ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung schon vor Klageerhebung statthaft.
Vorliegend handelt es sich um eine Regelungsanordnung, denn es werden Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz begehrt.
Eine einstweilige Anordnung kann erlassen werden, wenn ohne sie schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19.Oktober 1977 - 2 BVR 42/76 - BVerfGE 46, Seite 166,177ff. = NJW 1978, Seite 193,194).
Im Einzelnen gilt, dass das Gericht im Rahmen einer insoweit zu treffenden Ermessensentscheidung alle betroffenen öffentlichen und privaten Interessen der Beteiligten, die für und gegen den Erlass einer einstweiligen Anordnung sprechen, gegeneinander abzuwägen hat. Zu berücksichtigen sind dabei unter anderem auch, soweit sie sich bereits übersehen lassen, die Erfolgsaussichten in einem anhängigen oder zu erwartenden Hauptsacheverfahren (vgl. Kopp, Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar, 9. Auflage, 1992, § 123 VwGO, Rn. 30, m.w.N.).
Die Entscheidung darf freilich, dem Wesen und Zweck der einstweiligen Anordnung entsprechend, die Hauptsache grundsätzlich nicht vorwegnehmen. Das Gericht kann nur vorläufige Anordnungen treffen und dem Antragsteller in der Regel nicht schon in vollem Umfang, wenn auch nur auf beschränkte Zeit und unter Vorbehalt einer Entscheidung in der Hauptsache, das gewähren, was er in einem Hauptsacheprozess erreichen könnte. Im Hinblick auf die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs.4 GG gilt dies jedoch dann nicht, wenn eine bestimmte Regelung zur Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes schlechterdings notwendig ist, d.h. wenn die sonst zu erwartenden Nachteile für den Antragsteller unzumutbar wären und ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg auch in der Hauptsache spricht (vgl. Kopp a.a.O., Rnr. 13 m.w.N.). Ist dagegen eine derartige positive Vorausbeurteilung in der Hauptsache nicht möglich, bestehen geringere als zumindest überwiegende Erfolgsaussichten zugunsten des Antragstellers in der Hauptsache, so kann die (Regelungs-) Anordnung nicht erlassen werden.
Ungeachtet der Erfolgsaussichten in einem Hauptsacheverfahren ist die begehrte einstweilige Anordnung bereits deshalb nicht begründet, weil eine Eilbedürftigkeit für eine Entscheidung im einstweiligen Anordnungsverfahren nicht besteht (Anordnungsgrund). Dem Antragsteller ist es zuzumuten, eine Entscheidung der Antragsgegnerin im Vorverfahren abzuwarten sowie gegebenenfalls den Ausgang eines sich daran anschließenden Klageverfahrens. Es ist weder substantiiert vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass der Antragsteller bei Einhaltung des üblichen Entscheidungsweges existenzielle wirtschaftliche Not leiden würden. Er bezieht monatliche Leistungen in Höhe von 745.19 €, einschließlich der Kosten für Unterkunft in Höhe von 520.22 €. Damit verfügt der Antragsteller über eine rudimentäre Grundsicherung. Eine darüber hinaus verbleibende schwierige finanzielle Lage als solche reicht für die Annahme eine Eilbedürftigkeit nicht aus Es ist auch nicht ersichtlich, dass dem Antragsteller ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes andere unzumutbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung in einem Hauptsacheverfahren keine Möglichkeit bestehen würde. Insbesondere ist die Kündigung der Krankenversicherung wegen der fehlenden Beitragszahlungen unbeachtlich, da dem Antragsteller laut Bescheid vom 20.6.2006 für die Notfallbehandlung Leistungen nach § 4 Asylbewerberleistungsgesetz zustehen. Ein Anlass für die Inanspruchnahme des Gerichts zur Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes besteht daher nicht. Da somit bereits kein Anordnungsgrund vorliegt, konnte dahingestellt bleiben, ob ein Anordnungsanspruch vorliegt. Die Prüfung dieser Frage bleibt ggf. einem Hauptsacheverfahren vorbehalten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.