1. Eine Verletzung der ärztlichen Anzeigepflicht nach § 202 Satz 1 SGB VII ist der Beklagten im Rahmen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs nicht zuzurechnen.
2.Für die Kostenprivilegierung reicht es aus, dass zumindest die Möglichkeit einer Sonderrechtsnachfolge nach § 56 SGB I nicht völlig ausgeschlossen ist (BSG vom 19. Januar 2017 – B 8 SO 82/16 B; BSG vom 16. März 2021 – B 2 U 17/19 R; LSG Niedersachsen-Bremen vom 20. Dezember 2017 - L 8 SO 293/15).
I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 23. November 2018 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander auch für das Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt als Sonderrechtsnachfolgerin die Gewährung von Geldleistungen nach ihrem verstorbenen Ehemann sowie posthum die Anerkennung der Berufskrankheit (BK) Nr. 4105 nach der Anlage 1 der Berufskrankheitenverordnung (BKV).
Die Klägerin ist die Witwe des 1941 geborenen Versicherten. Bis zu dessen Tod am X.XX.1992 lebte sie mit ihm und dem gemeinsamen, im Jahre 1977 geborenen Sohn in einem gemeinsamen Haushalt. Der Versicherte war nach entsprechender Ausbildung zeitlebens im familiären Elektrobetrieb als Elektroinstallateur/-monteur tätig, nach Übernahme des Betriebes am 1. Januar 1978 selbstständig.
Am 13. Juli 2015 teilte der Sohn des Versicherten der Beklagten per Mail mit, dass sein Vater an den Folgen von Asbest im Rippenfell verstorben sei und fragte, ob sich hieraus „berechtigte Ansprüche“ für seine Mutter ergäben.
Die Beklagte leitete daraufhin ein Verfahren zur Prüfung etwaiger Hinterbliebenenrentenansprüche der Klägerin ein. Dieses Verfahren ist unter dem Aktenzeichen L 9 U 134/21 nach den Anspruch ablehnenden Bescheiden der Beklagten (Bescheid vom 8. Mai 2017, Widerspruchsbescheid vom 16. Oktober 2017) und Klageabweisung durch das Sozialgericht Frankfurt am Main (Gerichtsbescheid vom 23. November 2018 - S 23 U 151/17) im Senat ebenfalls anhängig.
Im Rahmen der Sachermittlungen von Amts wegen zog die Beklagte medizinische Unterlagen zu der letalen Erkrankung des Versicherten von dessen Krankenversicherung (Signal Iduna), dem deutschen Mesotheliomregister und den behandelnden Ärzten bei. Nach dem Arztbrief des Internisten Dr. C. vom 3. September 1992 befand sich der Kläger vom 30. Juli 1992 bis 1. September 1992 im Krankenhaus Bad Orb. Diagnostiziert wurden dort ein rezidivierender linksseitiger Pleuraerguss bei Verdacht auf eine Pleurakarzinose eines Adenokarzinoms, Zustand nach B-II-Resektion des Magens 1978, Psoriasis und Hypercholesterinämie. In dem Konsiliarbericht des Radiologen D. vom 13. August 1992 über eine Thorax-CT heißt es, dass sich kein Hinweis auf einen entzündlichen Lungenprozess und auch kein sicherer Hinweis auf einen Lungentumor ergebe. Die pleuralen Verdickungen, insbesondere der Lungenspitze der apikalen Lungenabschnitte, könnten Hinweise auf ein Pleuramesotheliom geben. Eine am 18. August 1992 von dem Internisten Dr. E. durchgeführte Bronchoskopie ergab eine Kompression des gesamten Unterlappens mit entsprechenden Veränderungen und der Segmentbronchien links, ohne Anhalt für ein intraluminäres exophytisches Tumorwachstum. Auf dessen Empfehlung hin wurde dem Versicherten perkutan eine Pleurastanze entnommen und Prof. Dr. F., (seinerzeit) Direktor des Instituts für Pathologie der Berufsgenossenschaftlichen Krankenanstalten Bergmannsheil, Universitätsklinikum Bochum, zugleich Leiter des dort angesiedelten Deutschen Mesotheliomregisters, zur Auswertung zugeleitet. Nach dessen gutachterlicher Beurteilung vom 24. August 1992 handele es sich in der Pleurastanze um einen sich in der Pleura ausbreitenden epithelial-differenzierten Tumor. Zur differenzialdiagnostischen Abgrenzung eines primären Pleuramesothelioms von einem Pleurakarzinom eines Andenokarzinoms kündigte er zusätzliche immunhistochemische Untersuchungen und einen gesonderten Bericht hierüber an. Mit Blick auf die ihm in einem (dem Senat nicht vorliegenden) Begleitschreiben mitgeteilte jahrelange Asbeststaubexposition fragte Prof. Dr. F. Dr. E. nach dem Beruf des Versicherten, zudem, ob bereits der Verdacht auf eine Berufskrankheit angezeigt worden und welche die zuständige Berufsgenossenschaft sei. In seinem Zweitbrief vom 28. August 1992 gelangte Prof. Dr. F. nach differenzialdiagnostischer Abgrenzung durch zusätzliche histochemische und immunhistochemische Reaktionen zu der Diagnose einer Pleurakarzinose eines Andenokarzinoms. Dr. E. wies er vor dem Hintergrund der berichteten jahrelangen Asbeststaubexposition darauf hin, dass bei primärem Bronchial- mit Pleurakarzinom im Rahmen eines operativen Eingriffs auch daran gedacht werden sollte, Lungengewebe für eine mögliche Asbeststaubanalyse zum Nachweis einer erhöhten Asbestbelastung der Lungen zu entnehmen, ferner auf das Vorliegen von Pleuraplaques zu achten.
Vom 1. September 1992 bis zum 10. September 1992 befand sich der Versicherte in stationärer Krankenhausbehandlung in den Städtischen Kliniken Frankfurt am Main-Höchst. Aus dem Entlassungsbrief von dort ergibt sich die Diagnose „Pleuraerguss links bei Pleuramesotheliom“. Er verstarb ohne weitere Operation und auch spätere Obduktion am X.XX.1992. In seinem ärztlichen Bericht an die K. Lebensversicherung AG vom 24. November 1992 gab Dr. C. als Todesursache eine Tumorkachexie bei Pleuraerguss links in Folge Pleuramesotheliom, später durch Ausbildung eines Aszites, an.
Zu den medizinischen Unterlagen äußerte sich im Auftrag der Beklagten Prof. Dr. G. (Facharzt für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin) unter dem 15. Januar 2017 beratungsärztlich. In synoptischer Wertung der vorliegenden Befunde sei festzuhalten, dass aus klinischer und CT-morphologischer Sicht sowie auch unter Berücksichtigung des Krankheitsverlaufes mit Exitus letalis etwa nur drei Monate nach Feststellung eines ausgeprägten Pleuraergusses links die Diagnose eines Pleuramesothelioms differenzialdiagnostisch durchaus in Erwägung gezogen werden müsse. Eine zumindest intermittierend anzunehmende berufliche Asbestexposition in seiner Eigenschaft als selbstständiger Elektroinstallateur müsse bei dem Versicherten ebenfalls als bestätigt angenommen werden. Aus unfallversicherungsrechtlicher Sicht müsse jedoch den zur Verfügung stehenden fachpathologischen Ergebnissen, vor allem aus dem Institut für Pathologie des Universitätsklinikums Bochum, im Hinblick auf das Vorliegen speziell der BK Nr. 4105 die entscheidungsrelevante Bedeutung zugemessen werden. Hierin werde letztlich auch nach ergänzenden immunhistochemischen Untersuchungen die Diagnose eines Pleuramesothelioms als Primärtumor nicht bestätigt und von einer Pleurakarzinose eines Andenokarzinoms ausgegangen. Die medizinischen Voraussetzungen der BK Nr. 4105 lägen daher nicht vor. Da letztendlich auch die Diagnose eines primären Lungenkarzinoms nicht definitiv bestätigt werde, seien auch weitere Ermittlungen im Hinblick auf die BK Nr. 4104 nicht angezeigt.
Im Auftrag der Beklagten erstatteten Prof. Dr. H. und Prof. Dr. F. vom Universitätsklinikum Münster unter dem 10. April 2017 ein fachpathologisches, wissenschaftlich begründetes Gutachten. Die Diagnose eines bösartigen Tumors beruhe auf Untersuchungen, die sie am 24. August 1992 in Bochum durchgeführt hätten und die auch aktenkundig seien. Seinerzeit hätten sie eindeutig einen bösartigen Tumor diagnostiziert. Eine Zuordnung im Sinne der Gruppe A (sicheres Mesotheliom) oder der Gruppe B (wahrscheinliches Mesotheliom) nach dem europäischen CEC-Panel - wie aktuell gefordert - sei seinerzeit nicht möglich gewesen. Eine Nachfrage bei dem Mesotheliomregister in Bochum habe ergeben, dass Präparate bzw. Restmaterial in einem Paraffinblock der seinerzeit untersuchten Gewebeproben des Versicherten nicht mehr zur Verfügung stünden. Somit könne eine erneute Begutachtung nur basierend auf den von der Beklagten zur Verfügung gestellten umfangreichen Aktenunterlagen erfolgen. Entscheidend seien daher die pathologisch-anatomischen, seinerzeit von ihnen in Bochum erhobenen Untersuchungsbefunde, nach denen auch nach Einsatz immunhistochemischer Zusatzuntersuchungen ein bösartiger Tumor im Sinne der Sicherung eines Mesothelioms nicht habe diagnostiziert werden können.
Mit Bescheid vom 9. Oktober 2017 lehnte die Beklagte einen Leistungsanspruch der Klägerin im Rahmen der Sonderrechtsnachfolge nach § 56 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) i.V.m. § 59 SGB I ab. Zur Begründung führte sie aus, dass Ansprüche auf Geldleistungen erlöschten, wenn diese im Zeitpunkt des Todes des Berechtigten weder festgestellt seien noch ein Verwaltungsverfahren über sie anhängig gewesen sei. Mit E-Mail vom 13. Juli 2015 habe der Sohn der Beklagten den Verdacht auf das Vorliegen einer Berufskrankheit gemeldet, der Versicherte sei bereits am X.XX.1992 verstorben. Zum Zeitpunkt des Todes sei kein Verfahren anhängig gewesen, weshalb der Antrag abzulehnen gewesen sei.
Im Widerspruch hiergegen machte die Klägerin geltend, dass ihr Mann offenbar an einer Berufskrankheit (BK) Nr. 4105, Mesotheliom, verstorben sei. Die Beklagte könne sich nicht auf eine verspätete Anmeldung berufen, weil die Ärzte in diesem Rahmen gewissermaßen berufsgenossenschaftlich tätig werden würden. Sie müsse sich daher zurechnen lassen, wenn ein Arzt eine BK nicht rechtzeitig melde. Bei dieser spezifischen BK bestehe eine verschärfte Amtsermittlungspflicht. Der Verdacht auf die BK Nr. 4105 hätte der Beklagten nicht „durchgehen“ dürfen. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15. Dezember 2017 unter Vertiefung der Gründe des Ausgangsbescheides zurück. Sie habe erstmals durch die E-Mail des Sohnes vom 13. Juli 2015 Kenntnis davon erlangt, dass bei dem Versicherten zu Lebzeiten ein Pleuramesotheliom vorgelegen haben könnte. Davor habe sie keinerlei Informationen gehabt, dass ein solcher Verdacht bestehen könnte. Die versäumte Meldung des behandelnden Arztes könne ihr nicht zur Last gelegt werden, zumal davon auszugehen sei, dass zu dem damaligen Zeitpunkt kein begründeter Verdacht auf ein Pleuramesotheliom bestanden habe und daher eine Meldung nicht erfolgt sei. Die Ausführungen seien nicht nachvollziehbar, die Meldung an die Beklagte hätte zu einem früheren Zeitpunkt und nicht erst 23 Jahre nach dem Tode des Versicherten erfolgen können.
Mit Klage bei dem Sozialgericht Frankfurt am Main vom 12. Januar 2018 hat die Klägerin ihren Anspruch auf Anerkennung der BK Nr. 4105 und Entschädigung, „insbesondere in Form der Lebzeitenleistungen und der Hinterbliebenenleistungen“ weiterverfolgt. Zur Begründung hat sie daran festgehalten, dass die Beklagte sich auf die verspätete Meldung der BK nicht berufen könne, da die ärztliche Unterlassung der BK-Anzeige ihr zuzurechnen sei. Als Witwe und Sonderrechtsnachfolgerin sei sie so zu stellen, als wäre rechtzeitig gemeldet worden.
Nach richterlichem Hinweis hat die Klägerin die Klage auf die Gewährung von Leistungen an sie als Sonderrechtsnachfolgerin beschränkt. Die Klage hat das Sozialgericht nach Anhörung der Beteiligten durch Gerichtsbescheid vom 23. November 2018 abgewiesen. Soweit die Klage auf Abänderung der angefochtenen Entscheidung der Beklagten und Gewährung von Geldleistungen im Rahmen der Sonderrechtsnachfolge gerichtet sei, sei sie als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage statthaft und zulässig. Soweit die Klage auf die (behördliche) Feststellung der BK Nr. 4105 bei dem verstorbenen Ehemann der Klägerin gerichtet sei, sei sie unzulässig. Es könne hierbei dahinstehen, ob es der Klägerin bereits an der Klagebefugnis fehle; jedenfalls aber bestehe für die Klage kein Rechtsschutzbedürfnis, weil die klagegegenständliche Entscheidung der Beklagten keine Regelung zu der BK Nr. 4105 des verstorbenen Versicherten getroffen habe, sondern die Ablehnung des geltend gemachten Leistungsanspruchs wegen des gesetzlichen Leistungsausschlusses des § 59 SGB I erfolgt sei. Die zulässige Klage führe in der Sache nicht zum Erfolg. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf die begehrten Geldleistungen als Sonderrechtsnachfolgerin, weil etwaige Ansprüche nach § 59 SGB I mit dem Tod des Berechtigten erloschen seien. Das Gericht folge insoweit der Begründung des Bescheides vom 9. Oktober 2017 und sehe insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 136 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz - SGG). Was den geltend gemachten sozialrechtlichen Herstellungsanspruch anbetreffe, gehe – abgesehen vom fehlenden Nachweis ärztlicher Versäumnisse insoweit – der diesbezügliche Vortrag der Klägerin schon deshalb ins Leere, weil bei dem Versicherten kein Mesotheliom vorgelegen habe und deshalb auch kein Verdacht auf das Vorliegen der BK Nr. 4105 bestanden habe.
Gegen die ihr am 27. November 2018 zugestellte Entscheidung hat die Klägerin am 12. Dezember 2018 Berufung bei dem Hessischen Landessozialgericht angebracht. Zur Begründung stellt sie klar, dass bei dem Versicherten ein Pleuramesotheliom bzw. eine Pleurakarzinose vorgelegen habe, die von den Ärzten hätte gemeldet werden müssen. Soweit die Ablehnung darauf fuße, dass ein Mesotheliom nicht habe gesichert werden können, sei 1992 Material im berufsgenossenschaftlichen Bereich vorhanden gewesen, welches offenbar allerdings vernichtet worden sei. Ein solches Vorgehen verbiete sich bei dem Verdacht auf ein Mesotheliom und der BK Nr. 4105. Die Klägerin müsse so gestellt werden, als habe ein umfassendes Beweisverfahren stattgefunden und als wären die Beweise aufbewahrt worden, d. h. etwa die Präparate, mit denen sich Prof. Dr. F. vom Mesotheliom-Register Bochum auseinandersetze. Eine enge Auslegung sei hier kontraindiziert. Zu beachten sei insoweit § 2 Abs. 2 SGB I, wonach bei Auslegung sozialrechtlicher Vorschriften zu gewährleisten sei, eine möglichst weitgehende Rechtsverwirklichung zugunsten des Anspruchstellers zu erreichen.
Die Klägerin beantragt schriftsätzlich wörtlich,
unter Abänderung/Aufhebung des am 27.11.2018 zugestellten Gerichtsbescheides des Sozialgerichts Frankfurt am Main, S 23 U 10/18, vom 23.11.2018, wird nach den Anträgen aus der I. Instanz erkannt, d.h. auf die Verurteilung der Beklagten, eine Berufskrankheit Nr. 4105 anzuerkennen und zu entschädigen, insbesondere hier in Form der Lebzeitenleistungen aus dem Grunde der Sonderrechtsnachfolge.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Ihrer Auffassung nach ist die erstinstanzliche Entscheidung weder in formeller noch in sachlicher Hinsicht zu beanstanden.
Mit Beschluss vom 22. April 2020 hat der Senat das Ruhen des Verfahrens mit Blick auf das seinerzeit bei dem Bundessozialgericht (BSG) anhängige Verfahren B 2 U 5/19 R angeordnet. Nach Entscheidung der Streitsache mit Urteil vom 23. Juni 2020 und Vorlage der Entscheidungsgründe hat der Senat das Verfahren unter dem Aktenzeichen L 9 U 87/21 wieder aufgerufen.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sachverhalt und zu dem Vorbringen der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten und die Gerichtsakte verwiesen, die Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Der Senat kann gemäß §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erteilt haben.
Die statthafte (§§ 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte (§ 151 SGG) Berufung ist unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 9. Oktober 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Dezember 2017 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§§ 157, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Das Sozialgericht hat die Klage durch Gerichtsbescheid vom 23. November 2018 zu Recht abgewiesen.
Die Klage auf Feststellung der BK Nr. 4105 ist unzulässig (1.), die Klage auf Gewährung von Geldleistungen zwar zulässig, aber unbegründet (2.).
1. Die auf die Anerkennung der BK Nr. 4105 gerichtete kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§§ 54 Abs. 1, 56 SGG) ist unzulässig. Dies hat auch das Sozialgericht im Ergebnis zutreffend erkannt, allerdings zu Unrecht unter Annahme einer Sonderrechtsnachfolge nach § 56 SGB I durch die Klägerin. Denn bezogen auf die begehrte (behördliche) Verpflichtung zur Anerkennung einer BK ist eine solche nicht eingetreten, weil Gegenstand dieses Verfahrens nicht fällige Ansprüche auf laufende Geldleistungen sind (vgl. BSG vom 27. Oktober 2016 - B 2 U 45/16 B; LSG Hamburg vom 4. Dezember 2019 - L 2 U 40/18). Eine Sonderrechtsnachfolge hat das BSG - auch - in seiner jüngsten Entscheidung vom 16. März 2021 (Az.: B 2 U 17/19 R) nur für den Fall angenommen, dass ein Kläger das Klageverfahren eines Verstorbenen auf Feststellung eines Versicherungsfalls zulässig fortführt, um anschließend auf ihn als Sonderrechtsnachfolger i. S. des § 56 SGB I übergegangene Ansprüche auf laufende Geldleistungen geltend zu machen. Dies ist hier nicht der Fall. Jedenfalls hat die Beklagte mit den verfahrensgegenständlichen Bescheiden keine anfechtbare verwaltungsaktmäßige Regelung im Sinne des § 31 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) über die (Nicht-) Anerkennung der BK Nr. 4105 getroffen. Folglich ist die auf die behördliche Verpflichtung auf Anerkennung dieser BK gerichtete Klage unzulässig, weil nicht in einem Verwaltungsverfahren darüber vor Klageerhebung befunden wurde (vgl. u. a. BSG vom 30. Oktober 2007 – B 2 U 4/06 R). Vorliegend hat die Beklagte in dem Bescheid vom 9. Oktober 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Dezember 2017 ausschließlich Ansprüche der Klägerin auf Geldleistungen gestützt auf § 59 SGB I abgelehnt. Eine auf die Anerkennung einer BK gerichtete Klage ist daher in Ermangelung einer anfechtbaren Verwaltungsentscheidung der Beklagten unzulässig.
2. Die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Geldleistungen im Wege der Sonderrechtsnachfolge nach ihrem am 11. Oktober 1992 verstorbenen Ehemann. Das Begehren der Klägerin bedarf zunächst der Auslegung. Soweit die Beklagte in den streitgegenständlichen Bescheiden unter Berufung auf § 59 (Satz 2) SGB I der Sache nach alle denkbar in Betracht kommenden Geldleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung abgelehnt hat, ist dies mit Blick auf die undifferenzierte Antragstellung der Klägerin nicht zu beanstanden. § 59 Satz 2 SGB I regelt, unter welchen Voraussetzungen ausnahmslos alle Ansprüche auf Geldleistungen (§ 11 SGB I) mit dem Tod des Berechtigten erlöschen. Demgegenüber war es an der Klägerin, ihren Antrag auf Entschädigung „in Form der Lebzeitenzeitenleistungen“ inhaltlich näher zu konkretisieren. Aus ihm wird nicht deutlich, welche der in Betracht kommenden Geldleistungen der gesetzlichen Unfallversicherung sie begehrt. Zudem hätte ein entsprechendes Urteil einen nicht vollstreckungsfähigen Inhalt. Der Antrag der Klägerin kann jedoch so ausgelegt werden, dass er zulässig ist. Eine solche Auslegung ist auch bei einem anwaltlich vertretenen Kläger weitgehend möglich (LSG Baden-Württemberg vom 17. März 2016 - L 6 U 4796/13), weil die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit nach § 123 SGG über den (wirklich) erhobenen Anspruch entscheiden, ohne an die Fassung der Anträge gebunden zu sein. Nach dem Verfahren zugrundeliegenden Lebenssachverhalt kommen ausschließlich Ansprüche auf Verletztengeld und Verletztenrente ihres verstorbenen Ehemannes in Betracht.
Etwaige Ansprüche von ihm als bei der Beklagten Versicherten sind jedoch mit seinem Tod erloschen. Nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB I stehen fällige Ansprüche auf laufende Geldleistungen beim Tod des Berechtigten zwar dem Ehegatten zu, wenn dieser mit dem Berechtigten zur Zeit seines Todes - wie vorliegend - in einem gemeinsamen Haushalt gelebt hat. Diese Ansprüche erlöschen jedoch, wenn sie im Zeitpunkt des Todes des Berechtigten weder festgestellt sind noch ein Verwaltungsverfahren über sie anhängig ist (§ 59 Satz 2 SGB I). Ein Verwaltungsverfahren ist gemäß § 8 Satz 1 SGB X die nach außen wirkende Tätigkeit der Behörden, die auf die Prüfung der Voraussetzungen, die Vorbereitung und den Erlass eines Verwaltungsaktes oder auf den Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages gerichtet ist. Die Behörde entscheidet nach pflichtgemäßem Ermessen, ob und wann sie ein Verwaltungsverfahren durchführt; dies gilt nicht, wenn sie aufgrund von Rechtsvorschriften von Amts wegen oder auf Antrag tätig werden muss, oder nur auf Antrag tätig werden darf und ein Antrag nicht vorliegt (§ 18 SGB X). Zwischen den Beteiligten unstreitig war bei der Beklagten zum Zeitpunkt des Todes des Versicherten im Oktober 1992 kein Verwaltungsverfahren bezogen auf die Anerkennung einer BK nebst entsprechender Leistungsansprüche anhängig.
Maßgeblich für die Beurteilung sind, soweit es um (Verletzten-)Rentenansprüche geht, die Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO). Das ergibt sich aus den Übergangsregelungen der §§ 212 und 214 Abs. 3 Satz 1 SGB VII. Dem Versicherungsfallprinzip entsprechend ist das SGB VII nur auf solche Versicherungsfälle anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 1996 eingetreten sind. Für fortbestehende Sachverhalte aus Versicherungsfällen, die vor dem 1. Januar 1997 eingetreten sind, gilt weiterhin das bis zum 31. Dezember 1996 geltende Recht, d. h. es gelten insbesondere die Vorschriften des Dritten Buches der RVO. Es kommt also nicht darauf an, wann der zur Beurteilung des Versicherungsfalles maßgebliche Sachverhalt dem Unfallversicherungsträger bekannt wird oder wann die Entscheidung über die Anerkennung des Versicherungsfalles getroffen wird (Sächsisches LSG vom 14. Januar 2010 - L 2 U 149/07; Harks in jurisPK-SGB VII, § 212 Rz 11; Köhler in: Hauck/Noftz, SGB, 05/11, § 212 SGB VII, Rn. 5). Die Übergangsregelung des § 214 Abs. 3 Satz 1 SGB VII, nach der die Vorschriften über Renten, Beihilfen, Abfindungen und Mehrleistungen im SGB VII auch für Versicherungsfälle gelten, die vor dem Tag des Inkrafttretens des SGB VII (1. Januar 1997, vgl. Art. 36 Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz vom 7. August 1996 <BGBl. I 1254>) eingetreten sind, wenn diese Leistungen nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes erstmals festzusetzen sind, ist nicht einschlägig. In seiner Entscheidung vom 21. September 2010 (Az.: B 2 U 3/10 R) hat das BSG klargestellt, dass Leistungen zu dem Zeitpunkt „erstmals festzusetzen“ i. S. des § 214 Abs. 3 Satz 1 SGB VII sind, zu dem die Voraussetzungen des jeweiligen Anspruchs erfüllt sind und der Versicherte einen Anspruch auf Feststellung des Leistungsrechts hat, wohingegen es unerheblich ist, ob und wann dieses Recht durch Verwaltungsakt festgesetzt wird. Der geltend gemachte Anspruch wäre vor Inkrafttreten des SGB VII erstmals festzustellen gewesen, denn er wäre - falls die weiteren Voraussetzungen erfüllt sind - vor dem Tod des Versicherten entstanden, also im Jahre 1992.
Von dem Verdacht des Vorliegens einer BK nach § 551 Abs. 1 RVO - konkret der BK Nr. 4105 - als einem für die die begehrten Leistungsansprüche der Klägerin vorausgesetzten Leistungsfall hat die Beklagte erstmals durch die E-Mail des Sohnes des Versicherten vom 13. Juli 2015 Kenntnis erlangt und erst daraufhin ein Verwaltungs- und Prüfungsverfahren eingeleitet.
Unerheblich ist, ob im Zeitpunkt des Todes des Versicherten bereits ein Verwaltungsverfahren hätte anhängig gewesen sein müssen. § 59 Satz 2 SGB I stellt nicht darauf ab, welche Verfahrenslage im Zeitpunkt des Todes hätte bestehen können oder müssen; maßgebend ist nur die in diesem Zeitpunkt tatsächlich bestandene Verfahrenslage. Der Gesetzgeber hat dabei einen Anspruchsübergang für den Fall, dass Verfahrensmaßnahmen unterblieben waren, nicht vorgesehen. Anhaltspunkte dafür, dass das Gesetz eine Lücke enthält, wenn der Versicherungsträger für das Unterbleiben (allein oder mit-) verantwortlich ist, sind nicht erkennbar (BSG vom 23. Juni 2020 - B 2 U 5/19 R; BSG vom 25. Oktober 1984 - 11 RA 18/84; LSG Baden-Württemberg vom 21. März 2019 – L 6 U 1806/18).
Ein anderes Ergebnis lässt sich auch nicht über den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch herleiten. Die Klägerin kann nicht verlangen, so gestellt zu werden, als wäre im Zeitpunkt des Todes des Versicherten bereits ein Verwaltungsverfahren im Sinne des § 59 Satz 2 SGB I über die Anerkennung der BK Nr. 4105 nebst Entschädigungsleistungen anhängig gewesen.
Die Voraussetzungen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs liegen nicht vor. Es fehlt sowohl an einer Pflichtverletzung der Beklagten (dazu a.), als auch an der Kausalität zwischen angeblicher Pflichtverletzung und etwaiger nachteiliger Folgen für die Rechtsposition des Verstorbenen bzw. der Klägerin als seiner Rechtsnachfolgerin (dazu b.).
a. Der von der Rechtsprechung entwickelte sozialrechtliche Herstellungsanspruch ist auf die Vornahme einer Amtshandlung zur Herstellung des Zustandes gerichtet, der bestehen würde, wenn der Versicherungsträger entweder seine Verpflichtung nach § 13 SGB I zur Aufklärung der Bevölkerung über ihre sozialen Rechte durch unrichtige oder missverständliche Allgemeininformationen oder die ihm aufgrund eines Gesetzes oder konkreten Sozialrechtsverhältnisses dem Versicherten gegenüber obliegenden Haupt- oder Nebenpflichten, insbesondere zur Beratung, zur Auskunft und zu Hinweisen nach §§ 14 und 15 SGB I, nicht verletzt hätte. Voraussetzung ist weiter, dass die verletzte Pflicht dem Sozialleistungsträger gerade gegenüber dem Versicherten oblag, diesem also ein entsprechendes subjektives Recht einräumt, dass die objektiv rechtswidrige Pflichtverletzung zumindest gleichwertig (neben anderen Bedingungen) einen Nachteil des Versicherten bewirkt hat und dass die verletzte Pflicht darauf gerichtet war, den Betroffenen gerade vor den eingetretenen Nachteilen zu bewahren (Schutzzweckzusammenhang); schließlich muss der durch das pflichtwidrige Verwaltungshandeln eingetretene Nachteil durch eine zulässige Amtshandlung beseitigt werden können, d. h. die Korrektur durch den Herstellungsanspruch darf dem jeweiligen Gesetzeszweck nicht widersprechen (BSG vom 23. Juni 2020 - B 2 U 5/19 R; BSG vom 23. Oktober 2014 – B 11 AL 7/14 R; BSG vom 3. April 2014 - B 5 R 5/13 R; BSG vom 2. Februar 2006 – B 10 EG 9/05; BSG vom 18. Februar 2004 - B 10 EG 10/03 R sowie BSG vom 2. Mai 2001 - B 2 U 19/00).
Es liegt bereits keine Pflichtverletzung der Beklagten vor. Da sie erstmals im Juli 2015 Kenntnis von dem BK-Verdacht erlangte, scheidet eine Pflichtverletzung durch sie selbst offenkundig aus. Als einzig denkbare Pflichtverletzung kommt insoweit nur eine Verletzung der ärztlichen Anzeigepflicht bei Berufskrankheiten in Frage. Haben Ärzte oder Zahnärzte den begründeten Verdacht, dass bei Versicherten eine Berufskrankheit besteht, haben sie dies dem Unfallversicherungsträger oder der für den medizinischen Arbeitsschutz zuständigen Stelle in der für die Anzeige von Berufskrankheiten vorgeschriebenen Form (§ 193 Abs. 8 SGB VII) gem. § 202 Satz 1 SGB VII - der auch für sog. Altfälle gilt (§ 214 Abs. 4 SGB VII) - unverzüglich anzuzeigen (§ 202 Satz 1 SGB VII). Ein begründeter Verdacht setzt ernsthafte und konkrete Anhaltspunkte für eine beruflich verursachte Listenkrankheit voraus. Bloße Vermutungen sind nicht ausreichend, völlige Gewissheit ist nicht notwendig. Es kommt allein darauf an, dass der Arzt den Verdacht hat, nicht jedoch darauf, ob er ihn hätte haben müssen (BSG vom 2. Mai 2001 - B 2 U 19/00 R; LSG Baden-Württemberg vom 21. März 2019 - L 6 U 1806/18; KassKomm/Ricke, 113. EL März 2021, SGB VII § 202 Rn. 4).
Die Anzeigepflicht haben sowohl Dr. E. als auch Dr. C., bei denen der Versicherte in Behandlung war, verletzt. Beide Ärzte hatten die Verdachtsdiagnose eines Pleuramesothelioms gestellt, aus den beiden Berichten von Prof. Dr. F. vom 24. und 28. August 1992 ergibt sich, dass sie auch Kenntnis von einer (jahrelangen) Aspestexposition des Versicherten hatten. Von einem Internisten, der pneumologische Erkrankungen behandelt, ist zu erwarten, dass er die einschlägigen Berufskrankheiten mit Bezug zu den Atemwegen, der Lungen und des Rippenfells (Hauptgruppe 4 der Berufskrankheitenliste) kennt. Dass asbestinduzierte Erkrankungen unfallversicherungsrechtliche Relevanz haben, gehört im Übrigen zum Allgemeinwissen. Dass Dr. E. den Verdacht der BK Nr. 4105 (durch Asbest verursachtes Mesotheliom des Rippenfells, des Bauchfells oder des Perikards) nicht angezeigt hat, wiegt umso schwerer, als er von Prof. Dr. F. in beiden Arztbriefen hierauf explizit hingewiesen wurde. Eine Anzeigepflichtverletzung von Prof. Dr. F. selbst sieht der Senat im Übrigen nicht. Aus seinem Schreiben vom 24. August 1992 an Dr. E. ergibt sich, dass ihm außer den Personalien und dem Hinweis auf eine „jahrelange Asbestexposition“ keine weiteren Angaben zu dem Versicherten vorlagen. Mit den Hinweisen und der konkreten Frage an den (Erst-)Behandler, ob bereits der Verdacht auf eine BK angezeigt worden sei, hat jedenfalls dieser Arzt seinen Pflichten genüge getan. In Bezug auf seinen Kenntnisstand nach Übersendung der Pleurastanze konnte bei ihm zudem allenfalls eine Vermutung, nicht jedoch bereits der begründete Verdacht auf die BK Nr. 4105 vorliegen.
Die Verletzung der ärztlichen Anzeigepflicht nach § 202 Satz 1 SGB VII ist der Beklagten jedoch nicht zuzurechnen.
Voraussetzung für eine Zurechnung des Fehlverhaltens Dritter im Rahmen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ist, dass zwischen der die Pflichtverletzung begehenden und der in Anspruch genommenen Stelle eine „Funktionseinheit" besteht (BSG vom 16. März 2016 - B 9 V 6/15 R). Nach der Rechtsprechung des BSG kann dies der Fall sein, wenn mehrere Behörden mit einer Aufgabe arbeitsteilig betraut sind, also eine andere Behörde in die Abwicklung eines konkreten Versicherungsverhältnisses mit eingeschaltet ist, oder wenn zwei Sozialleistungen eng miteinander verknüpft sind (BSG vom 8. Oktober 1998 - 8 Kn 1/97 U R). Entscheidend für eine Zurechnung ist somit immer die konkrete Pflichtverletzung gegenüber dem Leistungsberechtigten und das Verhältnis des im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs in Anspruch genommenen Leistungsträgers zu dem Dritten, dem die Pflichtverletzung vorgeworfen wird. Dabei ist seitens des Leistungsberechtigten zu beachten, dass ihm keine Nachteile daraus entstehen sollen, weil eine bestimmte Aufgabe auf mehrere Leistungsträger aufgeteilt ist oder weitere Stellen, einschließlich ggf. private Dritte, in die Leistungsabwicklung einbezogen werden, oder weil das gegliederte Sozialsystem für Betroffene oftmals schwer zu überschauen ist. Aus Sicht des in Anspruch genommenen Leistungsträgers ist die Zurechnung der Pflichtverletzung eines Dritten in den Fällen einer gesetzlich vorgesehenen Aufgabenteilung oder bewussten Einbeziehung eines Dritten in die Aufgabenerfüllung sachgerecht (BSG vom 17. Februar 2009 - B 2 U 34/07 R; LSG Baden-Württemberg vom 21. März 2019 - L 6 U 1806/18).
In seiner Entscheidung vom 23. Juni 2020 hat das BSG ausdrücklich offengelassen, ob die zu Unrecht unterbliebene ärztliche BK-Verdachtsmeldung nach § 202 SGB VII im Rahmen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs dem Verantwortungsbereich des zuständigen Unfallversicherungsträgers zuzuordnen ist. Hiervon war der 8. Senat des BSG (Urteil vom 8. Oktober 1998 - 8 Kn 1/97 U R) mit der Begründung ausgegangen, dass die den Versicherten behandelnden Ärzte mit ihrer Meldepflicht nach § 202 SGB VII „geradezu exemplarisch“ in das Verwaltungsverfahren der Unfallversicherung einbezogen seien. Dementgegen sprechen aus Sicht des Senats gewichtigere Gründe gegen ein arbeitsteiliges Zusammenwirken im Sinne der insoweit geforderten (behördlichen) Funktionseinheit.
Mit der Meldepflicht aus § 202 SGB VII wird dem Arzt eine von seiner kurativen Rolle losgelöste persönliche Verpflichtung zur Anzeige einer möglichen BK auferlegt. Eine weitergehende, wie auch immer geartete (Rechts-) Beziehung besteht zwischen ihm und dem Unfallversicherungsträger - anders als bei einem Durchgangsarzt, dem durch § 201 SGB VII eine besondere Rolle im Heilverfahren (Prüfung der Voraussetzungen und Einleitung des Heilverfahrens zulasten des Unfallversicherungsträgers) übertragen ist - gerade nicht (LSG Baden-Württemberg vom 21. März 2019 - L 6 U 1806/18; Kranig in: Hauck/Noftz, SGB, 01/18, § 202 SGB VII, Rn. 14). Der Arzt wird vielmehr von dem Versicherten als Patient im Rahmen eines Behandlungs-/Dienstleistungsauftrages mit dem Ziel der Diagnostik und Behandlung seiner Erkrankung(en) aufgesucht. BK-bezogene Aspekte sind in diesem Kontext eher die Ausnahme. Dass dem, besser gesagt jedem Arzt in einem BK- relevanten Erkrankungsfall eine Anzeigepflicht gegenüber der Berufsgenossenschaft zukommt, dürfte den Patienten mehrheitlich zudem auch gar nicht bekannt sein (KassKomm/Ricke, 113. EL März 2021, SGB VII § 202 Rn. 7). Gegen die Ableitung einer Funktionseinheit zwischen (allen) Ärzten und den Unfallversicherungsträgern alleinig aus der isolierten Meldeverpflichtung des § 202 S. 1 SGB VII spricht auch, dass die Unfallversicherungsträger gegenüber den mit ihnen gerade nicht vertraglich verbundenen Ärzten keinerlei Handhabe haben, auf die Erfüllung der gesetzlichen Verpflichtung aus § 202 Satz 1 SGB VII hinzuwirken (LSG Baden-Württemberg vom 21. März 2019 - L 6 U 1806/18; Kranig in: Hauck/Noftz, SGB, 01/18, § 202 SGB VII, Rn. 14; KassKomm/Ricke, 113. EL März 2021, SGB VII § 202 Rn. 7).
b.) Darüber hinaus fehlt es auch an einem ursächlichen Zusammenhang zwischen der von der Klägerin behaupteten Pflichtverletzung der Beklagten und den nachteiligen Folgen für den Versicherten resp. sie selbst als Sonderrechtsnachfolgerin, wie es auch das Sozialgericht im angefochtenen Urteil vom Ergebnis her zutreffend ausgeführt hat. Wie auch mit der Klage geltend gemacht, kommt als Nachteil ausschließlich der Verlust von Leistungsansprüchen gegenüber der Beklagten, insbesondere ein Anspruch auf Verletztenrente bis zum Ablauf des Todesmonats (§ 623 Abs. 2 RVO) in Betracht. Mangels Vorliegen bereits der arbeitsmedizinischen Voraussetzungen der BK Nr. 4105 ist dies jedoch ausgeschlossen.
Die Anerkennung einer Listen-BK setzt voraus, dass die Verrichtung einer grundsätzlich versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder ähnlichem auf den Körper geführt hat (Einwirkungskausalität) und diese Einwirkungen zu einer Krankheit geführt haben (haftungsbegründende Kausalität). Die Voraussetzungen der „versicherten Tätigkeit“, der „Verrichtung“, der „Einwirkung“ und der „Krankheit“ müssen hierbei im Sinne eines Vollbeweises - also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit - vorliegen. Für den in Bezug auf das Vorliegen der von der BK Nr. 4105 erfassten Erkrankung eines Mesothelioms verlangten Vollbeweis muss ein so hoher Grad der Wahrscheinlichkeit vorliegen, dass alle Umstände des Einzelfalles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung hiervon zu begründen (BSG vom 2. Februar 1978 - 8 RU 66/77; BSG vom 20. Januar 1987 – 2 RU 27/86), die bloße Möglichkeit ist nicht ausreichend (BSG vom 27. Juni 2006 – B 2 U 20/04 R). Dies ist auch zur Überzeugung des Senats nicht der Fall. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist ausgeschlossen, dass der Versicherte an einem (Pleura-)Mesotheliom gelitten hat. Der Senat folgt in diesem Punkt - wie auch schon das Sozialgericht - den Feststellungen von Prof. Dr. F. in dessen Zweitbericht vom 28. August 1992 und schließt sich insoweit der beratungsärztlichen Stellungnahme von Prof. Dr. G. vom 15. Januar 2017 an.
Bei Vorliegen eines Pleuraergusses ist ein Pleuramesotheliom eine der häufig mitzubedenkenden Differentialdiagnosen. Ebenso wahrscheinlich ist jedoch auch der Pleura-, also Lungenfellbefall durch Krebserkrankungen, deren Ursprung anderen Orts liegt, häufig in der Lunge, möglicherweise auch im Darm oder bei Frauen im Genitaltrakt (Frank, Diagnostik des malignen Pleuraergusses mittels internistischer Thorakoskopie, 1. Aufl. 2010, S. 324 ff.). Bezüglich der Quellendifferenzierung eine Aussage zu treffen ist Aufgabe der Immunhistologie, nach deren Ergebnis der Pathologe eine Ursprungsdifferenzierung vornimmt. D.h. optisch gleich aussehende Karzinomzellen reagieren in ihrem immunhistologischen Farbverhalten unterschiedlich je nach Ursprungsort. Deshalb ist bei der diagnostischen Einordnung eines Pleuraergusses - worauf auch Prof. Dr. G. hinweist - der pathologisch-histologischen Untersuchung, die eine immunhistochemische Zusatzuntersuchung beinhaltet, die höchste diagnostische Evidenz zuzuordnen. Im vorliegenden Fall ergibt sich nach aus den entsprechenden von Prof. Dr. F. durchgeführten Untersuchungen ausweislich seines Berichtes vom 28. August 1992, dass ein Mesotheliom in Ermangelung mesotheliomtypischer Färbereaktionen ausgeschlossen werden konnte. Der anderslautenden Diagnose von Dr. C. an die private Krankenversicherung des Klägers im Befundbericht vom 24. November 1992 misst der Senat insoweit keine eigenständige Bedeutung bei. Eine gesicherte, den vorgenannten Anforderungen entsprechende Diagnose ist durch den Arzt nicht erfolgt.
Gesichert wurde allerdings von Prof. Dr. F. ein Adenokarzinom, dass prinzipiell eine der möglichen histologischen Entitäten eines Lungenkarzinoms darstellt (Kaufmann / Dietel, Pathologische Diagnostik bei Karzinommetastasen eines unbekannten Primärtumors, Der Onkologe, 4-97, S. 342 ff.). Allerdings erfolgte zu Lebzeiten des Versicherten keine suffiziente Diagnostik in diese Richtung, so dass zwar grundsätzlich die Möglichkeit eines asbeststaubinduzierten Lungenkarzinoms besteht, jedoch ein diesbezüglicher - für die BK Nr. 4104 notwendiger - Vollbeweis (ebenfalls) fehlt.
Aus dem Umstand, dass die im August 1992 bei dem Versicherten entnommene Gewebsprobe aus der Pleura zwischenzeitlich vernichtet wurde, demzufolge eine weitere Auswertung auf Basis des aktuellen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisstandes nicht mehr möglich ist, kann die Klägerin kein für sie günstiges Ergebnis herleiten. Die Frage, ob der Versicherte an einem Pleuramesotheliom gelitten hat, kann nur auf Grundlage der zum Beurteilungszeitpunkt - also jetzt - vorliegenden medizinischen Befunde beantwortet werden. Dass das Universitätsklinikum Bochum die Proben vernichtet hat, fällt im Übrigen auch nicht in den Verantwortungsbereich der Beklagten. In diesem Zusammenhang ist auch und eher die Antragstellung der Klägerin erst fast 23 Jahre nach dem Tod des Versicherten zu berücksichtigen. Weitere Erkenntnisquellen und/oder Erkenntnismöglichkeiten bestehen nicht. Die Folgen dieser - im Ergebnis - Nichterweislichkeit hat die Klägerin zu tragen. Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (BSG vom 27. Juni 1991 - 2 RU 31/90; MKLS/B. Schmidt, SGG, 13. Aufl. 2020, § 103 Rn. 19a).
Die Berufung konnte daher keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Es handelt sich um ein insgesamt kostenprivilegiertes Verfahren nach § 183 SGG. Soweit es um die Anerkennung der BK Nr. 4105 geht, ergibt sich dies aus § 183 Satz 3 SGG. Für die Kostenprivilegierung reicht es aus, dass - wie im vorliegenden Fall - zumindest die Möglichkeit einer Sonderrechtsnachfolge nach § 56 SGB I nicht völlig ausgeschlossen ist (BSG vom 19. Januar 2017 – B 8 SO 82/16 B; BSG vom 16. März 2021 – B 2 U 17/19 R; LSG Niedersachsen-Bremen vom 20. Dezember 2017 - L 8 SO 293/15). Bezogen auf die geltend gemachten Geldleistungen folgt die Kostenprivilegierung aus § 183 Satz 1 SGG.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.