Die Klage wird abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um Versorgung nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) i.V.m. dem Bundesversorgungsgesetz (BVG).
Der im Jahr 1958 geborene Kläger erlitt am 05.09.2004 auf einer Rolltreppe im HBF C-Stadt einen Fußtritt ins Gesicht, stürzte dann von der Rolltreppe, konnte danach aufstehen, dem Täter folgen und die Polizei benachrichtigen. Dabei zog sich der Kläger insbesondere einen Unterkieferbruch links sowie mehrere Riss- und Quetschwunden am Arm- und Oberkörper zu. Der Kieferbruch wurde operativ wieder eingerichtet. Es folgte eine dreiwöchige Arbeitsunfähigkeit.
Im August 2007 beantragte der Kläger beim Beklagten Versorgung nach dem OEG und stellte zugleich beim Hessischen Amt für Versorgung und Soziales Frankfurt einen Antrag auf Feststellung seiner Behinderungen. An Gesundheitsstörungen machte er die Folgen des Unterkieferbruchs links, Schmerzen im Knie und Ellenbogen links, diverse Hautabschürfungen am ganzen Körper sowie Lendenwirbelschmerzen und eine bleibende Beule am Kopf geltend.
Der Beklagte zog Behandlungsunterlagen bei von dem Kieferchirurgen Dr. D., der Zahnärztin Frau Dr. E., dem Orthopäden Dr. F. sowie von dem Augenarzt Dr. G. und veranlasste sodann ein HNO-ärztliches Gutachten bei Dr. H. vom 29.01.2009 sowie ein kieferchirurgisches Gutachten in der Klinik und Poliklinik für Mund-Kiefer-Plastische–Gesichtschirurgie Universitätsklinik Frankfurt vom 20.06.2011. Insoweit wird Bezug genommen auf Bl 117 ff VA).
Nach Anhörung seines Versorgungsärztlichen Dienstes (Stellungnahme vom 03.05.2012) stellte der Beklagten mit Bescheid vom 04.05.2012 mit Wirkung ab 01.07.2007 als Schädigungsfolgen der Gewalttat vom 05.09.2004 fest:
„Kraniomandibuläre Dysfunktion, Verlust des Zahnes 38, Schädigung des Zahnes 42, Sensibilitätsstörung im Unterkieferbereich links nach operativ eingerichteter Unterkieferfraktur auf der linken Seite“
Die Gewährung einer Beschädigtenrente wurde abgelehnt, weil die Schädigungsfolgen einen Grad der Schädigungsfolgen (GdS) von mindestens 25 nicht erreichen würden. Schädigungsfolgen im Bereich des linken Knies, des Ellenbogens und der Wirbelsäule hätten nicht festgestellt werden können. Auch die Schädigungsfolge eines Doppelsehens im rechten Auge hätte sich nicht nachweisen lassen.
Im Widerspruchsverfahren machte der Kläger geltend, dass als Schädigungsfolgen auch erhebliche psychische Störungen und ein Augenschaden verblieben seien. So traue er sich nicht alleine nach C-Stadt zu fahren und habe Panik davor, Rolltreppen zu benutzen. Sein Hausarzt Dr. J. könne seine Schlafstörungen nach der Tat bestätigen. Auf Drängen seiner Ehefrau sei er zum Nervenarzt Dr. K. gegangen und habe sich schließlich im 11/09 in psychotherapeutische Behandlung bei dem Dipl.-Psych. L. begeben. Von diesem legte er den Bericht vom 23.07.2012 vor. Hier wurde festgestellt, dass der Kläger nach der Gewalttat eine posttraumatische Belastungsstörung mit gravierenden psychischen Folgen mit Panikattacken, Schlafstörungen und Depressionen entwickelt habe. Ferner legte der Kläger eine Bescheinigung des Pfarrers M. vom 15.11.2012 vor, worin dieser mitteilte, dass der Kläger ihm unmittelbar nach der Gewalttat von Angstzuständen, Panikattacken, Schlafstörungen und Depressionen berichtet habe.
Der Beklagte zog die Schwerbehindertenakten des Hessischen Amtes für Versorgung und Soziales Frankfurt bei. Danach wurde der GdB mit Bescheid vom 07.01.2008 mit 20, mit Bescheid vom 29.07.2008 mit 30 und mit Bescheid vom 03.11.2010 unter erstmaliger Berücksichtigung von „Depressiven Störungen“ (Teil-GdB 30) mit insgesamt 50 festgestellt. Im Reha -Entlassungsbericht der Abteilung Psychosomatik/Psychotherapie der AHG Klinik Berus, Überherrn vom 07.06.2011 war neben einer Hypertonie und Hyperlipidämie als Diagnosen aufgeführt: Angst u depressive Störung, gemischt und sonstiger chronischer Schmerz. In dem Bericht heißt es: „Im Zusammenhang mit diversen Belastungen im sozialen Umfeld (Tod des Vaters, Tod der Mutter, zunehmende körperliche Einschränkungen, u.a. durch Unfälle) und durch einen länger andauernden Arbeitsplatzkonflikt habe sich seine psychische Problematik in den letzten Jahren deutlich verschlechtert. …die Leidensursachen werden subjektiv darin gesehen, dass er „das Unheil magisch anziehe“ und dies vielleicht „eine Prüfung vom lieben Gott“ sei.“
Der Beklagte veranlasste sodann ein nervenärztliches Gutachten durch Frau Dr. N. Nachdem auf ihre Anregung Befundberichte eingeholt worden waren vom Augenarzt Dr. G., vom Hausarzt Dr. J. (29.11.2012) sowie von dem Neurologen Dr. K. (30.01.2012) gelangte Frau Dr. N. in ihrem Gutachten vom 07.11.2012, ergänzt durch die Stellungnahme vom 18.12.2012 zu dem Ergebnis, dass keine Schädigungsfolgen auf nervenärztlichem Gebiet vorliegen. Schädigungsunabhängig lägen eine mittelgradige depressive Episode und eine Panikstörung vor, die mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 40 zu bewerten sei. Insoweit wird auf Bl. 183 ff, 208ff der VA) Bezug genommen.
Gestützt auf dieses Gutachten wies der Beklagte den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 07.01.2013 zurück. Auch durch die weiteren Ermittlungen hätten sich auf nervenärztlichem und augenärztlichem Gebiet keine weiteren Schädigungsfolgen nachweisen lassen. Ein relevantes seelisches Beschwerdebild habe sich erst nach Hinzutreten beruflicher Konflikte, etwa 5 Jahre nach dem Tatgeschehen manifestiert und erst dann zu einer ambulanten Psychotherapie und einer stationären psychosomatischen Rehamaßnahme geführt. Brückensymptome zwischen 2004 und 2009 seien nicht ausreichend nachgewiesen. Auch aus den Schwerbehindertenakten ergäben sich seelische Beschwerden erstmals mit Änderungsantrag im Juni 2010.
Mit der dagegen am 30.01.2013 erhobenen Klage setzt der Kläger unter Wiederholung und Vertiefung seines bisherigen Vorbringens sein Begehren fort. Es seien erhebliche, durch die Gewalttat verursachte Gesundheitsstörungen verblieben.
Das Gericht hat die Schwerbehindertenakten des Hessischen Amtes für Versorgung und Soziales, Frankfurt beigezogen und Befundberichte eingeholt von der Zahnärztin Frau Dr. E. (aus 09/2014), dem Hausarzt Dr. J. (24.10.2014). Dieser gibt an, dass es bei dem Kläger seit der Gewalttat eine Arbeitsunfähigkeit wegen erlebnisreaktiver Störungen indirekt gegeben habe, weil dieser nach dem Ereignis vermehrt wegen grippaler Infekte auf dem Boden seines Asthmas habe krankgeschrieben werden müssen. Eine spezifische Therapie sei in dieser Zeit nicht durchgeführt worden „da Herr A. erstmal selbst versuchen wollte, mit der Sache klar zu kommen“.
Die Auskunft der DAK über die Arbeitsunfähigkeitszeiten des Klägers zwischen 2004 und 2009 ergibt diverse Arbeitsunfähigkeitszeiten zunächst wegen grippaler Infekte, in 2007 wegen Frakturen Unterschenkel und Schulter und ab 05/2009 wegen Schlafstörungen.
Nach Vorlage versorgungsärztlicher Stellungnahmen von Frau Dr. O. und Dr. H. (beide vom 05.01.2015) wurde der Kläger im Erörterungstermin am 08.05.2015 eingehend darauf hingewiesen, dass hinsichtlich des psychischen Beschwerdebildes kein hinreichender kausaler Zusammenhang mit der Gewalttat am 05.09.2004 gesehen werde. Wegen des Verdachts auf Verschlimmerung der Kiefergelenkstörung und des ungeklärten Augenschadens erging der Beschluss, insoweit weitere Gutachten einzuholen. Es wird Bezug genommen auf die Sitzungsniederschrift vom 08.05.2015 Bl. 143 ff der Gerichtsakten).
Sodann wurde Beweis erhoben durch das mund-, kiefer- und gesichtschirurgische Gutachten des Dr. P. vom 13.04.2016. Dieser ist aufgrund einer ambulanten Untersuchung des Klägers am 19.12.2016 zu dem Ergebnis gelangt, dass eine schwere Myoarthropathie vorliege. Die anfänglich stärkere Mundöffnungsstörung habe sich zunächst gebessert und sei von den behandelnden Kieferchirurgen in 2007 als minimal eingeschränkt beschrieben worden. Erst danach habe sich diese deutlich verschlechtert, was mangels organischer Ursachen auf eine inadäquate pathologische Verarbeitung von Stress oder Überlagerungen mit psychosomatischen oder psychischen Störungen zurückgeführt werden könne. Inwieweit das Trauma hieran einen Anteil habe, sei psychiatrisch zu klären. Für die Folgen der Fraktur und der Sensibilitätsstörung komme allenfalls ein GdS von 10 in Betracht. Wegen des Inhalts des Gutachtens wird auf Bl.173 ff der Gerichtsakten Bezug genommen.
Prof. Dr. Q. ist in seinem neuropsychiatrischen Gutachten vom 25.08.2016 auf der Grundlage der ambulanten Untersuchung des Klägers am 02.06.2016 zu dem Ergebnis gelangt, dass eine posttraumatische Belastungsstörung nicht vorliege, da nicht sämtliche Kriterien erfüllt seien. Es läge als Schädigungsfolge eine Phobie vor Rolltreppen vor. Weitere Schädigungsfolgen seien nicht festzustellen. Insoweit wird auf den Inhalt des Gutachtens Bl 208 ff der Gerichtsakten Bezug genommen.
Der Kläger hat dagegen eingewandt, dass das Gutachten viele Fehler enthalte. Er sei inzwischen erneut in der AHG Berus Klinik, Überherrn zur Reha gewesen und hier sei eindeutig eine posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert worden. Dieser Feststellung sei aufgrund einer mehrwöchigen Behandlung eher zu folgen als einer kurzen gutachterlichen Untersuchung. Hierzu hat er den Entlassungsbericht vom 27.09.2016 vorgelegt. Hieraus ergibt sich, dass sich bei dem Kläger im Laufe zunehmender Arbeitsplatzkonflikte bei gleichzeitig empfundener Hilflosigkeit und Ärger eine verzögerte posttraumatische Belastungsstörung mit sich aufdrängenden belastenden Erinnerungen an das traumatische Ereignis (Intrusionen), Albträumen, Konzentrationsschwierigkeiten und vermehrter Reizbarkeit etabliert hätte. Der Kläger sei arbeitsfähig zur Reha gekommen und auch arbeitsfähig entlassen worden. Die Kiefergelenkstörung findet in diesem Bericht keinerlei Erwähnung. Ergänzend wird auf Bl.246 ff der Gerichtsakten Bezug genommen
In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 22.11.2016 gelangt Prof. Dr. Q. zu dem Ergebnis, dass sich auch aus dem nun vorgelegten Reha- Entlassungsbericht kein anderes Ergebnis ableiten lasse. Auch hier habe die inzwischen 12 Jahre zurückliegende Gewalttat nur eine marginale Beachtung gefunden. Der Schwerpunkt des Berichtes liege in der Beschreibung der belastenden Arbeitsplatzsituationen und dem dysfunktionellen Persönlichkeitsrepertoire des Klägers. Daher sei bezüglich posttraumatischer Belastungsstörung zu Recht die PTS-Skala angewendet worden, die jedoch die subjektive Sichtweise des Betroffenen abbilde und somit folgerichtig die subjektive Überzeugung des Klägers, dass er an einer posttraumatischen Belastungsstörung leide. Der Kläger schildere Erinnerungen an das traumatische Erlebnis, jedoch nicht im engeren Sinne Intrusionen, d.h. sich aufdrängende szenische Bilder von dem Ereignis, die sich immer in das Alltagsleben unwillkürlich und überwältigend eindrängen würden. Als Schädigungsfolge liege eine Phobie vor Rolltreppen vor.
Der Kläger ist weiterhin der Auffassung, dass sein gesamtes psychisches Beschwerdebild auf die Gewalttat zurückzuführen ist und hat hierzu Bescheinigungen seines Hausarztes und seines Psychotherapeuten vorgelegt. Dr. J. führt aus, dass es erst nach der Gewalttat zu den Störungen im privaten und beruflichen Umfeld des Klägers gekommen sei (22.05.2017). Der Dipl.-Psych. L. bescheinigt erneut die posttraumatische Belastungsstörung und führt aus, dass es psychologisch erklärbar sei, warum der Kläger erst so spät die Therapie begonnen habe; er habe es zunächst allein schaffen wollen.
Dr. R., Bürgerhospital Frankfurt, ist in seinem augenärztlichen Gutachten vom 13.12.2017 zu dem Ergebnis gelangt, dass die Doppelbilder am ehesten durch trockene Augen zu erklären und hier Tränenersatzmittel zu empfehlen seien. Es bestehe kein kausaler Zusammenhang mit der Gewalttat.
Der Kläger macht im weiteren Verlauf geltend, dass er im 08/2018 wegen eines extremen Flashbacks notfallmäßig ins Waldkrankenhaus Köppern habe eingeliefert werden müssen. Es habe eine akute Suizidgefahr bestanden.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 04.05.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.01.2013 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger wegen der Folgen der Gewalttat vom 05.09.2004 eine Beschädigtenversorgung nach dem Opferentschädigungsgesetz i.V.m. dem Bundesversorgungsgesetz in gesetzlichem Umfang zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält den angefochtenen Bescheid für rechtmäßig und stützt sich dabei auf die vorliegenden Gutachten.
Im Kammertermin am 30.01.2019 hat der Kläger eine ‚Verordnung von Krankenhausbehandlung‘ des Augenarztes Dr. G. vom 21.01.2019 vorgelegt.
Wegen der weiteren Einzelheiten und dem Vorbringen im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, auf die Verwaltungsakten des Beklagten sowie auf die Schwerbehindertenakten des Hessischen Amtes für Versorgung und Soziales, Frankfurt, die Gegenstand der Entscheidung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die rechtzeitig erhobene Klage ist zulässig, in der Sache aber nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Beschädigtenversorgung aus Anlass der Gewalttat vom 05.09.2004 nach dem OEG iVm. dem BVG. Der Bescheid vom 04.05.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.01.2013 ist nicht zu beanstanden und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Das Gericht folgt insoweit der zutreffenden Begründung des genannten Widerspruchsbescheides und sieht in Anwendung des § 136 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetzes von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.
Nur ergänzend ist noch darauf hinzuweisen, dass auch die im Klageverfahren durchgeführten weiteren Ermittlungen nicht zu einem für den Kläger positiven Ergebnis geführt haben. So lässt sich auch hier nicht zur Überzeugung der Kammer feststellen dass die vorliegende psychische Störung und die Doppelbilder ursächlich auf die angeschuldigte Gewalttat zurückzuführen wären. Dies beruht auf folgenden Gesichtspunkten:
Der Kläger hat erstmals im Widerspruchsverfahren eine psychische Störung als Folge der Gewalttat geltend gemacht; dies war im Mai 2012. Weder in seinem Entschädigungsantrag im (8/2007), der ohnehin erst 3 Jahre nach der Tat gestellt wurde, hat er entsprechende Beschwerden erwähnt noch ergeben sich bis 2010 trotz diverser ausführlicher Neufeststellungsanträge und Widersprüche seitens des Klägers - aus dem Schwerbehindertenverfahren Hinweise auf psychische Beschwerden. In Gesamtwürdigung der medizinischen Unterlagen gelingt der Nachweis einer relevanten seelischen Störung zur Überzeugung der Kammer erst mit Beginn der Behandlung bei dem Dipl.-Psych. L. im 11/2009. Die gilt ungeachtet des Umstandes, dass dieser Therapeut eine Begründung darin zu sehen vermag, dass der Kläger seine seelischen Beschwerden zunächst einmal selbst habe versuchen wollen „in den Griff zu bekommen“. Auch der Hausarzt hat zunächst keine psychischen Auffälligkeiten beschrieben und später festgestellt, dass der Kläger seine psychischen Beschwerden indirekt ausgelebt habe, nämlich durch vermehrte grippale Infekte. Die Bescheinigung des Pfarrers M. ist nicht geeignet, den Nachweis einer relevanten psychischen Störung zu erbringen. Er ist kein Arzt und zum anderen stützt er sich dabei auf die eigenen Schilderungen des Klägers. Der Kläger hat das Vorliegen von Art und Ausmaß der geltend gemachten Gesundheitsstörungen nachzuweisen und wenn dieser Nachweis nicht bzw. nicht früher gelingt, hat er die Folgen der Nichterweislichkeit zu tragen.
Hieraus folgt, dass zwischen der Gewalttat in 2004 und der Feststellung eines psychischen Beschwerdebildes im 11/2009 immerhin 5 Jahre lagen, eine Zeit, in der der Kläger nach eigenen Angaben gravierenden Problemen am Arbeitsplatz ausgesetzt war in Form von technischen Veränderungen ohne konkrete Einarbeitung, Konflikte mit Vorgesetzten und Kollegen, von Demütigungen und Beschuldigungen, mithin eine Mobbingsituation, die sich nach seinen eigenen Angaben im Laufe der Jahre noch weiter zugespitzt hatte. Dies ergibt sich eindrucksvoll aus den Reha-Entlassungsberichten der AHG Berus Klinik vom 07.06.2011 und 27.09.2016 sowie aus dem Gutachten der Frau Dr. N. Während im Entlassungsbericht der ersten Reha-Maßnahme in 2011 die streitbefangene Gewalttat nicht einmal Erwähnung findet, wird in dem Bericht aus 2016 festgestellt, dass sich vor dem Hintergrund einer rezidivierenden depressiven Störung, einer Persönlichkeit mit histrionischen Anteilen, mit hohem Gerechtigkeitssinn, ausgeprägtem Pflichtbewusstsein und Gewissenhaftigkeit sowie höhere Grundanspannung aufgrund zahlreicher beruflicher und privater Belastungen erneut eine depressive Episode entwickelt habe. Auslöser und Symptome seien Situationen, in denen er (der Kläger) sich durch Vorgesetzte und Kollegen nicht wertgeschätzt und ungerecht behandelt fühle.
Dagegen ließ sich zur Überzeugung der Kammer eine posttraumatische Belastungsstörung nicht nachweisen. Dies ergibt sich übereinstimmend aus den vorliegenden Gutachten, wonach die nach DSM 5 oder ICD-10 geforderten, strengen Kriterien für die Bejahung dieser Gesundheitsstörung nicht erfüllt sind. So findet während des 1. Aufenthaltes des Klägers in der AHG Berus Klinik im Jahre 2011 eine posttraumatische Belastungsstörung keine Erwähnung und auch in 2016 wurde hier das Vollbild dieser Erkrankung nicht bestätigt. Bzgl. posttraumatischer Belastungsstörung wurde hier die PTS-Skala angewendet, die allein die subjektive Sichtweise der Betroffenen abbildet und somit in diesem Fall die subjektive Überzeugung des Klägers, dass er an einer posttraumatischen Belastungsstörung leide. Prof Dr. Q. führt hierzu überzeugend aus, dass der Kläger Erinnerungen an das traumatische Erlebnis schildert, jedoch nicht im engeren Sinne Intrusionen, d.h. sich aufdrängende szenische Bilder von dem Ereignis, die sich immer wieder in das Alltagserleben unwillkürlich und überwältigend eindrängen.
Die somit seit 2009 nachgewiesene depressive Störung ist nach Auffassung der Kammer nicht wesentlich auf die angeschuldigte Gewalttat vom 05.09.2004 zurückzuführen. Zwar reicht für den Ursachenzusammenhang die hinreichende Wahrscheinlichkeit. Doch nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 16.12.2014, Az: B 9 V 6/13 R) gilt im sozialen Entschädigungsrecht die Kausalitätsnorm der wesentlichen Bedingung in der spezifisch versorgungsrechtlichen Ausprägung. Diese beinhaltet, dass bei mehreren Teilursachen dem schädigenden Tatbestand in seiner Bedeutung und Tragweite für den Eintritt des Erfolges allein mindestens so viel Gewicht zukommt wie den übrigen Umständen zusammen. Dies bedeutet für den vorliegenden Fall, dass die Gewalttat vom 05.09.2004 allein so viel Bedeutung und Tragweite für die seelische Störung haben muss wie die übrigen Umstände zusammen, z.B. den zahlreichen belastenden beruflichen Einwirkungen am Arbeitsplatz und der Persönlichkeitsstruktur des Klägers. In Gesamtwürdigung des Sachverhalts ist die Kammer insbesondere vor dem Hintergrund der Entwicklung des psychischen Krankheitsverlaufs und dem Umstand, dass die Gewalttat im Rahmen der ersten Rehabilitationsmaßnahme in der AHG-Berus Klinik im 2011 nicht einmal erwähnt wird, davon überzeugt, dass den Geschehnissen am Arbeitsplatz die überragende Bedeutung für die Entstehung der seelischen Störung zukommt.
Es kann vorliegend auch nicht angenommen werden, dass die Schwierigkeiten am Arbeitsplatz zu einer wesentlichen Verschlimmerung einer einstmals schädigungsbedingt eingetretenen psychischen Störung geführt haben, denn hierzu hätte es des Nachweises eines objektivierten, abgrenzbaren psychischen Befundes unmittelbar nach der Gewalttat bedurft. Dieser liegt nicht vor.
Nach dem überzeugenden Gutachten des Prof. Dr. Q. kann als Folge der Gewalttat allein eine Phobie vor Rolltreppen angenommen werden. Deren Ausmaß führt nach Auffassung der Kammer indes nicht zu einer relevanten Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit und damit nicht zur Erhöhung des bisherigen Grades der Schädigungsfolgen von 20.
Es lassen sich dem vom Gericht in Auftrag gegebenen kieferchirurgischen Gutachten keine Hinweise darauf entnehmen, dass sich die Mundöffnungsstörung und die Sensibilitätsstörung im Unterkieferbereich links verschlimmert hätten. Ungeachtet dessen, dass beide insoweit vorliegenden Gutachten einen ursächlichen Zusammenhang dieser Gesundheitsstörung mit der Gewalttat ablehnen, ergeben sich aus beiden Reha-Entlassungsberichten der AHG Berus Klinik keinerlei Befunde und auch keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger über entsprechende Beschwerden geklagt hätte. Ein GdS über 20 kommt mithin nicht in Betracht.
Schließlich ist das vom Kläger geltend gemachte Doppelsehen nicht auf die angeschuldigte Gewalttat zurückzuführen. Dies ergibt sich aus dem augenärztlichen Gutachten des Dr. R., wonach sich die Doppelbilder am ehesten durch trockene Augen erklären lassen und durch Tränenersatzmittel zu beheben sind.
Bei dieser Sach- und Rechtslage war die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz –SGG.