L 9 AS 122/19

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 27 AS 144/15
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 9 AS 122/19
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Der im Falle einer Leistungsablehnung streitgegenständliche Zeitraum reicht grundsätzlich bis zur letzten mündlichen Verhandlung vor dem LSG und wird jedenfalls dann nicht durch einen teilweise abhelfenden Bewilligungsbescheid unterbrochen, wenn die Kläger keinen Folgeantrag gestellt haben.

I.    Auf die Berufung der Kläger werden der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Gießen vom 30. Januar 2019 und der Bescheid des Beklagten vom 8. September 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Januar 2015 aufgehoben und der Beklagte verurteilt, den Klägern Arbeitslosengeld II für den Zeitraum Oktober bis Dezember 2014 in gesetzlicher Höhe zu bewilligen.

II.    Der Beklagte hat den Klägern die außergerichtlichen Kosten für beide Instanzen zu erstatten.

III.    Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Kläger begehren die Bewilligung von Arbeitslosengeld II nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II).

Die 1966 geborene Klägerin zu 2. war Alleingesellschafterin der im Jahr 2010 gegründeten D. GmbH, deren Geschäftstätigkeit unter anderem in der Errichtung und Veräußerung von Eigentumswohnungen auf einem Grundstück in E-Stadt bestand. Geschäftsführer war zunächst der 1949 geborene Kläger zu 1. Mit Anstellungsvertrag vom 8. Juli 2012 wurde die Klägerin zu 2. Geschäftsführerin mit einem Nettogehalt von 600,00 Euro monatlich bei einer regelmäßigen Arbeitszeit von 10 Stunden wöchentlich. 

Die Klägerin zu 2. war Eigentümerin eines mit einem Wohnhaus bebauten 983 m² großen Grundstücks in der Gemarkung F-Stadt (Flur xx Flurstück xxx), das mit Grundschulden zu Gunsten der G-bank G-Stadt belastet war. Mit notariellem Kaufvertrag vom 17. April 2014 verkaufte sie das Grundstück zu einem Kaufpreis von 280.000,00 Euro. Die Vertragsparteien vereinbarten hierin, dass die Käufer aus dem Kaufpreis zunächst die nicht übernommenen Belastungen in der von den Gläubigern angeforderten Höhe ablösen, wobei die Klägerin zu 2. insoweit ihren Anspruch auf Auszahlung des Kaufpreises an die Gläubiger abtrat. 

Mit Darlehensvertrag vom 1. Juli 2014 bewilligte die Klägerin zu 2. der D. GmbH ein Darlehen i. H. v. 111.000,00 Euro mit der Abrede, dass die Darlehensnehmerin die Darlehensvaluta nur zum Ausgleich ihres Geschäftskontos Nr. xxx1 bei der G-bank G Stadt und zur Tilgung der Forderung „gegen“ die Gesellschafterin verwenden dürfe. Das Recht zur Kündigung wurde erstmals mit einer Kündigungsfrist von drei Monaten zum Ende des ersten Jahres seit Gewährung des Darlehens, also zum 31. Juli 2015, von beiden Seiten eingeräumt. 

Die Käufer des Grundstücks überwiesen den Betrag von insgesamt 280.000,00 Euro auf das Konto Nr. xxxxx2 bei der G-bank G-Stadt, auf dem der Betrag zum 1. Juli 2014 gutgeschrieben wurde. Von diesem Konto aus erfolgten Einzelüberweisungen auf verschiedene Konten bei der G-bank G-Stadt: Zum Ausgleich der negativen Salden wurden 119.116,13 Euro auf das Konto Nr. xxxxx3 der Klägerin zu 2., 15.578,67 Euro auf das Konto Nr. xxxxx4 der Klägerin zu 2. und 18.487,33 Euro auf das Konto der Kläger Nr. xxxxx5 überwiesen, sodass die Konten anschließend jeweils einen Kontostand von „0 Euro“ aufwiesen. Eine weitere Überweisung erfolgte i. H. v. 9.725,49 Euro auf das Konto der Klägerin zu 2. Nr. xxx6, welches anschließend ein Guthaben von 4.247,47 Euro aufwies, sowie i. H. v. 111.022,38 Euro auf das Konto der D. GmbH Nr. xxx1, das sich anschließend noch mit 24.367,09 Euro im Soll befand. 

Am 7. Juli 2014 beantragten die Kläger bei dem Beklagten Leistungen nach dem SGB II. Mit Bescheid vom 8. September 2014 lehnte der Beklagte den Antrag ab. Zur Begründung führte er aus, die Anlage EKS sei trotz mehrfacher Aufforderung nicht ausgefüllt worden, wobei aus den von den Klägern vorgelegten Kontoauszügen Ausgaben für ein Bauprojekt in E-Stadt ersichtlich seien, zu dem bisher keine Angaben gemacht worden seien. Außerdem seien widersprüchliche Angaben hinsichtlich der Ausgaben für Personalkosten erfolgt. Eine Schätzung der Einnahmen und Ausgaben aus der selbständigen Tätigkeit sei daher nicht möglich. Auch sei nicht in vollem Umfang nachgewiesen worden, wofür der Restbetrag aus dem Hausverkauf i. H. v. 15.795,49 Euro verwendet worden sei. Hiergegen legten die Kläger unter dem 4. Oktober 2014 Widerspruch ein, den sie unter anderem damit begründeten, dass die Käufer der Eigentumswohnungen, welche die D. GmbH errichtet habe, die fälligen Abschlagszahlungen nicht zahlten und sich die GmbH daher im Soll befunden habe. Von den durch den Hausverkauf übrig gebliebenen 15.795,49 Euro seien das Privatkonto bei der G-bank ausgeglichen und Rechnungen bezahlt worden. 

Mit Bescheid vom 17. Oktober 2014 bewilligte der Beklagte den Klägern Leistungen für Oktober 2014 als Vorschuss in Höhe von insgesamt 1.291,63 Euro. 

Unter dem 27. Oktober 2014 wurde der Anstellungsvertrag zwischen der D. GmbH und der Klägerin zu 2. dahingehend geändert, dass die Klägerin ab 1. November 2014 für ihre Tätigkeit kein Gehalt bezog.

Seit dem 1. Januar 2015 erhält der Kläger zu 1. eine gesetzliche Altersrente. 

Mit Widerspruchsbescheid vom 27. Januar 2015 wies der Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 8. September 2014 zurück. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, die Kläger hätten kurz vor Antragstellung ihr Haus zu einem Kaufpreis von 280.000,00 Euro verkauft und abzüglich der Tilgungen für die noch bestehenden Darlehen einen Betrag von ca. 127.000,00 Euro erhalten. Sie seien mehrfach aufgefordert worden, eine nachvollziehbare Prognose hinsichtlich der Einnahmen und Ausgaben der D. GmbH für den Bewilligungszeitraum Juli bis Dezember 2014 abzugeben. Aus den vorgelegten Vordrucken habe sich allerdings nur ergeben, dass für Juni bis September 2014 monatlich 222 km betriebliche Fahrten angefallen seien, während keinerlei Angaben zu Einnahmen und Ausgaben gemacht worden seien. Dass die Firma seit Juli 2014 in keiner Weise wirtschaftlich tätig gewesen sei, sei nicht glaubhaft, insbesondere angesichts des Umstandes, dass jedenfalls bei einer Ortsbesichtigung am 22. Dezember 2014 festgestellt worden sei, dass das Haus zumindest teilweise bewohnt werde. Die behauptete Hilfebedürftigkeit sei damit nicht glaubhaft gemacht worden.

Am 2. Februar 2015 hat der Kläger zu 1. Klage beim Sozialgericht Gießen erhoben. Am 26. Februar 2015 hat auch die Klägerin zu 2. Klage erhoben. 

Zur Begründung haben die Kläger unter anderem eine vorläufige betriebswirtschaftliche Auswertung der D. GmbH für Januar bis Oktober 2014 vorgelegt, aus der sich ein Jahresergebnis von -21.012,01 Euro ergibt. Sie haben vorgetragen, die Käufer der Eigentumswohnungen des Bauvorhabens in E-Stadt hätten die Verträge gekündigt und ihrerseits noch Forderungen an die D. GmbH gestellt. Es sei daher fraglich, ob die Käufer ihre Restzahlungen leisten würden. Die Bauherren hätten beschlossen, das Vorhaben in Eigenleistung selbst fertig zu stellen. Aus dem Umstand, dass die Wohnungen im Zeitpunkt der Ortsbesichtigung durch den Beklagten bewohnt gewesen seien, lasse sich daher nicht schließen, dass die D. GmbH wirtschaftlich tätig gewesen sei. Im Jahr 2014 habe diese keinen Umsatz erzielt. Die Bauherren führten Prozesse gegen die GmbH, die sich insoweit Forderungen in Höhe von ca. 300.000,00 Euro ausgesetzt sehe. Mieteinnahmen seien nicht erzielt worden, weil es sich um Eigentumswohnungen handele. Die Kläger haben Kontoauszüge für das Konto Nr. xxx6 bei der G-bank G-Stadt vorgelegt, aus denen sich ergibt, dass sich das Guthaben von 4.247,47 Euro zum 10. Juli 2014 auf 645,64 Euro zum 25. August 2014 reduziert hat. 

Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass die Kläger noch 127.000,00 Euro zur Verfügung gehabt hätten, die vorrangig zur Sicherung des Lebensunterhaltes hätten eingesetzt werden müssen. Außerdem erschließe sich nicht, warum der D. GmbH ein Darlehen von 111.000,00 Euro gewährt worden sei, während gleichzeitig die Zusammenarbeit von den Käufern der Eigentumswohnungen bereits im Juni 2014 aufgekündigt worden sei. Der Beklagte hat ferner die Ansicht vertreten, dass es sich bei dem Erlös aus dem Hausverkauf um zugeflossenes Einkommen, nicht aber um Vermögen gehandelt habe. Daher könnten freiwillige Zahlungen zur Tilgung von Schulden nicht vom Einkommen abgesetzt werden. Außerdem habe sich das Kontoguthaben am 10. Juli 2014 auf 4.247,47 Euro belaufen, so dass keine Rede davon sein könne, dass keine bereiten Mittel zur Bedarfsdeckung vorhanden gewesen seien. Die Verrechnung der einem Konto gutgeschriebenen Einnahmen seitens der Bank sei eine Einkommensverwendung und mindere nicht die Höhe des zu berücksichtigenden Einkommens. Dass aufgrund von bestehenden Verbindlichkeiten der Kläger gegenüber der Bank anscheinend vereinbart worden sei, den Erlös direkt an die G-bank zu überweisen, könne zu keiner anderen Beurteilung führen. 

Mit Bescheiden vom 2. Juni 2015 hat der Beklagte von den Klägern die Leistungen für Oktober 2014 in Höhe von jeweils 588,01 Euro zurückgefordert. Hiergegen haben die Kläger unter dem 18. Juni 2015 Widerspruch eingelegt. 

Im Dezember 2015 hat die D. GmbH einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens beim Amtsgericht Gießen gestellt. 

Mit Bescheid vom 26. Oktober 2018 hat der Beklagte den Klägern für Juli bis September 2014 Leistungen in Höhe von monatlich 1.291,63 Euro (703,62 Euro für den Kläger zu 1., 588,01 Euro für die Klägerin zu 2.) bewilligt. In seinem Schreiben vom 9. Januar 2019 hat der Beklagte ausgeführt, die Bescheide vom 2. Juni 2015 seien aufgehoben und auf eine Rückforderung sei verzichtet worden.

Das Sozialgericht hat die Klagen mit Gerichtsbescheid vom 30. Januar 2019 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Prüfung des streitgegenständlichen Anspruches sei auf den Zeitraum 1. Juli 2014 bis 30. September 2014 beschränkt, weil mit der Erteilung des Bescheides vom 17. Oktober 2014 der Zeitraum ende, für den die ablehnende Entscheidung vom 8. September 2014 Wirkung entfalte. Der Bescheid vom 17. Oktober 2014 sei nicht nach § 86 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Widerspruchsverfahrens geworden, weil die Ablehnung der Leistung kein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung sei, er also mit Wirkung für die Zukunft weder abgeändert noch ersetzt werden könne. Für die noch streitgegenständliche Zeit ab November 2014 sei kein Antrag der Kläger auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes ersichtlich.

Am 7. März 2019 haben die Kläger Berufung beim Hessischen Landessozialgericht eingelegt. 

Auf Vorschlagsbeschluss des Berichterstatters vom 4. Mai 2021 haben die Beteiligten einen Teilunterwerfungsvergleich geschlossen, wonach sie den Streitgegenstand des Verfahrens auf den Zeitraum bis zum 31. Dezember 2014 beschränken und sich hinsichtlich der Zeit ab 1. Januar 2015 einer rechtskräftigen Entscheidung im Verfahren L 9 AS 122/19 unterwerfen. 

Die Kläger tragen zur Begründung der Berufung vor, es sei nicht ersichtlich, wie ein Bescheid, der Leistung lediglich für einen Monat und das als Vorschuss gewähre und sich im Nachhinein erledigt habe, das Begehren der Kläger begrenzen solle. Für den Zeitraum Oktober bis Dezember 2014 hätten sich keine Änderungen in den Einkommens- und Vermögensverhältnissen gegenüber den Verhältnissen, die dem Bewilligungsbescheid vom 26. Oktober 2018 zugrunde gelegen haben, ergeben.

Die Kläger beantragen sinngemäß, 

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Gießen vom 30. Januar 2019 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihnen unter Aufhebung des Bescheides vom 8. September 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Januar 2015 Arbeitslosengeld II von Oktober bis Dezember 2014 in gesetzlicher Höhe zu bewilligen. 

Der Beklagte beantragt, 

die Berufung zurückzuweisen. 

Er ist der Auffassung, der Bescheid vom 17. Oktober 2014 habe zu einer Unterbrechung des streitgegenständlichen Zeitraums geführt.

Mit Beschluss des Amtsgerichts Gießen (Insolvenzgericht) vom 30. Oktober 2019 ist das Verbraucherinsolvenzverfahren über das Vermögen des Klägers zu 1. eröffnet und ein Insolvenzverwalter bestellt worden. 

Der Berichterstatter hat mit den Beteiligten am 30. April 2021 einen Erörterungstermin durchgeführt. Wegen dessen Inhalts wird auf das Sitzungsprotokoll vom 30. April 2021 Bezug genommen. Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung erklärt. 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und die Beklagtenakte Bezug genommen, die der Entscheidung zugrunde gelegen haben. 

Entscheidungsgründe

Die Berufung, über die der Senat ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann, ist zulässig und begründet.

1. Der Senat kann über die Berufung ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärt haben, §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG.

2. Der Senat ist nicht wegen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Klägers zu 1. an einer Entscheidung auch über dessen Berufung gehindert. 

Zwar ist nach § 202 Satz 1 SGG i. V. m. § 240 Zivilprozessordnung (ZPO) das Verfahren unterbrochen, wenn ein Insolvenzverfahren über das Vermögen einer Partei eröffnet wird und das Klageverfahren die Insolvenzmasse betrifft. Letztere erfasst aber nur das pfändbare Vermögen (§§ 35, 36 Insolvenzordnung - InsO -), wozu der streitgegenständliche Anspruch des Klägers zu 1. auf Arbeitslosengeld II nicht gehört (vgl. § 54 Abs. 4 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - SGB I - i. V. m. § 850c ZPO). 

3. Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist der Anspruch der Kläger auf Arbeitslosengeld II für den Zeitraum Oktober bis Dezember 2014. 

a) Ohne den Abschluss des Unterwerfungsvergleiches wären die Ansprüche der Kläger bis zum Zeitpunkt der Absendung des Urteils des Senats an die Beteiligten streitgegenständlich. Im Falle der Leistungsablehnung ist in der Regel über den geltend gemachten Anspruch bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landessozialgericht (BSG, Urteil vom 25. Juni 2008, B 11b AS 45/06 R, juris, Rn. 28) oder, wenn die Entscheidung - wie hier - ohne mündliche Verhandlung ergeht, bis zum Zeitpunkt der Absendung des Urteils an die Beteiligten (BSG, Urteil vom 7. Mai 2009, B 14 AS 41/07 R, juris, Rn. 9) zu entscheiden. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz liegt nicht vor. 

Der Ablehnungsbescheid vom 7. Juli 2014 erging nicht nur für einen bestimmten Zeitraum, sondern ohne eine zeitliche Begrenzung. Auch ist keine Unterbrechung des streitgegenständlichen Zeitraums durch die Bescheide vom 8. September 2014 oder 26. Oktober 2018 eingetreten. Eine solche Unterbrechung findet nur statt, wenn entweder auf einen Folgeantrag erneut Leistungen abgelehnt werden (BSG, Urteil vom 31. Oktober 2007, B 14/11b AS 59/06 R, juris, Rn. 13) oder auf einen Folgeantrag Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes bewilligt werden (BSG, Urteil vom 25. Juni 2008, B 11b AS 45/06 R, juris, Rn. 28; Urteil vom 1. Juli 2009, B 4 AS 9/09 R, juris, Rn. 10). Der Erlass eines teilweise abhelfenden Bescheides führt indes ohne einen entsprechenden Folgeantrag nicht zur Unterbrechung des streitgegenständlichen Zeitraums. Ob umgekehrt bereits ein weiterer Leistungsantrag den streitigen Zeitraum begrenzt (so BSG, Urteil vom 22. März 2012, B 4 AS 99/11 R, juris, Rn. 11) oder allein ein nicht beschiedener Weiterbewilligungsantrag keine solche Zäsur bewirkt (so BSG, Urteil vom 13. Juli 2017, B 4 AS 17/16 R, juris, Rn. 13), kann dahinstehen. Denn vorliegend fehlt es bereits an einem solchen Folgeantrag der Kläger. 

Der Bescheid vom 17. Oktober 2014 hat außerdem lediglich für den Monat Oktober 2014 einen Vorschuss (42 Abs. 1 SGB I) bewilligt und war bereits deshalb - in Ermangelung einer endgültigen Regelung - nicht geeignet, den streitgegenständlichen Zeitraum zu unterbrechen. Nicht jede auf einen erneuten Antrag ergehende „weitere Verwaltungsentscheidung“ unterbricht den streitigen Zeitraum (so aber BSG, Urteil vom 24. Mai 2017, B 14 AS 16/16 R, juris, Rn. 13). Der Bescheid vom 26. Oktober 2018 bewilligt Leistungen nur für einen Zeitraum von drei Monaten innerhalb des (bis dahin) streitgegenständlichen Zeitraums. Die nicht von diesem Bescheid erfassten Zeiträume bleiben jedenfalls streitgegenständlich (vgl. BSG, Beschluss vom 17. August 2017, B 5 R 248/16 B, juris, Rn. 11), unabhängig davon, ob sich der angegriffene Ablehnungsbescheid für diese Zeiträume erledigt (vgl. dazu BSG, Urteil vom 28. Oktober 2009, B 14 AS 62/08 R, juris, Rn. 17) oder der Bescheid vom 26. Oktober 2018 nach § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden ist (vgl. dazu Bienert, NZS 2015, 844, 850 m. w. N.; BSG, Beschluss vom 17. August 2017, B 5 R 248/16 B, juris, Rn. 9). 

Nicht Gegenstand des Verfahrens sind die Bescheide vom 2. Juni 2015. Denn der Beklagte hat sie – jedenfalls mit dem Schreiben vom 9. Januar 2019 – aufgehoben.

b) Die Beteiligten haben im Rahmen ihrer Dispositionsbefugnis den streitgegenständlichen Zeitraum durch den Teilunterwerfungsvergleich nach § 101 Abs. 1 Satz 2 SGG auf den Zeitraum Oktober bis Dezember 2014 beschränkt. Dadurch hat sich das Verfahren ab Januar 2015 erledigt. Denn obwohl ein Unterwerfungsvergleich keine Sachregelung enthält, führt er dennoch zur Verfahrensbeendigung, wobei ein Teil(unterwerfungs)vergleich zur Erledigung einzelner abtrennbarer Teile führt und im Übrigen noch eine gerichtliche Entscheidung erfordert (vgl. O. Schmitt, NZS 2020, 649, 650). Der Zeitraum ab Januar 2015 war in diesem Sinne auch abtrennbar. Denn aus dem Individualanspruch der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft und dem Monatsprinzip des SGB II ergibt sich, dass die Kläger ihr Begehren auf Leistungen für einzelne Monate beschränken können (BSG, Urteil vom 24. Juni 2020, B 4 AS 9/20 R, juris, Rn. 24).

4. Die zulässige Berufung ist begründet.

a) Es kann dahinstehen, ob das Sozialgericht durch Gerichtsbescheid (§ 105 Abs. 1 SGG) und damit ohne Beteiligung der ehrenamtlichen Richter (§ 12 Abs. 1 Satz 2 SGG) entscheiden durfte oder ob es angesichts des Fehlens der Tatbestandsvoraussetzungen des § 105 Abs. 1 SGG verfahrensfehlerhaft gehandelt und sogar den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz - GG -) entzogen hat (vgl. BSG, Urteil vom 16. März 2006 - B 4 RA 59/04 R -, juris, Rn. 16; O. Schmitt, SGb 2015, 662, 665 m. w. N.). Denn durch die Entscheidung des Senats in der Sache wird ein entsprechender Verfahrensfehler des Sozialgerichts jedenfalls geheilt (BSG, Urteil vom 30. Oktober 2020, B 4 AS 267/20 B, juris, Rn. 8; Urteil des Senats vom 26. Oktober 2020, L 9 AS 573/19, juris, Rn. 32; O. Schmitt, SGb 2015, 662, 668).
 
b) Die Klage ist zulässig. Sie ist insbesondere als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG), gerichtet auf den Erlass eines Grundurteils (§ 130 Abs. 1 SGG), statthaft. Da der Anspruch des Klägers zu 1. nicht die Insolvenzmasse betrifft, ist auch dessen Prozessführungsbefugnis nicht auf den Insolvenzverwalter übergegangen (vgl. § 80 Abs. 1 InsO) und die Vollmacht des Prozessbevollmächtigten nicht erloschen (vgl. § 117 InsO).

c) Die Klage ist auch begründet. Die Kläger haben einen Anspruch auf Arbeitslosengeld II für den Zeitraum Oktober bis Dezember 2014 gemäß § 19 i. V. m. §§ 7, 9, 11 ff., 20 ff. SGB II in gesetzlicher Höhe. 

Die Kläger erfüllen die Grundvoraussetzungen nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II, ohne dass ein Ausschlussgrund nach § 7 SGB II vorliegt. 

aa) Auch für den Kläger zu 1. ist im streitgegenständlichen Zeitraum die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht, § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II. Für Personen wie ihn, die nach dem 31. Dezember 1946 geboren sind, wird nach § 7a Satz 2 SGB II die Altersgrenze um drei Monate auf 65 Jahre und drei Monate angehoben. Damit endet die Altersgrenze für den Kläger zu 1. mit Ablauf des dritten Monats nach Vollendung des 65. Lebensjahres, also mit Ablauf des 31. Dezember 2014. Für die Zeit ab 1. Januar 2015 ist der Kläger zu 1. zudem nach § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen, weil er eine Rente wegen Alters bezieht. 

bb) Die Kläger sind auch hilfebedürftig, § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II. Der monatliche Bedarf beträgt 703,62 Euro für den Kläger zu 1. und 588,01 Euro für die Klägerin zu 2. Diesen Bedarf können sie nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen (§ 11 SGB II) oder Vermögen (§ 12 SGB II) sichern, § 9 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 SGB II

(1) Zu berücksichtigendes Vermögen schließt die Bedürftigkeit der Kläger nicht aus. 

Insbesondere steht der im Juli 2014 zugeflossene Kaufpreis aus dem Verkauf des Grundstücks der Klägerin zu 2. der Bedürftigkeit der Kläger nicht entgegen. 

Denn hierbei handelt es sich nicht um einzusetzendes Einkommen nach § 11 SGB II, sondern um Vermögen nach § 12 SGB II (a), das im maßgeblichen Zeitraum die Vermögensfreibeträge nicht überstiegen hat (b).

(a) Der Erlös aus dem Grundstücksverkauf ist kein Einkommen, sondern Vermögen. Einkommen ist grundsätzlich alles, was jemand nach Antragstellung wertmäßig dazu erhält, während Vermögen das ist, was er vor Antragstellung bereits hatte, wobei vom tatsächlichen Zufluss auszugehen ist, es sei denn, rechtlich wird ein anderer Zufluss als maßgeblich bestimmt (ständige Rechtsprechung des BSG, z. B. Urteil vom 8. Mai 2019, B 14 AS 15/18 R, juris, Rn. 14). Veräußert der Leistungsberechtigte - wie hier - einen in seinem Vermögen befindlichen Gegenstand zum Verkehrswert, liegt hierin keine Einkommenserzielung, sondern eine Vermögensumschichtung, weil es an dem für Einkommen notwendigen wertmäßigen Zuwachs fehlt (BSG, Urteil vom 9. August 2018, B 14 AS 20/17 R, juris, Rn. 14). 

(b) Zum maßgeblichen Zeitpunkt stand dieses Vermögen der Hilfebedürftigkeit der Kläger nicht entgegen, weil es die Vermögensfreibeträge nicht überstieg.

Der Wert des Vermögens bestimmt sich nach § 12 Abs. 4 SGB II. Abweichend von der Einkommensberücksichtigung gibt es bei der Berücksichtigung von Vermögen im SGB II keine normative Grundlage für ein Monatsprinzip; vielmehr sind leistungsrelevante Änderungen des Vermögens taggenau zu berücksichtigen (vgl. BSG, Urteil vom 20. Februar 2020, B 14 AS 52/18 R, juris, Rn. 34 ff.). 

(aa) Zum 1. Juli 2014 betrug das verwertbare Vermögen 4.247,47 Euro.

Zwar minderten die Schulden der Kläger gegenüber der G-bank ihr Vermögen zunächst prinzipiell nicht, da Vermögen im Sinne des § 12 SGB II grundsätzlich keine Bilanz aus aktiven und passiven Vermögenswerten ist, sondern es lediglich auf den Bestand der vorhandenen aktiven Vermögenswerte ankommt (vgl. BSG, Urteil vom 18. Februar 2010, B 4 AS 28/09 R, juris, Rn. 22). 

Die auf dem Hausgrundstück lastenden Grundschulden sind aber zum einen als unmittelbar auf dem Vermögensgegenstand lastende Verbindlichkeiten bei der Feststellung des Vermögenswertes bereits zu berücksichtigen, da der Vermögensgegenstand in diesen Fällen nicht ohne Abzüge veräußert werden kann (vgl. BSG, Urteil vom 20. Februar 2014, B 14 AS 10/13 R, juris, Rn. 29). 

Zum anderen hat sich durch den Ausgleich des Kontosolls auf den Konten der Kläger und auch der D. GmbH der Vermögenswert entsprechend reduziert. 

Wird nämlich ein Vermögenswert zum Ausgleich eines Kontosolls verwendet, tritt insoweit eine Verminderung des vorhandenen und verwertbaren Vermögens ein (vgl. BSG, Urteil vom 20. Februar 2020, B 14 AS 52/18 R, juris, Rn. 32). Nur tatsächlich vorhandenes, zu verwertendes und verwertbares Vermögen ist zu berücksichtigen, nicht aber ein fiktives Vermögen. 

(b) Bis zum 25. August 2014 hat sich das Guthaben auf dem Konto der Klägerin zu 2. Nr. xxx6 auf 645,64 Euro reduziert. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass dieses Guthaben im hier maßgeblichen Zeitraum Oktober bis Dezember 2014 nennenswert angewachsen wäre. 

Dieses Vermögen ist nach Anwendung der Vermögensfreibeträge (§ 12 Abs. 2 Nr. 1, 4 SGB II) mithin geschützt und steht einer Hilfebedürftigkeit nicht entgegen. Der Vermögensfreibetrag des Klägers zu 1., der am 1. Oktober 2014 sein 65. Lebensjahr vollendete, beträgt (65 mal 150,00 Euro = 9.750,00 Euro, § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 SGB II, zuzüglich 750,00 Euro, § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 SGB II, insgesamt damit) 10.500,00 Euro, derjenige der Klägerin zu 2., die am 31. Dezember 2014 ihr 48. Lebensjahr vollendete, zunächst (47 mal 150,00 Euro = 7.050,00 Euro, zuzüglich 750,00 Euro, insgesamt damit) 7.800,00 Euro und am 31. Dezember 2014 7.950,00 Euro (vgl. zur taggenauen Berechnung der Freibeträge BSG, Urteil vom 20. Februar 2020, B 14 AS 52/18 R, juris, Rn. 36).

Die Möglichkeit der Kläger zur erneuten Überziehung der Konten durch Einräumung eines Dispositionskredits bis zur Höhe der betragsmäßigen Begrenzung (Dispolimit) ist hingegen kein aktiver Vermögenswert, der einer Hilfebedürftigkeit entgegensteht (BSG, Urteil vom 20. Februar 2020, B 14 AS 52/18 R, juris, Rn. 33).

Es liegen schließlich auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Klägerin zu 2. im streitgegenständlichen Zeitraum verwertbares Vermögen in Form einer realisierbaren Forderung (insbesondere aus dem Darlehensvertrag) gegen die D. GmbH gehabt hätte. 

(2) Es ist auch weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass die Kläger Einkommen gehabt hätten, das einer Bedürftigkeit dem Grunde nach entgegenstünde. Insbesondere ist nichts dafür ersichtlich, dass die D. GmbH Gewinn erzielt hätte, der im streitgegenständlichen Zeitraum zu berücksichtigen wäre. Das Einkommen der Klägerin zu 2. aus ihrer Tätigkeit als Geschäftsführerin (600,00 Euro im Oktober 2014) würde jedenfalls die Hilfebedürftigkeit der Kläger nicht entfallen lassen. Denn diese haben einen monatlichen Bedarf von insgesamt 1.291,63 Euro.

Die Höhe der Leistungsansprüche wird der Beklagte bei der Ausführung dieses Urteils zu ermitteln und festzusetzen haben. 

d) Zwar waren die Kläger prinzipiell gehalten, die ihnen zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel in der Bedarfszeit nicht zur Schuldentilgung, sondern zur Sicherung des Lebensunterhaltes zu verwenden (vgl. BSG, Urteil vom 20. Februar 2020, B 14 AS 52/18 R, juris, Rn. 38). Ob ihr Verhalten aber einen Sanktionstatbestand nach § 31 SGB II erfüllt oder einen Ersatzanspruch nach § 34 SGB II begründet, ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens. 

Die Kläger haben auch einen Anspruch nicht nur auf ein Darlehen, sondern auf einen Zuschuss. Eine Regelung wie (den durch das 9. SGB II – Änderungsgesetz vom 26. Juli 2016, BGBl. I 1824, eingeführten) § 24 Abs. 4 SGB II, der auf einen vorzeitigen Verbrauch einer (einmaligen) Einnahme mit einer Darlehensregelung reagiert, besteht für den vorzeitigen Verbrauch von Vermögen nicht. 

e) Der Beklagte ist aus dem Teilunterwerfungsvergleich verpflichtet, auch den Zeitraum ab Januar 2015 (für die Klägerin zu 2.) bis zum Zeitpunkt der Absendung der Entscheidung des Senats zu bescheiden und dabei dessen Rechtsauffassung in diesem Urteil zu beachten. 

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

6. Revisionszulassungsgründe (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor. 

Rechtskraft
Aus
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