L 9 U 222/09

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 1 U 237/07
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 9 U 222/09
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

I.    Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 29. Mai 2009 aufgehoben und die Klage abgewiesen. 
 
II.    Die Beteiligten haben einander für das gerichtliche Verfahren in beiden Instanzen keine Kosten zu erstatten. 
 
III.    Die Revision wird nicht zugelassen. 

T a t b e s t a n d 
 
Im Streit steht die Gewährung einer Rente nach den Vorschriften des Siebten Buches Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (SGB VII). 
 
Die 973 geborene Klägerin war als Altenpflegerin bei einem ambulanten Pflegedienst beschäftigt und hierbei im Rahmen der gesetzlichen Unfallversicherung bei der Beklagten versichert. Am 15. Juli 2002 erlitt sie auf dem Weg zu einer Pflegestelle mit ihrem PKW einen Verkehrsunfall, wobei ihr Wagen nach einem Bremsversagen von der Fahrbahn abkam und sich mehrfach überschlug. Nach der Notfallaufnahme in das EichhofKrankenhaus Lauterbach diagnostizierte der Durchgangsarzt Dr. C. eine HalswirbelkörperFraktur (HWK-Fraktur) mit Hautabschürfungen und Schnittverletzungen. Anschließend wurde die Klägerin in das Klinikum Fulda verlegt, wo eine stationäre Behandlung bis zum 25. Juli 2002 folgte. Der Beklagten wurde in einem Befundbericht des Chefarztes der Klinik für Neurochirurgie Prof. Dr. D. am 6. August 2002 mitgeteilt, dass sich bei einer Computertomographie (CT) der Halswirbelsäule (HWS) der Verdacht einer HWK1-Fraktur bestätigt habe. Der Klägerin sei am 18. Juli 2002 ein Halo-Fixateur extern angelegt worden. Anschließend seien die zunächst analgetisch versorgten Schmerzen im Hals-NackenBereich deutlich rückläufig gewesen. Am 25. Juli 2002 sei die Klägerin ohne neurologisches Defizit in die weitere ambulante Behandlung entlassen worden. Im Rahmen einer weiteren stationären Behandlung der Klägerin vom 9. Oktober bis zum 10. Oktober 2002 erfolgte die Entfernung des Halo-Fixateurs, da es im Bereich der Fixierschrauben zu eitrigen Wundverhältnissen und zunehmenden Schmerzen in diesem Bereich gekommen sei. Nach dem Befundbericht des Klinikums Fulda vom 6. Januar 2003 habe eine anschließend gefertigte Funktionsaufnahme keinen Anhalt einer Instabilität im Bereich der HWS gezeigt. In einem Befundbericht vom 25. März 2003 nach ambulanter Behandlung der Klägerin teilte Prof. Dr. D. der Beklagten mit, die Fraktur sei mit Ausnahme des noch nicht vollständig verheilten Frakturspaltes im hinteren Atlasbogen gut verheilt. Bei noch geringen Restbeschwerden werde die Weiterführung konservativer Maßnahmen empfohlen. Bei der Kontrolluntersuchung habe die Klägerin angegeben, sie leide unter Kopfschmerzen bei Wetterwechsel und fliehe vor Menschenansammlungen, weil sie dann Schweißausbrüche und Panikzustände bekommen. Auch falle es ihr schwer, in geschlossenen Räumen tätig zu sein, weil sie dann ebenfalls Panikattacken erleide. 
 
Auf diesbezügliche Nachfrage der Beklagten teilte die Klägerin dieser mit Schreiben vom 28. April 2003 mit, dass die vorgenannten psychischen Beschwerden bei ihr erst nach dem Unfall aufgetreten seien. Bei fortlaufendem Bezug von Verletztengeld führte die Klägerin vom 5. bis zum 23. Mai 2003 eine Arbeits- und Belastungserprobung im Umfang von täglich vier Arbeitsstunden bei einem Pflegedienst durch. Die Maßnahme wurde von der Klägerin aufgrund von Konzentrationsmängeln und Kopfschmerzen abgebrochen. Am 13. Juni 2003 teilte die Klägerin der Beklagten telefonisch mit, dass sie im Moment kein Auto fahren sowie keine öffentlichen Verkehrsmittel nutzen könne. Abends verlasse sie das Haus nicht mehr. Gegenüber ihrem Partner sei sie oft aggressiv. 
 
Nach einer Untersuchung am 3. Juli 2003 teilte der leitende Oberarzt der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Klinikums Fulda, Dr. E. der Beklagten am 17. Juli 2003 mit, die Klägerin beschreibe zunehmend depressive Symptome, fast ständige Kopfschmerzen, nachlassende Konzentrationsfähigkeit, mangelnde Lebensfreude und Grübelneigung. Sie zeige deutliches Vermeidungsverhalten im Zusammenhang mit der Nutzung von Verkehrsmitteln, bekomme Angstattacken bei der Konfrontation mit Rettungswagen unter Blaulicht und habe täglich Albträume den Unfall betreffend. Diagnostiziert wurden eine posttraumatische Belastungsstörung sowie eine moderate depressive Episode mit somatischen Störungen. In einem Befundbericht vom 18. Juli 2003 wurde der Beklagten von dem Neurologen, Psychiater und Psychotherapeuten Dr. Martin nach erstmaliger Untersuchung der Klägerin am gleichen Tag die vorläufige Diagnose „posttraumatische Belastungsreaktion, Angst und depressive Störung, gemischt, HWS Syndrom, Migräne, posttraumatische verstärkt" mitgeteilt. In einem weiteren Befundbericht vom 3. November 2003 teilte Dr. F. der Beklagten das Ergebnis einer Untersuchung der Klägerin vom 30. Oktober 2003 mit. Diese habe ihm mitgeteilt, dass sie wieder kurze Strecken mit dem Auto fahre, dabei aber Fahrstrecken mit unbekannten Kurven meide. Sie habe wieder etwas mehr Lebensmut gefasst und nicht mehr die depressiven Symptome wie noch vor einem Vierteljahr. Auch die Albträume und Flashbacks seien besser geworden. Eine psychotherapeutische Behandlung sei von ihr bislang nicht durchgeführt worden. Auch die medikamentöse antidepressive Behandlung werde von ihr derzeit nicht weitergeführt. In seiner Beurteilung teilte Dr. F. mit, die Symptome einer posttraumatischen Belastungsreaktion sowie die depressiven Anteile seien bei der Klägerin jetzt deutlich rückläufig. Es bestünden weiterhin noch ein Vermeidungsverhalten sowie episodische Kopfschmerzen. 
 
Am 28. Mai 2004 wurde von der Fachärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie und Funktionsoberärztin der Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie des Klinikums Fulda G. ein Gutachten für die Beklagte erstattet. Bei aktuellen Untersuchungen am 1. und 17. März 2004 habe die Klägerin vermehrte Ängste und Anspannungsgefühle sowie Symptome körperlicher Art angegeben. Die Klägerin schwitze häufig, ihr sei leicht schwindelig, körperliche Anstrengungen könne sie schlecht bewältigen. Immer noch weine sie leichter als früher und könne schlecht schlafen, wobei die Häufigkeit der Albträume sich von täglich auf ca. zweimal pro Woche reduziert habe. Die Ängste seien weiterhin verstärkt, wenn Krankenwagen oder die Feuerwehr das gegenüberliegende Altersheim aufsuchen oder von dort Tote abgeholt würden. Sie verlasse kaum das Haus, grübele über ihr schweres Schicksal nach, vermeide Aktivitäten und schaue kaum noch Fernsehen. Objektiv betrachtet sei der psychopathologische Befund der Klägerin allerdings nicht wesentlich auffällig. Die Sachverständige kam zu dem Ergebnis, dass die anhaltende Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit teilursächlich durch den Arbeitsunfall ausgelöst worden seien. Es bestehe unfallbedingt eine posttraumatische Belastungsstörung sowie eine moderate depressive Episode mit somatischen Störungen. Weiterhin bestünden Symptome in Form von Albträumen das Unfallereignis betreffend, Schlafstörungen, Vermeidungsverhalten, emotionale Belastung bei Erinnerung an das Trauma, depressives Erleben und sozialer Rückzug. Die hieraus resultierende Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) werde bei anhaltender Arbeitsunfähigkeit mit 30 v. H. eingeschätzt.  
 
Am 16. November 2005 wurde von dem Arzt für Chirurgie Prof. Dr. H. ein Gutachten für die Beklagte erstattet. Danach habe die Untersuchung der Klägerin folgende Befunde ergeben: Reizlose Stirn- und Hinterhauptnarben nach Halo-Fixateur-Behandlung, endgradig eingeschränkte Drehfähigkeit des Kopfes auf der HWS nach rechts bei im Übrigen unbehinderten Bewegungsradien, verletzungsfolgengerechte subjektiv und lokale Belastungsbeschwerden der oberen HWS sowie röntgenologisch nachweisbare Veränderungen. Die hieraus resultierende MdE sei mit 10 v. H. zu bewerten. In einem weiteren Gutachten vom 29. Dezember 2005 kam die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie J. nach Untersuchung der Klägerin am 4. November 2005 zu dem Ergebnis, dass bei der Klägerin infolge des Unfalls eine posttraumatische Belastungsreaktion aufgetreten sei, die aktuell nur noch als Reststörung in Form einer leichten Störung der Aufmerksamkeits- und Belastungsfähigkeit vorliegen und mit einer MdE von 10 v. H. zu bewerten sei. Unfallunabhängig bestünden bei der Klägerin auf ihrem Fachgebiet eine ängstliche (vermeidende) Persönlichkeitsstörung, Essattacken bei psychischen Störungen sowie Adipositas. Von Prof. Dr. H. wurde nachfolgend in einer Stellungnahme vom 16. Januar 2006 die Gesamt-MdE integrierend mit 15 v. H. eingeschätzt. 
 
Mit Bescheid vom 8. März 2006 erkannte die Beklagte das Ereignis vom 15. Juli 2002 als Arbeitsunfall mit folgenden Unfallfolgen an: „Reizlose Stirn- und Hinterhauptnarben nach 5 HaIo-Fixateur-Behandlung, endgradig eingeschränkte Drehfähigkeit des Kopfes auf der HWS nach rechts, lokale Belastungsbeschwerden der oberen HWS, röntgenologisch erkennbare Veränderungen im ehemaligen Bruchbereich sowie leichte Störung der Aufmerksamkeits- und Belastungsfähigkeit als Restsymptome einer posttraumatischen Belastungsstörung nach Atlasberstungsbruch (Jefferson-Fraktur Typ III)." Ausdrücklich nicht als Unfallfolgen anerkannt wurden: „Leichtgradiges Engpass-Syndrom beider Schultergelenke, immobilisierende Übergewichtigkeit bei psychisch bedingten Essattacken, ängstliche (vermeidende) Persönlichkeitsstörung sowie psychische Blockierung den Beruf der Altenpflegerin auszuüben." Zugleich lehnte die Beklagte die Gewährung von Verletztenrente mit der Begründung ab, es bestehe keine MdE von mindestens 20 v. H. Weiterhin wurde die Auszahlung des seit dem 27. August 2002 an die Klägerin gezahlten Verletztengeldes mit Ablauf des 8. März 2006 beendet. Den von der Klägerin hiergegen am 15. März 2006 eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 26. Juli 2006 zurück. 
 
Hiergegen hat sich die Klägerin mit der am 23. August 2006 beim Sozialgericht Fulda eingegangenen Klage gewandt, die von diesem mit Beschluss vom 29. November 2007 an das örtlich zuständige Sozialgericht Gießen verwiesen worden ist. 
 
Das Sozialgericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens bei dem Facharzt für Orthopädie, Chirotherapie und Sportmedizin Dr. K.. Dieser ist in seinem Gutachten vom 20. März 2008 zu dem Ergebnis gelangt, die MdE aufgrund der Unfallfolgen sei ab dem 9. März 2006 mit 20 v. H. zu bewerten. Bei der Klägerin bestehe ein Zustand nach Atlasfraktur unter Mitverletzung der Ligamenta alaria mit verbliebener Fehlstellung und daraus resultierender Bewegungseinschränkung und begleitenden cervicoencephalen Symptomen, diskret beginnende degenerative Veränderungen von BWS und LWS sowie geringgradige endgradige Bewegungseinschränkung beider Schultergelenke. Die Verletzung im Bereich des Kopfgelenkes sei unfallbedingt, die aufgeführten Veränderungen im Bereich der Brustwirbelsäule (BWS) und Lendenwirbelsäule (LWS) und der Schultergelenke dagegen degenerativer Natur. Es werde im vorliegenden Fall der unfallbedingten Verletzung nicht gerecht, alleine auf die Bewegungseinschränkung im Bereich der ersten beiden Halswirbel abzustellen, da die sog. Kopfgelenke (C 0/1 und C 1/2) sich funktionell anatomisch anders verhielten als die übrige Wirbelsäule. In dem Buch von H.D. Wolf: "Die Sonderstellung des Kopfgelenkbereiches" sei nachzulesen, dass es sich bei der stattgehabten Verletzung der Klägerin um eine sehr schwere Beschleunigungsverletzung handele mit einer knöchernen Verletzung eines Wirbels bzw. Wirbelbogens und dass daraus resultierend sich eine sog. enzephale Symptomatik entwickeln könne, welche sich in Kopfschmerzen, Nackenschmerzen, Schwindel und auch psychischen Störungen manifestieren könne. Eine mögliche Erklärung für die anhaltende Beschwerden der Klägerin sei in einer Hirnstammläsion vor allem bei starker Hyperflexion zu sehen. Wolf führe in seinem Buch weiter aus, dass bei dieser sehr schweren Beschleunigungsverletzung der HWS eine Mindest-MdE von 30 v.H. bis zum Ablauf des zweiten Unfalljahres gegeben sei. Anlehnend an die Ausführungen in seinem Buch und der auch jetzt noch in der klinischen Untersuchung nachweisbaren Fehlstellung von C 1 nach rechts lateral und der daraus resultierenden Bewegungseinschränkung von C 1/2 in der Rotation nach rechts seien die von der Klägerin angegebenen Symptome im KopfNacken-Bereich als Unfallfolge zu werten.  
 
Mit Urteil vom 29. Mai 2009 hat das Sozialgericht Gießen die Beklagte verurteilt, der Klägerin unter Abänderung des Bescheides vom 8. März 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Juli 2006 Verletztenrente auf unbestimmte Zeit nach einer MdE von 20 v.H. zu zahlen. Zur Begründung hat es ausgeführt, es stehe aufgrund des bei Dr. K. eingeholten Gutachtens fest, dass wegen der korrekt mit Bescheid vom 8. März 2006 anerkannten Unfallfolgen eine MdE von 20 v. H. festzustellen sei. Bei dem Verletzungsbild der Klägerin handele es sich um einen Fall, bei dem eine MdE knapp unter bzw. gerade im rentenberechtigenden Grade im Streite stehe. So hätten die im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten jeweils Einzel-MdE-Sätze von 10 v. H. ergeben. Prof. H. habe dies zu einer Gesamt-MdE von 15 v. H., also knapp unterhalb des rentenberechtigenden Grades, zusammengefasst. Schon allein daraus folge, dass es sich hier um einen Grenzfall handele. Die im Gutachten von Dr. K. genannten Argumente zur Feststellung einer MdE im rentenberechtigenden Grade seien demgegenüber für das Gericht in höherem Maße überzeugend. Dr. K. habe ausführlich dargestellt, dass es sich um ein kompliziertes Verletzungsbild mit gegenseitigen Beeinflussungen der Funktionseinschränkungen auf chirurgischem Fachgebiet und den neurologischen Störungen handele. Er habe sich dabei auf die Ausführungen von H.-D. Wolff in seinem im Gutachten exakt zitierten Standardwerk bezogen. Dies sei für die Kammer nachvollziehbar. Im Übrigen sei die Beklagte daran festzuhalten, dass sie mit dem streitigen Bescheid vom 8. März 2006 selbst eingeräumt habe, dass nicht nur die körperliche Funktionseinbuße bei der Bewertung der MdE herangezogen werden müsse, sondern dass auch und insbesondere noch 3 ½ Jahre nach dem Unfall Funktionseinschränkungen auf psychischem Fachgebiet bestünden, die auf den Unfall zurückzuführen seien. In der Gesamtbetrachtung führe dies zur Überzeugung der Kammer zur Feststellung einer MdE von 20 v. H. Die im Laufe des erstinstanzlichen Verfahrens von der Beklagten eingeführten Stellungnahmen von Prof. Dr. H. vom 24. April 2008 und 16. Oktober 2008 hätten demgegenüber keine Berücksichtigung finden können, da sie gegen die prozessualen Beweisverwertungsgrundsätze und insbesondere gegen die speziell im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung geltenden Einschränkungen der Übermittlungsbefugnisse nach § 200 SGB VII verstießen.  
 
Das Urteil ist der Beklagten am 9. September 2009 zugestellt worden. Am 30. September 2009 hat die Beklagte hiergegen Berufung vor dem Hessischen Landessozialgerichts erhoben. 
 
Das Gericht hat zunächst Beweis erhoben durch Einholung einer ergänzenden Stellungnahme des bereits erstinstanzlich angehörten Sachverständigen Dr. K. vom 14. Mai 2010, der darin auf die seitens der Beklagten mit der Berufungsbegründung vorgetragenen Einwände gegen sein Gutachten erwidert hat. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 193 Gerichtsakte Bezug genommen. 
 
Nachfolgend hat das Gericht ein weiteres Gutachten auf orthopädischem Fachgebiet eingeholt, das am 13. Dezember 2010 durch den Facharzt für Orthopädie, physikalische und rehabilitative Medizin Dr. L. erstattet worden ist. Dieser hat zunächst bestätigt, dass sich die Klägerin bei dem Unfall einen Bruch des ersten HWK (Atlasfraktur, hier sog. „Jefferson-Fraktur") zugezogen hat. Der Bruch des HWK 1 sei knöchern stabil ausgeheilt. Unfallbedingt verblieben seien reizlose Narbenverhältnisse im Bereich der ehemaligen Eintrittsstelle der Fixierschrauben des Halo-Fixateur-Systems im seitlichen Stirn- bzw. Hinterkopfbereich sowie eine leichtere Einschränkung der Beweglichkeit der HWS für die Rechtsdrehung des Kopfes in Neutralstellung. Es bestünde klinisch kein Hinweis für eine cervikale Nervenwurzelreizung. Orthopädischerseits seien die von der Klägerin berichteten rezidivierenden Kribbelparästhesien im rechten Arm nicht nachvollziehbar. Unfallunabhängig bestünden bei der Klägerin darüber hinaus röntgenologisch für den Bereich der BWS und LWS im Jahr 2008 dokumentierte initiale Verschleißveränderungen. Die Beweglichkeit des Rumpfes sei frei und es bestehe kein Hinweis für eine thorakale bzw. lumbale, z.B. bandscheibenbedingte Nervenwurzelreizung. Unfallbedingt bestünden bei der Klägerin noch reizlose Narbenverhältnisse im Bereich der ehemaligen Eintrittsstellen der Fixierschrauben eines Halo-Fixateur-Systems im seitlichen Stirn- bzw. Hinterkopfbereich mit einer leichteren Einschränkung der Beweglichkeit der HWS für die Rechtsdrehung des Kopfes in Neutralstellung nach konservativ behandelter, röntgenologisch durchbauter Fraktur des ersten Halswirbelkörpers. Unfallunabhängig seien hingegen die initialen Verschleißveränderungen für die BWS und LWS bei freier Rumpfbeweglichkeit und ohne Hinweis für eine z.B. bandscheibenbedingte Nervenwurzelreizung, Senk-/Spreizfüße beidseits, ohne eine dadurch bedingte Beeinträchtigung des Steh- bzw. Gehvermögens sowie das Übergewicht der Klägerin. Die MdE auf orthopädisch-unfallchirurgischem Fachgebiet werde mit 10 v. H. eingeschätzt. 
Eine im Gutachten von Dr. K. angeführte „geringgradige Bewegungseinschränkung" der Schultergelenke" habe im Rahmen der aktuellen Begutachtung nicht festgestellt werden können.  
 
Ein Gutachten auf psychiatrischem Fachgebiet ist am 14. Juni 2011 durch den Arzt für Psychiatrie und Psychotherapie, Neurologie, Innere Medizin, Endokrinologie und Forensische Psychiatrie Prof. Dr. M. für das Gericht erstattet worden. Danach habe er bei der psychiatrischen Untersuchung der Klägerin eine Agoraphobie (ICD-10 F 40.0) festgestellt. Hierdurch komme es zu einem Vermeidungsverhalten in größeren Menschenmengen, einem Schutzbedürfnis beim Verlassen des Hauses und Schwierigkeiten beim Autofahren. Diese Gesundheitsbeeinträchtigung sei nicht Folge des Unfallereignisses vom 14. Februar 2002. Die Störung habe im Sinne einer Verschiebung der Wesensgrundlage keinen rentenrelevanten Zusammenhang mehr mit dem Unfallereignis, sei vielmehr mit einem psychischen Vorschaden der Klägerin in Form einer psychischen Verwundbarkeit (Vulnerabilität) ursächlich verknüpft. Durch den Unfall sei es zunächst verdachtsweise zu einer posttraumatischen Belastungsstörung gekommen. Differentialdiagnostisch müsse insoweit auch eine Anpassungsstörung mit Angst und Depression in Erwägung gezogen werden, da das Unfallereignis nicht zweifelsfrei geeignet gewesen sei, eine posttraumatische Belastungsstörung hervorzurufen. Auch sei die zeitliche Latenz im Verhältnis zu dem Unfallereignis relativ groß, wenngleich durch das Tragen des Fixateurs extern zunächst die psychische Problematik möglicherweise in den Hintergrund getreten sei. Hinsichtlich dieser vorübergehenden Gesundheitsstörung habe das Unfallereignis als alleinige wesentliche Ursache mitgewirkt und auch keine vorbestehende Gesundheitsbeeinträchtigung wesentlich oder richtungsgebend verschlimmert. Die unfallbedingte MdE auf psychiatrischem Fachgebiet sei ab dem Unfalltag bis zur Begutachtung durch Frau J. mit 30 v. H. und anschließend mit unter 10 v. H. zu bewerten. Eine Abweichung in der Bewertung der Unfallfolgen auf psychiatrischem Gebiet bestehe lediglich mit einem vorliegenden Bericht des Dr. F. vom 26. Juni 2006. Obgleich Dr. F. in seiner Untersuchung am 31. Oktober 2003 die deutliche Rückläufigkeit der Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung feststellt und explizit berichtet habe, die Klägerin habe wieder Lebensmut gefasst und es seien keine depressiven Symptome mehr festzustellen, stelle er nun offensichtlich nach einmaliger Vorstellung am 23. Mai 2006 wiederum die Diagnose der posttraumatischen Belastungsstörung, wobei dies ausschließlich auf Schilderung dieser Symptome durch die Klägerin beruhe. 

Die Beklagte sieht die angefochtene Verwaltungsentscheidung durch das Ergebnis der Ermittlungen des Gerichts im Berufungsverfahren bestätigt. Sie verweist zusätzlich auf das Ergebnis ihrer medizinischen Ermittlungen zur Abklärung der Voraussetzungen für die Gewährung beruflicher Rehabilitationsmaßnahmen, insbesondere ein Gutachten des Facharztes für Neurologie, Psychiatrie, Psychotherapie und Forensische Psychiatrie Dr. N. vom 21. Oktober 2011.  
 
Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 29. Mai 2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen. 
 
Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen. 
 
Zur Begründung hat sie vorgetragen, der Sachverständige Prof. Dr. M. habe in seinem Gutachten maßgebliche Umstände außer Acht gelassen und komme zu einer Situationsdiagnose, die maßgebliche Umstände durch vage Erläuterungen und Bewertungen in ihrer Bedeutung herabsetze oder Sachverhaltsmerkmalen eine Bedeutung beimesse, die ihnen nicht zukämen. So leide die Klägerin fortwährend unter Symptomen wie Alpträumen und Flashbacks. Auch die massive Gewichtszunahme nach dem Unfall mache deutlich, dass eine schwerwiegende psychische Verletzung mit dem Unfall einhergegangen sei. Er wage sich letztlich nicht die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung auszuschließen, sondern halte sie als Verdachtsdiagnose weiterhin aufrecht. Dies sei vor dem Hintergrund der von ihm selbst vorgenommenen Darstellung der Massivität der psychischen Belastung durch das Unfallgeschehen nicht nachvollziehbar. Letztlich schließe Prof. Dr. M. ein posttraumatisches Belastungssyndrom aus, da er in der Akte keine genauen Angaben zum Unfallgeschehen finde. Diesbezüglich sei gegebenenfalls eine weitergehende Beweisaufnahme, beispielsweise durch Beiziehung der polizeilichen Ermittlungsakte angemessen, statt eine zuvor von anderen Sachverständigen getroffene Diagnose damit abzutun, dass nicht eindeutig geklärt sei, ob die Klägerin längere Zeit im Fahrzeug eingeklemmt gewesen sei. Im Übrigen stelle der Sachverständige selbst fest, dass das Unfallgeschehen und die erlittenen Verletzungen lebensgefährdend gewesen seien. Angesichts dessen hätte eine Bewertung zugunsten der Feststellung eines Belastungssyndroms statt dessen Verneinung erfolgen müssen. Mit unmaßgeblichen Herleitungen, wie beispielsweise der Annahme einer bereits vor dem Unfall bestehenden psychischen Verwundbarkeit, werde von ihm die bisherige Diagnostik ausgeschlossen und eine Agoraphobie diagnostiziert. Die Klägerin leidet jedoch nicht maßgeblich unter einer Angst vor öffentlichen Straßen, Plätzen und Menschenmengen, sondern vielmehr unter Angstsymptomen bei der Benutzung von Verkehrsmitteln. Dieser Umstand sei sicherlich eine Konsequenz aus dem Unfallgeschehen und dem dabei Erlebten. Eine andere Sichtweise sei von keinem der bisherigen Sachverständigen an den Tag gelegt worden. Es könne ferner nicht angehen, dass eine belastende Situation im Zuge einer Auseinandersetzung am Arbeitsplatz dafür herangezogen werde, dass ein lebensgefährlicher, Jahre später stattfindender Unfall, der unstreitig lebensgefährlich gewesen sei und auch dessen Nachwirkungen als erheblich psychisch belastend vom Sachverständigen angesehen werden, dazu diene, die Diagnose eines posttraumatischen Belastungssyndroms auszuschließen. Hierfür gebe es keinerlei medizinische Berechtigung. Die Klägerin sei zum Zeitpunkt des Unfalles nicht maßgeblich psychisch erkrankt gewesen. Wenn der Sachverständige die aktuellen psychischen Schädigungen der Klägerin mit einem medizinisch keineswegs feststellbaren psychischen Vorschaden aufgrund der Probleme am Arbeitsplatz in den Jahren 1999 und 2000 begründe, während das massive und psychisch erheblich schwerwiegendere Unfallereignis in seiner Ursächlichkeit auszuschließe, widerspreche dies den Grundsätzen der Logik. Im Ergebnis sei das Gutachten von Prof. Dr. M. weder schlüssig noch nachvollziehbar begründet und enthalte keine hinreichende Auseinandersetzung mit den Feststellungen der vorbefassten Sachverständigen und Medizinern. 
 
Wegen der weiteren Einzelheiten und dem Vorbringen der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte sowie die Beklagtenakte Bezug genommen, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.  
  
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e 
 
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Gießen ist zulässig und begründet. 
 
Die Abänderung des Bescheides der Beklagten vom 8. März 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. Juli 2006 sowie die Verurteilung der Beklagten zur Gewährung von Rente an die Klägerin sind zu Unrecht erfolgt. Die genannten Bescheide sind nicht zu beanstanden. Die Beklagte hat darin zu Recht die Gewährung einer Rente an die Klägerin aufgrund der Folgen des Arbeitsunfalls vom 15. Juli 2002 abgelehnt. 
 
Nach § 56 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII) - haben diejenigen Versicherten Anspruch auf eine Rente, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalles, nämlich eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit (§ 7 Abs. 1 SGB VII), über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist. Nach § 72 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII werden Renten an Versicherte von dem Tag an gezahlt, der auf den Tag folgt, an dem der Anspruch auf Verletztengeld endet. 
 
Vorliegend besteht zunächst kein Streit, dass die Klägerin am 15. Juli 2002 einen grundsätzlich entschädigungspflichtigen Arbeitsunfall erlitten hat. Weiterhin bedürfen auch die hierdurch verursachten Unfallfolgen vorliegend keiner erneuten gerichtlichen Überprüfung im Berufungsverfahren. Die Beklagte hat mit Bescheid vom 8. März das Ereignis vom 15. Juli 2002 als Arbeitsunfall mit folgenden Unfallfolgen anerkannt: „Reizlose Stirn- und Hinterhauptnarben nach HaIo-Fixateur-Behandlung, endgradig eingeschränkte Drehfähigkeit des Kopfes auf der HWS nach rechts, lokale Belastungsbeschwerden der oberen HWS, röntgenologisch erkennbare Veränderungen im ehemaligen Bruchbereich sowie leichte Störung der Aufmerksamkeits- und Belastungsfähigkeit als Restsymptome einer posttraumatischen Belastungsstörung nach Atlasberstungsbruch (Jefferson-Fraktur Typ III)." Bezüglich der Anerkennung des Arbeitsunfalles besteht zwischen den Beteiligten kein Streit. Hinsichtlich der Feststellung der vorgenannten Unfallfolgen wurde vom Sozialgericht Gießen keine Veränderung des Bescheides vom 8. März 2006 herbeigeführt. In den Entscheidungsgründen des Urteils vom 29. Mai 2009 wurde vielmehr ausdrücklich ausgeführt, dass die Unfallfolgen von der Beklagten im Bescheid vom 8. März 2006 „korrekt anerkannt“ worden seien. Hiergegen wurde seitens der Klägerin keine Berufung erhoben, so dass sich aufgrund der Bindungswirkung der insoweit rechtskräftigen Entscheidung an dieser Stelle Ausführungen zur Feststellung der Unfallfolgen erübrigen.  
 
Die Bescheide der Beklagten wurden durch das Sozialgericht nur insoweit abgeändert, als die Beklagte verurteilt wurde, der Klägerin aufgrund der sich aus den vorgenannten Unfallfolgen ergebenden MdE Verletztenrente zu zahlen. Die hiergegen seitens der Beklagten erhobene Berufung ist begründet. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme im Berufungsverfahren besteht kein Anspruch der Klägerin auf Auszahlung einer Rente, da die MdE aufgrund der Unfallfolgen nach der Beendigung der Zahlung von Verletztengeld zum 8. Juli 2006 nicht wenigstens 20 v. H. beträgt. 
 
Die Bemessung des Grades der MdE ist eine Tatsachenfeststellung, die das Gericht nach § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung trifft (vgl. Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 5. September 2006, Az. B 2 U 25/05 R sowie Urteil vom 2. Mai 2001, Az. B 2 U 24/00 R m.w.N.). Dies gilt für die Feststellung der Beeinträchtigung des Leistungsvermögens des Versicherten ebenso wie für die auf der Grundlage medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher oder seelischer Beeinträchtigungen zu treffende Feststellung der ihm verbliebenen Erwerbsmöglichkeiten. Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, sind eine wichtige und vielfach unendliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher oder seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE geschätzt werden (BSG, Urteil vom 2. Mai 2001, s.o.). Die zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind deshalb bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel (BSG, Urteil vom 5. September 2006 s. o.; Urteil vom 22. Juni 2004, Az. B 2 U 14/03 R). Eine Gesamt-MdE ist dann zu bilden, wenn durch einen Versicherungsfall verschiedene Organe betroffen bzw. Erkrankungen auf verschiedenen Fachgebieten verursacht worden sind. Zur Bildung der Gesamt-MdE sind die für den jeweils eingetretenen Gesundheitsschaden bzw. das jeweils verletzte Organ maßgeblichen MdEWerte zunächst getrennt zu bemessen. Die Gesamt-MdE ergibt sich dann aus der Summe der Funktionseinbußen im Einzelfall. Überschneiden sich die Funktionseinbußen, so ist die Gesamt-MdE in der Regel niedriger als die Summe der einzelnen MdE-Sätze. Liegen keine Überschneidungen vor, so entspricht die Gesamt-MdE in der Regel der Summe der einzelnen MdE-Sätze. Stehen die verschiedenen Funktionseinschränkungen allerdings in Wechselwirkung zueinander, so kann die Gesamt-MdE auch höher als die Summe der einzelnen MdE-Sätze sein (Scholz in jurisPK-SGB VII, 2. Aufl. 2014, § 56 SGB VII Rn. 67). 
 
Unter Beachtung der vorstehenden Grundsätze ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus den im Laufe des Berufungsverfahrens eingeholten Gutachten von Dr. L. und Prof. Dr. M., dass die MdE aufgrund der Unfallfolgen seit dem 8. Juli 2006 auf orthopädischchirurgischem Fachgebiet 10 v. H. und auf psychiatrischem Fachgebiet weniger als 10 v. H. beträgt und damit insgesamt einen rentenberechtigenden Umfang von mindestens 20 v. H. nicht erreicht. 
 
Der Sachverständige Prof. Dr. M. hat in seinem wissenschaftlich begründeten und nachvollziehbaren Gutachten vom 14. Juni 2011 ausgeführt, dass die Einzel-MdE bezüglich der auf psychiatrischem Fachgebiet eingetretene Unfallfolge „leichte Störung der Aufmerksamkeits- und Belastungsfähigkeit als Restsymptome einer posttraumatischen Belastungsstörung“ im Zeitraum nach der Untersuchung bei der Sachverständigen J. und folglich auch zu dem für den Rentenanspruch maßgeblichen Zeitpunkt der Beendigung des Bezugs von Verletztengeld zum 8. März 2006 weniger als 10 v. H. beträgt. Damit steht er im Wesentlichen im Einklang mit der Einschätzung der Sachverständigen J., die in ihrem Gutachten vom 29. Dezember 2005 nach dem Eintritt einer erheblichen Besserung der zunächst unfallbedingt eingetretene posttraumatischen Belastungsreaktion diesbezüglich nur eine noch leichte Reststörung festzustellen vermochte. Insoweit erscheint dem Senat die von Prof. Dr. M. hierfür in Ansatz gebrachte MdE von unter 10 v. H. eher nachvollziehbar als die etwas höhere Bewertung der Sachverständigen J. mit 10 v. H., da die von Frau J. genannten Beeinträchtigungen der Klägerin auf psychiatrischem Gebiet weit überwiegend auf die von ihr festgestellte unfallunabhängige Angststörung zurückzuführen sind, während sich Hinweise auf konkrete Einschränkungen infolge der abklingenden posttraumatischen Belastungsreaktion ihrem Untersuchungsergebnis letztendlich nicht entnehmen lassen. 
 
Das klägerische Vorbringen in der Berufungsinstanz und insbesondere die Einwände gegen das Gutachten von Prof. Dr. M. verkennen, dass von diesem und auch von der Beklagten der Eintritt einer posttraumatischen Belastungsstörung der Klägerin infolge des Unfalls letztendlich nicht in Abrede gestellt wurde. Von Prof. Dr. M. wurde dabei in Übereinstimmung mit den im Verwaltungsverfahren hierzu angehörten Sachverständigen G. und J. eine hieraus resultierende MdE auf psychiatrischem Fachgebiet ab dem Unfalltag bis zur Begutachtung durch Frau J. am 29. Dezember 2005 mit 30 v. H. in Ansatz gebracht. Auch ansonsten stehen die Bewertungen von Prof. Dr. M. mit den Vorgutachten durchaus in Einklang. So besteht zwischen den Gutachten von Frau J. und Prof. Dr. M. insoweit Übereinstimmung, dass die bei der Klägerin festgestellten Angststörung, welche von Frau J. als „ängstliche (vermeidende) Persönlichkeitsstörung, Essattacken bei psychischen Störungen sowie Adipositas“ sowie von Prof. Dr. M. als „Agoraphobie mit Vermeidungsverhalten in größeren Menschenmengen, einem Schutzbedürfnis beim Verlassen des Hauses und Schwierigkeiten beim Autofahren“ diagnostiziert worden ist, nicht auf die Folgen des Arbeitsunfalls zurückgeführt werden kann. 

Im Übrigen ergibt sich auch aus den im Verwaltungsverfahren eingeholten Befundbericht von Dr. F. vom 3. November 2003, dass sich bereits zu diesem Zeitpunkt die Folgen der unfallbedingt eingetretenen posttraumatischen Belastungsstörung deutlich gebessert hatten. Danach habe die Klägerin ihm mitgeteilt, dass sie wieder kurze Strecken mit dem Auto fahre, dabei aber Fahrstrecken mit unbekannten Kurven meide. Sie habe wieder etwas mehr Lebensmut gefasst und nicht mehr die depressiven Symptome wie noch vor einem Vierteljahr. Auch die Albträume und Flashbacks seien besser geworden. Eine psychotherapeutische Behandlung sei von ihr bislang nicht durchgeführt worden. Auch die medikamentöse antidepressive Behandlung werde von ihr derzeit nicht weitergeführt. Die Feststellungen von Dr. F. entsprechen auch den Ausführungen in dem Bericht des Berufshelfers zu einem Gespräch mit der Klägerin am 23. September 2003. Danach wurde von diesem in einem Vermerk vom 25. September 2003 festgehalten, dass „aus psychotherapeutischer Sicht bisher noch nicht viel gelaufen sei“. Die Klägerin habe erst einen Vorstellungstermin bei Dr. F. gehabt. Die Klägerin habe in dem Gespräch mitgeteilt, der sie zwischenzeitlich mit dem Unfallereignis wesentlich besser umgehen könne. Sie könne mittlerweile auch selbst wieder Autofahren.  
 
Angesichts dieses deutlichen Rückgangs der Auswirkungen der posttraumatischen Belastungsstörung bereits im Herbst 2003, welche zudem ohne Durchführung therapeutischer Maßnahmen sowie medikamentöser Behandlung erfolgte, vermag der Senat die Einschätzung der MdE mit 30 v. H. der Sachverständigen G. im Gutachten vom 28. Mai 2004 nicht nachzuvollziehen. Dies gilt insbesondere, da von der Sachverständigen die anhaltende Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit der Klägerin nur teilursächlich auf den Arbeitsunfall zurückgeführt wurde, ohne insoweit eine nachvollziehbare Abgrenzung der MdE einerseits durch die Unfallfolgen sowie andererseits durch unfallunabhängige psychische Erkrankung vorzunehmen. Mit der ihrerseits erfolgten Einschätzung der MdE steht weiterhin nicht in Einklang, dass der psychopathologische Befund der Klägerin von der Sachverständigen als „objektiv betrachtet nicht wesentlich auffällig" beschrieben wurde. Da die Klägerin zu diesem Zeitpunkt noch im Bezug von Verletztengeld stand und somit ein Rentenanspruch ohnehin nicht zu prüfen war, kann dies vorliegend allerdings dahingestellt bleiben. Jedenfalls für den Zeitpunkt nach Beendigung der Verletztengeldzahlungen lassen sich aus dem Gutachten der Sachverständigen G. keine Rückschlüsse für eine MdE in rentenberechtigenden Umfang ableiten. 
 
Ein Rentenanspruch ergibt auch nicht aufgrund des Zusammenwirkens der Unfallfolgen auf psychischem Fachgebiet mit weiteren Unfallfolgen auf anderen medizinischen Fachgebieten. Hinsichtlich der Auswirkungen der bei der Klägerin eingetretenen Unfallfolgen auf orthopädisch-chirurgischen Fachgebiet folgt der Senat den Gutachten von Prof. Dr. H. und Dr. L., während der abweichenden MdE-Beurteilung des Sachverständigen Dr. K. entgegen der Auffassung des Sozialgerichts Gießen nicht gefolgt werden kann. In dem Urteil des Sozialgerichts wird die Bewertung der MdE mit 20 v. H. unter Verweis auf das Gutachten des Dr. K. damit begründet, dass es sich bei den Unfallfolgen der Klägerin um ein kompliziertes Verletzungsbild mit gegenseitigen Beeinflussungen der Funktionseinschränkungen auf chirurgischem Fachgebiet und den neurologischen Störungen handelt. Während die Funktionseinschränkungen auf orthopädischunfallchirurgischem Fachgebiet von sämtlichen Sachverständigen auf diesem Fachgebiet im Wesentlichen übereinstimmend mit den im Bescheid festgestellten Unfallfolgen als „leichtere Einschränkung der Beweglichkeit der HWS für die Rechtsdrehung des Kopfes in Neutralstellung“ umschrieben und übereinstimmend mit einer MdE von 10 v. H. bewertetet worden sind, lassen sich die von Dr. K. seiner Bewertung zugrunde gelegten neurologischen Störungen weder aus seinen Untersuchungsergebnissen noch aus denen von Prof. Dr. H. und Dr. L. ableiten. Hinweise hierauf ergeben sich auch nicht aus den Befundberichten der behandelnden Ärzte der Klägerin. Dr. K. bezieht sich insoweit ausschließlich auf das von ihm zitierte Fachbuch von H.D. Wolf, wonach üblicherweise mit der unfallbedingt erlittenen HWK-Fraktur begleitenden cervicoencephale Symptome und eine enzephale Symptomatik einhergehen. Nachweise für die dabei unterstellten neurologischen Ausfallerscheinungen wurden in seinem Gutachten allerdings nicht beschrieben. Von Dr. L. wurde demgegenüber ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sich bei der Untersuchung der Klägerin klinisch keine Hinweise für eine cervikale Nervenwurzelreizung ergeben hätten und aus diesem Grund auch keine weitergehende neurologische Abklärung erforderlich sei. Damit steht er auch in Übereinstimmung mit der Feststellung der Unfallfolgen durch die Beklagte im Bescheid vom 8. März 2006, wo ebenfalls keine relevanten Funktionseinschränkungen auf neurologischem Fachgebiet beschrieben wurden. 
 
Insgesamt lassen sich damit Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit der Klägerin in rentenberechtigendem Umfang durch die Folgen des Arbeitsunfalls vom 15. Juli 2002 nicht feststellen. 
 
Die vom Sozialgericht im angefochtenen Urteil erfolgte Nichtberücksichtigung der seitens der Beklagten in das Verfahren eingeführten ergänzenden Stellungnahmen von Prof. Dr. H. nach § 200 SGB VII bedarf vorliegend keiner Entscheidung, da die Entscheidung des Senats nicht hierauf beruht und es folglich für das vorliegende Verfahren nicht auf die Verwertbarkeit dieser Stellungnahmen ankommt.  
 
Die Kostenentscheidung nach § 193 Abs. 1 SGG folgt der Entscheidung zur Hauptsache. 
 
Die Nichtzulassung der Revision ergibt sich aus § 160 Abs. 2 SGG

Rechtskraft
Aus
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